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Rudolf Haag 17 August 1922 in Tubingen 5 Januar 2016 in Fischhausen Neuhaus 1 war ein deutscher theoretischer Physiker der sich vor allem mit Grundlagenfragen der Quantenfeldtheorie beschaftigt hat 2 Rudolf Haag Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Ehrungen 4 Schriften 4 1 Fachartikel 4 2 Fachbucher 5 Literatur 6 Weblinks 7 FussnotenLeben BearbeitenHaags Vater Albert Haag war Gymnasiallehrer fur Mathematik seine Mutter war die Schriftstellerin und Politikerin Anna Haag Haag hielt sich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in England auf und wurde wahrend des Krieges als Enemy Alien in Kanada interniert wo er sich autodidaktisch in Physik und Mathematik fortbildete Er studierte ab 1946 an der Technischen Hochschule in Stuttgart wo er 1948 seinen Abschluss als Diplom Physiker machte 1951 wurde er an der Universitat Munchen bei Fritz Bopp promoviert Die korrespondenzmassige Methode in der Theorie der Elementarteilchen und habilitierte sich 1954 Zur relativistischen Quantentheorie wechselwirkender Teilchen Von 1951 bis 1953 war er Assistent an der Universitat Munchen ab 1954 Privatdozent und besuchte 1953 54 die Theoriegruppe des CERN die damals noch in Kopenhagen beheimatet war 3 1956 1957 arbeitete er bei Werner Heisenberg am Max Planck Institut fur Physik in Gottingen Nach Gastprofessuren an der Princeton University und der Universite de Marseille war er von 1960 bis 1966 Professor fur Physik an der University of Illinois in Urbana Champaign Danach war er bis zu seiner Emeritierung 1987 Professor fur Theoretische Physik an der Universitat Hamburg Nach seiner Emeritierung zog er an den Schliersee wo er bis zu seinem Tode am Ereignisbegriff in der Quantenphysik arbeitete Haag war zusammen mit Res Jost Grunder und von 1965 bis 1973 erster Herausgeber der fuhrenden Fachzeitschrift zur mathematischen Physik Communications in Mathematical Physics Zu seinen Schulern zahlen u a Huzihiro Araki Detlev Buchholz Volker Enss Klaus Fredenhagen und Bert Schroer Wirken BearbeitenBereits am Anfang seiner Karriere trug Haag wesentlich zu den Konzepten der Quantenfeldtheorie bei u a durch das haagsche Theorem 4 Aus diesem Theorem folgt dass das Wechselwirkungsbild der Quantenmechanik in der Quantenfeldtheorie nicht existiert Daher war ein neuer Zugang zur Beschreibung der Streuprozesse von Teilchen notwendig den er in den folgenden Jahren entwickelte Haag Ruelle Streutheorie 5 Bei diesen Arbeiten erkannte er dass es den bis dahin postulierten starren Zusammenhang zwischen Feldern und Teilchen nicht gibt Entscheidend fur die Partikelinterpretation ist vielmehr das auf die Quantenfeldtheorie ubertragene Einsteinsche Lokalitatsprinzip das Operatoren den Gebieten der Raumzeit zuordnet Ihre endgultige Formulierung fanden diese Einsichten in den Haag Kastler Axiomen fur die lokalen Observablen jeder Quantenfeldtheorie Dieser Rahmen benutzt Elemente der Theorie der Operatoralgebren und wird daher als algebraische Quantenfeldtheorie oder mit Blick auf den physikalischen Gehalt als Lokale Quantenphysik bezeichnet Dieses Konzept erwies sich als fruchtbar fur das Verstandnis von grundlegenden Eigenschaften jeder Theorie im vierdimensionalen Minkowskiraum Ohne Annahmen uber die Existenz nicht direkt beobachtbarer da die Ladung andernde Felder zu machen hat Haag in Zusammenarbeit mit Sergio Doplicher und John E Roberts die mogliche Struktur der Superauswahlsektoren der Observablen in Theorien mit kurzreichweitigen Kraften aufgeklart 6 Sektoren lassen sich stets komponieren jeder Sektor genugt entweder der para Bose oder der Fermistatistik und zu jedem Sektor gibt es einen konjugierten Sektor Diese Einsichten entsprechen im Teilchenbild der Additivitat von Ladungen der Bose Fermi Alternative fur die Teilchenstatistik und der Existenz von Antiteilchen In einem Spezialfall einfache Sektoren konnten aus den Observablen eine globale Eichgruppe und ladungstragende Felder rekonstruiert werden die alle Sektoren aus dem Vakuumzustand erzeugen Diese Resultate wurden spater von