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Als Spielverhalten bezeichnen Verhaltensbiologen diverse in der Regel nicht einem bestimmten Zweck zuzuordnende Bewegungsabfolgen speziell bei Jungtieren Ein Tier spielt wirklich nur dann wenn es satt nicht durstig und auch sonst von keinen anderen Aufgaben in Anspruch genommen wird Das Spiel ist gewissermassen von keiner unmittelbaren Notwendigkeit diktiert Es hat jedoch fur die normale Entwicklung des Tieres eine grosse Bedeutung Es experimentiert mit den Umweltdingen und lernt so deren Eigenschaften kennen Es sammelt Erfahrungen im Spiel mit seinesgleichen und lernt auch die Moglichkeiten seines eigenen Bewegungskonnens kennen 1 Spielverhalten einer bereits erwachsenen Hauskatze source source source source source Zwei junge Katzen in einem spielerischen Kampf source source Zwei junge mannliche Eisbaren in einem spielerischen Kampf November 1999 Kanada Inhaltsverzeichnis 1 Biologische Funktion des Spielens 2 Historisches 3 Beispiele 3 1 Haustiere 3 2 Ratten 3 3 Schimpansen 3 4 Grune Meerkatzen 3 5 Mantelbrullaffen 3 6 Reptilien 3 7 Nebelkrahen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 BelegeBiologische Funktion des Spielens BearbeitenDie als Spiel bezeichneten haufig mehrfach hintereinander auftretenden Bewegungsabfolgen ahneln oft bestimmten angeborenen Bewegungsabfolgen der erwachsenen Artgenossen und sind nicht immer von zielgerichteten Aktivitaten wie zum Beispiel von Erkundungsverhalten abgrenzbar Haufig kann im Zusammenhang mit Spielverhalten beobachtet werden dass das Verhalten von alteren Tieren oder Spielgefahrten nachgeahmt wird Menschenaffen ahmen haufig auch Menschen nach Verhaltensforscher deuten das Spielverhalten in der Regel als ein biologisch programmiertes das heisst ererbtes Optimieren von bestimmten Verhaltensweisen Junge Wolfe und junge Hunde liefern sich zum Beispiel haufig lange Verfolgungsjagden sie schneiden sich den Weg ab Aktivitaten also die spater bei Flucht oder Jagd wichtig zum Uberleben sind Junge Hauskatzen und Lowenjungtiere sind bekannt dafur dass sie sich spielerisch anschleichen eine nicht vorhandene Beute anspringen und mit Prankenschlagen attackieren Die Verhaltensforscher deuten das Spielverhalten schliesslich auch als eine angeborene Neigung ganz allgemein die korperliche Leistungsfahigkeit und Geschicklichkeit durch Training zu optimieren das heisst es dient zum Kennenlernen des eigenen Korpers und der eigenen Bewegungsmoglichkeiten sowie durch Ausprobieren oder Nachahmen auch zum Sammeln von Erfahrungen mit Teilen der belebten und unbelebten Umwelt 2 Historisches BearbeitenDie Ethologen des fruhen 20 Jahrhunderts ordneten jeder beobachtbaren Verhaltensweise einen eigenstandigen inneren Antrieb zu einen je eigenen Instinkt oder Trieb 3 und auch dem Spielverhalten wurde gelegentlich ein Spieltrieb zugeordnet 4 Noch in den 1960er Jahren erorterte Irenaus Eibl Eibesfeldt in seinem Grundriss der Vergleichenden Verhaltensforschung Spielen heisst immer einen Dialog mit der Umwelt fuhren und dieser Dialog findet aus innerem Antrieb statt Man konnte einen eigenen Spieltrieb annehmen Ich neige jedoch mehr zur Ansicht dass der auch aller Neugier zugrundeliegende Trieb zu lernen zusammen mit einem starken motorischen Antriebsuberschuss zur Erklarung des Spielphanomens ausreicht 5 Und selbst im Jahr 2004 ging eine wissenschaftliche Studie noch ganz selbstverstandlich ohne jede Definition des Phanomens von einem Spieltrieb bei Hunden aus 6 obwohl die biologische Triebtheorie in der akademischen Verhaltensbiologie heute nur noch historische Bedeutung hat In Bezug auf den Menschen wird die Bezeichnung Spieltrieb vorwiegend metaphorisch verwendet Von literaturgeschichtlicher Bedeutung sind die Uberlegungen