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Als Schwanzpramie oder Mausschwanzpramie wird eine traditionelle Pramie bezeichnet die fur das Fangen von Mausen bzw vor allem von Wuhlmausen und der mit ihnen verwandten Bisamratten ausgelobt wird Es handelt sich dabei um eine finanzielle Vergutung die fur jedes gefangene und getotete Tier gezahlt wird Getotete Grosse Wuhlmaus Arvicola terrestris Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung 2 Wuhlmause als Schadlinge 3 Traditionelle Mausejagd in Baden Wurttemberg und der Schweiz 4 Tierschutz 5 Literatur und Medien 6 EinzelnachweiseVerbreitung BearbeitenDer fruher weit verbreitete Brauch war in jungerer Zeit noch an vielen Orten in Sudbaden und der Schweiz anzutreffen Auslober war bzw ist meist die jeweilige Gemeinde Der Nachweis erfolgt traditionell durch Vorlegen des abgeschnittenen Mausschwanzes Die Beseitigung des restlichen toten Tieres obliegt in der Regel dem Mausejager Fur Mause ist diese Tradition nur noch in zwei Orten in Baden Wurttemberg sowie in verschiedenen Regionen in der Schweiz bekannt Jedoch gibt es in Deutschland und den Niederlanden noch zahlreiche Bisamfanger die in staatlichem Auftrag vor allem in Gebieten mit Deichbauten die Bisamratte bejagen Wuhlmause als Schadlinge Bearbeiten nbsp Schermaus in der Offnung eines unterirdischen Gangs beim Fressen eines SamenkornsIn Teilen Europas werden aus der Saugetiere Unterfamilie der Wuhlmause Arvicolinae vor allem die sogenannten Grossen Wuhlmause von der Art Arvicola terrestris auch Ostschermaus oder kurz Schermaus genannt als Schadlinge angesehen Dies gilt insbesondere auch fur den Raum Sudbaden und die Schweiz die fruher von regelrechten Mause und auch Rattenplagen heimgesucht wurden Das sonstige Verbreitungsgebiet der Ostschermaus umfasst grosse Teile der Palaarktis und reicht von Grossbritannien bis zur Lena in Sibirien Ostschermause fressen unter anderem Blumenzwiebeln Gemuse und Ruben sowie die Wurzeln von Gras Klee und sogar Obstbaumen Sie richten vor allem durch Wurzelfrass in Obstplantagen und Baumschulen sowie in Gemusekulturen wirtschaftlich relevante Schaden an Die Erdhaufen die sie beim Graben unterirdischer Gange in landwirtschaftlich genutzten Wiesen nach oben befordern haben insbesondere in Alm und Berglagen ebenfalls schadigende Auswirkungen So setzen die Erdhaufen den Messerklingen von Motormahern zu mit denen das Gras auf Alm und Bergwiesen heute meist gemaht wird Die Schneiden werden schneller stumpf und mussen geschliffen werden Vor allem konnen die Mause aber eine ganze Heuernte vernichten der pulverisierte Aushub ihrer Gange kann den Geschmack des Futters derart verschlechtern dass die Rinder es nicht fressen Solche Debakel sollen fruher manchen Bauern schon die Existenz gekostet haben Ausserdem konnen Bitterstoffe die mit dem Erdreich ins Heu gelangen leicht die Milch der Kuhe ungeniessbar machen und ebenso den aus ihr gewonnenen Kase 1 Das Schadenspotenzial von Wuhlmausen gilt als nahezu unbegrenzt Auf einer Flache von einem Hektar was nur wenig mehr als einem Fussballfeld entspricht konnen bis zu 1000 Exemplare hausen Durch Erdhaufen und eingesturzte Gange konnen solche Flachen dann schnell in einen Sturzacker verwandelt werden auf denen beispielsweise heutige Rasenmahertraktoren kaum mehr vorankommen 1 nbsp Europaische