Doplicher und Roberts fur beliebige Sektoren verallgemeinert Doplicher Roberts Dualitatstheorem Die Anwendung dieser Methoden auf Theorien in niederdimensionalen Raumen fuhrte auch zu einem Verstandnis des dortigen Auftretens der Zopfgruppenstatistik und von Quantengruppen In der quantenstatistischen Mechanik gelang es Haag zusammen mit Nico M Hugenholtz und Marius Winnink die Gibbs von Neumannsche Charakterisierung von thermischen Gleichgewichtszustanden durch die KMS Bedingung nach Kubo Martin Schwinger so zu verallgemeinern dass sie auch auf unendlich ausgedehnte Systeme im thermodynamischen Limes anwendbar ist Es zeigte sich dass diese Bedingung auch eine herausragende Rolle in der Theorie der von Neumann Algebren spielt Tomita Takesaki Theorie Diese Theorie hat sich als zentrales Element bei der strukturellen Analyse und neuerdings auch bei der Konstruktion von konkreten quantenfeldtheoretischen Modellen erwiesen 7 Zusammen mit Daniel Kastler und Ewa Trych Pohlmeyer gelang es Haag ferner die KMS Bedingung aus Stabilitatseigenschaften thermischer Gleichgewichtszustande herzuleiten Gemeinsam mit Huzihiro Araki Daniel Kastler und Masamichi Takesaki entwickelte er in diesem Rahmen auch eine Theorie des chemischen Potentials Der von Haag und Kastler geschaffene Rahmen zur Behandlung von Quantenfeldtheorien im Minkowskiraum lasst sich auf Theorien in gekrummter Raumzeit ubertragen Haag hat hier durch Arbeiten mit Klaus Fredenhagen Heide Narnhofer und Ulrich Stein wichtige Beitrage zum Verstandnis des Unruh Effekts und der Hawking Strahlung geleistet Haag ubte gegenuber aus seiner Sicht spekulativen Entwicklungen in der theoretischen Physik eine gewisse Zuruckhaltung hat sich jedoch gelegentlich auch mit derartigen Fragen beschaftigt Am bekanntesten ist hier das Haag Lopuszanski Sohnius Theorem in dem die moglichen Supersymmetrien der S Matrix klassifiziert werden die nicht vom Coleman Mandula Theorem erfasst werden 8 Er stand der Stringtheorie kritisch gegenuber deren Vertretern er ein fundamentales Missverstandnis des Teilchenkonzepts in der herkommlichen Quantenfeldtheorie vorwarf 9 Ehrungen BearbeitenIm Jahr 1970 erhielt er die Max Planck Medaille und 1997 den Henri Poincare Preis Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina seit 1980 und der Akademie der Wissenschaften zu Gottingen sowie korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Schriften BearbeitenFachartikel Bearbeiten On quantum field theories Matematisk fysiske Meddelelser Kong Danske Videns Selskab Bd 29 1955 Nr 12 Haagsches Theorem Quantum field theory with composite particles and asymptotic conditions Physical Review Bd 112 1958 669 Haag Ruelle Streutheorie mit Daniel Kastler An algebraic approach to quantum field theory Journal of Mathematical Physics Bd 5 1964 S 848 861 Haag Kastler Axiome mit Sergio Doplicher Rudolf Haag John E Roberts Local observables and particle statistics 1 amp 2 Commun Math Phys 23 1971 199 230 amp Commun Math Phys 35 1974 49 85 Doplicher Haag Roberts Analyse der Superauswahlstruktur mit Nico Hugenholtz Marius Winnink On the Equilibrium states in quantum statistical mechanics Commun Math Phys 5 1967 215 236 KMS Bedingung mit Daniel Kastler Ewa Trych Pohlmeyer Stability and equilibrium states Commun Math Phys 38 1974 173 193 Stabilitat und KMS Bedingung mit Huzihiro Araki Daniel Kastler Masamichi Takesaki Extension of KMS states and chemical potential Commun Math Phys 53 1977 97 134 KMS Bedingung und chemisches Potential mit Heide Narnhofer Ulrich Stein On quantum field theory in gravitational background Commun Math Phys 94 1984 219 Unruh Effekt mit Klaus Fredenhagen On the derivation of Hawking radiation associated with the formation of a black hole Commun Math Phys 127 1990 273 Hawking Strahlung mit Jan Lopuszanski Martin Sohnius All possible generators of supersymmetries of the S matrix Nucl Phys B 88 1975 257 Klassifikation der Supersymmetrie Fundamental irreversibility and the concept of events Commun Math Phys 132 1990 245 Ereignisbegriff siehe dazu auch Abschnitt VII 3 in folgendem Buch mit Detlev Buchholz