von Friedrich Schiller der in seinen Briefen Uber die asthetische Erziehung des Menschen 11 bis 16 Brief den Spieltrieb als lebende Gestalt im asthetischen Spiel bezeichnet das triebbefriedigende Gluckseligkeit und moralische Vollkommenheit miteinander vereine Beispiele BearbeitenHaustiere Bearbeiten nbsp Balgerei bei HundewelpenViele Haustiere zeigen auch noch als Erwachsene ausgepragtes Spielverhalten so vor allem Haushunde Hauskatzen und Hauskaninchen Vermutlich ist dies nicht allein ein Ergebnis einer Zuchtung auf insgesamt verlangertes Jungtierverhalten Vielmehr war die Neigung zum Spielen wohl sogar die Ursache dafur dass die fruhen Tierhalter Gefallen gerade an diesen Tierarten fanden Beim Spiel der Katzen und der Hunde treten beispielsweise Bewegungsabfolgen aus dem Verhaltenskomplex des Beutefangs des Kampfes gegen Angreifer und des Sexualverhaltens auf jedoch in aller Regel ohne die zugehorige Endhandlung also zum Beispiel kein festes Zubeissen Oft wechseln spielende Tiere innerhalb von kurzester Zeit mehrfach die Rollen der Angreifer wird zum Verfolgten und umgekehrt Durch eine arttypische Spielgestik und mimik beispielsweise die Vorderkorpertiefstellung wird dem Spielpartner vermittelt dass es sich bei den spielerischen Handlungen um Aktionen ohne Ernst handelt Ratten Bearbeiten In einem 2019 berichteten Experiment gelang es mit Ratten Verstecken zu spielen Ein Testtier wurde zunachst in einem Raum voller Gegenstande in eine geschlossene Kiste gesetzt deren Deckel sich ferngesteuert offnen liess Ziel der Versuchsanordnung war dass die Ratte einen ebenfalls im Raum befindlichen Menschen suchen sollte Hatte sie diese Person gefunden wurden sie als Belohnung gekitzelt In einer zweiten Versuchsanordnung ging es darum dass die Ratte lernen sollte sich vor einem Mitspieler zu verstecken in beide Versuchsanordnungen wurde nach wenigen Durchlaufen das vorgegebene Verhalten beobachtet 7 In einem Begleitartikel auf wissenschaft de wurden die Befunde wie folgt interpretiert Obwohl die Tiere am Ende jedes Versuchsdurchlaufs mit Kitzeln belohnt wurden zeichnete sich den Forschern zufolge deutlich ab dass sie nicht nur um der Belohnung willen spielten Der Spass am Spiel zeigte sich demnach an speziellen Lautausserungen Die Ratten quiekten beim Suchen frohlich besonders wenn sie die Person gefunden hatten berichten die Wissenschaftler Dagegen waren sie ausgesprochen still wenn sie sich versteckten 8 Schimpansen Bearbeiten Wild lebende Schimpansen der Kanyawara Schimpansen Population wurden im Kibale Nationalpark in Uganda zwischen 1993 und 2006 wiederholt dabei beobachtet dass sie Stocke sowohl als Werkzeug bei der Futtersuche als auch bei Kampfen benutzen Jungtiere spielen zudem gelegentlich mit kleinen Stocken 9 Die Kanyawara Schimpansen zeigten allerdings noch eine weitere Variante die die Forscher Stocktragen tauften Die Tiere trugen dabei Stocke eine Weile mit sich herum nahmen sie auch mit in ihre Ruhenester und spielten manchmal mit ihnen in einer Weise die fast an den Umgang mit einer Puppe oder einem Schimpansenbaby erinnerte 10 Vor allem das Spielverhalten der jungen weiblichen Schimpansen erinnerte an das Verhalten der erwachsenen Weibchen beim Umgang mit Neugeborenen Die jungen Schimpansinnen legten das auffallige Verhalten ab sobald sie ihren ersten eigenen Nachwuchs bekamen 11 Grune Meerkatzen Bearbeiten In einer Studie von Alexander amp Hines 2002 12 wurden Geschlechtsunterschiede in den Spielzeugpraferenzen eines nichtmenschlichen Primaten der Westlichen Grunmeerkatze Chlorocebus sabaeus gefunden Diese Unterschiede ahneln denen die bereits bei Kindern dokumentiert wurden Weibliche Grunmeerkatzen zeigten eine starker ausgepragte geschlechtstypische Praferenz als mannliche Artgenossen