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Als Erkundungsverhalten bezeichnen Verhaltensbiologen sowohl das aktive Eindringen eines Tieres in zuvor nicht besuchte Areale als auch die Kontaktaufnahme zu neuen unbekannten Gegenstanden im bereits bekannten Umfeld Erkundungsverhalten wird gelegentlich auch als Explorationsverhalten oder mit deutlich anthropomorphem Beiklang als Neugierverhalten bezeichnet In Bezug auf den Menschen speziell auf dessen Lernfahigkeit wird der Begriff exploratives Verhalten verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale des Erkundungsverhaltens 2 Die Erforschung des Erkundungsverhaltens 3 Einfluss der Gene auf das Erkundungsverhalten 4 Mensch 5 Siehe auch 6 BelegeMerkmale des Erkundungsverhaltens BearbeitenBesonders auffallig ist fur jeden geubten Beobachter dass sich erkundende Tiere in aller Regel sehr langsam bewegen einen unbekannten Gegenstand wiederholt und intensiv beschnuffeln oder benagen und sich nach kurzer Annaherung wieder zuruckziehen um sich alsbald erneut vorwarts zu bewegen In ahnlicher Weise erfolgt das Eindringen in neue Biotope in der Regel unter deutlich merkbarem Einsatz aller Sinnesorgane und ebenfalls im Wechsel von Vordringen und Ruckzug 1 Durch Erkundungsverhalten erweitert ein Tier folglich seinen Aktionsraum lernt eine bestimmte raumliche Umgebung und uberhaupt Unbekanntes zum Beispiel neues Futter kennen Entsprechend haufig kann Erkundungsverhalten daher bei Jungtieren beobachtet werden wobei es fur den Beobachter oft schwierig ist dieses Verhalten von Spielverhalten zu unterscheiden 2 Die Erforschung des Erkundungsverhaltens BearbeitenDas Erkundungsverhalten speziell der Hausmause und der Wanderratten gehort zu den am besten untersuchten Verhaltensweisen der Tiere uberhaupt da es im Labor leicht quantitativ und qualitativ erfasst werden kann 3 Hierzu wird zunachst ein Ethogramm der mannlichen und oder weiblichen Tiere eines bestimmten Alters erstellt Anschliessend wird ein Testtier zum Beispiel in eine ihm unbekannte vollig ebene unstrukturierte rechteckige Plastikwanne gesetzt und ab dem Einsetzen wird ein genaues Protokoll des beobachtbaren Verhaltens in dieser dem Testtier vollig unbekannten Umgebung erstellt Diese spezielle Testsituation fur Erkundungsverhalten wird als Open Field Test bezeichnet 4 Wahrend der Testdauer wird einige Minuten lang protokolliert welche Verhaltensweisen das Tier zeigt wie lange jede Verhaltensweise dauert wie die Verhaltensweisen aufeinander folgen und an welchen Positionen das Tier sich aufhalt z B in einer Ecke nahe der Aussenwand inmitten der Testflache Durch den Vergleich des Verhaltens von Individuen aus unterschiedlichen Zuchtlinien konnten u a Unterschiede zwischen solchen Zuchtlinien erkannt werden Durch die Verpaarung von Individuen aus unterschiedlichen Zuchtlinien konnte bei deren Nachkommen nachgewiesen werden dass die Unterschiede vererbt werden also genetisch bedingt sind 5 Einfluss der Gene auf das Erkundungsverhalten BearbeitenAn Kohlmeisen wiesen Forscher des Max Planck Instituts fur Ornithologie und des Netherlands Institute of Ecology im Jahr 2007 ein wie sie es nannten Neugier Gen nach Das Gen Drd4 tragt demzufolge die Bauanleitung fur einen Rezeptor der im Gehirn Andockstelle fur den Botenstoff Dopamin ist Bei Vogeln mit einer bestimmten Variante dieses Dopamin Rezeptor D4 Gens beobachteten die Wissenschaftler ein signifikant