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Der Begriff Partizipation Participatio lat aus pars Teil und capere ergreifen aneignen fangen bezeichnet in der Kunst die Teilhabe Beteiligung oder Mitgestaltung der Rezipienten an einer kunstlerischen Arbeit Bei der kunstlerischen Arbeit kann es sich sowohl um eine Arbeit aus den Gattungen der bildenden Kunste der darstellenden Kunste der Musik der Literatur oder auch des Films handeln Der Begriff Partizipation bezieht sich auf Teilhabe aus zwei verschiedenen Blickwinkeln von Seiten der Kunstlern und aus der Sicht des Publikums Dabei differenziert sich die Teilhabe in verschiedene Grade sowohl unter Kunstlern als auch beim Publikum Denn auch das Publikum ist nicht als eine homogene Gruppe zu verstehen sondern teilt sich in einzelne Rezipienten deren Wahrnehmungen sich unterscheiden und die dadurch auf verschiedene Weise partizipieren Ausgangspunkt von partizipativen Praxen kann die Absicht sein Kontakt herzustellen im Sinne des Teilens von Erfahrungen Wissen oder sinnlichem Erleben Demnach ist Partizipation vorwiegend ein kommunikativer Akt Sie ist ebenso die Voraussetzung und gleichzeitig begleitende Erscheinung fur samtliche kunstlerische Vorhaben Eine andere Intention kann der Wunsch nach Mitbestimmung und Einflussnahme sein Partizipative Praxen sind prozesshaft nicht immer zeitlich eindeutig einzugrenzen und werden von explizit formulierten oder stummen Vereinbarungen bestimmt Diese Vereinbarungen speisen sich aus sozialen kulturellen und politischen Normen Regeln und Werten Sie sind von Bedingungen in Institutionen als auch von okonomischen Verhaltnissen gepragt und spiegeln sich gleichzeitig darin im Bezug auf geschichtliche Entwicklungen wider Die expliziten Vereinbarungen konnen beispielsweise zu Beginn einer Performance dem Publikum als eine Art von Spielregeln oder Moglichkeiten des Ablaufes mitgeteilt werden Partizipative Praxen der Kunste sind in allen Kulturen der Welt zu beobachten oft sogar an der Schnittstelle zu politischen oder sozialen Praxen Im Folgenden wird mit wenigen Ausnahmen vor allem auf den mitteleuropaischen und US amerikanischen Raum Bezug genommen Inhaltsverzeichnis 1 Partizipation in performativen Kunsten 1 1 Formen von Partizipation 1 2 Theoretische Positionen zum Begriff der Partizipation 1 2 1 Theodor W Adorno 1 2 2 Claire Bishop 1 2 3 Allan Kaprow 1 2 4 Hans Thies Lehmann 1 2 5 Irit Rogoff 1 2 6 Max Glauner 1 3 Partizipation und Gemeinschaften in Theater und Performance 1 4 Historischer Uberblick 1 4 1 Griechische Antike 1 4 2 Romisches Theater 1 4 3 Mittelalterliches Europa 1 4 4 Feste Theaterhauser im 16 17 Jahrhundert 1 4 4 1 England Elisabethanisches Theater 1 4 4 2 Spanien 1 4 4 3 Frankreich 1 4 4 4 Aufklarung in Deutschland 1 4 5 Neuer Geltungsbereich des Theaterregisseurs im 19 Jahrhundert 1 4 6 Theater der 1920er und 1930er Jahre 1 5 Partizipative Theaterformen und Stromungen 1 5 1 Puppentheater 1 5 2 Theateravantgarde 1 5 3 Theater der Unterdruckten 1 5 4 Performance und Happening der 1960er 1 6 Partizipation im Theater und Performance heute 1 6 1 Immersives Theater 1 6 2 SIGNA 1 6 3 Gob Squad 1 6 4 CUE 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweisePartizipation in performativen Kunsten BearbeitenFormen von Partizipation Bearbeiten nbsp Living Theatre Festival d Avignon 1968Je nach Aktivitat und Handlungsspielraum besteht ein gradueller Unterschied zwischen aktiver und passiver Partizipation Die blosse Anwesenheit im Zuschauerraum eines klassischen Theaterhauses kann bereits als Form der Partizipation gelten So ist es nicht auszuschliessen dass von den Zuschauern Ausserungen hervorgebracht werden die die Schauspieler auf der Buhne in ihrem Spiel beeinflussen z B durch Husten Rauspern mit den Fussen scharren Zwischenrufe vorzeitiges Verlassen des Saales allgemeine Unruhe Gesprache unter den Zuschauern etc Oft wird Partizipation jedoch als dezidiertes Miteinbeziehen der anwesenden Zuschauer verstanden Diese bekommen so die Moglichkeit in einer Auffuhrung oder an einem Kunstwerk in einem gemeinhin vorher festgelegten Rahmen in das kunstlerische Gesamtgeschehen mit einzugreifen nbsp Albert Guillaume Les retardataires 1914 Dargestellt sind unterschiedliche Affekte eines Publikum der Anlass sind Theaterbesucher die verspatet ihre Platze beziehen Bei aktiven Formen von Partizipation wird meist von der Inklusion eines Publikums durch Aufforderungen zum Handeln ausgegangen Dies kann beispielsweise durch eine direkte Befragung des Publikums welches mit Ja und Nein Karten ausgestattet ist oder durch andere technische Gerate geschehen und somit sichtbar gemacht werden Der Zuschauer kann ausserdem durch den Schauspieler der nicht mehr als solcher sondern als realer Mensch auf die Buhne tritt zum Partizipieren bewegt werden indem er sich dem realen Menschen gegenuber nicht mehr nur als Betrachter verhalten muss Zum anderen kann eine gezielte Provokation das Publikum zum Handeln auffordern wenn etwa gangige Normen der Theatersituation in radikaler Weise gebrochen werden oder das Publikum direkt angesprochen wird Dabei konnen Einzelpersonen sowie verschiedene Gruppen angesprochen werden und auf diesem Weg vorherige Gruppenbildungen und Identifikationsprozesse sichtbar gemacht werden Es stellt sich die Frage inwieweit das Publikum dabei um eine Auffuhrungssituation wissen muss D h ob aus eigener Entscheidung heraus eine theatrale Situation aufgesucht wird oder ob eine solche Situation auch aufgezwungen werden kann exemplarisch wenn jemandem auf der Strasse eine inszenierten Situation begegnet Eine passive Partizipation ist bspw der Akt des Zuschauens Dabei wird nicht nur wahr und aufgenommen was bereits von anderen Parteien z B den Schauspielern Performern Regisseuren als zu sendender Inhalt vordefiniert wurde sondern Wahrnehmungsinhalte werden interpretiert und entstehen neu Performer konnen niemals alle moglichen Interpretationen uberblicken diese sind immer pluralistisch Teilweise sollen Formen der Partizipation als Katalysator einer Sichtbarmachung fungieren wie etwa von bestimmten Normen Sie sollen Handlungsanweisung in bestimmten Situationen sein Eventuell werden sie zur Aktivierung von Zuschauern zum Zwecke eines blossen Aktionismus eingesetzt im Sinne von mehr Aktion gegen Langeweile oder als politisches Instrument der Einubung bzw Legitimation von Handlungen im Sinne einer Demokratisierung von Kunst angewendet Theoretische Positionen zum Begriff der Partizipation Bearbeiten Theodor W Adorno Bearbeiten Theodor W Adorno spricht von der Schwierigkeit Partizipation in der Kunst zu bewirken Seiner Ansicht nach findet Kunst immer abgekoppelt vom wirklichen Leben statt Eine Kunst die versucht das Leben zu