In der Studie wurden sechs Spielzeuge in zufalliger Reihenfolge nacheinander fur funf Minuten in einen Kafig kleiner Gruppen von Grunmeerkatzen gelegt Diese Spielzeuge wurden auf Basis der Spielzeugpraferenzen von Madchen und Jungen in drei Kategorien aufgeteilt Es wurden unter anderem ein Ball und ein Polizeiauto dargeboten woran Jungen mehr Interesse hatten als Madchen Diese wurden entsprechend a priori als mannliches Spielzeugset festgelegt Das weibliche Spielzeugset an dem mehr Madchen als Jungen Interesse zeigten waren eine Puppe und ein Kochtopf Das neutrale Spielzeugset mit dem sowohl Madchen als auch Jungen vergleichbar viel Zeit verbrachten bestand aus Buchern und Stofftieren Wahrend sich mannliche Grunmeerkatzen eine langere Zeit mit mannlichem Spielzeug beschaftigten investierten weibliche Tiere mehr Zeit mit Puppe und Topf Die Zeit welche sowohl mannliche als auch weibliche Grunmeerkatzen mit dem neutralen Spielzeug verbrachten war dagegen vergleichbar Zudem war die Art und Weise des Kontakts der Grunmeerkatzen mit dem Spielzeug teilweise ahnlich zu dem Umgang der bei Kindern beobachtet werden konnte z B das Bewegen des Autos uber den Boden Es wurden keine Geschlechtsunterschiede in Reaktion auf die Spielzeugkategorien belebt Puppe Hund und unbelebt Auto Ball Buch Pfanne gefunden Andere Merkmale wie beispielsweise die Farbe scheinen dagegen zu den weiblichen Objektpraferenzen beigetragen zu haben wodurch die Weibchen mehr Kontakt mit der Puppe mit einem rosa Gesicht und dem rot gefarbten Topf hatten Es lasst sich schlussfolgern dass geschlechtsdifferenzierte Objektpraferenzen bereits fruh in der menschlichen Evolution entstanden sind Diese Praferenzen fur Objektmerkmale konnen zu den geschlechtsdimorphen Spielzeugpraferenzen bei Kindern beitragen Mantelbrullaffen Bearbeiten Mantelbrullaffen aus den Regenwaldern von Mexiko und Costa Rica leben in Gruppen besitzen jedoch keine feststehende soziale Hierarchie und befassen sich auch nicht mit sozialer Korperpflege Grooming beides ist von anderen Arten bekannt und wird als Mechanismus zum Vermeiden von Konflikten interpretiert Bei Mantelbrullaffen dient einer 2022 veroffentlichten Feldstudie zufolge das Spielverhalten dem Vermeiden oder Mildern von sozialen Spannungen in ihrer Gruppe Zum Spielverhalten zahlten die Autoren der Studie insbesondere dass zwei Affen dicht nebeneinander nur an ihren Schwanzen von einem Ast hangend Gesichter schneiden und mit ihren Kopfen wackeln Sie beobachteten dass erwachsene Affen dieses Verhalten ofter zeigen als junge Affen erwachsene weibliche Tiere haufiger als erwachsene mannliche und dass das Verhalten umso haufiger auftritt je grosser die Gruppe ist 13 Bemerkenswert sei insbesondere dass der Zeitaufwand fur dieses Spielverhaltens umso grosser wird je mehr reife Fruchte eine stets relativ knappe Ressource als Nahrung zur Verfugung stehen Mantelbrullaffen ernahren sich vorwiegend von Blattern Fruchte gelten als Leckerbissen um die vor allem die erwachsenen Tiere konkurrieren Reptilien Bearbeiten Neben Saugetieren beobachteten Forscher Spielverhalten auch bei Vogeln und Reptilien So wirken Komodowarane beim Spiel mit alten Schuhen oder Ballen verspielt wie junge Hunde Und Afrikanische Weichschildkroten scheinen Spass daran zu haben Flaschen und anderes Treibgut uber die Wasseroberflache zu schubsen und mit Schlauchen Tauziehen zu spielen 14 Nebelkrahen Bearbeiten Nebelkrahen wurden dabei beobachtet und gefilmt wie sie ein Objekt benutzen um damit wie mit einem Snowboard wiederholt ein schneebedecktes Dach herunter zu rutschen 15 Siehe auch BearbeitenProximate und ultimate Ursachen von Verhalten Werkzeuggebrauch bei TierenLiteratur BearbeitenMarc Bekoff und John A Byers Hrsg Animal Play Evolutionary Comparative