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Kristallsysteme bieten ein symmetriebezogenes Klassifizierungsschema fur kristalline Festkorper In der Kristallographie werden Kristalle mit Hilfe des Kristallsystems dreidimensional klassifiziert trikliner Rhodonitmonokliner Vivianitorthorhombischer Fayalittetragonaler Anatastrigonaler Hamatithexagonaler Beryllkubischer SpessartinDie haufigsten Kristallsysteme der Metalle Es konnen sieben Kristallsysteme unterschieden werden die sich jeweils auf das gleiche Achsenkreuz beziehen lassen das den Kristallkorper im Mittelpunkt schneidet triklin monoklin orthorhombisch tetragonal trigonal hexagonal und kubisch Massgeblich fur die Zuordnung einer kristallinen Substanz in eines der Systeme ist dabei die Symmetrie der Substanz aus der sich wiederum bestimmte Anforderungen an die Lange der Achsen und die Winkel unter denen sie sich schneiden ergeben Die Idee der Kristallsysteme geht zuruck auf Christian Samuel Weiss 1780 1856 1 Im Gegensatz dazu hat amorphes Material keine geordneten Strukturen und damit kein Kristallsystem das heisst dass seine Atome bzw Molekule ein unregelmassiges Muster bilden Kristallsysteme finden hauptsachlich Anwendung in der Mineralogie Festkorperchemie und Festkorperphysik Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Zuordnung der kristallographischen Punktgruppen zu den Kristallsystemen 3 Koordinatensysteme 4 Andere Einteilungen 5 Geschichte 6 Siehe auch 7 Einzelnachweise 8 WeblinksDefinition BearbeitenDie hochstsymmetrische Punktgruppe Kristallklasse eines Kristallsystems wird als Holoedrie vollflachig oder Vollform bezeichnet und der entsprechende Kristallkorper als Holoeder Vollflachner Seine Form weist entsprechend die hochstmogliche Anzahl an Kristallflachen auf und alle in seinem Kristallsystem moglichen Symmetrieelemente sind vorhanden 2 Wenn die Punktgruppe eines Kristalls die gleichen Anforderungen an das Gitter stellt wie eine Holoedrie dann gehort die Kristallstruktur zum betreffenden Kristallsystem In der Regel ist die Symmetrie der Kristallstruktur jedoch niedriger als die Symmetrie des Gitters und es kann sogar vorkommen dass der Kristall zu einem niedrigersymmetrischen Kristallsystem gehort als sein Gitter Zum Beispiel hat ein Kristall mit der Punktgruppe 4 Hermann Mauguin Symbol gezwungenermassen ein Gitter das mindestens der Punktgruppe 4 mmm entspricht und wird deshalb dem tetragonalen Kristallsystem zugeordnet Diese Zuordnung wurde auch zutreffen wenn der Kristall ein kubisches Gitter hatte Zuordnung der kristallographischen Punktgruppen zu den Kristallsystemen BearbeitenKristallsystem Holoedrie Punktgruppen Hermann Mauguin Kurzsymbole triklin 1 1 1monoklin 2 m 2 m m 2orthorhombisch mmm mmm mm2 222tetragonal 4 mmm 4 mmm 4 2m 4mm 422 4 m 4 4trigonal 3 m 3 m 3m 32 3 3hexagonal 6 mmm 6 mmm 6 2m 6mm 622 6 m 6 6kubisch m3 m m3 m 4 3m 432 m3 23Koordinatensysteme BearbeitenSinnvollerweise wird bei der Beschreibung von Kristallen und Kristallstrukturen meistens kein kartesisches sondern ein an das Kristallsystem angepasstes Koordinatensystem verwendet Dadurch werden z B alle Rotationsmatrizen der Symmetrieoperationen integral Diese Koordinatensysteme erfullen gewisse Bedingungen Triklines Kristallsystem Es werden die drei kleinstmoglichen primitiven Basisvektoren verwendet Es gibt keine Bedingungen bezuglich der Winkel und Langen der Basisvektoren Monoklines Kristallsystem Ein Basisvektor ublicherweise die y Achse wird in die zweizahlige Drehachse gelegt Daraus ergeben sich zwei 90 Winkel aber keine Beschrankung bezuglich der Achsenlangen Orthorhombisches Kristallsystem Die Basisvektoren werden in die 2 zahligen Drehachsen gelegt Daraus ergeben sich drei 90 Winkel daher ortho aber keine Beschrankung bezuglich der Achsenlangen Hexagonales Kristallsystem