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Taras Borodajkewycz 1 Oktober 1902 in Wien Josefstadt 3 Janner 1984 in Wien 1 bis 1919 Taras von Borodajkewycz war ein osterreichischer nationalsozialistischer 2 Historiker Von 1955 bis zu seiner Zwangspensionierung 1971 war er Professor an der Wiener Hochschule fur Welthandel 3 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Universitatskarriere 3 Borodajkewycz Affare 4 Schriften 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenTaras Borodajkewycz wurde 1902 als Sohn des galizischstammigen Beamten Wladimir Borodajkewycz 23 April 1875 in Stryj Galizien und dessen Frau Henriette geborene Lowe 18 November 1876 in Wien geboren 1 4 Der Vater war zur Zeit seiner Geburt Konzipist bei den k k Staatsbahnen 1 und spater wie sich aus Eintragungen in Lehmanns Wiener Adressbuch ergibt Ingenieur und Beamter der dem k k Eisenbahnministerium direkt unterstehenden Staatsbahnen zuletzt mit dem Amtstitel Oberbahnrat Zu Borodajkewyczs Geburtsort gibt es in der Literatur unterschiedliche Angaben Neben Baden bei Wien wird auch Galizien heute Teil der Ukraine angegeben 5 Laut seinem Geburtseintrag wurde er im Wiener Stadtbezirk Josefstadt geboren und am 15 November 1906 in Wien griechisch katholisch getauft und gefirmt 1 Er soll in Baden bei Wien aufgewachsen sein In der Zwischenkriegszeit gehorte Borodajkewycz dem katholisch nationalen Lager um die Christlichsoziale Partei die fuhrende Regierungspartei an wo versucht wurde katholisches mit deutschnationalem Gedankengut zu verbinden Spatestens Mitte der 1930er Jahre geriet er in den Bannkreis der osterreichischen NSDAP Nach abgebrochenem Theologie sowie Philosophiestudium an der Universitat Wien machte Borodajkewycz 1932 seinen Abschluss in Geschichte und wurde kurz darauf Assistent des Historikers Heinrich Srbik 5 Seine Dissertation trug den Titel Constantin von Hoflers Werdezeit Ein Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung des Katholizismus mit dem deutschen Denken in der 1 Halfte des 19 Jh Mit ihr wurde er zum Dr phil promoviert Von Janner 1934 bis 1945 war er Mitglied der in Osterreich bis 1938 verbotenen NSDAP am 12 Juni 1938 beantragte er dann die regulare Aufnahme in die Partei und wurde ruckwirkend zum 1 Mai desselben Jahres aufgenommen Mitgliedsnummer 6 124 741 6 Er war Mitglied der Studentenverbindung KaV Norica Wien bei seinem Eintritt Mitgliedsverbindung im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen ab 1933 im abgespaltenen Osterreichischen Cartellverband Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als die entsprechenden Verbindungsgremien wieder tagen konnten wurde er wegen seines NSDAP Engagements ausgeschlossen Universitatskarriere Bearbeiten1937 wurde Borodajkewycz in der Standestaatsdiktatur Dozent an der Universitat Wien Wahrend der NS Diktatur war er von 1942 bis 1945 ausserordentlicher Universitatsprofessor fur Geschichte an der Deutschen Universitat Prag 1946 wurde er als Minderbelasteter eingestuft und erreichte somit seine Entnazifizierung 1949 nahm Borodajkewycz gemeinsam mit anderen ehemals prominenten Nationalsozialisten an der Oberweiser Konferenz teil Infolge seiner guten Beziehungen zur OVP insbesondere zum damaligen Unterrichtsminister Heinrich Drimmel und dem spateren Bundeskanzler Josef Klaus der sich in der Ersten Republik als Spitzenfunktionar der antisemitischen Deutschen Studentenschaft betatigt hatte erhielt Borodajkewycz 