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Der Thermodynamische Grenzfall oder Thermodynamischer Limes ist ein zentraler Begriff aus der Statistischen Physik der die Verbindung zwischen Statistischer Mechanik und Thermodynamik herstellt Es handelt sich dabei um das Grenzverhalten der Eigenschaften eines Systems das im Rahmen der Statistischen Physik beschrieben ist wenn dieses System stark vergrossert wird Mathematisch vollzieht man den thermodynamischen Limes indem man eine asymptotische Entwicklung vornimmt Der Thermodynamische Limes lasst die Teilchenzahl N displaystyle N sowie das Volumen V displaystyle V so gegen unendlich gehen dass die Dichte N V displaystyle N V konstant bleibt 1 2 N V mit N V const displaystyle begin aligned amp N to infty amp V to infty text mit quad amp N V text const end aligned Die wichtigste Eigenschaft des Thermodynamischen Grenzfalls ist in vielen Fallen das Verschwinden der statistischen Fluktuationen von Messgrossen Dies erlaubt es von einem System mit thermodynamischen Zustandsgrossen und Werten fur diese zu sprechen Die Thermodynamik kann somit als Thermodynamischer Grenzfall der Statistischen Mechanik verstanden werden Inhaltsverzeichnis 1 Beispiel Ideales Gas 2 Einordnung in die Physik 2 1 Phasenubergange 2 2 N Teilchen Computersimulationen 3 Ensemble 4 Quellen und EinzelnachweiseBeispiel Ideales Gas BearbeitenIm kanonischen Ensemble eines klassischen einatomigen idealen Gases unterliegt die Energie eines einzelnen Gasatoms einer Zufallsverteilung mit Mittelwert E 1 3 2 k B T displaystyle langle E 1 rangle 3 2 cdot k mathrm B cdot T nbsp und Varianz E 1 2 E 1 2 3 2 k B T 2 displaystyle langle E 1 2 rangle langle E 1 rangle 2 3 2 cdot left k mathrm B cdot T right 2 nbsp mit k B displaystyle k mathrm B nbsp fur die Boltzmann Konstante T displaystyle T nbsp fur die Temperatur 3 Da die Atome des idealen Gases voneinander unabhangig sind ergeben sich Mittelwert und Varianz eines Systems aus N displaystyle N nbsp Gasatomen nach dem zentralen Grenzwertsatz jeweils als das N displaystyle N nbsp fache des entsprechenden Wertes fur ein Teilchen Im thermodynamischen Grenzwert verschwindet die relative Breite der Energieverteilung Quotient aus Standardabweichung und Erwartungswert lim N N E 1 2 E 1 2 N E 1 0 displaystyle lim N to infty frac sqrt N cdot left langle E 1 2 rangle langle E 1 rangle 2 right N cdot langle E 1 rangle 0 nbsp Aus diesem Verschwinden der relativen statistischen Unsicherheit der Energie folgt die aus der Thermodynamik des Idealen Gases bekannte Relation E 3 2 N k B T displaystyle E frac 3 2 cdot N cdot k mathrm B cdot T nbsp in der die Gesamtenergie E displaystyle E nbsp des N displaystyle N nbsp Teilchen Systems nicht mehr eine Zufallsvariable sondern eine Zustandsgrosse mit eindeutigem Wert ist Einordnung in die Physik BearbeitenDer Thermodynamische Grenzfall ist innerhalb der Statistischen Physik von prinzipieller Bedeutung da seine Existenz die Anwendbarkeit der Thermodynamik sichert Ausserhalb der Statistischen Physik wird die Anwendbarkeit der Thermodynamik und damit implizit die Existenz des Thermodynamischen Grenzfalls oft schlicht angenommen oder hat sich in der Praxis als hinreichend gut erfullt erwiesen Trotz seiner wichtigen Rolle in der Statistischen Physik spielt der Thermodynamische Grenzfall daher in den meisten Gebieten der Physik oder in anderen Wissenschaften praktisch keine Rolle Phasenubergange Bearbeiten In der Theorie der Statistischen Physik der Phasenubergange gilt