Bisamfelle mit der Lederseite nach aussen abgezogen ohne die SchwanzeAuch die Bisamratte gehort zur Familie der Wuhlmause Eigentlich in Nordamerika heimisch wurde sie nach 1905 in Bohmen und anderen Orts zur Pelzgewinnung angesiedelt oder entkam aus Pelztierfarmen Innerhalb kurzer Zeit hat sie sich uber grosse Teile Asiens und Europas ausgebreitet 1939 wurde die Gesamtbevolkerung der Tiere fur Mitteleuropa auf 10 Millionen geschatzt Als die ersten Schaden an Dammen Kanalen und Deichanlagen infolge der Wuhltatigkeit von Bisamratten bekannt wurden wurden Gesetze zur Bekampfung der Ratte erlassen Bereits am 26 Juli 1913 wurde in Osterreich Ungarn die erste Verfugung erteilt ein Jahr spater fur das Konigreich Bohmen mit einem Gesetz vom 2 Februar 1926 in Deutschland Staatliche Stellen mit ausdrucklich dafur angestellten Bisamjagern wurden mit der rucksichtslosen Bekampfung beauftragt jede Hege oder Zucht wurde verboten Anfangs mussten dafur nicht unbedingt extra Fangpramien gezahlt werden die etwa 20 cm langen Schwanze also nicht abgeliefert werden der Wert des Pelzes war Anreiz genug die erbeuteten Tiere gehoren dem Erleger 2 Schon in den 1930er Jahren bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg war Bisam einer der wichtigsten Artikel der Pelzbranche Obwohl die Schwanzpramie nur 3 Mark betrug gab es 1992 allein im nordrheinwestfalischen Wasserverband Obere Lippe noch 340 ehrenamtliche Bisamfanger 3 Gegen Ende des 20 Jahrhunderts begann die Pelzmode das Bisamfell zu vernachlassigen auch stiegen die Gerberlohne im Rahmen der allgemeinen Lohnsteigerungen so sehr an dass sich die Verwertung in Europa kaum mehr lohnte der Ankaufspreis fur ein sehr gutes Fell lag 2009 unter 3 In den letzten Jahren wurden deshalb in Deutschland und den Niederlanden vermehrt Bisamfanger gesucht Obwohl der schone Pelz sehr gute Trageeigenschaften hat werden die Kadaver der Ratten weiterhin meist mitsamt dem Fell entsorgt Die Fanger erhalten als Anreiz immer noch nach Ablieferung der Schwanze eine Schwanzpramie im Jahr 2009 waren dies im Wasserverband Obere Lippe 5 20 4 Die Zahlung von Pramien pro abgelieferten Tier wirkt jedoch unter Umstanden kontraproduktiv da der Einlieferer womoglich kein Interesse daran hat die Tiere auszurotten und sich damit einer Verdienstquelle zu berauben Diese Hypothese wird auch als Kobra Effekt bezeichnet Die Bezeichnung bezieht sich auf ein angebliches Ereignis in Britisch Indien wo die Anzahl der Schlangen nicht gemindert wurde da die Bevolkerung dazu ubergegangen sein soll Kobras zu zuchten um weiterhin von der Pramie zu profitieren Traditionelle Mausejagd in Baden Wurttemberg und der Schweiz BearbeitenIn Baden Wurttemberg und der Schweiz wurde die Mausejagd traditionell durch Privatpersonen als Hobbyjager ausgeubt oft auch von Kindern und Jugendlichen wozu die von den jeweiligen Gemeinden ausgelobten Schwanzpramien einen Anreiz boten und so den Zuverdienst eines Taschengelds in der Schweiz Sackgeld genannt ermoglichten In der Schweiz kann die pramienbelobte Mausebekampfung unter anderem bereits fur das Jahr 1911 in der Gemeinde Saanen im Kanton Bern nachgewiesen werden Damals gab es dort eine erste Mauseplage und es wurde als Gegenmassnahme eine Schwanzpramie eingefuhrt Die im heutigen Chalet Ort Saanen bis in die Gegenwart praktizierte Gepflogenheit 1 diente als