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Als Pramienkalkulation oder Beitragskalkulation wird im Versicherungswesen und in der Versicherungsbetriebslehre eine Kalkulation bezeichnet die der Ermittlung der fur die Gewahrung des Versicherungsschutzes benotigten Versicherungspramien dient Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Rechtsgrundlage 3 Bestandteile 4 Grundlagen 5 Einzelne Versicherungsarten 5 1 Schadenversicherung 5 2 Lebensversicherung 5 3 Krankenversicherung 5 4 Garantiezinsen 6 Wirtschaftliche Aspekte 7 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDie von einem Versicherungsunternehmen erbrachte Dienstleistung Versicherungsschutz ist ein komplexes Finanzprodukt das sich erst dann konkretisiert wenn der Versicherungsfall eingetreten ist und der Versicherer Schaden reguliert oder fallige Versicherungssummen ausbezahlt 1 Entsprechend kompliziert ist auch im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen die Preisbildung im Versicherungswesen Grund ist insbesondere die Verschiedenartigkeit der Versicherungsarten Krankenversicherung Lebensversicherung Sachversicherung denen unterschiedliche versicherte Ereignisse Krankheit Personen oder Sachschaden Tod Unfall und unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten zugrunde liegen Um die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Ereignisse zu messen wird die Versicherungsmathematik einschliesslich Wahrscheinlichkeitsrechnung eingesetzt Diese wird durch angestellte Aktuare umgesetzt Die Pramienkalkulation ist die systematische Ermittlung und Kalkulation von Versicherungspramien und stellt eine Kombination von versicherungsmathematischen Berechnungen fur die Risikopramie und betriebswirtschaftlichen Uberlegungen fur die Ertragskomponente dar 2 Die Versicherungspramie ist der Preis den ein Versicherungsnehmer fur den Risikotransfer innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu entrichten hat In diesem Sinne ist die Pramienkalkulation eine Preiskalkulation Die Pramienkalkulation muss zahlreiche Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Schaden ubernehmen so dass sich die Risiken im Kollektiv und im Zeitablauf ausgleichen 3 Jeder Versicherungsnehmer zahlt eine Versicherungspramie fur das Kollektiv ein aus den gesamten Pramieneinnahmen werden dann die Schaden einzelner Versicherungsnehmer ubernommen 4 Rechtsgrundlage BearbeitenWeder die Richtlinie 2009 138 EG vom 25 November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausubung der Versicherungs und der Ruckversicherungstatigkeit Solvabilitat II noch das Versicherungsaufsichtsgesetz VAG sehen einen allgemeinen Grundsatz vor wonach Versicherungspramien stets auf versicherungsmathematischer Grundlage risikoadaquat kalkuliert werden mussen solange die Solvabilitatsanforderungen der 74 ff VAG und andere Vorgaben eingehalten werden 5 Doch finden sich zahlreiche Vorschriften in denen auf versicherungsmathematische Methoden zur Berechnung der Pramien 160 Nr 1 VAG verwiesen wird Anerkannte Regeln der Versicherungsmathematik so in 4 Abs 1 AktuarV bedeutet dass eine herrschende Meinung unter Experten bestehen muss 6 Versicherungsaufsichtsrechtliche Vorschriften gibt es lediglich fur die Lebensversicherung substitutive Krankenversicherung und Unfallversicherung In der gesamten Schadensversicherung gibt es dagegen fur die Pramienkalkulation und Preisgestaltung keine grosseren Restriktionen 7 Jedes Lebensversicherungsunternehmen hat nach 141 VAG einen Verantwortlichen Aktuar zu bestellen