1955 einen Lehrstuhl fur Wirtschaftsgeschichte an der damaligen Hochschule fur Welthandel der heutigen Wirtschaftsuniversitat Wien 4 Seine fortbestehenden Sympathien fur den Nationalsozialismus waren offensichtlich in seinen Vorlesungen machte er wiederholt neonazistische und antisemitische Aussagen 7 mit denen er zum Liebling der damals mehrheitlich rechtsgerichteten Studentenschaft wurde 5 8 Borodajkewycz Affare Bearbeiten1956 forderte Der Freiheitskampfer Organ der Kampfer fur Osterreichs Freiheit die Entlassung von Borodajkewycz als Lehrer an der Hochschule fur Welthandel 9 Vom 1 Dezember 1961 an schrieb der damals 19 jahrige Student Ferdinand Lacina spater sozialdemokratischer Finanzminister in einer Borodajkewycz Vorlesung dessen politische Kommentare mit Der Professor bezeichnete beispielsweise Rosa Luxemburg als judische Massenaufpeitscherin und lobte Hitlers Rede vom 15 Marz 1938 bei einer Massenkundgebung auf dem Wiener Heldenplatz unmittelbar nach dem Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich 1962 thematisierte der Jusstudent Heinz Fischer spater osterreichischer Bundesprasident von 2004 bis 2016 in den sozialdemokratischen Zeitungen Arbeiter Zeitung und Die Zukunft unter Nutzung der Lacina Mitschriften die demokratische Erziehung an osterreichischen Hochschulen und griff Borodajkewycz wegen seiner fragwurdigen Vorlesungen an Um Lacinas Studienabschluss nicht zu gefahrden liess Fischer die Quelle seiner Anschuldigungen ungenannt Die Mitschriften wurden dem Richter nur anonymisiert vorgelegt daher wurde Fischer in einem von Borodajkewycz angeregten Gerichtsverfahren wegen Ehrenbeleidigung zu einer Geldstrafe von 4 000 Schilling damals etwa zwei Monatslohne eines Angestellten verurteilt Borodajkewycz fuhlte sich durch das Urteil in seinen Ansichten bestatigt und liess sie in Vorlesungen verstarkt durchblicken 1965 ubergab der spatere Zeitungsgrunder Oscar Bronner seinem Vater dem Kabarettisten Gerhard Bronner Lacinas Material Bronner verarbeitete es in seiner satirischen TV Sendung Zeitventil im ORF in Form eines fiktiven Interviews mit Borodajkewycz wobei dessen Antworten auf die gestellten Fragen Originalzitate des Professors waren Da die Sendung eine grosse Zuschauerschaft hatte wurden die am 18 Marz ausgestrahlten antisemitischen und antidemokratischen Ausserungen von Borodajkewycz einem grossen Publikum bekannt Das fiktive Interview endete mit einer diffamierenden antisemitischen Aussage uber Hans Kelsen den Schopfer der osterreichischen Verfassung Daraufhin erschienen emporte Presseberichte uber Borodajkewycz Die Affare eskalierte als er zwei Tage spater in der Universitat eine Pressekonferenz abhielt auf der er seine Ausserungen bekraftigte Im Saal waren Unterstutzer aus den Reihen der Burschenschaften die Beifall klatschten als Borodajkewycz sich antisemitisch ausserte Als er sich stolz zu seiner NSDAP Mitgliedschaft bekannte bekam er ebenfalls Beifall Er berief sich auf die Hochschulautonomie und die Forschungsfreiheit Schon am nachsten Tag und ebenso an den folgenden Tagen gab es Demonstrationen von Gegnern des Nationalsozialismus und gegen seine Person 10 die unter dem Motto Wider den Faschismus standen Am 26 Marz 1965 wurde Borodajkewycz vor seinem Wohnhaus in Wien angeblich von drei oder vier unbekannten Burschen uberfallen aber nicht verletzt Sein ihn begleitender Sohn Olaf erlitt Verletzungen leichten Grades an der Oberlippe 11 Am 31 Marz 1965 