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Der Tokamak ist ein torusformiger Typ eines Fusionsreaktors der auf der Methode des magnetischen Plasmaeinschlusses beruht Ein Plasma aus Wasserstoffisotopen in einem torusformigen Gefass wird durch ein starkes Magnetfeld zusammengehalten dieses Feld wird anders als im Stellarator teilweise von einem im Plasma fliessenden elektrischen Strom erzeugt Die zurzeit 2019 leistungsfahigsten Anlagen zur Entwicklung der Fusionstechnik basieren auf dem Tokamak Prinzip Der Joint European Torus der derzeit grosste Tokamak in Betrieb seit 1983 Das Plasmagefass mit einem Durchmesser von 6 Metern und einer Hohe von 2 4 Meter ist hinter den orangefarbenen Eisenjochen der toroidalen Magnetfeldspulen sowie den Mess Heiz und Kuhlsystemen nahezu verborgen Zum Grossenvergleich beachte man den Techniker unten links Die Idee des Tokamaks geht auf den Wissenschaftler Ronald Richter zuruck und wurde spater vom sowjetischen Wissenschaftler Oleg Alexandrowitsch Lawrentjew aufgegriffen 1949 und 1952 von Andrei Sacharow und Igor Tamm weiterentwickelt In den 1950er Jahren wurden in der Sowjetunion die ersten vorbereitenden Experimente durchgefuhrt Als erster Tokamak gilt der sowjetische T3 von 1962 1 Das Wort ist die Transkription des russischen tokamak einer Abkurzung fur toroidalnaya kamera s magnitnymi katushkami toroidalnaja kamera s magnitnymi katuschkami tɔraiˈdalʲnaia ˈkamʲɛra s magˈnitnɨmi kaˈtuʃkami ubersetzt Toroidale Kammer mit Magnetspulen Zusatzlich bedeuten die ersten drei Buchstaben tok ubersetzt Strom und verweisen damit auf den Stromfluss im Plasma die entscheidende Besonderheit dieses Einschlusskonzepts Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklungsgeschichte 2 Konzept 2 1 Magnetfeld 2 2 Erzeugung des Plasmastroms Stromtrieb 3 Aufheizen des Plasmas 3 1 Ohmsche Heizung 3 2 Neutralteilcheninjektion 3 3 Magnetische Kompression 3 4 Mikrowellenheizung 4 Alternative der Stellarator 5 Mischformen zwischen den beiden Konzepten 6 Aktuelle Forschung 7 Dokumentationen 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEntwicklungsgeschichte Bearbeiten Hauptartikel Kernfusionsreaktor Gegen Mitte des 20 Jahrhunderts begann die erfolgreiche Entwicklung der zivilen Nutzung der Kernenergie und auch die Testexplosionen von Wasserstoffbomben verliefen wie geplant In den 1950er Jahren begannen Physiker die Moglichkeiten einer Energiegewinnung aus der kontrollierten Kernfusionsreaktion von Wasserstoff Isotopen zu erforschen Die Teilchen mussen dazu ein extrem heisses Plasma bilden in dem bei bestimmten Bedingungen siehe Lawson Kriterium die thermonukleare Reaktion selbsterhaltend ablauft Beim Einschluss des heissen Plasmas in ein klassisches Gefass wurde das Plasma sofort auskuhlen Um einen Abstand von der Gefasswand herzustellen ist die Lorentzkraft geeignet mit der durch magnetische Felder eine Kraft auf bewegte geladene Teilchen ausgeubt werden kann siehe auch Fusion mittels magnetischen Einschlusses Konzept BearbeitenMagnetfeld Bearbeiten nbsp Tokamak FelderZur Umsetzung dieses Ansatzes schlugen Sacharow und Tamm einen Torus formigen Fusionsreaktor vor dessen Ring von Feldspulen umschlossen ist deren toroidales Magnetfeld das im Torus rotierende Plasma eingeschlossen halt obere Abbildung Es wurde jedoch auch schon in der Theorie ein Problem erkannt das sich aus der Magnetohydrodynamik des Plasmas ergibt wonach die im inneren Bereich des Torus rotierenden Teilchen mit denen des ausseren Bereichs Verwirbelungen bilden Um dies zu vermeiden mussen die Teilchenbahnen zusatzlich eine Drehung innerhalb des Torus Querschnitts durchfuhren die magnetischen Feldlinien also spiralformig verlaufen Diese Verdrillung der Magnetfeldlinien wird beim Tokamak erreicht indem man im Plasma selbst einen