and Ecological Perspectives Cambridge University Press 1998 ISBN 978 0 52158383 1 Anthony D Pellegrini und Peter K Smith Hrsg The Nature of Play Great Apes and Humans The Guildford Press New York London 2005 ISBN 1 59385 117 0 Janice M Hassett Erin R Siebert und Kim Wallen Sex differences in rhesus monkey toy preferences parallel those of children In Hormones and Behavior Band 54 Nr 3 2008 S 359 364 doi 10 1016 j yhbeh 2008 03 008 Suzanne D E Held und Marek Spinka Animal play and animal welfare Review Artikel in Animal Behaviour Band 81 Nr 5 2011 S 891 899 doi 10 1016 j anbehav 2011 01 007 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Spielverhalten Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Norbert Sachser Lust auf Neues Spass am Lernen Verhaltensbiologische Anmerkungen zur Neugier Manuskript der SWR2 Sendung AULA vom 19 September 2004 zuletzt abgerufen am 17 Marz 2022 Auch Schimpansen Madchen spielen lieber mit Puppen Erster Beleg fur geschlechtsspezifisches Spielverhalten bei wildlebenden Schimpansen Auf scinexx de vom 27 Dezember 2010 zuletzt abgerufen am 17 Marz 2022 Why Do Animals Like to Play Auf bbc com vom 9 Januar 2013 zuletzt abgerufen am 17 Marz 2022 Belege Bearbeiten Irenaus Eibl Eibesfeldt Grundriss der Vergleichenden Verhaltensforschung 7 Auflage Piper Munchen und Zurich 1967 S 403 404 ISBN 3 492 03074 2 Stichwort Spielverhalten In Klaus Immelmann Hrsg Grzimeks Tierleben Sonderband Verhaltensforschung Kindler Zurich 1974 S 637 Oskar Heinroth erwahnte 1910 in einem Vortrag zur zur Biologie namentlich Ethologie und Psychologie der Anatiden der Entenvogel folgende Triebe den Fortpflanzungstrieb den Geselligkeitstrieb den Nachfolgetrieb den Verteidigungstrieb und den Vergewaltigungstrieb Volltext Zum Beispiel Fritz Braun Uber Regungen des Spieltriebes bei gefangenen Vogeln In Journal fur Ornithologie Band 55 Nr 1 1907 S 135 147 doi 10 1007 BF02098854 Irenaus Eibl Eibesfeldt Grundriss der Vergleichenden Verhaltensforschung S 404 Katharina Dorothea Boenigk Untersuchungen zur zuchterischen Aussagekraft von Verhaltenstests bei Hovawart Hunden Dissertation Tierarztliche Hochschule Hannover Hannover 2004 Volltext PDF Annika Stefanie Reinhold et al Behavioral and neural correlates of hide and seek in rats In Science Band 365 Nr 6458 2019 S 1180 1183 doi 10 1126 science aax4705Auch Ratten spielen Verstecken Erlauterungen der Humboldt Universitat zu Berlin vom 13 September 2019 Forscher spielen mit Ratten Verstecken Auf wissenschaft de vom 12 September 2019 Sonya M Kahlenberg und Richard W Wrangham Sex differences in chimpanzees use of sticks as play objects resemble those of children In Current Biology Band 20 Nr 24 2010 S R1067 R1068 doi 10 1016 j cub 2010 11 024 Volltext Auch Schimpansen Madchen spielen lieber mit Puppen Auf scinexx de vom 27 Dezember 2010 Was Affenmadchen mogen Auf wissenschaft de vom 21 Dezember 2010 Gerianne M Alexander Melissa Hines Sex differences in response to children s toys in nonhuman primates Cercopithecus aethiops sabaeus In Evolution and Human Behavior Band 23 Nr 6 1 November 2002 ISSN 1090 5138 S 467 479 doi 10 1016 S1090 5138 02 00107 1 Die Art wird heute als Westliche Grunmeerkatze Chlorocebus sabaeus bezeichnet Norberto Asensio et al Socioecological correlates of social play in adult mantled howler monkeys In Animal Behaviour Online Vorabveroffentlichung vom 16 Marz 2022 doi 10 1016 j anbehav 2022 01 017 Monkeys play to reduce group tension study Auf eurekalert org vom 16 Marz 2022 Warum Tiere spielen So ein Unfug Macht aber Sinn Auf spiegel de vom 11 Januar 2015 Jason G Goldman Snowboarding Crows The Plot Thickens Abgerufen am 9 November 2020 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Spielverhalten der Tiere amp oldid 230722780