demonstrierten Vertreter von Studentenorganisationen ehemalige Widerstandskampfer sowie Gewerkschafter im Ersten Bezirk von Wien gegen Borodajkewycz Beim Zusammenstoss mit einer vom Ring Freiheitlicher Studenten RFS der Studentenorganisation der FPO organisierten Gegendemonstration wurde der ehemalige Widerstandskampfer Ernst Kirchweger von dem Studenten und bereits zu einer Gefangnisstrafe verurteilten Neonazi Gunther Kumel beim Hotel Sacher mit einem Faustschlag ins Gesicht niedergeschlagen er erlitt Verletzungen an denen er zwei Tage spater starb Kirchweger wurde spater als erstes Todesopfer einer politischen Gewalttat der Zweiten Republik bezeichnet 12 Im April 1965 wurde das Ehrenbeleidigungsverfahren gegen Fischer wieder aufgenommen Auf Grund der Aussage Lacinas der mittlerweile sein Studium abgeschlossen hatte wurde das Urteil gegen Fischer aufgehoben Borodajkewyczs Berufung dagegen wurde abgewiesen Schliesslich wurde Borodajkewycz nach langem Widerstand des zustandigen Unterrichtsministers Theodor Piffl Percevic 1971 bei vollen Bezugen zwangsweise pensioniert In den folgenden Jahren veroffentlichte er noch einige Texte unter anderem in den Eckartschriften der Osterreichischen Landsmannschaft Schriften BearbeitenKonstantin von Hoflers Werdezeit Ein Beitrag zur geistigen Auseinandersetzung des Katholizismus mit dem deutschen Denken in der 1 Halfte des 19 Jh Universitat Wien Phil Dissertation vom 3 Februar 1932 Saint Germain Diktat gegen Selbstbestimmung Eckartschriften Heft 31 Osterreichische Landsmannschaft Wien 1969 Wegmarken der Geschichte Osterreichs Eckartschriften Heft 42 Osterreichische Landsmannschaft 1972 Literatur BearbeitenErich Schmidt Albrecht K Konecny Heil Borodajkewycz Osterreichs Demokraten im Kampf gegen Professor Borodajkewycz und seine Hintermanner Verlag fur Jugend und Volk Wien u a 1966 Heinz Fischer Hrsg Einer im Vordergrund Taras Borodajkewycz Eine Dokumentation Osterreichprofile Europa Wien u a 1966 Neuaufl erw um das letztgultige Disziplinarerkenntnis 1971 gegen Borodajkewycz Ephelant Wien 2015 ISBN 978 3 900766 26 9 Gerard Kasemir Spates Ende fur wissenschaftlich vorgetragenen Rassismus Die Borodajkewycz Affare 1965 In Michael Gehler Hubert Sickinger Hrsg Politische Affaren und Skandale in Osterreich Von Mayerling bis Waldheim Studien Verlag Innsbruck u a 2007 ISBN 978 3 7065 4331 6 S 486 501 Rafael Kropiunigg Eine osterreichische Affare Der Fall Borodajkewycz Czernin Wien 2015 ISBN 978 3 7076 0535 8 Rafael Kropiunigg The Rehabilitated Austrians and the Borodajkewycz Affair In Austrian History Yearbook Bd 46 2015 S 360 385 doi 10 1017 S0067237814000228 Jiri Nĕmec Taras von Borodajkewycz 1902 1984 Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus Der Versuch das Unvereinbare zu verbinden In Karel Hruza Hg Osterreichische Historiker Lebenslaufe und Karrieren 1900 1945 Band 3 Wien u a Bohlau 2019 ISBN 978 3 205 20801 3 S 527 606 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Taras Borodajkewycz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Der Fall Taras Borodajkewycz In 55 85 apa historisch Archiviert vom Original am 19 Februar 2015 abgerufen am 31 Marz 2020 historischer Teil Herbert Lackner Fischer Lacina Bronner und die Affare Borodajkewycz In profil at 21 Marz 2015 abgerufen am 31 Marz 2020 Rafael Kropiunigg Eine osterreichische Affare In derStandard at 30 Marz 2013 abgerufen am 31 Marz 2020 Hans Rauscher Colette M Schmidt Ernst Kirchweger