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Dieser Artikel befasst sich mit dem Gitter im naturwissenschaftlichen Sinne andere Bedeutungen unter Gitter Begriffsklarung Das reziproke Gitter lateinisch reciprocus aufeinander bezuglich wechselseitig ist eine Konstruktion der Kristallographie und Festkorperphysik In der Kristallographie beschreibt das reziproke Gitter die Rontgen Elektronen und Neutronenbeugung an Kristallen z B in der Laue Bedingung Das Rontgen Beugungsbild eines Kristalls ist im Gegensatz zum mikroskopischen Bild nicht das direkte Bild des Kristallgitters selbst sondern das Bild des reziproken Gitters das dem Kristallgitter zugeordnet ist 1 In der Festkorperphysik wird das reziproke Gitter mit leicht veranderter Definition verwendet Faktor 2 p displaystyle 2 pi und als reziproker Raum bezeichnet Als zugehoriger Fourierraum des Kristallgitters kommt ihm eine herausragende Bedeutung zu Im Gegensatz zu den Vektoren des Kristallgitters haben die Vektoren des reziproken Gitters die Dimension einer inversen Lange Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen 1 1 Eigenschaften der Basisvektoren 2 Verwendung in der Kristallographie 2 1 Zusammenhang mit den Millerschen Indizes 2 2 Bragg Gleichung und Laue Bedingung 2 3 Historisches 3 Verwendung in der Festkorperphysik 3 1 Bloch Funktion 3 2 Wechselwirkung von Quasiteilchen 4 Literatur 4 1 Fachartikel 4 2 Fachbucher 4 3 Klassiker oder Andere 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDefinitionen BearbeitenEin 3 dimensionales Punktgitter wird durch drei Basisvektoren a 1 displaystyle vec a 1 nbsp a 2 displaystyle vec a 2 nbsp und a 3 displaystyle vec a 3 nbsp beschrieben Dieses Gitter wird auch reales oder direktes Gitter genannt Die Basisvektoren b 1 displaystyle vec b 1 nbsp b 2 displaystyle vec b 2 nbsp und b 3 displaystyle vec b 3 nbsp des zu diesem Gitter reziproken Gitters ergeben sich aus den Gleichungen Kristallographie Festkorperphysikb 1 a 2 a 3 a 1 a 2 a 3 displaystyle vec b 1 frac vec a 2 times vec a 3 vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp b 1 2 p a 2 a 3 a 1 a 2 a 3 displaystyle vec b 1 2 pi frac vec a 2 times vec a 3 vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp b 2 a 3 a 1 a 1 a 2 a 3 displaystyle vec b 2 frac vec a 3 times vec a 1 vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp b 2 2 p a 3 a 1 a 1 a 2 a 3 displaystyle vec b 2 2 pi frac vec a 3 times vec a 1 vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp b 3 a 1 a 2 a 1 a 2 a 3 displaystyle vec b 3 frac vec a 1 times vec a 2 vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp b 3 2 p a 1 a 2 a 1 a 2 a 3 displaystyle vec b 3 2 pi frac vec a 1 times vec a 2 vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp Hierbei ist a 1 a 2 a 3 displaystyle vec a 1 cdot vec a 2 times vec a 3 nbsp das Volumen der Elementarzelle Damit gilt allgemein fur die kristallographische Definition a i b j d i j displaystyle vec a i cdot vec b j delta ij nbsp fur die in der Festkorperphysik verwendete Definition a i b j 2 p d i j displaystyle vec a i cdot vec b j 2 pi delta ij nbsp Der Unterschied zwischen beiden Definitionen hat seine Ursache in der unterschiedlichen Darstellung des Streuvorgangs In der Kristallographie wird die einfallende bzw gestreute Welle in der Regel durch Einheitsvektoren e 0 displaystyle