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Tidinit auch tidnit hassania DMG tidinit Pl tidanaten ist eine gezupfte Binnenspiesslaute die in der westafrikanischen Sahara in Mauretanien und im Gebiet Westsahara traditionell von nomadisierenden Berbervolksgruppen gespielt wird Sie zahlt zu den Binnenspiesslauten mit Schalenresonator Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Bauform 3 Spielweise 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHerkunft BearbeitenDie beiden Grundformen westafrikanischer Lauteninstrumente langoval und kreisrund tauchen beide zugleich erstmals auf dem afrikanischen Kontinent zu Beginn der altagyptischen 18 Dynastie auf Wandgemalden in Grabkammern auf Die agyptischen Lauten besassen einen langen stockartigen Hals mit oder ohne Bunde aus Lederstreifen Von Agypten durften sich die Binnenspiesslauten den Nil aufwarts bis in das Konigreich von Kusch 7 Jahrhundert v Chr bis 4 Jahrhundert n Chr verbreitet haben Ab dem 3 oder 4 Jahrhundert n Chr kamen die ersten Stammesgruppen der Sanhadscha aus dem Osten oder Nordosten in das Gebiet der westlichen Sahara Sie fuhrten vermutlich nicht nur Kamele sondern auch Vorformen der heutigen Musikinstrumente in den Maghreb ein Bis zur arabischen Eroberung und Islamisierung Nordafrikas ab dem 8 Jahrhundert hatte sich die Kultur verschiedener Berberstamme sudlich bis zum schwarzen Konigreich von Gana ausgebreitet Die Binnenspiesslauten der Berber wie die gimbri im Norden der westlichen Sahara und ahnliche Musikinstrumente in der sudlich angrenzenden Sahelzone wie die ngoni sind bis heute miteinander aber nicht mit den Schalenspiesslauten der spater eingefuhrten arabischen Musik verwandt Letztere kommen in den Gebieten Westafrikas vor die ab dem 11 Jahrhundert von Arabern islamisiert wurden 1 Der tidinit nahestehende Binnenspiesslauten sind in der Region die kastenformige dreisaitige gimbri sintir die von den Gnawa Musikern in Marokko gespielt wird die loutar der Imazighen Berber in Marokko die dreisaitige tahardent teharden der Tuareg die zwei oder dreisaitige keleli der Tubu im Norden des Tschad und als weiteres Beispiel aus dem schwarzafrikanischen Suden die drei bis viersaitige ngoni aus Mali die im Senegal den Wolof Namen xalam tragt Binnenspiesslauten werden stets gezupft wahrend Spiesslauten auch gestrichen werden etwa die einsaitige Fiedel ribab der marokkanischen Schloh Berber und die goge der Hausa Die tidinit wird in Mauretanien nur von Mannern gespielt Moglicherweise ebenfalls aus Agypten stammt das Melodieinstrument der Frauen die Bogenharfe ardin Sie wurde erstmals im 17 Jahrhundert von einem franzosischen Reisenden erwahnt Bauform Bearbeiten1950 wurden fur Mauretanien zehn Arten von Musikinstrumenten gelistet von denen die meisten einen schalenformigen Resonanzkorper besitzen der oben mit einer Haut uberspannt ist Die tidinit hat einen schlanken ovalen und haufig in der Mitte leicht taillierten Korpus tazuwwa aus einer Kalebasse oder meist aus dem Holz von Balsamodedron africanum anderer Name Commiphora africana auf Hassaniya heisst der drei bis vier Meter hohe Baum adreṣ Pl Der Korpus wird aus einem Stuck Holz gefertigt das mit einem Dexel neǧǧar m nǧaǧir Pl dunnwandig ausgehohlt wird Die Feinarbeit erfolgt mit Messern und Raspeln Die Resonanzdecke besteht aus einer entfetteten aber ungegerbten Tierhaut Im Unterschied zu gegerbtem Leder wird diese Rohhaut sehr hart und bleibt fest Die in Wasser gequollene Haut ist in nassem Zustand weich und kann uber den Korpus gezogen und seitlich angedruckt werden Beim Trocknen schrumpft die Haut und bildet eine stark gespannte Membran Unter Ausnutzung dieser Zugkrafte werden mit Hautstreifen anderweitig Holzteile miteinander fixiert Die tidinit wird zu den Binnenspiesslauten gerechnet weil der lange runde Saitentrager aus einer Holzstange langs in der Mitte bis kurz vor das untere Ende im Korpus gefuhrt wird und dort nicht aus dem Korpus hinausragt Hier enden die vier Saiten aus Pferdehaar 2 neuerdings aus Darm oder Nylon 3 die am Saitentrager nicht mit Wirbeln sondern einfacher mit Lederstreifen befestigt werden Ahnlich aufgebaut ist auch die einsaitige Tuareg Streichlaute imzad Unter dem Steg ist meist ein kreisrundes Schallloch in die Membran geschnitten das als Auge bezeichnet wird Es sollte etwa den Durchmesser eines Teeglases haben Die Saiten werden direkt hinter dem maximal