das erste politische Todesopfer der Nachkriegszeit In derStandard at 30 Marz 2015 abgerufen am 31 Marz 2020 Otto Brusatti Affare Borodajkewycz Einige schamten sich sogar In Wiener Zeitung 30 Marz 2015 abgerufen am 31 Marz 2020 Taras Borodajkewicz In Onlinearchiv der Osterreichischen Mediathek Abgerufen am 31 Marz 2020 Borodajkewycz In ORF TVthek Abgerufen am 31 Marz 2020 Bildmaterial Peter Brugge Wenn in Wien die Nazis bluh n In Der Spiegel 15 1965 7 April 1965 S 128 129 abgerufen am 31 Marz 2020 Fiktives Interview mit Taras Borodajkewycz auf YouTube 30 Januar 2018 abgerufen am 17 Marz 2022 Neuverfilmung des Zeitventil Beitrags uber Borodajkewycz mit einleitendem Kommentar Gerhard Bronners Mitschrift einer Vorlesung von Taras Borodajkewycz von Ferdinand Lacina Wien 1962 In hdgoe at Haus der Geschichte Osterreich abgerufen am 18 Marz 2022 Die Mitschrift Lacinas als digitales Objekt des Hauses der Geschichte Osterreich Taras Borodajkewycz im Biographischen Lexikon Biolex des Osterreichischen Cartellverbands OCV Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Geburtseintrag im Geburtsbuch der griechisch katholischen Pfarre St Barbara in Wien Online Oliver Rathkolb Hrsg Der lange Schatten des Antisemitismus V amp R Unipress 2013 ISBN 978 3 8471 0145 1 S 242 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche 1971 letztgultiges Urteil der Disziplinaroberkommission gegen ihn Entzug der Lehrbefugnis Vgl Heinz Fischer Hrsg Einer im Vordergrund Taras Borodajkewycz Eine Dokumentation Osterreichprofile Europa Wien u a 1966 Neuaufl erw um die letztgultige Disziplinarerkenntnis 1971 gegen Borodajkewycz Ephelant Wien 2015 ISBN 978 3 900766 26 9 a b Fritz Fellner Doris Corradini Osterreichische Geschichtswissenschaft im 20 Jahrhundert Ein biographisch bibliographisches Lexikon Bohlau Wien Koln Weimar 2006 ISBN 3 205 77476 0 S 60 a b c Deborah Hartmann Der Fall Borodajkewycz In Context XXI 7 8 2001 1 2002 archiviert vom Original am 17 April 2016 abgerufen am 31 Marz 2020 Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 3931321 Wolfgang Neugebauer Zur Problematik der NS Vergangenheit Osterreichs Referat anlasslich der Enquete Rassismus und Vergangenheitsbewaltigung in Sudafrika und Osterreich ein Vergleich im osterreichischen Parlament In Dokumentationsarchiv des osterreichischen Widerstandes 31 Mai 2000 abgerufen am 31 Marz 2020 Eintrag zu Borodajkewycz Taras von im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon Der Freiheitskampfer Organ der Kampfer fur Osterreichs Freiheit Nr 11 12 November Dezember 1956 S 5 Christian Pape Die Borodajkewycz Affaire Osterreich 1965 In Wolfgang Benz Hrsg Handbuch des Antisemitismus Band 4 Ereignisse Dekrete Kontroversen K G Saur 2011 ISBN 978 3 598 24076 8 S 59f borodajkewycz protest 2 pdf 13 kB Austria Presse Agentur APA 26 Marz 1965 archiviert vom Original am 25 Marz 2016 abgerufen am 31 Marz 2020 Der Opfermythos in Osterreich Entstehung und Entwicklung In demokratiezentrum org April 2015 abgerufen am 31 Marz 2020 Normdaten Person GND 118661906 lobid OGND AKS LCCN no00024842 VIAF 56986082 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Borodajkewycz TarasALTERNATIVNAMEN Borodajkewycz Taras von bis 1919 KURZBESCHREIBUNG osterreichischer Historiker und HochschullehrerGEBURTSDATUM 1 Oktober 1902GEBURTSORT Wien JosefstadtSTERBEDATUM 3 Januar 1984STERBEORT Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Taras Borodajkewycz amp oldid 235205522