vec e 0 nbsp bzw e s displaystyle vec e s nbsp beschrieben In einigen Fallen wird auch die Definition k e l displaystyle vec k frac vec e lambda nbsp verwendet wobei l die Wellenlange der verwendeten Strahlung ist In der Festkorperphysik werden zur Beschreibung von Wellen generell die Wellenvektoren k 2 p e l displaystyle vec k 2 pi frac vec e lambda nbsp verwendet Im Folgenden wird wenn nicht anders vermerkt die kristallographische Definition benutzt Tragt man die Basisvektoren des realen Gitters in kartesischen Koordinaten in die Spalten einer Matrix A displaystyle A nbsp ein so lasst sich durch Transposition und Inversion eine Matrix B displaystyle B nbsp berechnen die als Spalten die Basisvektoren des reziproken Gitters enthalt 2 In kristallographischer Definition ohne den Faktor 2 p displaystyle 2 pi nbsp B A T 1 displaystyle B A T 1 nbsp Eigenschaften der Basisvektoren Bearbeiten Ein Basisvektor bi des reziproken Gitters steht senkrecht auf den beiden anderen Vektoren des realen Gitters Seine Lange hangt von den Winkeln zwischen den realen Basisvektoren a ab Stehen diese alle senkrecht aufeinander kubische tetragonale und orthorhombische Gitter so betragt seine Lange 1 ai Die Koordinaten eines Punktes des reziproken Gitters werden in der Regel mit h k l bezeichnet Das zu einem reziproken Gitter reziproke Gitter ist wieder das entsprechende reale Gitter Das gilt nur fur die kristallographische Definition ohne den Faktor 2p Das reziproke Gitter eines Bravais Gitters gehort zum gleichen Kristallsystem wie das reale Gitter kann aber eine andere Zentrierung haben Reale Bravaisgitter und ihre reziproken Gitter Reales Gitter Reziprokes GitterBezeichnung Abk Bezeichnung Abk Primitiv P Primitiv PBasiszentriert Einseitig flachenzentriert A B C Basiszentriert Einseitig flachenzentriert A B CFlachenzentriert Allseitig flachenzentriert F Innenzentriert Raumzentriert IInnenzentriert Raumzentriert I Flachenzentriert Allseitig flachenzentriert FVerwendung in der Kristallographie BearbeitenZusammenhang mit den Millerschen Indizes Bearbeiten Ein Vektor h k l des reziproken Raums steht senkrecht auf der Schar von Netzebenen mit den Millerschen Indizes hkl Die Lange des Vektors ist gleich dem Reziproken des Abstandes der Netzebenen Daraus folgt dass im reziproken Gitter auch die Punkte deren Koordinaten ein gemeinsames Vielfaches besitzen eine Bedeutung haben die mit 100 und 200 bezeichneten Scharen von Netzebenen liegen parallel zueinander die Netzebenen der Schar 200 haben aber nur halb so grossen Abstand wie die der Schar 100 Bragg Gleichung und Laue Bedingung Bearbeiten Die Bragg Gleichung liefert einen Zusammenhang zwischen dem Netzebenenabstand d h k l displaystyle d hkl nbsp und dem Beugungswinkel ϑ displaystyle vartheta nbsp Sie gilt nur wenn der einfallende und der gestreute Strahl symmetrisch zur reflektierenden Netzebenenschar h k l displaystyle h k l nbsp verlaufen und lautet n l 2 d h k l sin ϑ displaystyle n lambda 2d hkl sin vartheta nbsp In dieser Form liefert sie keine Aussagen uber die Richtungen der Netzebenen und der einfallenden und gestreuten Welle zueinander Beschreibt man die einfallende Welle mit k 0 e 0 l displaystyle vec k 0 frac vec e 0 lambda nbsp und die gestreute Welle mit k s e s l displaystyle vec k s frac vec e s lambda nbsp so erhalt man die zur Bragg Gleichung aquivalente