imitieren wurde scheinheilig und borniert daherkommen Claire Bishop Bearbeiten Claire Bishop bringt den social turn in contemporary art also u a die Hinwendung zu sozialen Kontexten in der Zeitgenossischen Kunst mit dem Kollaps einer kollektivistischen gesellschaftlichen Vision der historischen Avantgarde 1917 in Europa in Zusammenhang Sie betrachtet die Neoavantgarde die Protestbewegungen der 1968er Jahre und den Fall des Kommunismus im Jahr 1989 als zentrale Punkte fur diese Transformation 1 Laut Bishop sei demnach a restoration of the social bond through a collective elaboration of meaning auf deutsch eine Wiederherstellung der sozialen Bindung durch eine kollektive Ausarbeitung der Bedeutung 2 die treibende Kraft fur partizipative Kunst Diese kann auf zwei verschiedene Arten erreicht werden entweder durch konstruktive Gesten von sozialem Einfluss die eine Alternative zu den Ungerechtigkeiten der Welt darstellen oder mittels einer nihilist redoubling of alienation auf deutsch nihilistische Verdoppelung der Entfremdung 3 einer Verneinung der Verneinung Charakteristisch fur die Zeitgenossische Kunst der 1990er Jahre ist das Begehren das traditionelle Verhaltnis zwischen Kunstobjekt Kunstler und Publikum herauszufordern und zu revidieren the artist is conceived less as an individual producer of discrete objects than as a collaborator and producer of situations the work of art as a finite portable commodifiable product is reconceived as an ongoing or long term project with an unclear beginning and end while the audience previously conceived as a viewer or beholder is now repositioned as a co producer or participant der Kunstler wird weniger als individueller Produzent diskreter Objekte denn als Mitarbeiter und Produzent von Situationen verstanden Das Kunstwerk als endliches tragbares und kommerzialisierbares Produkt wird als fortlaufendes oder langfristiges Projekt mit unklarem Anfang und Ende neu konzipiert wahrend das Publikum das zuvor als Zuschauer oder Betrachter gedacht war nun als Koproduzent oder Teilnehmer neu positioniert wird Claire Bishop Artificial Hells participatory art and the politics of spectatorship 4 Bishop kritisiert die Anwendung ethischer Kriterien auf Kosten kunstlerischer Werte bei der Beurteilung partizipativer Projekte Die Annahme Asthetik sei ein unabhangiges Reich von Erfahrung verfehle und reduziere auf diese Weise das erlaubte Reich der Asthetik Diese Praxis liesse keinen Raum fur Paradoxes Perversitat und Verneinung innerhalb der Asthetik Zweitens unterschatze die aktiv passiv Binaritat die Partizipierenden Bishops Lesart von Ranciere 5 zeigt auf dass die Binaritat von aktivem passivem Zuschauerverhalten bzw guter kollektiver schlechter singularer Autorschaft nicht konstruktiv ist In dieser Anordnung wird den Partizipierenden eine Position der Impotenz zugeschrieben die durch diese Sichtweise noch verstarkt wird Anstatt sich beim Beurteilen partizipativer kunstlerischer Arbeiten auf nachweisbaren sozialen Einfluss zu konzentrieren insistiert Bishop auf eine vielfaltig nuancierte Sprache um den kunstlerischen Status dieser Projekte zu adressieren Zugleich betont sie die Autonomie unserer Erfahrungen in Bezug auf Kunst die Asthetik im Sinne von Aiesthesis ein autonomes Regime von Erfahrungen das nicht auf Logik Vernunft oder Moral zu reduzieren ist 6 Als Beispiel in ihrer Auseinandersetzung uber den von Nicolas Bourriaud gepragten Begriff der relationalen Asthetik Relational art relational aesthetics fuhrt Claire Bishop die Arbeiten des thailandischen Aktions oder Performance Kunstlers Rirkrit Tiravanija an denen von Kritikern und dem Kunstler selbst die Einbeziehung des Publikums als deren Hauptgegenstand zugeschrieben wird Dabei sieht Bishop in Tiravanijas Arbeit nicht nur das Verlangen die Unterscheidung zwischen institutionellem und sozialem Raum zu unterlaufen sondern auch die zwischen Kunstler und Publikum Tiravanijas Arbeit Untitled Tomorrow Is Another Day 1996 Kolnischer Kunstverein beschreibt sie wie folgt Here Tiravanija built a wooden reconstruction of his New York apartment which was made open to the public twenty four hours a day People could use the kitchen to make food wash themselves in his bathroom sleep in the bedroom or hang out and chat in the living room The catalog accompanying the Kunstverein project quotes a selection of newspaper articles and reviews all of which reiterate the curatorʼs assertion that this unique combination of art and life offered an impressive experience of togetherness to everybody Hier baute Tiravanija eine holzerne Rekonstruktion seiner New Yorker Wohnung die der Offentlichkeit rund um die Uhr zuganglich war Die Menschen konnten die Kuche nutzen um Essen zuzubereiten sich in seinem Badezimmer zu waschen im Schlafzimmer zu schlafen oder im Wohnzimmer abzuhangen und zu plaudern Der Katalog zum Kunstverein Projekt zitiert eine Auswahl von Zeitungsartikeln und Rezensionen die allesamt die Aussage des Kurators bekraftigen dass diese einzigartige Verbindung von Kunst und Leben allen ein beeindruckendes Erlebnis des Miteinanders bot Claire Bishop Antagonism and Relational Aesthetics 7 Laut Bishop sieht Bourriaud im Konzept der relationalen Asthetik mit dem sich die Arbeiten Tiravanijas beschreiben liessen nicht nur die Theorie einer interaktiven Kunst vertreten sondern darin ein Instrument mit dem gegenwartige Praktiken in unserer Kultur ausfindig gemacht werden konnen So liesse sich relational art auch als eine direkte Antwort auf den Ubergang von einer am Austausch von Waren hin zu einer an Dienstleistungen orientierten Okonomie erkennen Allan Kaprow Bearbeiten Der Kunstler und Kunsttheoretiker Allan Kaprow versuchte in seinen Happenings z B eine scheinbar passive Zuschauerhaltung zu durchbrechen bei welcher die Gaste in eine Haltung des blossen Zuschauens verfallen oder nach ihrer Meinung gefragt immer gleiche vorhersagbare stereotype Antworten gaben sondern selbst beteiligt waren Um dies zu erreichen wollte er mit allen Anwesenden eines Happenings schon vor der eigentlichen Aktion die moglichen Rollen und Aktionspotenziale besprechen und ihre Meinungen und Handlungen miteinbeziehen Eine zeitliche Eingrenzung einer Auffuhrung z B eines Werkes im klassischen Sinne wird hier durchbrochen die vorherige Besprechung mit dem Publikum konnte als eine Art der Auffuhrung beschrieben werden und eben dadurch wurde die gesamte erlebte Zeit zu einem gemeinsamen Happening werden Auch die an der Produktion beteiligten Kunstler konnten ihre antrainierten und teils festgefahrenen Verhaltensweisen ihrer jeweiligen Kunst losen um sie lebendiger zu machen It follows that audiences should be eliminated entirely All the elements people space the particular