dessen Aufgabe insbesondere darin besteht sicherzustellen dass bei der Berechnung der Pramien und der Deckungsruckstellungen die Grundsatze des 138 HGB und des 341f HGB sowie die Grundsatze der aufgrund des 88 Abs 3 VAG erlassenen Rechtsverordnung eingehalten werden dabei muss er die Finanzlage des Unternehmens insbesondere daraufhin uberprufen ob die dauernde Erfullbarkeit der sich aus den Versicherungsvertragen ergebenden Verpflichtungen jederzeit gewahrleistet ist Dies gilt nach 156 VAG auch fur die Krankenversicherung Bestandteile BearbeitenDie Versicherungspramie setzt sich aus zwei Faktoren zusammen 8 Risikopramie ist der Betrag der erforderlich ist um die eingegangenen Leistungsverpflichtungen bei Eintritt des Versicherungsfalles erfullen zu konnen Dazu ist die Wahrscheinlichkeit zu errechnen mit der das versicherte Risiko eintreten wird Wahrscheinlichkeit bedeutet dass bestimmte versicherte Ereignisse mit einer feststellbaren Regelmassigkeit eintreffen konnen Dabei ist folgende Gleichung zu berucksichtigen 9 N P T D displaystyle N cdot P T cdot D nbsp Die Anzahl der Versicherungen N displaystyle N nbsp multipliziert mit den Versicherungspramien pro Versicherungsvertrag P displaystyle P nbsp ist identisch mit der Zahl der Versicherungsfalle T displaystyle T nbsp multipliziert mit der Leistung pro Versicherungsfall D displaystyle D nbsp Daraus ergibt sich die Risikopramie P T D N displaystyle P T cdot frac text D text N nbsp T D N displaystyle T cdot frac text D text N nbsp ist dabei die Schadenshaufigkeit Schadenfrequenz Schadenwahrscheinlichkeit oder Sterbewahrscheinlichkeit in der Lebensversicherung Die Grosse der Wahrscheinlichkeit liegt zwischen 0 displaystyle 0 nbsp und 1 displaystyle 1 nbsp Bei 0 displaystyle 0 nbsp ist uberhaupt kein Versicherungsfall eingetreten bei 1 displaystyle 1 nbsp ist jede Versicherung durch einen Versicherungsfall betroffen Kosten fur den Versicherungsbetrieb Sie sind als Betriebskostenanteil berucksichtigt Zu den Betriebskosten im Versicherungsbetrieb gehoren insbesondere Personalkosten Materialkosten Zinsaufwand Kapitalkosten und ggf Ruckversicherungskosten Diese beiden wesentlichen Bestandteile werden bei der Pramienkalkulation wie folgt berucksichtigt Nettopramie Sparanteil der kapitalbildenden Lebensversicherung Sicherheitszuschlag Betriebskostenanteil Gewinnzuschlag Abschlag fur Kapitalertrag Versicherungsteuer Bruttopramie Die Nettopramie ist aus Sicht der Risikopolitik eine Preisuntergrenze so dass ein Sicherheitszuschlag hinzukommen muss der sowohl die Zufallsschwankungen Zufallsrisiko in den Versicherungsleistungen Schwankungszuschlag als auch ein Kalkulationsrisiko berucksichtigt 10 Formal gilt Nettopramie Sicherheitszuschlag Risikopramie Die Risikopramie deckt das voraussichtliche Schadensrisiko bei Eintritt des Versicherungsfalles ab erreicht jedoch keine Kostendeckung Grundlagen BearbeitenNach dem in der Versicherungsbetriebslehre geltenden Aquivalenzprinzip muss der versicherungstechnische Barwert der Nettopramien B N displaystyle B N nbsp dem Barwert des geschatzten Schadensaufwands B L displaystyle B L nbsp entsprechen 11 B N B L displaystyle B N B L nbsp Die Nettopramie ist mit der erwarteten Schadensleistung identisch Werden mithin mehr Versicherungsleistungen erbracht als an Nettopramien vereinnahmt wurden ist das Aquivalenzprinzip verletzt In die erwartete Versicherungsleistung gehen neben den erwarteten Risikokosten auch Ruckversicherungs und Kapitalkosten ein 12 Die Versicherung hat sowohl die Hohe