Laue Bedingung k k s k 0 G h k l displaystyle vec k vec k s vec k 0 vec G h k l nbsp Dabei ist k displaystyle vec k nbsp der Beugungsvektor und G h k l displaystyle vec G h k l nbsp der Vektor h k l des reziproken Gitters Allgemein bedeutet diese Gleichung ein Rontgenstrahl wird genau dann gestreut wenn der Beugungsvektor k displaystyle vec k nbsp gleich einem reziproken Gittervektor ist Dieser Zusammenhang wird mit der Ewaldkugel anschaulich dargestellt Historisches Bearbeiten Das polare Gitter reseau polaire als Vorlaufer des reziproken Gitters wurde bereits von Auguste Bravais im Rahmen seiner Arbeit uber Punktgitter behandelt 3 4 Josiah Willard Gibbs fuhrte 1881 den Begriff des reziproken Systems reciprocal system als rein mathematische Konstruktion in seinem Buch Vector Analysis 5 ein 6 Seine Definition ist identisch mit der oben angegebenen kristallographischen Paul Peter Ewald war der erste der dieses Gitter zur Beschreibung von Rontgenreflexen einsetzte 7 Danach baute er die Theorie weiter aus 8 Aber erst aufgrund einer Arbeit von John Desmond Bernal 9 wurde diese Konstruktion zur Beschreibung von Braggreflexen allgemein bekannt und etablierte sich Verwendung in der Festkorperphysik BearbeitenIn diesem Abschnitt werden die Wellenvektoren k 2 p l e displaystyle vec k frac 2 pi lambda vec e nbsp wieder grundsatzlich mit einem Faktor 2 p displaystyle 2 pi nbsp definiert und das Gleiche gilt fur die Konventionen des reziproken Gitters Allgemein gilt dass eine gitterperiodische Funktion n r a i n r displaystyle n vec r vec a i n vec r nbsp mit den Gittervektoren a i displaystyle vec a i nbsp eine Fourierzerlegung mit Wellenvektoren als Fourierkomponenten hat die aus den Vektoren G j displaystyle vec G j nbsp des reziproken Gitters bestehen 10 n r G j n G j exp i G j r displaystyle n vec r sum vec G j n vec G j exp mathrm i vec G j vec r nbsp da wegen G i a j 2 p d i j displaystyle vec G i vec a j 2 pi delta ij nbsp gilt exp i G i a j 1 displaystyle exp mathrm i vec G i vec a j 1 nbsp Dieser von den Vektoren des reziproken Gitters aufgespannte Raum der Wellenvektoren wird auch reziproker Raum genannt haufig wird aber auch synonym die Bezeichnung reziprokes Gitter verwendet Als Fourierraum des Gitters kommt dem reziproken Raum eine fundamentale Bedeutung in der Festkorperphysik zu Die Dimension der Vektoren des reziproken Raums ist die einer umgekehrten Lange Die oben beschriebene Beugung von Rontgenstrahlen mit der Laue Bedingung k k G displaystyle vec k vec k vec G nbsp mit den Wellenvektoren k k des Photons vor und nach der Streuung und dem reziproken Gittervektor G liefert ein direktes Bild des reziproken Gitters Bloch Funktion Bearbeiten Ein weiteres Beispiel fur die Bedeutung des reziproken Raums bzw Gitters ist die Bloch Funktion und der Satz von Bloch dass die Losungen der Schrodingergleichung im periodischen Potential des Gitters als Produkt einer ebenen Welle und einer gitterperiodischen Funktion u k r displaystyle u vec k vec r nbsp geschrieben werden konnen ps r e i k r u k r displaystyle psi vec r mathrm e mathrm i vec k cdot vec r cdot u vec k vec r nbsp Da die Funktion u k r displaystyle u vec k vec r nbsp gitterperiodisch ist kann sie als Fouriersumme uber Vektoren des reziproken Gitters geschrieben werden Wechselwirkung von Quasiteilchen Bearbeiten Eine weitere