elektrischen Strom entlang des Ringes fliessen lasst Der Strom erzeugt ein Magnetfeld mit poloidal verlaufenden Feldlinien mittlere Abbildung Dieses uberlagert sich dem durch die Spulen erzeugten toroidalen Feld so dass sich der gewunschte spiralformige Feldverlauf ergibt untere Abbildung Die Feldlinien schliessen sich nicht nach einem Umlauf um den Ring sondern bilden konzentrische mechanisch stabilere Schichten siehe auch Flussflache Die Elektronen und Ionen bewegen sich unter der Lorentzkraft auf engen schraubenartigen Bahnen um je eine Feldlinie Die Magnetspulen eines Fusionsreaktors nicht nur beim Tokamak mussen fur eine wirtschaftliche Netto Energiegewinnung aus Supraleitern bestehen damit ihr elektrischer Energiebedarf gering bleibt Erzeugung des Plasmastroms Stromtrieb Bearbeiten Das Funktionsprinzip wird im Folgenden mit einem Transformator verglichen Das Plasma kann als Sekundarwicklung eines Transformators wirken Als Primarwicklung wirkt eine zentrale Poloidal Feldspule im Torus Zentrum erganzt durch weitere koaxial mit dem Torus gelegene Ringspulen Dieses Verfahren den Plasmastrom durch elektromagnetische Induktion zu erzeugen kann allerdings wie bei jedem Transformator keinen Dauerstrom liefern da man den Primarstrom nicht standig steigern kann der Transformatorhub also begrenzt ist Von Zeit zu Zeit muss der Primarstrom abgeschaltet werden der Plasmaeinschluss geht wahrend der Pause verloren die Kernfusion setzt aus und muss danach neu gezundet werden Ein solcher Tokamak arbeitet also nicht kontinuierlich sondern gepulst Fur grosse Tokamaks wie ITER rechnet man mit Pulsdauern der Grossenordnung 15 Minuten Der Pulsbetrieb ware fur Leistungsreaktoren nur eine Notlosung denn die grossen Krafte die die Feldspulen aufeinander ausuben wurden dabei als Wechsellasten auftreten die Strukturteile also besonders stark beanspruchen Deshalb wird an anderen Techniken zum Erzeugen und Aufrechterhalten des Plasmastroms geforscht In Frage kommen vor allem die Neutralteilcheninjektion die zugleich auch zur Plasmaheizung dient siehe unten sowie die Einstrahlung elektromagnetischer Wellen der sogenannten unteren Hybridfrequenz 2 Man hofft mit diesen zusatzlichen Stromtriebmethoden einen kontinuierlichen Betrieb von Tokamak Kraftwerksreaktoren zu erreichen Aufheizen des Plasmas BearbeitenIm Fusionsreaktor wird ein Teil der Reaktionsenergie hauptsachlich die Ruckstossenergie das Plasma heizen und die Energieverluste zur Wand ausgleichen Dieser Zustand des Brennens setzt bei Tokamaks wegen der geringen Dichte und Energieeinschlusszeit erst bei uber 10 keV uber 100 Millionen C ein und muss fur jeden neuen Puls s o zunachst auf andere Weise erreicht werden Ohmsche Heizung Bearbeiten Das Kennzeichen des Tokamak Konzepts ist der im Plasma induzierte elektrische Strom Diese ohmsche Heizung bzw Widerstandsheizung bewirkt zwangslaufig auch eine Aufheizung des Plasmas Dabei handelt es sich um die gleiche Art von Aufheizung wie beim Gluhdraht einer Gluhlampe oder einer Elektroheizung Haartrockner Heizlufter Die Warmeleistung hangt vom Widerstand des Plasmas und der Spannung ab Da die Temperatur steigt nimmt der elektrische Widerstand des Plasmas ab und die ohmsche Heizung wird weniger effektiv Die durch ohmsche Heizung erreichbare Maximaltemperatur in einem Tokamak scheint bei etwa 20 30 Millionen C zu liegen Um hohere Temperaturen zu erreichen mussen andere Heizverfahren angewandt werden Neutralteilcheninjektion Bearbeiten Neutralteilcheninjektion bedeutet den Einschuss schneller Atome oder Molekule in das durch ohmsche Heizung aufgeheizte magnetisch eingeschlossene Plasma Auf ihrem Weg durch das Plasma werden die Atome ionisiert und deshalb vom Magnetfeld gefangen Dann ubertragen sie einen Teil ihrer Energie auf die Plasmateilchen indem