Ein Basisvektor ublicherweise die z Achse wird in die 6 zahlige Drehachse gelegt die zwei anderen in die dazu senkrechten 2 zahligen Drehachsen Man erhalt zwei gleich lange Achsen in einer Ebene mit 120 Winkel die dritte Achse senkrecht dazu Tetragonales Kristallsystem Ein Basisvektor ublicherweise die z Achse wird in die 4 zahlige Drehachse gelegt die zwei anderen in die dazu senkrechten 2 zahligen Drehachsen Man erhalt zwei gleich lange Achsen und drei 90 Winkel Trigonales Kristallsystem Fur dieses Kristallsystem sind zwei Koordinatenaufstellungen gebrauchlich drei gleich lange Basisvektoren und drei gleiche Winkel rhomboedrisches Koordinatensystem oder eine Aufstellung wie im hexagonalen Kristallsystem Kubisches Kristallsystem Die Basisvektoren werden in die 4 zahligen Achsen gelegt Man erhalt drei gleich lange Achsen und drei 90 Winkel Die gegebenen Bedingungen sind notwendig aber nicht hinreichend So ist es moglich dass die Achsen eines triklinen Kristalls gleich lang sind und jeweils 90 einschliessen daraus folgt jedoch nicht dass der Kristall kubisch ist Durch diese symmetriebezogene Koordinatenaufstellung erhalt man unter Umstanden keine primitive Basis mehr Daher muss zusatzlich zum Kristallsystem noch die Zentrierung angegeben werden wodurch man die 14 Bravais Gitter erhalt Andere Einteilungen BearbeitenDie oben angegebene Einteilung entspricht derjenigen aus den International Tables for Crystallography Diese ist am konsistentesten und setzt sich daher immer mehr durch In der Literatur finden sich jedoch noch andere Einteilungen In der amerikanischen und der russischen Literatur werden das trigonale und das hexagonale Kristallsystem zu einem zusammengefasst In der franzosischen Literatur und teilweise auch in der deutschen gibt es mit dem rhomboedrischen ein achtes Kristallsystem diesem werden die trigonalen Raumgruppen mit rhomboedrischer Zentrierung zugeordnet Geschichte BearbeitenKristallsysteme waren zunachst als Achsensysteme definiert Ende des 18 Jahrhunderts hatte Hauy seine Theorie vom Aufbau der Kristalle aus kleinsten Baueinheiten molecules constituantes veroffentlicht C S Weiss ubersetzte die Lehrbucher Hauys Bereits in der ersten Ausgabe seiner Ubersetzung fugte er eine Erganzung ein die den Titel Dynamische Ansichten zur Kristallisation trug 3 Seine Ansicht dass die aussere Gestalt der Kristalle als Ausdruck eines Systems innerer Krafte verstanden werden sollte fuhrte zur Idee das Kraftesystem uber eine Analyse der Anordnung besonders auffalliger Richtungen der Kristalle der Achsen mathematisch beschreibbar zu machen Er definierte eine Achse folgendermassen Axis vero linea est omnis figurae dominatrix circa quam omnia aequiabiliter sunt disposita Eine Achse aber ist tatsachlich eine die ganze Figur beherrschende Gerade um die herum alles gleichmassig verteilt ist Christian Samuel Weiss Dissertatio 1809 4 In dieser gleichmassigen Verteilung um die Achse deutet sich bereits die Idee der Drehsymmetrie an die aber erst spater von Frankenheim und Hessel konkret formuliert wurde Weiss fuhrte die Achsensysteme in die Kristallographie ein Zunachst unterschied er nach der Anordnung der Achsen vier grosse Abteilungen der Kristallformen die er spater um drei Unterabteilungen erweiterte so dass er die Kristallformen insgesamt sechs Crystallisations Systemen zuordnen konnte 5 Der Begriff der Kristallsysteme war geboren Mit Hilfe der Achsen konnte Weiss erstmals die Lage aller Kristallflachen durch Zahlen Indizes in der Form ma nb pc charakterisieren Die Zahlen m n p die Weissschen Koeffizienten sind die Achsenabschnitte bei denen die jeweilige Flache die Achsen schneidet Er erhielt so folgende Systeme in Klammern sind die modernen Bezeichnungen der entsprechenden Kristallsysteme angegeben Abteilung das regulare kubische System