Anwendung ist die Wechselwirkung von Quasiteilchen wie quantisierten Gitterschwingungen Phononen Diese besitzen einen Wellenvektor k displaystyle vec k nbsp und einen Impuls ℏ k displaystyle hbar vec k nbsp Streut zum Beispiel ein Elektron mit Wellenvektor k displaystyle vec k nbsp mit einem Phonon mit Wellenvektor q displaystyle vec q nbsp so gilt folgende Auswahlregel k q k q G displaystyle vec k vec q vec k vec q vec G nbsp wobei G displaystyle vec G nbsp ein Vektor des reziproken Gitter ist Die Impulserhaltung gilt hier also bis auf Addition eines Vektors des reziproken Gitters und die betrachteten Impulse heissen auch Quasi oder Kristallimpulse Da im Gitter der Wellenvektor eines Quasiteilchens wie eines Phonons nur bis auf Vektoren des reziproken Gitters festgelegt wird genugt es die Wellenvektoren in der ersten Brillouin Zone zu betrachten Sie ist die Wigner Seitz Zelle des reziproken Gitters In einer Dimension entspricht die erste Brillouinzone Wellenvektoren k lt p a displaystyle k lt frac pi a nbsp Hat ein Phonon einen grosseren Wellenvektor so kann von ihm so oft ein Vektor 2 p a displaystyle left frac 2 pi a right nbsp des reziproken Gitters abgezogen werden bis der Wellenvektor im Bereich p a displaystyle pm frac pi a nbsp liegt ohne dass sich an der Physik etwas andert Literatur BearbeitenSiehe auch Festkorperphysik Fachartikel Bearbeiten Dorothy G Bell Group Theory and Crystal Lattices In Reviews of Modern Physics Band 26 Nr 3 1 Juli 1954 S 311 320 doi 10 1103 RevModPhys 26 311 Fachbucher Bearbeiten Will Kleber Joachim Bohm Detlef Klimm Manfred Muhlberg Bjorn Winkler Einfuhrung in die Kristallographie De Gruyter 2020 ISBN 978 3 11 046024 7 doi 10 1515 9783110460247 Klassiker oder Andere Bearbeiten Martin J Buerger Kristallographie Eine Einfuhrung in die geometrische und rontgenographische Kristallkunde DE GRUYTER 1977 ISBN 978 3 11 004286 3 doi 10 1515 9783110842425 Weblinks BearbeitenDas reziproke Gitter IUCr englisch Einzelnachweise Bearbeiten Kittel Einfuhrung in die Festkorperphysik Oldenbourg 1980 S 65 Rudolf Gross Achim Marx Festkorperphysik 1 Auflage Oldenbourg Verlag Munchen 2012 ISBN 978 3 486 71294 0 S 61 62 Auguste Bravais Memoire sur les systemes formes par des points distribues regulierement sur un plan ou dans l espace In Journal de l Ecole Polytechnique Bd 19 1850 S 1 128 ISSN 0368 2013 Definition des polaren Gitters IUCr englisch Vector Analysis in der englischsprachigen Wikipedia Josiah Willard Gibbs Elements of Vector Analysis arranged for the Use of Students in Physics Morehouse amp Taylor New Haven CT 1881 Paul Peter Ewald Zur Theorie der Interferenzen der Rontgenstrahlen in Kristallen In Physikalische Zeitschrift Bd 14 1913 S 465 472 Paul Peter Ewald Das reziproke Gitter in der Strukturtheorie In Zeitschrift fur Kristallographie International Journal for structural physical and chemical aspects of crystalline materials Bd 56 1921 S 129 156 ISSN 0044 2968 John Desmond Bernal On the interpretation of x ray single crystal rotation photographs In Proceedings of the Royal Society of London Serie A Bd 113 1926 Nr 763 S 117 160 ISSN 1471 2946 Sowohl das Symbol G als auch K ist fur reziproke Gittervektoren gebrauchlich Hier wird G verwendet Normdaten Sachbegriff GND 7544035 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reziprokes Gitter amp oldid 236892481