materials and character of the environment time can in this way be integrated And the last shred of theatrical convention disappears For anyone once involved in the painter s problem of unifying a field of divergent phenomena a group of inactive people in the space of a Happening is just dead space It is no different from a dead area of red paint on a canvas Movements call up movements in response whether on a canvas or in a Happening A Happening with only an empathic response on the part of a seated audience is not a Happening but stage theatre Daraus folgt dass das Publikum vollstandig eliminiert werden sollte Alle Elemente Menschen Raum die jeweiligen Materialien und Beschaffenheiten der Umgebung Zeit konnen auf diese Weise integriert werden Und der letzte Rest theatralischer Konvention verschwindet Fur jeden der sich einmal mit dem Problem des Malers beschaftigt hat ein Feld unterschiedlicher Phanomene zu vereinen ist eine Gruppe inaktiver Menschen im Raum eines Happenings nur toter Raum Es unterscheidet sich nicht von einem toten Bereich roter Farbe auf einer Leinwand Bewegungen rufen Reaktionen als Reaktion hervor sei es auf einer Leinwand oder in einem Happening Ein Happening bei dem nur eine empathische Reaktion seitens eines sitzenden Publikums erfolgt ist kein Happening sondern Buhnentheater Allan Kaprow Notes on the Elimination of the Audience 8 Hans Thies Lehmann Bearbeiten Hans Thies Lehmann beschreibt Partizipation als einen Vorgang der im Wunsch begrundet liegt mehr Mitbestimmung zu erhalten und weist auf eine Schwache der Demokratie hin Hier liegt auch der Wunsch nach Partizipation im Theater begrundet welches ein Ort der Manifestation des Ausdrucks auch der Forderung solcher Gruppen sein soll die man oft als die Stimmlosen bezeichnet 9 Die asthetische Dimension von Partizipation spiegelt sich im postdramatischen Theater wider wobei die hervorgebrachte Wirklichkeit aller Beteiligten Performer und Publikum kontinuierlich mehr in den Fokus geruckt wird was zuvor beim asthetische Produkt einer Inszenierung der Fall war Wenn Partizipation bei allen Beteiligten stattfindet wird auch die Grenze zwischen Laien und professionellen Performern geringer Hans Thies Lehmann aussert sich jedoch auch kritisch gegenuber partizipativen Formen Bei partizipativen Strukturen in Politik und Theater zeigt sich dass Partizipation kaum real ist Scheinbar demokratische Strukturen greifen nur oberflachlich Die kunstlerische Idee lasst sich nicht durch Partizipation ersetzen sodass Kunst immer bis zu einem gewissen Grad exklusiv bleibt und durch unterschiedliche Bildungsprivilegien und Folgen objektiver Faktoren der Lebenswelt beeinflusst wird Partizipation im Sinne von Beteiligung an Theaterprojekten von sogenannten bildungsfernen Schichten sei prinzipiell eine gute Sache durfe aber nicht als Losung gesehen werden da es nur fur wenige Wirklichkeit zu sein scheint Die Produktionsstruktur in der Institution Theater steht bei Partizipation immer mit zur Debatte Solange die bestehenden Strukturen die auf ein Theaterverstandnis des 19 Jahrhunderts zuruckzufuhren sind nicht aufgelost werden sei Partizipation auf kunstlerischer Ebene nur Fassade Irit Rogoff Bearbeiten Um zwischen Abstufungen von blosser Teilhabe und aktivem Mitgestalten genauer zu unterscheiden spricht die in London lehrende Kunsthistorikerin Irit Rogoff von gelenkter Partizipation und nicht gelenkter Partizipation directed bzw undirected participation Damit entwickelt sie ein Denkmodell das uber eine Unterscheidung von aktiver und passiver Partizipation hinausweist Mit dieser Haltung widerspricht sie der Annahme das Unterlassen einer Handlung sei keine bewusste Entscheidung und demnach nicht Ausdruck von Beteiligung Sie beschreibt die Museumssituation in der Vorgange von institutionell gelenkter Aufmerksamkeit stattfinden Hochkultur High culture verlange demnach nach einer ungeteilten Aufmerksamkeit total attention die in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll Im institutionellen Rahmen des Museums stellt Rogoff zwei Glaubensmodelle two sets of beliefs fest zum einen den ubergeordneten Glauben an die Singularitat des Kunstwerks zum anderen die Gewahrleistung des Zugangs zum Kunstwerk durch ungeteilte Aufmerksamkeit Sie schlagt vor diese zwei Konzepte der Singularitat und der ungeteilten Aufmerksamkeit zu entwirren um das Verhaltnis von Kunst und Publikum und deren Strategien der Konzentration zu deuten 10 Rogoff sucht an dieser Stelle nach anderen Moglichkeiten um an Kultur teilzunehmen other modes of participation in culture und schlagt vor mit unserer Aufmerksamkeit zu spielen in dem wir z B wegschauen look away Sie sagt dass die Kultur und damit ist die Museumsinstitution gemeint uns die Moglichkeit bietet sich gemeinsam etwas anzusehen Wohin wir dabei unsere Aufmerksamkeit lenken bleibt uns uberlassen Ihr geht es nicht um eine gelenkte Partizipation sondern eher um die Setzung einer Plattform fur eine nicht gelenkte Partizipation die eine Partizipation des Publikums erst moglich macht Sie wendet sich von der Dichotomie Objekt Zuschauer ab um stattdessen Platz fur dynamische Manifestation eines Augenblicks der gelebten Kultur lived cultural moment zu gestatten 11 Dabei geht Rogoff davon aus dass Kunst im Gegensatz zu Politik Moglichkeiten fur eine Vielzahl von Identitaten bietet Sie kritisiert die Idee einer stabilen Identitat indem sie von einer Vielzahl von kulturellen und sozialen Identitaten ausgeht derer wir uns beim Betreten einer kulturellen Institution wie einem Theater oder einem Museum bedienen Sie spricht von fragmentierten Identitaten einer Person die verschiedene Aspekte wie die Identitat der Herkunft der Sprache der Sexualitat der Klasse usw vereinen Also kritisiert sie dass in der Politik von uns eine einzige stabile Identitat verlangt wird damit wir dann als diese Identitat z B wahlen gehen um fur eine bestimmte Partei die Stimme abzugeben In der Kunst wiederum sei es moglich vielfache Identitaten zu haben und an verschiedenen subjektiven Positionen teilzunehmen 12 Diese Identitaten werden wahrend so eines Besuchs bestandig wandelnd abgerufen und veranlassen das Publikum zu einem anhaltenden Wechselspiel zwischen gelenkter und ungelenkter Aufmerksamkeit Sie verweist dabei auch auf die herkommlich eindimensional belegte Rollenaufteilung des Publikums in viewer spectator listener o a Spricht Rogoff also von directed partizipation so meint sie den von Kunstlern oder Institutionen gestalteten Zugang und die daraus folgende Annaherung an eine oder mehrere kunstlerische Arbeiten Der Begriff undirected partizipation beschreibt hingegen die nicht gelenkte Beteiligung des Publikums bei der sich dessen Aufmerksamkeit auf