The quest for understanding relativistic quantum physics Journal of Mathematical Physics 41 2000 3674 3697 Ruckschau und Ausblick Rudolf Haag QUESTIONS IN QUANTUM PHYSICS A PERSONAL VIEW In Mathematical Physics 2000 PUBLISHED BY IMPERIAL COLLEGE PRESS AND DISTRIBUTED BY WORLD SCIENTIFIC PUBLISHING CO 2000 ISBN 978 1 86094 230 3 S 87 100 doi 10 1142 9781848160224 0005 englisch archive org abgerufen am 3 Marz 2023 Rudolf Haag Some people and some problems met in half a century of commitment to mathematical physics In The European Physical Journal H Band 35 Nr 3 November 2010 S 263 307 doi 10 1140 epjh e2010 10032 4 englisch personliche Erinnerungen Fachbucher Bearbeiten Rudolf Haag Local Quantum Physics Springer Berlin Heidelberg Berlin Heidelberg 1996 ISBN 978 3 540 61049 6 doi 10 1007 978 3 642 61458 3 englisch Literatur BearbeitenJohn Earman Doreen Fraser Haags theorem and its implications for the foundations of quantum field theory Res Josts Laudatio zum 60 Geburtstag von Rudolf Haag mit Foto Commun Math Phys 85 1982 1 Daniel Kastler Rudolf Haag Eighty Years In Communications in Mathematical Physics Band 237 Nr 1 Juni 2003 S 3 6 doi 10 1007 s00220 003 0829 1 englisch Detlev Buchholz Sergio Doplicher Klaus Fredenhagen Rudolf Haag 1922 2016 IAMP News Bulletin Januar 2016 1 Karl Henning Rehren Arthur Jaffe Rudolf Haag 1922 2016 Physics Today 69 2016 70 2 Kurt Schonhammer Nachruf auf Rudolf Haag 17 August 1922 5 Januar 2016 In Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften zu Gottingen 2016 S 236 237 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Rudolf Haag Sammlung von Bildern Literatur von und uber Rudolf Haag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Rudolf Haag im Mathematics Genealogy Project englisch Vorlage MathGenealogyProject Wartung id verwendet Arthur Jaffe uber Rudolf Haag als Grunder der Communications in Mathematical Physics mit Fotos Videovortrag in Englisch von Rudolf Haag uber 50 Jahre Algebraische Quantenfeldtheorie mit personlichen Anmerkungen 2009 Foliensatz Fussnoten Bearbeiten Detlev Buchholz Klaus Fredenhagen Nachruf auf Rudolf Haag Hrsg Physik Journal Band 15 Nr 4 Wiley VCH 2016 S 53 pro physik de abgerufen am 3 Marz 2023 Rudolf Haag In Physics Today 22 Marz 2016 doi 10 1063 PT 5 6210 englisch scitation org abgerufen am 3 Marz 2023 Poggendorff Lit Biogr Handworterbuch Exakten Wiss 1958 Das Haagsche Theorem besagt dass man zur Beschreibung wechselwirkender relativistischer Quantenfelder mit kanonischen Vertauschungsrelationen die ubliche Fockraumdarstellung nicht benutzen kann man benotigt inaquivalente Hilbertraumdarstellungen der Felder siehe auch Encyclopedia of Mathematics Siehe z B den Ubersichtsartikel Scattering in Relativistic Quantum Field Theory arxiv math ph 0509047 Einzige zusatzliche Annahme zu den Haag Kastler Axiomen fur die Observablen war bei dieser Analyse das Postulat der Haag Dualitat das spater von Joseph J Bisognano und Eyvind H Wichmann im quantenfeldtheoretischen Rahmen etabliert werden konnte es wurde ferner auf die Diskussion von unendlicher Statistik verzichtet Einen Uberblick uber die Konstruktion einer Vielzahl von Modellen mit diesen Methoden findet man in Gandalf Lechner Algebraic Constructive Quantum Field Theory Integrable Models and Deformation Techniques pp 397 449 in Advances in Algebraic Quantum Field Theory Springer 2015 Das Theorem von Sidney Coleman und Jeffrey Mandula schliesst eine nichttriviale Kopplung von bosonischen inneren Symmetriegruppen mit geometrischen Symmetrien Poincare Gruppe aus Die Supersymmetrie erlaubt dagegen eine derartige Kopplung Zitat aus den Erinnerungen von Haag an ein Treffen mit Edward Witten in den 1980er Jahren Blog von Woit Not Even WrongNormdaten Person GND 124520987 lobid OGND AKS LCCN n91114026 VIAF 27131419 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Haag RudolfKURZBESCHREIBUNG deutscher theoretischer PhysikerGEBURTSDATUM 17 August 1922GEBURTSORT TubingenSTERBEDATUM 5 Januar 2016STERBEORT Fischhausen Neuhaus Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rudolf Haag amp oldid 233333276