Vorlage fur eine entsprechende Ratefrage in einer 2005 ausgestrahlten Folge der Fernseh Comedyreihe Genial daneben Die Comedy Arena 5 nbsp Wuhlmausfalle Totungsfalle bzw Schlagfalle aus FederstahlDie Mausejager setzen heute meistens Wuhlmausfallen in Form von Totungsfallen ein Dabei handelt es sich vor allem um mechanische Schlagfallen bei denen beim Auslosen der Falle das Ruckgrat der Tiere gebrochen wird was in den meisten Fallen zum sofortigen Tod fuhrt Hierzu gehoren unter anderem Schlagfallen aus dickem Federstahl die grossen Sicherheitsnadeln ahneln siehe Bild und am Eingang der unterirdischen Maus Gange eingegraben werden Sobald die Tiere herauskommen und dabei den Spannring beruhren schnellen die Fallen infolge der starken Federwirkung zusammen und brechen ihnen das Genick Die getoteten Tiere werden dann von den Mausejagern entsorgt nachdem sie zuvor den relativ dunnen Schwanz abgeschnitten haben Die Mausschwanze dienen als spaterer Nachweis zur Auszahlung der Pramie und werden entsprechend gesammelt 6 Einige jedoch weniger werdende Schweizer Gemeinden bezahlen noch immer eine Schwanzpramie von meist einem Franken pro Mauseschwanz Dazu gehoren zum Beispiel das im Kanton Bern gelegene Bergdorf Lauenen wo 2003 insgesamt knapp 3300 Mausschwanze mit jeweils einem Franken vergutet wurden 1 und die St Galler Gemeinde Sennwald wo gegen Ende der 2000er Jahre pro Jahr rund 4000 bis 5000 Mausschwanze bei der Gemeinde abgegeben wurden In Langenbruck im Kanton Basel Landschaft wurde die Schwanzpramie Mitte der 2000er Jahre sogar wieder eingefuhrt weil sie alle im Tal ausrichten wie es dazu bei der Gemeinde hiess 7 Indes wurde die Mausschwanzpramie in der 1500 Einwohner Gemeinde Ersigen im Kanton Bern zum Ende des Jahres 2009 aufgehoben Zuvor gab es dort einen Franken pro Schwanz im Schnitt wurden beim Wegmeister der Gemeinde bis zu 2000 solcher Schwanze abgegeben womit sich vor allem Landwirte ein Taschengeld bzw Sackgeld dazuverdienten 8 In Deutschland wurde zuletzt nur noch im sudbadischen Hohentengen am Hochrhein eine sogenannte Mausschwanzpramie gezahlt die mindestens seit den 1940er Jahren bekannt ist Das Gemeindeamt entrichtet dort gegenwartig 2011 2012 gemass Beschluss des Gemeinderats einen Betrag in Hohe von 50 Cent pro totes Tier Dabei sind besonders Wuhlmause im Visier der noch aktiven meist alteren Mausejager welche fur die von ihnen als Nachweis fur ihr Fangergebnis abgelieferten Mausschwanze teils eine Jahrespramie zwischen 50 und 100 Euro erzielen 6 Ausserdem wurde im Jahre 2012 im wurttembergischen Notzingen die Mausschwanzpramie 50 Cent wieder reaktiviert 9 Heute erfolgt die allgemeine Bekampfung von Nagetieren wie Wuhlmause und insbesondere Schermause hauptsachlich durch verschiedene Schadlingsbekampfungsmittel dabei vor allem durch Vergiften mit chemischen Mitteln wie Rodentizid Tierschutz BearbeitenIn der Schweiz und auch in Deutschland kritisieren Tierschutzer mittlerweile die immer noch von einigen Gemeinden ausgelobte Schwanzpramie und fordern ein Ende des Brauchs wie zum Beispiel 2010 die Schweizer Stiftung fur das Tier im Recht TIR und der Schweizer Tierschutz STS Da Laien am Werk sind oft Kinder ist nicht sichergestellt dass die Mause nicht leiden mussen sagte Andreas Ruttimann von der Stiftung TIR und forderte Die Gemeinden sollten den Brauch einstellen