zwei Zentimeter hohen Steg zusammengefasst und in das Loch gefuhrt wo sie innen an der Holzstange befestigt werden Die Schalldecke ist meist mit geometrischen Mustern schwarz bemalt Der Hals ist bundlos die Saiten werden mit einem Plattchen ḍfer iggiw gezupft das mit einem Ring aus Leder am Daumen befestigt wird Spielweise BearbeitenIn Mauretanien musizieren berufsmassige Sanger und Lieddichter die Iggawen Sing iggiw genannt werden in einer stark hierarchischen in Klassen eingeteilten Gesellschaft Der allgemeine Begriff fur diese Musikerkaste in Westafrika ist Griot Die Iggawen leben traditionell in Grossfamilien innerhalb der in Sudmauretanien grossen Zeltlager und wandern zwischen den Lagern Sie sind sozial niedrigstehend aber dennoch kommt keine Festveranstaltung ohne ihre Musikdarbietungen aus Die Manner singen und spielen Tidinit in kleinen Musikgruppen die Frauen singen zur Ardin und tanzen Die Musiktheorie kennt etwa 30 verschiedene tonale melodische Grundbestandteile die in verschiedene modale Klassen zugeordnet werden Das musikalische Wissen wird mundlich uberliefert Die Tidinit ist das einzige Instrument mit dem die komplexen Grundlagen der Musik praktisch weitergegeben werden 4 Die verschiedenen modalen Charaktere der Musik werden auch durch definierte Spieltechniken ubit gepragt Ẓemd bezeichnet einen gedampften Ton areddas auch aseyyar ist ein Ton der durch starkeres Zupfen entsteht azgarit bezeichnet eine stakkatoartige Tonwiederholung engayʿ nennt sich das Vibrato mit einem niedergedruckten Finger der linken Hand Wird das Vibrato mit einem gedruckten unbeweglichen und einem zweiten schnell bewegten Finger davor erzeugt heisst es edgemgim Glissando wird nejra oder znit genannt 5 Eine stadtische Musikkultur mit grosseren Orchestern hat sich in einem Land in dem erst ab den 1940er Jahren ein gesellschaftlicher Wandel zu einer sesshaften Lebensweise begonnen hat und dessen Hauptstadt erst 1960 gegrundet wurde noch kaum entwickelt Dennoch lebt ein Grossteil der Griot Familien heute in Nouakchott einer Stadt in der fast ein Drittel der Gesamtbevolkerung des Landes untergekommen ist Dort ist die tidinit bei den ublichen Musikauffuhrungen zu Hochzeiten grossteils durch die E Gitarre ersetzt Die erste internationale Studioaufnahme mit mauretanischer Musik wurde von den Iggawen Musikern Khalifa Ould Eide und Dimi Mint Abba 1990 aufgenommen Nach der Halfte der Stucke auf der CD ubernimmt die E Gitarre von der tidinit die Gesangsbegleitung 6 Beide Instrumente werden von Khalifa Ould Eide gespielt der grossen Einfluss bei der Einfuhrung des neuen Instruments hatte 7 Bei den Sahrauis existieren keine sozialen Klassen die tidinit kann von jedem Musiker gespielt werden In der sahrauischen Haul Musik gibt es zwei Hauptinstrumente Das Melodieinstrument tidinit mit seinem leisen und weichen Klang wird von der von Frauen gespielten Fasstrommel T bal begleitet Der Burgerkrieg um das Territorium der Westsahara fuhrte Ende der 1970er Jahre zu sozialen Veranderungen die eine Egalisierung der Gesellschaft mit sich brachten die auch die Iggawen verschwinden liess Gleichzeitig wurde die tidinit in weiten Bereichen der Musik von der E Gitarre abgelost die nun mit der von der tidinit ubernommenen Spielweise fur eine weithin horbare Musik sorgt Sie eignet sich auch besser fur die neue Musikgattung der Polisario Revolutionslieder Literatur BearbeitenWolfgang Creyaufmuller Nomadenkultur in der Westsahara Die materielle Kultur der Mauren ihre handwerklichen Techniken und ornamentalen Grundstrukturen Burgfried Verlag Hallein Osterreich 1983 S 60 128 365 441Weblinks BearbeitenShlomo Pestcoe From Ancient Egypt to West Africa The Lute Connection Memento vom 28 Januar 2015 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Ulrich Wegner Afrikanische Saiteninstrumente Neue Folge 41 Abteilung Musikethnologie V Museum fur Volkerkunde Berlin 1984 S 136 Creyaufmuller S 441 Begleitheft zur 3 CD Box Sahrauis Intuition Music amp Media 1998 S 80 Jurgen Elsner Nordafrika In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Sachteil 9 1998 Sp 225 Ulrich Wegner S 141 Khalifa Ould Eide amp Dimi Mint Abba Moorish Music from Mauretania World Circuit 1990 WCD 019 Abba Dimi Mint Benaissi 1958 In Biographical Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa 2008 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tidinit amp oldid 230748832