unvorhergesehene Vorkommnisse richtet Der Verlauf dieser Aufmerksamkeit und die als bemerkenswert eingestuften Vorkommnisse werden laut Rogoff von den vielzahligen Identitaten bestimmt mit denen das Publikum die Institutionen betritt Dabei stellt Rogoff die Frage ob das Betrachten einer kunstlerischen Arbeit zwischen den Betrachtenden eine Art von Gemeinschaft herstellt Sie geht dabei davon aus dass Kultur im Gegensatz zu Politik die Moglichkeit bietet ein Thema gemeinsam zu beleuchten ohne uber einen einheitlichen Umgang damit entscheiden zu mussen Wie schliesslich jede einzelne Besucher damit umgeht bleibt laut Rogoff ihm oder ihr uberlassen und ist von den jeweiligen Identitaten bestimmt Die Frage nach der Gemeinschaft wird schliesslich sofern bejaht als Rogoff diese Gemeinschaft fur einen Augenblick bildend sieht die aus der Kommunikation der konkreten Situation Ortschaft und der physischen Prasenz hervortritt 12 Max Glauner Bearbeiten Der vergleichende Literaturwissenschaftler und Journalist Max Glauner wies im Themenband 240 des Magazins Kunstforum international Get involved Partizipation als kunstlerische Strategie als Herausgeber darauf hin 13 dass eine konsistente Theorie der Partizipation bisher nicht vorgelegt wurde Neben der Ubiquitat des Begriffs sei eine Geschichtsvergessenheit der meisten Autoren als Grund dafur zu konstatieren Daher wurden in der Publikation systematisch deskriptive Artikel zur Gegenwartskunst und Theater von Christian Kupke Raimar Stange Mira Sack Texten mit historischer Perspektive von Christoph Asendorf Inke Arns und Sabine Sanio gegenubergestellt Bereits 2014 hatte Max Glauner in einem Aufsatz zu dem Medienkunstler Georg Klein aus der aristotelischen Trias der Kunsttheorie Produktion Werk Rezeption eine dreigliedrige Weise des Teilhabebegriffs abgeleitet 14 Demnach ist Teilhabe beziehungsweise Partizipation nicht auf eines der drei Momente der klassischen Kunstbetrachtung bezogen sondern findet sich in allen drei in den Modi der Partizipation Interaktion Kooperation und Kollaboration wieder Im Unterschied zu Spektakel und Religion die in ihren Teilhabeunternehmen ein Sei Dabei und Mittendrin aufrufen ist fur die kunstlerische Partizipation ein Mittendrin und Draussen Sein konstitutiv Dabei ist auch nach Glauner nahezu jede Rezeption eine interaktive Partizipationsform ein Modus auf den der Kulturbetrieb kaum mehr verzichten kann Dagegen stellen kooperative und kollaborative Teilhabeformate eine Seltenheit dar Beide erfordern hochkomplexe Produktionszusammenhange wobei die Kooperation haufig am Theater noch verschiedene Akteure unter einer Kunstlerpersonlichkeit und ihrer Handschrift vereint agieren bei Kollaborationen selten mehr als zwei Akteure 15 Als paradigmatisches Beispiel fur eine gelungene Kollaboration steht fur Glauner der Beitrag des Schweizer Kunstlers Christoph Buchel fur den Islandischen Pavillon The Mosque auf der Biennale von Venedig 2015 Wahrend der Kunstler im Vorfeld mit den Biennaleorganisatoren Stadtverwaltung und Kirche kooperativ agierte konnte das Projekt nur in der Reibung mit den Islamgemeinschaften Islands und vor Ort kollaborativ entstehen 16 Partizipation und Gemeinschaften in Theater und Performance Bearbeiten Nicht nur Irit Rogoff wirft die Frage auf inwiefern in Theater und Performance eine Gemeinschaft erzeugt werden konne Es ist davon auszugehen dass Theater und Performance Auffuhrungen aufgrund ihrer zeitlichen und raumlichen Begrenzung nur sehr bedingt eine Gemeinschaft erzeugen konnen Eine solche wurde sich besonders durch eine zumeist ideologische Abgrenzung gegenuber anderen Gruppen oder Gemeinschaften auszeichnen welche auch uber einen langeren Zeitraum stabil bliebe Eine Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Theater bzw der Performance beschrankt sich jedoch meist auf die zeitliche Rahmung des Theater Performancegeschehens und zerfallt danach wieder Partizipatives Theater partizipative Performance kann daher zwar ein Wir Gefuhl und verschiedene Gruppenzugehorigkeiten erzeugen z B durch starke Polemisierung und oder die Aufforderung sich einem vorgestellten Meinungsbild sichtbar anzuschliessen oder sich zumindest in irgendeiner Form dazu zu aussern Diese sind jedoch von sehr begrenzter Dauer und nicht im Sinne einer identifizierbaren Gemeinschaft zu betrachten da durch Theater und Performance nur einen meist kleiner ideologischer Bereich behandelt werden kann deren Akteure ausserhalb der Performance Auffuhrung keine Gemeinschaft bilden wurden Auch eine gezielte Rhythmisierung kann dazu beitragen dass sich Akteure einer Auffuhrung gleichsam auf einen gemeinsamen Rhythmus einschwingen und sie dadurch ein starkes Gefuhl von Zusammengehorigkeit empfinden welches vorher bestehende soziale kulturelle ethnische usw Unterschiede uberwinden kann Doch scheint es hier ebenfalls schwer von der Erzeugung einer Gemeinschaft zu sprechen Theater und Performance eignen sich jedoch in besonderem Masse dazu verschiedene Mechanismen aufscheinen zu lassen welche eine Gemeinschaft erzeugen konnen und eine solche mehr oder weniger stabil halten Dazu zahlen u a eine gemeinsame ideologische Gesinnung eine raumliche Nahe das gemeinsame Erleben von Emotionen besonders aber auch die Entstehung von Zwangsgemeinschaften aufgrund bestehender teils unhinterfragter Machtverhaltnisse und daraus resultierender Oppositionen In der Kurzweiligkeit von solchen scheinbaren Gemeinschaften in Theater und Performance lasst sich eine Gefahrlosigkeit erahnen welche es den Akteuren moglich macht relativ schnell eine Position zu beziehen ohne der Gefahr begegnen zu mussen dadurch im Nachhinein einen wirklichen Nachteil zu erfahren z B durch den Ausschluss aus einer Gemeinschaft auf Dauer oder andere uber die Auffuhrung hinaus reichende Sanktionen Ebenso kann eine solche Gefahr durch Theater oder Performance thematisiert und erfahrbar gemacht werden Dieser kann dort in spielerischer Form begegnet werden die wirksamen Mechanismen wie Angst Gruppenzwang Sympathie u a konnen in besonderer Weise bewusst und erfahrbar gemacht werden Historischer Uberblick Bearbeiten Ausgehend von heutigen Sichtweisen auf partizipative Praktiken beleuchtet der folgende Uberblick einige Entwicklungen der Formen von Partizipation anhand von gewahlten Beispielen aus verschiedenen Jahrhunderten im mitteleuropaischen Raum Dabei werden sowohl partizipative Entwicklungen und welche die den partizipativen Charakter unterbinden beleuchtet Griechische Antike Bearbeiten Schon fruh fanden sich im Theaterkontext aktive Formen von Publikumsteilnahme wieder In der griechischen Antike war Publikumspartizipation in den Kontext der Demokratie Athens und ihrer Institutionen eingebettet Das Theater in Athen