und Experten ans Werk lassen Und Eva Waiblinger Nager Expertin beim Schweizer Tierschutz bezweifelte dass die Mausejager die Schermause wirksam dezimieren konnen 7 Der Schweizerische Bauernverband SBV verteidigte indes die Praxis und begrundete dies auch damit dass die Nager auf den Feldern riesige Schaden anrichteten Man kann die Fallen kaum falsch stellen Schnappt sie zu ist die Maus in der Regel sofort tot so der Bauernverbands Sprecher Matthias Singer 7 Auch seitens der traditionellen Mausejager wurde die Kritik zuruckgewiesen und zudem darauf verwiesen dass bei den von ihnen verwendeten Schlagfallen im Unterschied zum Vergiften die Mause sofort tot sind 1 Literatur und Medien BearbeitenSachbucher Reinhard K Sprenger Die Schwanzpramie In Reinhard K Sprenger Der dressierte Burger Warum wir weniger Staat und mehr Selbstvertrauen brauchen Campus Verlag Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 593 37759 4 S 71 72 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Wolfhard Klein Der Mausefanger In Wolfhard Klein Mausetod Die Kulturgeschichte der Mausefalle Verlag Philipp von Zabern Darmstadt 2011 ISBN 978 3 8053 4319 0 S 120 128 Printmedien Corinne Buchser Mausefanger Der Jager im Untergrund In WOZ Die Wochenzeitung Nr 34 2005 25 August 2005 Je nach Gemeinde erhalt der Mausefanger Fluckiger zwischen einem und zwei Franken funfzig pro Mauseschwanz Sebastian Stoll epd Schadlingsbekampfung In Sudbaden bringt die Mausschwanzpramie 50 Cent In Die Welt 13 Marz 2012 Skandal Hohentengen schweigt Wuhlmause tot In Sudwest Presse 14 Marz 2012 Hohentengen Mause fur Mause In FAZ 20 Marz 2012 Online Magazine und E Paper Spiegel Online Joachim Hoelzgen Mausealarm Schweizer Bergdorf lockt mit Schwanzpramie 25 Juni 2004 Suddeutsche Zeitung Mobile Ausgabe Ein Anruf bei Josef Schanz Hobbyjager in Hohentengen wo er fur jeden Mauseschwanz Geld kassiert 22 Marz 2012 Horfunk SWR4 Baden Wurttemberg Mause fur Mause Die Mausschwanzpramie in Hohentengen Beitrag im Horfunkmagazin Am Nachmittag 23 Februar 2012 13 00 Uhr mp3 in der SWR Mediathek Deutschlandradio In Sudbaden gibt s noch eine Mausschwanzpramie Beitrag im Horfunkprogramm DRadio Wissen 22 Marz 2012 07 25 Uhr Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Joachim Hoelzgen Mausealarm Schweizer Bergdorf lockt mit Schwanzpramie Auf Spiegel Online vom 25 Juni 2004 abgerufen am 28 Marz 2012 Heinrich Dathe Dr Paul Schops Die Bisamratte Fiber zibethicus L Hermelin Verlag Dr Paul Schops Berlin und Leipzig 1951 Kai von Schoenebeck Mit Moschus und Apfeln auf Bisamjagd In Neue Westfalische Nr 75 28 Marz 1992 WDR 2 OWL auf Bisam Jagd Interview Beate Depping Bisamfanger Josef Sandheinrich 23 Marz 2009 Script der Sendung Fragen und Antworten der Sendungen aus dem Jahr 2005 Samstag 10 September 2005 Auf www beepworld de abgerufen am 28 Marz 2012 a b Sebastian Stoll epd Schadlingsbekampfung In Sudbaden bringt die Mausschwanzpramie 50 Cent In Die Welt vom 13 Marz 2012 abgerufen am 28 Marz 2012 a b c Mausejagd Tierschutzer gegen Schwanzpramie Auf 20 Minuten Online vom 5 Juli 2010 abgerufen am 28 Marz 2012 Mausschwanze neu wertlos Auf 20 Minuten Online vom 28 Dezember 2009 abgerufen am 28 Marz 2012 Mausen geht s an den Kragen Iris Hafner Der Teckbote 16 Mai 2012 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schwanzpramie amp oldid 232988236