einer einzelnen Versicherungspramie Pramienkalkulation als auch die Hohe der gesamten Sicherheitsreserven fur alle potenziellen Versicherungsleistungen und somit die uber die Risikopramien hinausgehenden Kapitalbedarfe zu bestimmen 13 Einzelne Versicherungsarten BearbeitenLebens und Sachversicherungen unterscheiden sich kalkulatorisch vor allem durch den versicherten Zufall Wahrend bei Lebensversicherungen lediglich der Schadenszeitpunkt Tod dem Zufall unterliegt die Versicherungssumme steht fest ist bei Sachversicherungen auch die Schadenshohe ein zu kalkulierender Zufall Schadenversicherung Bearbeiten Bei Schadenversicherungen ist neben dem Schadenszeitpunkt auch die Schadenshohe vom Zufall abhangig Fur die Kalkulation wird deshalb die Schadensversicherungsmathematik angewendet die in die Pramienkalkulation der Risikopramie einfliesst In der Schaden und Unfallversicherung fliessen die Pramien stets zu Beginn der Versicherungsperiode positiver Cashflow wahrend negative Cashflows durch die Schadensabwicklung im Versicherungsfall entstehen 14 Hierfur gibt es Schadenruckstellungen in der Bilanz der Versicherungsunternehmen denen Kapitalanlagen gegenuberstehen die einen Kapitalertrag erbringen Das Aquivalenzprinzip ist eingehalten wenn die positiven Cashflows die negativen decken Lebensversicherung Bearbeiten Die Pramien in der Lebensversicherung mussen nach 138 Abs 1 VAG unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert werden und so hoch sein dass das Lebensversicherungsunternehmen allen seinen Verpflichtungen nachkommen und insbesondere fur die einzelnen Versicherungsvertrage ausreichende Deckungsruckstellungen bilden kann Hierbei kann der Finanzlage des Versicherungsunternehmens Rechnung getragen werden ohne dass planmassig und auf Dauer Mittel eingesetzt werden durfen die nicht aus Pramienzahlungen stammen Hierin ist das Aquivalenzprinzip berucksichtigt Krankenversicherung Bearbeiten In der Krankenversicherung hat sich der Gesetzgeber der kalkulatorischen Ausgestaltung mit besonderem Detaillierungsgrad gewidmet indem die versicherungsmathematischen Methoden zur Pramienkalkulation durch die Krankenversicherungsaufsichtsverordnung KVAV dezidiert auch mit Formeln vorgegeben werden Das wird in der Krankenversicherungsmathematik berucksichtigt Die Pramienberechnung hat gemass 10 Abs 1 KVAV nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik fur jede versicherte Person altersabhangig getrennt fur jeden Tarif mit einem dem Grunde und der Hohe nach einheitlichen Leistungsversprechen unter Verwendung der massgeblichen Rechnungsgrundlagen und einer nach Einzelaltern erstellten Pramienstaffel zu erfolgen Jede Beobachtungseinheit eines Tarifs hat das Versicherungsunternehmen getrennt zu kalkulieren Es durfen nur risikogerechte Pramien kalkuliert werden Dabei wird fur die Bruttopramie das Zillmer Verfahren verwendet In der Krankenversicherung macht sich das Aquivalenzprinzip durch das Eintrittsalter den Umfang der versicherten Leistungen und den Gesundheitszustand bemerkbar Garantiezinsen Bearbeiten In der Personenversicherung mussen zudem die gegenuber dem Versicherungsnehmer ausgesprochenen Garantiezinsen berucksichtigt werden Zinskalkulation Der Garantiezins ist die im Versicherungsvertrag enthaltene Verpflichtung eines Lebensversicherers einen bestimmten Mindestzins bei den vorhandenen Deckungsmitteln zu erzielen 15 Bei Lebensversicherungen ergibt sich der Hochstrechnungszins aus 2 Deckungsruckstellungsverordnung bei Krankenversicherungen aus 4 Kalkulationsverordnung