war eine soziale Kunstform Sie war politisch und fester Bestandteil des offentlichen Lebens der Polis Der erste Beleg fur dramatische Kunst im Athen der Antike lasst sich auf 508 v Chr datieren Zu diesem Zeitpunkt wurde Theater im Rahmen der Dionysischen Festspiele aufgefuhrt in dem jeweils Komodien und Tragodien in Wettbewerben gegeneinander antraten Der Einfluss sowohl demokratischer Ideale Athens als auch der dionysischen Natur der Wettkampfe fuhrte zu aussergewohnlich starker Inklusion und Partizipation siehe Methexis Der griechische Theaterchor dieser Zeit setzte sich vorwiegend aus mannlichen Laiendarstellern unter 30 Jahren zusammen und erreichte starker die Identifikation des Publikums und die Aufmerksamkeit der Wettbewerbsjury als professionelle Schauspieler Publikumspartizipation war ausserdem Bestandteil des Wettbewerbsergebnisses Per Losverfahren wurden Wettbewerbsjuroren aus dem Publikum rekrutiert und daruber hinaus waren diese ausgewahlten Juroren angehalten die Meinung der ubrigen grossen Menge von Zuschauern mit einzubeziehen Das Publikum hatte keine Skrupel ein Stuck das ihm missfiel mit lauten Pfiffen Rufen und Fussgetrampel aus dem Wettstreit zu schlagen Erst ab 420 v Chr verschob das offentliche Interesse seinen Fokus langsam weg von einem Chor aus freiwilligen Burgern hin zu professionellen Schauspielern Romisches Theater Bearbeiten Das Theater im romischen Reich erlebte seine Blutezeit etwa zwischen dem vierten Jahrhundert vor und dem sechsten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung Es war in hohem Masse durch das griechische Theater beeinflusst variierte jedoch stark in Anlass Inhalten und Formen der Prasentation Dieser Abschnitt konzentriert sich vor allem auf die Theaterformen bei denen Publikumspartizipation explizit willkommen war Wahrend der Zeit der romischen Republik 509 v Chr 27 v Chr konzentrierte sich das offentliche Theater vor allem in religiosen Festspielen und den offentlichen Spielen Ludi die sie begleiteten Seit Mitte des 4 Jahrhunderts vor der Zeitrechnung waren Buhnendarbietungen Ludi scaenici eingefuhrt worden Diese Spiele waren offen fur alle Burger wie Sklaven Manner wie Frauen und auch Auslander Diese Vielfaltigkeit des Publikums spiegelte sich in der hohen Varianz theatraler Unterhaltung wider die angeboten wurde Das erste schriftliche Drama schreibt man dem ehemaligen griechischem Sklaven Livius Andronicus zu der im Jahr 240 vor der Zeitrechnung seine Ubersetzung eines griechischen Stuckes bei den sogenannten Ludi Romani auffuhrte Er schuf lateinische Versionen griechischer Komodien und Tragodien indem er sie fur ein relativ ungebildetes romisches Publikum adaptierte Die Spiele wurden von der Obrigkeit benutzt um die Moral der Zivilbevolkerung wahrend des Zweiten Punischen Krieges aufrechtzuerhalten Die Inhalte der Spiele unterlagen einerseits der strengen Zensur und Kontrolle durch die romische Aristokratie wahrend sie andererseits durch den Geschmack eines grosstenteils unkultivierten Publikums angeregt waren Dies fuhrte zum Ausschluss aller politischen oder sozialen Kontexte mit subversivem Potential und zur starken Ausbreitung schlupfriger sexualisierter Scherze nbsp Theater des Pompeius Rekonstruktionszeichnung 1908Alle Theaterbauten in der romischen Republik wurden temporar zu bestimmten Anlassen aus aufwendigen kostspieligen Holzkonstruktionen errichtet Die erste Konstruktion eines permanenten Theaters im romischen Reich 44 v Chr 476 n Chr entstand durch den siegreichen General Gnaeus Pompeius Magnus im Jahr 55 v Chr Er schuf damit vor allem einen Ort an dem er und spatere Politiker und Fuhrer vor einer grossen Masse auftreten konnten um ihre Autoritat vor der Volksbasis zu prasentieren und zu festigen Das Theater des Pompeius Prototyp fur viele Weitere im ganzen Reich fasste wohl bis zu 20 000 Zuschauer und war wahrscheinlich das grosste und auch das kostspieligste Theater Roms Prasentationen im Theater wurden ein weitverbreitetes politisches Mittel der Imperatoren Theaterauffuhrungen und Spiele boten ihnen die seltene Gelegenheit von ihrem Volk gesehen zu werden und direkt mit ihm zu kommunizieren durch Verkundigungen des Ersteren sowie Beifall und Jubel skandierte Missfallensbekundungen oder Petitionen der Letzteren Die Interaktion mit den Herrschern und folgliche Partizipation nicht nur an der theatralen Performance sondern auch zumindest hypothetisch am politischen Leben im Staat wurde zum Schwerpunkt der Veranstaltung Haufigkeit und Ruhm der Spiele wuchsen derart an dass der romische Imperator und das Volk wohl bis zu ein Drittel des Jahres zusammen in Auffuhrungen verbrachten Eine weitere Erscheinungsform des Theaters die ebenso zur Publikumspartizipation einlud war eine neue Art von Pantomime Sie verbreitete sich in der fruhen Periode des Imperiums und zog ein grosses begeistertes bauerliches Publikum an Die romischen Schauspieler selbst galten offiziell als unehrenhaft sie unterlagen strengen gesetzlichen Einschrankungen und ihnen wurde die romische Staatsburgerschaft aberkannt obwohl manche von ihnen den Status einer Prominenz wie wir es heute kennen erreicht hatten Die letzten Belege szenischer Unterhaltungskultur in Rom wurden im Jahr 549 n Chr dokumentiert Das offizielle Theater verschwand innerhalb weniger Jahrzehnte Mittelalterliches Europa Bearbeiten Die fruhmittelalterliche Offentlichkeit im christlichen Europa lasst sich als nahezu ganzlich theaterfreier Raum bezeichnen nimmt man die Possenspiele Tanz und Akrobatikauffuhrungen fahrender Spielleute aus die wohl die einzige Kontinuitat szenischer Unterhaltung von der Spatantike zum Mittelalter zeichnen Erst ab dem zehnten Jahrhundert bildete sich als Bestandteil der christlichen Liturgien das geistliche Spiel des Hoch und Spatmittelalters heraus Es waren szenische Schauspiele die im Wesentlichen die biblische Oster Passions und die Weihnachtsgeschichte wiedergaben Bis ins 13 aharhundert beschrankte sich der Auffuhrungsort auf die Kirche und die Sprache der Auffuhrung auf Latein Die Spiele galten keiner Illusion sondern waren Ritual die der Erfahrung und Konstituierung aller Anwesenden Akteure und Publikum als religiose Gemeinschaft bzw Gemeinde diente Der Betrachter nahm die Spiele wie ein lebendiges Andachtsbild wahr gleich einer Frommigkeitsubung 17 nbsp The Trial and Crucifixion of Christ englisches Mysterienspiel in einer Darstellung von Thomas Sharp 1825Ab dem 13 Jahrhundert erlangte sozial realistischer Inhalt hin und wieder Eingang in die geistlichen und in den nachsten Jahrhunderten immer mehr verweltlichten Spiele Zudem fanden die Auffuhrungen ihren Weg aus der Kirche hinaus auf die Marktplatze oder andere offentliche Orte wo sie auf teilweise aufwendig