a b c a b g 90 Abteilung das viergliedrige tetragonale System a b c a b g 90 Abteilung das zweigliedrige System a b c paarweise verschieden a b g 90 Unterabteilung das zwei und zweigliedrige orthorhombische System Unterabteilung das zwei und eingliedrige monokline System Unterabteilung das ein und eingliedrige trikline System Abteilung das drei oder sechsgliedrige tri hexagonale System drei gleiche Achsen schneiden sich unter 60 und die vierte ungleiche Achse unter 90 Weiss behauptete dass durch die von ihm vorgeschlagenen rechtwinkligen Kristallsysteme die Lage jeder Flache und jeder Richtung beschrieben werden konne Dabei versuchte er auch schiefwinklige monokline und trikline Kristalle in einen rechtwinkligen System zu beschreiben Trotz der Schwierigkeiten die sich durch die zunehmende Genauigkeit der Vermessung von Kristallflachen ergaben hielt Weiss zeitlebens am Orthogonalitatsdogma der Kristallachsen fest Friedrich Mohs entwickelte etwa gleichzeitig aber unabhangig von Weiss ein Konzept der Kristallsysteme 6 Nach eigener Angabe hatte Mohs eine Einteilung in vier Systeme rhomboedrisch pyramidal prismatisch und tessular schon 1812 1814 entwickelt Das Konzept liess schiefwinklige Achsen prinzipiell zu doch machte Mohs lediglich Andeutung in diese Richtung Erst Mohs Schuler Carl Friedrich Naumann sowie Frankenheim und Justus Gunther Grassmann etablierten die schiefwinkligen Achsensysteme Die Nomenklatur war zunachst alles andere als einheitlich Traugott Leberecht Hasse gab 1848 einen historischen Uberblick uber die Kristallsysteme in orthogonaler Beschreibung 7 Weiss 1815 Mohs 1822 1824 Naumann 1824 1826 1830 Tesseral kubisch tessulares regulares spharoedrisches gleichgliedriges System tessulares auch tessularisches System tesserales oder isometrisches SystemTetragonal viergliedriges oder zwei u einaxiges System pyramidales System tetragonales oder monodimetrisches SystemHexagonal sechsgliedriges drei u dreigliedriges System rhomboedrisches System hexagonales oder monometrisches SystemRhombisch zwei und zweigliedrig auch zwei und eingliedrig ein und zweigliedrig und ein und eingliedriges System prismatisches System das rhombische oder klinorhombische SystemDie hexagonale Kristallfamilie wurde lange als ein System behandelt William Hallowes Miller unterschied sechs Systeme die er folgendermassen definierte Millers Definition Bezeichnung 1839 8 Bezeichnung 1863 9 Achsen rechtwinklig alle Parameter a b c gleich Octahedral System Cubic SystemAchsen rechtwinklig zwei Parameter a b gleich Pyramidal System Pyramidal Systemdie Achsen bilden gleiche Winkel alle Parameter sind gleich Rhombohedral System Rhombohedral SystemAchsen rechtwinklig Prismatic System Prismatic Systemeine Achse ist senkrecht zu den beiden anderen Oblique Prismatic System Oblique SystemDie Form hkl hat zwei parallele Flachen hkl h k l Doubly Oblique Prismatic System Anorthic SystemDas rhomboedrische System verwendete Miller dabei auch zur Beschreibung hexagonaler Kristalle was ohne weiteres moglich ist Bis hier dienten die Kristallsysteme ausschliesslich zur Beschreibung von Kristallformen also der Lage von Kristallflachen im Raum Erst mit der Etablierung des Konzepts der Translationsgitter durch Frankenheim und spater Auguste Bravais 10 wurde es sinnvoll zwischen einem hexagonalen und einem rhomboedrischen Gitter zu unterscheiden 1866 11 unterschied Bravais sieben Klassen von Symmetrie Verbindungen assemblages symetriques nicht mehr anhand der Achsenverhaltnisse sondern nach den maximal kombinierbaren Drehachsen Diese Einteilung entspricht genau den sieben modernen Kristallsystemen in Klammern angegeben Assemblages terquaternaires 3 vierzahlige 4 dreizahlige 6 zweizahlige Drehachsen kubisch Assemblages senaires 1 sechszahlige 6 zweizahlige Drehachsen hexagonal Assemblages