Fur die Pramienkalkulation wird unterstellt dass sich die nach den Risikopramien und Kostenzuschlagen verbleibenden Sparpramien mit dem bei der Kalkulation unterstellten Rechnungszins verzinsen Wirtschaftliche Aspekte BearbeitenVon den verschiedenen Kalkulationsverfahren ist bei Versicherungen die Zuschlagskalkulation vorzuziehen wobei die Einzelkosten den Kostentragern direkt zugerechnet und die Gemeinkosten mit Verteilungsschlusseln und Zuschlagssatzen verrechnet werden 16 Auf dem Versicherungsmarkt kann ein bestimmtes Risiko durch verschiedene Versicherungsunternehmen versichert werden so dass Wettbewerb herrscht Dieser Wettbewerb kann uber die Versicherungspramie ausgetragen werden die als Preis auf dem Versicherungsmarkt anzusehen ist Deshalb gilt auch auf diesem Teilmarkt dass die Preisbildung von Angebot und Nachfrage abhangig ist Niedrigere Pramien eines Versicherers konnten deshalb eine hohere Nachfrage durch Versicherungsnehmer auslosen und umgekehrt Die auf risikoadaquaten und bedarfsgerechten Pramien Preisdifferenzierung aufbauende Tarif und Pramienpolitik kann diese Wettbewerbsfragen durch Preispolitik umsetzen 17 Dabei ist zu berucksichtigen dass die Markttransparenz vor allem durch Rabatte Schadensfreiheitsrabatte und Selbstbeteiligungen beeintrachtigt wird da diese Preisnachlasse die Versicherungspramien vermindern Fur die Pramienkalkulation ist es wettbewerbsrechtlich zulassig Beobachtungen von Durchschnittskosten fur die Deckung eines genau beschriebenen Risikos zu verwenden beispielsweise uberbetriebliche Sterbe und Morbiditatstafeln und gemeinsame Schadenstatistiken um eine gewisse Einheitlichkeit der kalkulierten Risikopramien herbeizufuhren 18 Einzelnachweise Bearbeiten Wolf Rudiger Heilmann Jurgen Schroter Grundbegriffe der Risikotheorie 2014 S XI Peter Koch Gabler Versicherungs Lexikon 1994 S 637 ISBN 978 3 409 18508 0 Dieter Farny Versicherungsbetriebslehre 1989 S 14 ISBN 978 3 89952 608 0 Gerhard Lukarsch Versicherung als Wirtschaftsgut in Dieter Farny Elmar Helten Peter Koch Reimer Schmidt Hrsg Handworterbuch der Versicherung 1988 S 959 Julian Philipp Rapp Das Aquivalenzprinzip im Privatversicherungsrecht 2019 S 164 Julian Philipp Rapp Das Aquivalenzprinzip im Privatversicherungsrecht 2019 S 166 Thomas Bielefeld Sven Marlow Helmut Schirmer Ein Leben mit der Versicherungswissenschaft 2005 S 112 Peter Koch Versicherungswirtschaft Ein einfuhrender Uberblick 2005 S 106 f Peter Koch Versicherungswirtschaft Ein einfuhrender Uberblick 2005 S 107 Springer Fachmedien Wiesbaden Hrsg Kompakt Lexikon Internationale Wirtschaft 2013 S 320 Eggert Winter Ute Arentzen Gabler Wirtschafts Lexikon Band 5 1997 S 174 Siegfried G Haberle Hrsg Das neue Lexikon der Betriebswirtschaftslehre 2008 S 55 Eggert Winter Ute Arentzen Gabler Wirtschafts Lexikon Band 5 1997 S 413 Michael Radtke Grundlagen der Kalkulation von Versicherungsprodukten in der Schaden und Unfallversicherung 2008 S 20 Fred Wagner Gabler Versicherungslexikon 2011 S 777 Heinrich Brands Internes Rechnungswesen in Dieter Farny Elmar Helten Peter Koch Reimer Schmidt Hrsg Handworterbuch der Versicherung 1988 S 614 ISBN 978 3 88487 162 1 Michael Radtke Grundlagen der Kalkulation von Versicherungsprodukten in der Schaden und Unfallversicherung 2008 S 21 Thomas Bielefeld Sven Marlow Helmut Schirmer Ein Leben mit der Versicherungswissenschaft 2005 S 112Normdaten Sachbegriff GND 4510054 8 lobid OGND AKS Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pramienkalkulation amp oldid 231536040