hergestellten Simultanbuhnen und in nicht lateinischer Sprache stattfinden konnten Die Rezeption des Publikums dem die Trennung von Spiel und Realitat im Mittelalter teilweise nur leidlich bewusst war erfolgte zeitweise sehr emotional so dass bspw im 15 Jahrhundert den Auffuhrungen religiose Massenhysterien oder gegen Juden gerichtete Gewaltausbruche folgen konnten Parallel dazu entstanden ab dem 12 Jahrhundert verschiedene Spiele und Gebrauche im Rahmen des Fastnachtbrauchtums das alljahrlich in den sechs Wochen vor der Fastenzeit stattfand In diesem wurde die autoritare Ordnung fur eine gewisse Zeit von den Akteuren ausser Kraft gesetzt bzw nicht anerkannt Spottlieder Farcen und Satiren wurden aufgefuhrt Feierliche Prozessionen erlaubten allen Teilen der Bevolkerung mit zu agieren Feste Theaterhauser im 16 17 Jahrhundert Bearbeiten Feste Theaterhauser entstanden keinesfalls gleichzeitig Wahrend mit dem Elisabethanischen Theater vergleichsweise fruh ein festes Theaterhaus mit fester Theaterkompanie etabliert wurde entwickelten sich andere europaische Staaten auf verschiedene Weise Durch die raumliche und zeitliche Fixierung einer Auffuhrung konnte sich ein neues Verhaltnis zwischen Kunstlern und Publikum entwickeln In einem Theaterhaus in dem das Publikum zahlt feste Platze einnimmt und der Buhnenraum ein abgegrenzter mit Requisiten und Kulissen versehener Raum ist findet eine Festigung der Aufmerksamkeit statt die bei einer Auffuhrung im Vorbeigehen auf einem offentlichen Platz nicht geschieht Eine Auffuhrung wird mehr zu einem Ereignis Das Verhaltnis von Werk Kunstlern und Publikum war jedoch durchaus unterschiedlich nbsp Pietro Longhi Theaterszene mit Pulcinella um 1780 Ansicht einer Theaterszene in der die Buhne klar vom Publikumsraum abgegrenzt ist trotzdem sind Wechselwirkungen zwischen Akteuren und Zuschauern moglich England Elisabethanisches Theater Bearbeiten Der Begriff Elisabethanisches Theater bezieht sich streng genommen auf die Arbeit der Theater zur Regierungszeit von Konigin Elisabeth I 1558 1603 wobei der Ausdruck auch haufig fur das Theater unter ihren beiden Nachfolgern James I und Charles I verwendet wird Als besondere Reprasentanten dieser Ara gelten William Shakespeare und das Globe Theatre auf die sich der folgende Abschnitt bezieht Um 1600 fassten die meisten Londoner Theater bis zu 3000 Menschen in unterschiedlichen Sitzklassen die mit gunstigen Preisen eine beliebte Unterhaltungsform fur alle sozialen Stande boten Zwischen den verschiedenen Theatern und anderen Vergnugungsinstanzen wie etwa Barenhetze oder Hahnenkampfe fand eine rege Konkurrenz um das Publikum statt sodass die Auffuhrungen hauptsachlich darauf ausgelegt waren dem Publikum zu gefallen Insofern partizipierte damals das Publikum implizit an dem Inhalt der Stucke das Thema die Gestaltung die Dialoge und die Auswahl der Kostume waren an die Vorlieben des Publikums angepasst Das Publikum der unteren Klassen groundling aus dem engl Parterrebesucher stand im Innenhof direkt vor der Buhne und war somit direkt am Geschehen Er hatte dementsprechend die Option physisch in die Auffuhrung einzugreifen Die Reste der zum Kauf angebotenen Speisen und Getranke wurden nicht selten auf die Akteure geworfen die dem Publikum missfielen Ein enttauschtes Publikum im Innenhof konnte aggressiv und sogar handgreiflich werden sich in Rangeleien verwickeln die die Requisite demolierten Auf diese storenden Ausschreitungen wurde in einigen Auffuhrungen sogar Bezug genommen in Hamlets Worten sind die groundlings diejenigen die meistens von nichts wissen als verworrnen stummen Pantomimen und Larm are for the most part capable of nothing but inexplicable dumb shows and noise Hamlet 3 Akt 2 Szene Die Platze auf den Rangen die den Hof umringten waren teurer und reichten von Holzbanken zu opulenten Lord s Rooms fur den Adel Fur die oberen Stande war das Theater ein Ort um zu sehen und gesehen zu werden Dies hielt das adlige Publikum jedoch nicht davon ab durch Jubel Buh und Zwischenrufe lauthals kundzutun was es von der Auffuhrung hielt Die Lord s Rooms waren auf den Balkonen direkt neben der Buhne angesiedelt sodass deren Insassen fur das ubrige Publikum fast ebenso gut zu sehen waren wie die Akteure auf der Buhne Spanien Bearbeiten Im barocken Spanien des 16 Jahrhunderts etablierten sich von der italienischenCommedia dell Arte inspirierte Buhnen Gepragt durch den Katholizismus und die Macht der Inquisition waren die Inhalte der Stucke jedoch sehr festgelegt Das Publikum wurde hauptsachlich mit Komodien bedient die sich grosster Beliebtheit erfreuten die jedoch die irdische und himmlische Ordnung immer wieder in ahnlicher Weise manifestierten Kunstler spielten festgelegte Charaktere die immer wieder in ahnlicher Weise auftauchten wahrend das Publikum auf seichte und triviale Weise ganz im Sinne des Adels und der Kirche unterhalten wurde nbsp Theaterdekoration in Versailles 1745Frankreich Bearbeiten Die franzosischen Buhnen reprasentierten den Geist der Zeit insbesondere unter Ludwig XIV 1643 1715 hielt der uberschwangliche Pomp auf den Buhnen des hofischen Theaters Einzug Die beweglichen Kulissen und ausgefeilten Buhnenmaschinerien waren zum Teil so gerauschvoll dass Musik und Sprache auf der Buhne in diesem Larm untergingen Die Inszenierung von politischer Macht ruckte stark in den Vordergrund nicht zuletzt dadurch dass sich unter anderem hohe Adelige und der Konig selbst als Kunstler auf der Buhne versuchten um sich dem Publikum wirkungsvoll zu prasentieren Und auch das hofische Publikum bekam die Chance sich im Theaterhaus der Offentlichkeit zu zeigen Die Platzverteilung auf den Rangen war Ausdruck von Hierarchien und nicht selten mussten sich die Kunstler auf der Buhne anstrengen damit ihre Kostume jene des Publikums in Prunk und Auffalligkeit ubertonten Hier zeigt sich trotz der Trennung in Buhnen und Zuschauerraum eine starke Verwischung von Inszenierung und Wirklichkeit Aufklarung in Deutschland Bearbeiten Im Zeitalter der Aufklarung begannen Dramatiker wie Gotthold Ephraim Lessing Friedrich Schiller Johann Wolfgang von Goethe und Johann Christoph Gottsched in Deutschland das Theater als Veranstaltungsort entscheidend zu verandern Dies wird auch als der Beginn des burgerlichen Theaters bezeichnet Die Zuschauer die bis dato im Zuschauerraum vor allem in einem kommunikativen Austausch miteinander standen wurden nun durch verschiedene Mittel abgetrennte Sitzplatze Abdunkelung des Saals etc dazu gebracht einen moglichst ungestorten Blick auf das Buhnengeschehen zu bekommen Wahrend der Zuschauerraum nun weniger Einfluss auf das Buhnengeschehen haben sollte war auch das Buhnengeschehen weitaus unabhangiger von den Zuschauern Unruhen im Zuschauerraum