sie wiederholt mit ihnen zusammenstossen und so die Plasmatemperatur erhohen Als Neutralteilchen kommen vor allem Deuterium und Tritium Atome in Frage sodass diese Plasmaheizung zugleich zur Brennstoffnachfullung beitragt Magnetische Kompression Bearbeiten Gase konnen durch plotzliche Erhohung des Drucks aufgeheizt werden Auf dieselbe Weise erhoht sich die Temperatur eines Plasmas wenn das einschliessende Magnetfeld starker wird In einem Tokamak wird diese Kompression erreicht indem das Plasma in eine Zone hoherer magnetischer Feldstarke verschoben wird z B nach innen Da Plasmakompression die Ionen einander annahert hat das Verfahren zusatzlich den Vorteil dass es die Erzielung der fur die Fusion erforderlichen Dichte erleichtert Mikrowellenheizung Bearbeiten Hauptartikel Zyklotron Resonanzheizung Hochfrequente elektromagnetische Wellen von geeigneter Frequenz und Polarisation werden durch Oszillatoren Gyrotrons oder Klystrons ausserhalb des Torus erzeugt Ihre Energie kann auf die geladenen Teilchen im Plasma ubertragen werden welche wiederum mit anderen Teilchen im Plasma kollidieren und so die Temperatur erhohen Es gibt verschiedene Methoden je nachdem ob die Energie zunachst auf die Elektronen oder die Ionen des Plasmas ubertragen wird Alternative der Stellarator Bearbeiten Hauptartikel Stellarator source source source source source source source track Video Wie arbeitet ein Kernfusionsreaktor mit Vergleich von Tokamak und Stellarator Die zweite Moglichkeit die zum Einschluss eines Plasmas in einem toroidalen Magnetfeld benotigte schraubenformige Verdrillung der Magnetfeldlinien herbeizufuhren ist der Stellarator Hier werden Torus oder Magnetfeldspulen selbst so verdrillt anschaulich in Form eines Mobiusbandes dass auch der poloidale im Querschnitt des Ringes wirksame Anteil des Feldes durch die Spulen erzeugt wird anstatt durch einen im Plasma induzierten Strom wie beim Tokamak Ein Stellarator benotigt somit keinen im Plasma fliessenden Strom der im klassischen Tokamak in der Art eines Transformators erzeugt wird und ist daher im Unterschied zum gepulsten Betrieb eines Tokamaks unmittelbar fur den Dauerbetrieb geeignet Wegen der komplexeren Spulengeometrie sind Konstruktion Fertigung Wartungs und Reparaturarbeiten jedoch aufwendiger Eine Optimierung der Spulengeometrie mittels leistungsfahiger Computerprogramme und die Fertigung solcher Spulen gelangen erst in den 1980er Jahren dadurch weist die Tokamak Entwicklung einen zeitlichen Vorsprung auf Mit Wendelstein 7 X wurde im nordostdeutschen Greifswald erstmals ein grosser Stellarator mit einer solchen optimierten Spulengeometrie aufgebaut um das Stellarator Konzept auf seine Eignung fur einen Fusionsreaktor zu untersuchen Dort wurden im Jahr 2018 bis zu 26 Sekunden bestehende Plasmen mit Temperaturen von 60 Millionen Grad erzeugt In den nachsten Jahren soll die Pulsenergie bis auf 20 MW erhoht und Plasmen bis zu 30 Minuten aufrechterhalten werden Mischformen zwischen den beiden Konzepten BearbeitenViele physikalische und technische Fragestellungen sind fur Tokamak und Stellarator ahnlich Es gibt zudem Mischformen zwischen den beiden Konzepten die Gegenstand aktueller Forschung sind Seitens der Tokamak Entwicklung wird untersucht inwieweit zusatzliche aussere Magnetfeldspulen mit helikal stellaratorartiger Symmetrie helfen konnen unerwunschte Instabilitaten am Plasmarand zu unterdrucken oder zu verringern Diese Plasmarand Instabilitaten sogenannte ELMs Edge Localized Modes lassen kurzfristig heisses Plasma aus der aussersten Schicht des eingeschlossenen Plasmas auf die Plasmawand und den Divertor prallen was wegen der hohen Leistungsdichte zu Schadigungen fuhren kann Um sie zu unterdrucken reichen anscheinend schon relativ geringe Magnetfelder aus das Gesamtsystem