quaternaires 1 vierzahlige 4 zweizahlige Drehachsen tetragonal Assemblages ternaires 1 dreizahlige 3 zweizahlige Drehachsen trigonal Assemblages terbinaires 3 zweizahlige Drehachsen orthorhombisch Assemblages binaires 1 zweizahlige Drehachse monoklin Assemblages asymetriques keine Drehachsen triklin Dennoch blieb es bis ins 20 Jahrhundert ublich das trigonale und das hexagonale Kristallsystem zu einem zusammenzufassen Alle trigonalen und hexagonalen Kristalle lassen sich mit hexagonalen und ebenso mit rhomboedrischen Achsen beschreiben Friedrich Klockmann lieferte in der 3 Auflage seines Lehrbuchs der Mineralogie 1903 12 den Nachweis dass man mit 6 Axenkreuzen bzw 6 Krystallsystemen auszukommen vermag S vii Er gab folgende Definition des Begriffs Kristallsystem Diejenigen Symmetrieklassen bzw Krystallformen die ungeachtet ihres verschiedenen Symmetriegrades doch auf analoge Axenkreuze bezogen werden konnen werden als demselben Krystallsystem angehorig bezeichnet oder kurz bilden ein Krystallsystem Es giebt demnach sechs Krystallsysteme Friedrich Klockmann Lehrbuch der Mineralogie 3 Aufl 1903 S 41 Hervorhebungen im Original Bei der folgenden Herleitung unterschied er zwar sieben Achsensysteme darunter das rhomboedrische und das hexagonale erklarte dann aber Da das rhomboedrische System eigenthumliche geometrische Beziehungen zum hexagonalen System zeigt und alle Formen desselben auf ein hexagonales Axenkreuz und vice versa bezogen werden konnen so ist es ublich geworden beide zu einem einzigen Krystallsystem und zwar zumeist zum hexagonalen System zu vereinigen wodurch die Zahl der Kristallsysteme sich auf 6 reducirt Friedrich Klockmann Lehrbuch der Mineralogie 3 Aufl 1903 S 42 Erst im spateren 20 Jahrhundert wurden die Konzepte strenger voneinander abgegrenzt so dass es heute eine Unterscheidung zwischen Kristallsystem Kristallfamilie und Gitter System gibt die sich letztlich nur durch die Unterteilung der trigonal hexagonalen Systeme unterscheiden Siehe auch BearbeitenPearson SymbolEinzelnachweise Bearbeiten J J Burckhardt Die Symmetrie der Kristalle Birkhauser Verlag Basel 1988 ISBN 3 7643 1918 6 S 31 47 Rudolf Graubner Lexikon der Geologie Minerale und Gesteine Emil Vollmer Verlag GmbH Munchen 1980 ISBN 3 87876 327 1 C S Weiss Coup d œil dynamique sur la cristallisation Annal de Chemie 52 1804 S 308 339 C S Weiss De indagando formarum crystallinarum charactere geometrico principali dissertatio Lipsiae Leipzig 1809 C S Weiss Ueber die naturlichen Abtheilungen der Crystallisations Systeme Abhandl k Akad Wiss Berlin 1814 1815 S 290 336 Friedrich Mohs Grund Riss der Mineralogie Erster Theil Terminologie Systematik Nomenklatur Charakteristik Dresden 1822 T L Hasse Denkschrift zur Erinnerung an die Verdienste des in Dresden am 30 Juni 1817 verstorbenen K S Bergrath s Werner und die Fortschritte bei der Bergakademie zu Freiberg Dresden und Leipzig 1848 William Hallowes Miller A treatise on crystallography Deighton Cambridge 1839 LCCN 04 030688 OCLC 4083997 englisch Volltext in der Google Buchsuche William Hallowes Miller A Tract on Crystallography Deighton Cambridge 1863 englisch Volltext in der Google Buchsuche Auguste Bravais Memoire sur les systemes formes par les points distribues regulierement sur un plan ou dans l espace vorgelegt der Pariser Akademie am 11 Dezember 1848 veroffentlicht in J Ecole Polytech 19 1850 S 1 128 Auguste Bravais Etudes Cristallographiques Gauthier Villars Paris 1866 franzosisch Volltext in der Google Buchsuche Friedrich Klockmann Lehrbuch der Mineralogie 3 Auflage Ferdinand Enke Stuttgart 1903 archive org Weblinks BearbeitenIUCr Crystal system offizielle Definition Mineralienatlas KristallsystemNormdaten Sachbegriff GND 4165770 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kristallsystem amp oldid 232953983