wurden unterbunden Diese Separierung von Zuschauerraum und Buhne gelang auch mittels der sogenannten vierten Wand eine nicht sichtbare Begrenzung der Buhne durch die die Zuschauer auf das Buhnengeschehen blicken konnten die Schauspieler sie jedoch als imaginare Wand bespielten Ziel dieser neuen Anordnung war es den Zuschauern die Moglichkeit zu geben sich in die Handlungen einzufuhlen Ebenso versuchten die Dramatiker die zu dieser Zeit meist ihre Stucke auch selbst inszenierten moralisierende Inhalte auf der Buhne zu zeigen Durch die Moglichkeit der Einfuhlung sollten die Zuschauer zu moralischen Menschen erzogen werden In weiterfuhrender Konsequenz macht die damalige Erziehung der Zuschauer die bis heute ublichen Umgangsformen im Theater aus Neuer Geltungsbereich des Theaterregisseurs im 19 Jahrhundert Bearbeiten Im 19 Jh war das Theater unter anderem durch den Begriff der Theaterfreiheit gepragt welcher das Theater als oft einzigen Ort fur offentliche Versammlungen beschreibt Das Theater genoss zu dieser Zeit eine grosse Nachfrage welche Neugrundungen und Neubauten mit sich brachte z B das Deutsche Theater 1850 das Lessingtheater 1888 in Berlin und das Boulevardtheater Theatre de la Gaite Montparnasse 1869 in Paris Zu Beginn des Jahrhunderts war die Aufgabe des Theaterleiters noch das literarische Werk zur Anschauung zu bringen und die Werktreue zu garantieren Durch die Gefahr einer vom Staat auferlegten Zensur waren die Theaterleiter meist gezwungen Inszenierungen zu kontrollieren um einer Strafe zu entgehen Dagegen zeigte sich gerade im spateren Verlauf des Jahrhunderts eine entgegengesetzte Entwicklung Vielerorts wurde nun zunehmend von einem Arrangeur im kunstlerischen Sinne gesprochen und es bildete sich Stuck fur Stuck das Berufsbild des Regisseurs heraus Gegen Ende des 19 Jh wurde dem Regisseur nicht nur Entscheidungen zur kunstlerischen Gesamtkonzeption des Werkes uberlassen sondern ebenso die Leitung der Probenarbeit und des Ensemblespiels Hier zeigt sich eine institutionelle Hurde welche es in erster Linie anderen Theatermitarbeitern erschwerte an der Entstehung einer Auffuhrung mitzuwirken Theater der 1920er und 1930er Jahre Bearbeiten In der Weimarer Republik verfeinerten verschiedene Avantgardisten ihre Buhnenexperimente Erwin Piscator etwa versuchte sich an seiner Idee eines Totaltheaters Dieses zeichnete sich durch hohen technischen Aufwand aus dass die Zuschauer in unmittelbare Befugnis zum Buhnengeschehen brachte Ahnlich politisch orientiert versuchte der aufstrebende Dramatiker Bertolt Brecht sein Modell vom epischen Theater an den Berliner Buhnen zu etablieren In diesem Modell entfernt sich Brecht vom klassischen Theaterdispositiv von Buhne und Zuschauerraum und orientiert sein Theater an einer Strassenszene Die Kommunikation zwischen den Beteiligten also Akteure und Publikum musste demnach auf ein neues Mass wachsen Ebenso orientierte Brecht sein Theater an Sportveranstaltungen in denen das Publikum in weit grosserem Masse als im bis dahin vorherrschenden Theater partizipativ teilnehmen kann Ebenso wie Brecht die Kommunikation zwischen Akteuren und Publikum forcieren wollte sollte diese auch zwischen denen im Publikum Anwesenden existieren bis hin zu hitzigen Debatten uber die im Buhnenraum verhandelten Themen Insgesamt waren die 1920er Jahre von einem starken Klassenkampf gepragt Politische Stromungen von kommunistischer wie nationalistischer Seite versuchten Anhanger fur ihre Ziele zu gewinnen Als Auslaufer der sogenannten Volksbuhnenbewegung entstand etwa eine Vielzahl an Agitpropgruppen die das Ziel hatten mit ihren Auffuhrungen einen Beitrag zum Klassenkampf der Arbeiterklasse zu leisten Hierfur machten sich die Gruppen unterschiedliche Formen der Auffuhrung zu Nutze Neben Liedern und kleinen Stucken war vor allem der Chorgesang gemeinsam mit dem Publikum fester Bestandteil der Auffuhrungen Das Theater unter den Nationalsozialisten orientierte sich weitestgehend an den Errungenschaften der Avantgarde Des Weiteren ist die von nordischer Mythologie gepragte Thingspiel Bewegung nennenswert Dem Ziel der Nationalsozialisten der Schaffung eines homogenen Volkskorpers untergeordnet entstanden Spielstatten mit einem Fassungsvermogen von bis zu 50 000 Zuschauern Von der Buhnenform her versuchte man sich an den Arenabuhnen Max Reinhardts und bemuhte sich um eine direkte Nahe zwischen Darstellern und Zuschauern Auch Chore die in den Reihen des Publikums positioniert waren bekamen eine grosse Bedeutung Die Thingspiel Bewegung verlor jedoch nach 1936 an Bedeutung nachdem man in den eigenen Reihen die nationalsozialistische Revolution fur beendet erachtete Partizipative Theaterformen und Stromungen Bearbeiten Im historischen Uberblick lassen sich nicht immer eindeutig Entwicklungen abgrenzen vielmehr finden Entwicklungen zeitlich parallel zueinander an verschiedenen Orten statt und gegenseitige Einflusse lassen sich nur bedingt nachvollziehen Im Folgenden werden demnach Beispiele aufgegriffen die hinsichtlich verschiedener Stromungen und Formen aus europaischer Sicht relevant fur den Begriff Partizipation erscheinen Puppentheater Bearbeiten Ein Beispiel fur Partizipation die bereits im Kindesalter erfahren wird ist das Puppentheater Kasperletheater Fur das Fortfuhren der Handlung spielt das Publikum bzw die Kinder eine Rolle Sie werden in das Geschehen miteinbezogen z B warnen sie Kasperle vor dem Bosewicht Dabei wenden sich ihre Ausrufe der Warnung direkt an den Kasperle wodurch er sich rechtzeitig in Sicherheit bringen kann Ohne das Mitwirken der Kinder wurde es fur Kasperle also ein boses Ende nehmen zumindest wird diese Handlungslogik erzeugt indem den Kindern Fragen gestellt werden wie Seht ihr den bosen Wolf Ohne die Auskunft der Kinder wurde Kasperle den Wolf nicht zu sehen bekommen und ware ihm ausgeliefert Jens Roselt beschreibt diesen Sachverhalt auch als vermutlich fur viele Menschen die erste Theaterauffuhrung in ihrem Leben an der sie als Zuschauer teilnehmen 18 Diese Beobachtung begrundet er auf der obligatorisch zum Kasperletheater dazugehorigen Frage Seid Ihr alle da welche das Kind zum Antworten und somit zum Handeln bewegt Das Kind wird aus seiner passiven Zuschauerfunktion geholt Theateravantgarde Bearbeiten Die Theaterregisseure der Avantgarde zu Beginn des 20 Jh wehrten sich gegen die Guckkastenbuhne und die mit ihr einhergehenden Trennung von Buhnen und Zuschauerraum Regisseure wie Max Reinhardt Wsewolod Meyerhold oder Erwin Piscator experimentierten mit Buhnenformen die neue Perspektiven fur das Publikum ermoglichen wurden Ein bekanntes Beispiel ist die auf die Antike zuruckgehende Arenabuhne Hierbei sitzt das Publikum im nicht ganz geschlossenen Kreis um die Buhne