ist daher trotzdem im Wesentlichen ein Tokamak Seitens des Stellarators erlauben sogenannte quasi toroidale Magnetfeldgeometrien einen Teil der benotigten Verdrillung der Feldlinien uber den vom Druckgradienten des Plasmas selbst getriebenen Strom zu erzeugen Dies ware ahnlich einem Tokamak Aktuelle Forschung Bearbeiten nbsp Das Innere des DIII D Tokamaks in San Diego in Betrieb seit 1986 betrieben von General Atomics im Auftrag des US Energieministeriums Abmessungen Hohe 2 8 m grosser Radius 1 66 mDie bisher leistungsfahigsten Anlagen zum magnetischen Einschluss eines Fusionsplasmas waren Tokamaks Der 1984 fertiggestellte Joint European Torus JET in Culham nahe Oxford Grossbritannien ist der grosste in Betrieb befindliche Tokamak Hier sowie an der Anlage TFTR in Princeton wurde auch bereits mit der in einem Fusionskraftwerk benotigten Mischung aus Deuterium und Tritium experimentiert Die dabei erreichte Fusionsleistung betrug kurzfristig am JET 65 der zur Heizung des Plasmas aufgewendeten Leistung Fur grossere Fusionsleistungen sind grossere Dimensionen und verbesserte Einschlusseigenschaften des Magnetfelds erforderlich Zudem mussen weitere technische Fragen gelost werden wie die laufende Zufuhr neuen Brennstoffs und die Abfuhrung der Fusionsprodukte Helium die dauerhafte Kuhlung der supraleitenden Spulen oder die intermittierenden Zundungen ITER die nachstgrossere Tokamakanlage ist im sudfranzosischen Cadarache seit 2013 im Bau Stand 2020 Die Anlage soll bei einer Fusionsleistung von 500 MW erstmals einen Netto Energiegewinn demonstrieren jedoch noch keine elektrische Energie produzieren Das erste vollstandige Fusionskraftwerk wird nach jetzigen Planungen dessen Nachfolgeanlage DEMO sein In Deutschland wird das Tokamak Konzept derzeit an ASDEX Upgrade am Max Planck Institut fur Plasmaphysik in Garching bei Munchen untersucht Der Tokamak TEXTOR des Forschungszentrums Julich wurde Ende 2013 stillgelegt An der Italienischen Agentur fur neue Technologien Energie und Nachhaltige Entwicklung ENEA wird ein kompakter Tokamak mit einem hochmagnetischen Feld von bis zu acht Tesla betrieben der FTU Kompakte Hochfeld Tokamaks mit Fusionsplasma wurden von einigen Fusionsforschern als kleinere Alternative zu ITER zur Realisierung selbstbrennender Reaktoren verfolgt Nachdem der Alcator C Mod 2016 stillgelegt wurde gibt es weitere Plane IGNITOR SPARC STEP deren Umsetzung aber ungewiss ist Der HL 2M ein von China National Nuclear Corporation und dem Southwestern Institute of Physics in Leshan zu Forschungszwecken betriebener Tokamak erzeugt 150 Mio C heisses Plasma und wurde am 4 Dezember 2020 in Betrieb genommen 3 Im September 2018 loste eine Gruppe um Jong Kyu Park vom PPPL einige mathematische Probleme im Zusammenhang mit der Stabilisierung des Magnetfeldes Die Berechnungen wurden am KSTAR in Korea erfolgreich getestet 4 Dokumentationen BearbeitenHoffnung Kernfusion Der Traum von unendlich viel sauberer Energie TV Dokumentation in HD Deutschland 2023 fur ZDF und 3sat Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Tokamaks Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Deutsche Phys Gesellschaft Webseite Stand 31 Oktober 2011 Magnetisch eingeschlossene Fusionsplasmen Memento vom 5 Marz 2014 im Internet Archive Artikel Stromtrieb bei www techniklexikon net William Zheng China turns on its artificial sun in quest for nuclear fusion energy In South China Morning Post 5 Dezember 2020 abgerufen am 5 Dezember 2020 englisch John Greenwald Discovered Optimal magnetic fields for suppressing instabilities in tokamaks In Webseite des PPPL 10 September 2018 abgerufen am 18 September 2018 Normdaten Sachbegriff GND 4139323 5 lobid OGND AKS LCCN sh85135836 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tokamak amp oldid 238744011