ausgepragteres Erkundungsverhalten als bei ihren Artgenossen mit anderen Formen des Gens 6 Als Mass diente den Forschern das Erkundungsverhalten von Jungtieren kurz nachdem sie flugge geworden waren early exploratory behaviour In einem Verhaltenstest registrierten die Biologen die Zeitspanne bis ein Vogel vier von funf Baumen genauer einfache Pflocke mit gekreuzten Sitzstangen im Beobachtungsraum aufgesucht hatte In einem zweiten Test wurde die Reaktion der Jungtiere auf zwei unbekannte Objekte bewertet Untersuchungen an freilebenden Vogeln bestatigten das Ergebnis Auch bei diesen fanden die Wissenschaftler eine signifikante Verknupfung zwischen bestimmten Genotypen und den unterschiedlichen Auspragungen von Erkundungsverhalten Mensch BearbeitenBeim Menschen wie bei anderen Primaten wird das Erkundungs oder Explorationsverhalten aus Sicht der Entwicklungspsychologie in einer Beziehung zum Bindungsverhalten gesehen Hierbei stehen das Bindungsverhalten und das explorative Verhalten komplementar zueinander schliessen sich also gegenseitig aus Beide Verhaltensweisen konnen nicht gleichzeitig ausgelebt werden stehen aber als fruhe angeborene Verhaltensweisen in Wechselwirkung zueinander Beide Verhaltensweisen haben zudem einen grossen Einfluss auf die spatere Entwicklung 7 Ein menschliches Kind zeigt haufig nur dann exploratives Verhalten wenn es sich gewiss ist dass die Bindungsperson jederzeit verfugbar ist um emotionale Unruhezustande auffangen zu konnen Kinder die ein Missverhaltnis zwischen explorativen und Bindungsverhaltensweisen aufweisen zeigen im spateren Verlauf ihrer Entwicklung haufig negative Auffalligkeiten im Sozialverhalten Kinder die ein vermehrtes Explorationsverhalten zeigen stehen ebenso unter vermehrtem Stress wie Kinder bei denen das Bindungsverhalten uberwiegt Siehe auch BearbeitenNeugier Vermeidungsverhalten Proximate und ultimate Ursachen von VerhaltenBelege Bearbeiten Irenaus Eibl Eibesfeldt Grundriss der Vergleichenden Verhaltensforschung 7 Auflage Piper Munchen und Zurich 1967 S 401 ISBN 3 492 03074 2 Bernhard Hassenstein Lern und Spielverhalten Kapitel 22 in Klaus Immelmann Grzimeks Tierleben Sonderband Verhaltensforschung Kindler Verlag Zurich 1974 S 316 John Archer Tests for emotionality in rats and mice A review In Animal Behaviour Band 21 Nr 2 1973 S 205 235 doi 10 1016 S0003 3472 73 80065 X Roger M Walsh und Robert A Cummins The Open Field Test a critical review In Psychological Bulletin Band 83 Nr 3 1976 S 482 504 doi 10 1037 0033 2909 83 3 482 Volltext PDF Karl Heinz Wellmann Zur Wirkung disruptiver Selektion auf das Verhalten von Hausmausen Mus musculus domesticus Rutty Eintragen von Nestlingen weitere Elemente des Brutpflegeverhaltens und Erkunden Wissenschafts Verlag Dr Wigbert Maraun Frankfurt am Main 1991 S 66 86 ISBN 3 927548 18 9 Andrew E Fidler et al Drd4 gene polymorphisms are associated with personality variation in a passerin bird In Proceedings of the Royal Society London B Online Publikation vom 22 Juli 2007 doi 10 1098 rspb 2007 0337 Charakter Gen macht Meisen neugierig Auf mpg de vom 2 Mai 2007 Carina Christin Traeder Bindung im fruhen Kindesalter Der Einfluss von fruhen Bindungserfahrungen auf die sozial emotionale Personlichkeitsentwicklung Hamburg 2016 S 12 14 Volltext PDF Normdaten Sachbegriff GND 4152786 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erkundungsverhalten amp oldid 222103517