Phasenubergange existieren nur im Thermodynamischen Grenzfall endlich grosse Systeme konnen keine Phasenubergange haben 4 In der Praxis ist das Verhalten von Vielteilchensystemen oft bereits so ahnlich dem Verhalten im Thermodynamischen Grenzfall dass Unterschiede zu diesem weit unterhalb der experimentellen Messgrenzen liegen Das Verhalten eines solchen Systems ist also nicht unterscheidbar vom Grenzverhalten Man spricht daher in solchen Fallen trotz Endlichkeit des Systems von einem Phasenubergang N Teilchen Computersimulationen Bearbeiten Im Gegensatz zu experimentellen Systemen werden Computersimulationen aufgrund technischer Einschrankungen wie Speicherplatz und Rechenzeit oft fur Systemgrossen durchgefuhrt deren Verhalten sich noch deutlich vom Thermodynamischen Grenzfall unterscheidet So stellt sich im Zusammenhang mit der computerbasierten Analyse von Phasenubergangen das Problem dass existierende Phasenubergange in einer Simulation moglicherweise nicht zu erkennen sind Umgekehrt stellt sich das Problem dass in einer Simulation gesehene Anzeichen fur einen Phasenubergang moglicherweise im Thermodynamischen Grenzfall nicht Bestand haben der Phasenubergang kann beispielsweise bei einer anderen Temperatur liegen oder gar nicht existieren In Simulationen die von der benotigten Rechnerleistung her nicht zu aufwandig sind wird daher oft Finite size Scaling verwendet 5 6 deutsch etwa skalieren endlicher Systemgrossen Dabei werden aquivalente Systeme unterschiedlicher aber insgesamt noch geringer Grosse simuliert und anschliessend aus den unterschiedlichen Grossen der Systeme auf das Verhalten des Thermodynamischen Grenzwerts geschlossen Ensemble BearbeitenIm thermodynamischen Limes sind die Ensembles der statistischen Physik aquivalent Im mikrokanonischen Ensemble dessen gegebene Grossen die innere Energie E M K displaystyle E MK nbsp das Volumen V displaystyle V nbsp und die Teilchenanzahl N displaystyle N nbsp sind ist die Energie und die Teilchenzahl fixiert Im kanonischen Ensemble ist die Energie nicht fixiert sondern nur die Temperatur T displaystyle T nbsp jedoch gilt fur die Fluktuation des Mittelwerts der EnergieD E E K 1 N displaystyle frac Delta E E K propto frac 1 sqrt N nbsp Im thermodynamischen Limes kann man fur das kanonische Ensemble aquivalent zum mikrokanonischen Ensemble somit eine Energie E M K E K displaystyle E MK langle E K rangle nbsp definieren Die Begrundung fur die Aquivalenz des grosskanonischen Ensembles zum mikrokanonischen und kanonischen Ensemble im thermodynamischen Limes erfolgt analog wobei auch die veranderliche Teilchenzahl berucksichtigt werden muss Quellen und Einzelnachweise Bearbeiten Grundkurs Theoretische Physik 6 Statistische Physik Wolfgang Nolting Springer DE 2007 S 373 Google Books Introduction to Statistical Physics Kerson Huang Taylor amp Francis 2001 S 3 Google Books Diese Ausdrucke lassen sich aus der kanonischen Zustandssumme des entsprechenden einatomigen Gases berechnen Nigel Goldenfeld Lectures on Phase Transitions and the Renormalization Group Westview Press Advanced Book Program 1992 ISBN 0 201 55409 7 G Orkoulas Michael E Fisher A Z Panagiotopoulos Precise simulation of criticality in asymmetric fluids In Physical Review E 63 5 2001 S 051507 Kurt Binder Finite size scaling analysis of Ising model block distribution functions In Zeitschrift fur Physik B Condensed Matter 43 2 1981 S 119 140 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Thermodynamischer Grenzfall amp oldid 208145744