herum Die Akteure werden fur das Publikum so zu dreidimensionalen Figuren Auch fur die Akteure ergaben sich durch diese Buhnenform neue Moglichkeiten Die Aufgange auf die Buhne erfolgten beispielsweise in Reinhardts Konig Odipus Inszenierung durch die Reihen des Publikums Die Akteure waren somit fur das Publikum zum Greifen nahe Im Gegensatz zum Theater des 19 Jh stellten Experimente wie diese Revolutionen im Theater dar und bildeten auch die Grundlage fur Theater in denen das Publikum in die laufende Handlung einbezogen wird Theater der Unterdruckten Bearbeiten Der 1931 in Rio de Janeiro geborene Augusto Boal entwickelte ausgehend vom versteckten Theater 19 das Theater der Unterdruckten Das Unsichtbare Theater Forumtheater und Legislative Theater sind Methoden bzw weiterfuhrende Modelle des Theaters der Unterdruckten Boal greift diese Form in den sechziger Jahren als Antwort auf die Militardiktatur in Brasilien wieder auf Das Unsichtbare Theater arbeitet mit Interventionen im offentlichen Raum die von Akteuren gespielt werden ohne dass die Umstehenden in die Fiktion der Situation eingeweiht werden Auf diese Weise wird das Publikum zugleich zu Agierenden und die Akteure beobachten ihrerseits wie sich die von ihnen initialisierte Situation entwickelt 20 Performance und Happening der 1960er Bearbeiten Die Happenings der 1960er Jahre werden im obigen Abschnitt uber Allan Kaprow beschrieben Partizipation im Theater und Performance heute Bearbeiten nbsp Marina Abramovic bei ihrer Performance The Artist is present im MoMA in New York Das Publikum hat die Moglichkeit zu partizipieren indem es in die Situation beliebig eingreift Immersives Theater Bearbeiten Der Begriff des immersiven Theaters taucht erstmals im 21 Jahrhundert auf kommt ursprunglich aus dem englischsprachigen Raum und ist im deutschen Sprachgebrauch bisher nicht gangig Es handelt sich um eine Form des partizipativen Theaters in welchem die Grenzen zwischen der Wahrnehmung der Beteiligten und der Wahrnehmung ihrer Rollen verschoben werden Oft werden offentliche Raume oder andere Nicht Theaterraume bespielt Die Zeitlichkeit im immersiven Theater kann sich von einigen Stunden bis hin zu mehreren Jahren ziehen Die britische Theaterkompanie Punchdrunk gilt als eine der Pioniere des immersiven Theaters Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum sind zum Beispiel die danische Performancegruppe SIGNA die osterreichische Performancegruppe Nesterval sowie der deutsche Aktionskunstler Christoph Schlingensief Christoph Schlingensief beispielsweise betont bei der Grundsteinlegung des Operndorfes im Jahr 2010 Das Verhaltnis zwischen den Menschen sollte das grosste Kunstwerk sein Das Projekt ist wie die Grundung der Partei Chance 2000 als Kunstplattform nachhaltig angelegt und wird von Aino Laberenz Witwe des inzwischen verstorbenen Schlingensiefs weitergefuhrt Die Kunst soll aus dem Leben herauswachsen Besucher und Bewohner des Dorfes sind Publikum und Kunstler gleichzeitig Die Buhne unter freiem Himmel liegt inmitten des von dem Architekten Diebedo Francis Kere gestalteten Dorfes und ist umgeben von einer Schule einem Tonstudio Krankenhaus und anderen Modulen Sie konnen jederzeit bespielt oder als Podium genutzt werden Die folgenden drei Beispiele verbindet das direkte Einbeziehen des Publikums bzw der Teilnehmer in das Geschehen der Veranstaltung Zugleich wird in diesen zufallig ausgesuchten Beispielen auch auf die Unterschiede in der Art und Weise wie die Partizipation in einem theatralen Kontext inszeniert werden kann hingewiesen SIGNA Bearbeiten Die Performancegruppe SIGNA fuhrt seit 2001 Performances durch die gerade durch ihren partizipatorischen Charakter fur grosses Aufsehen beim Publikum und in der Presse sorgen Bei SIGNA Performances wird die vierte Wand komplett aufgebrochen Der Zuschauer wird in die Geschichte der Performance eingebunden und bewegt sich meistens frei durch die von SIGNA bespielten Raume entscheidet wie sehr er in das Geschehen eingebunden wird spricht und agiert mit den Performern So wird das Publikum Teil der jeweiligen Performance und zum Akteur dieser Vierte Wand Keiner reisst die zur Zeit so konsequent ein wie Signa und ihr gleichnamiges Kollektiv keiner macht den Zuschauer so radikal zum Teil des Spektakels Udo Badelt Mitmachtheater Im neunten Kreis der Holle 21 In der Inszenierung Club Inferno von 2013 Volksbuhne Berlin bespielte SIGNA eine leerstehende Wohnung in Berlin Wedding Es entstand ein Club in welchem das Publikum fur mehrere Stunden als Clubbesucher eintreten konnten Um mehr von der Geschichte des Clubs und seinen Bewohnern zu erfahren musste man direkt in Kontakt mit den Performern treten sie befragen mit ihnen in Gesprache treten und ihren Anweisungen folgen Einzelne Zuschauer partizipierten so weit dass sie sich auszogen Performer kussten gemeinsam speisten sich gegenseitig wuschen und sich auspeitschen liessen In der darauffolgenden Performance Schwarze Augen Maria von 2013 im Deutschen Schauspielhaus lud SIGNA die Zuschauer ein die Raumlichkeiten eines ehemaligen Schulgebaudes umgestaltet in die Klinik Haus Lebensbaum als Besucher zum Tag der offenen Tur zu besuchen Man konnte die dort lebenden Familien dargestellt durch Performer von SIGNA kennenlernen sich mit ihnen unterhalten ihre Geschichte erfahren mit ihnen spielen essen trinken und am Ende des Abends zu einer gemeinsamen Feier zusammenkommen Gob Squad Bearbeiten Das deutsch englische Theaterkollektiv Gob Squad welches sich seit 1994 intensiv mit dem Thema Partizipation auseinandersetzt bezieht immer wieder Gaste in ihre Auffuhrungen ein In ihrer Arbeit Saving the World von 2008 wurden Passanten auf der Strasse angesprochen und nach ihrem Leben befragt z B wer sie sind was sie arbeiten oder was sie mogen Die szenische Befragung ist dabei in ein futuristisches bzw marchenartiges Setting eingebettet Das Ergebnis ist eine Mischung zwischen Dokumentation Inszenierung und Kunstprojekt welches zumeist in Theaterhausern vor Publikum aufgefuhrt wird In Room Service help me make it through the night beobachten die zahlenden Theaterbesucher aus einem Lobbyraum aus in einem Hotel vier Performer die sich in je einem Zimmer des Hotels befinden und uber je einen Monitor zu sehen und zu horen sind Immer wieder rufen Performer auf einem Telefon im Zuschauerraum an und versuchen mit jemandem aus dem Publikum zu sprechen Es entstehen dabei mannigfaltige Moglichkeiten der Interaktion aller Beteiligten untereinander Obwohl die Performer sich an verschiedenen Handlungsepisoden thematisch orientieren konnen sind die Reaktionen des Publikums generell offen und eine eigenstandige Form der partizipativen Auffuhrung da Teile des Publikums immer wieder zum handlungsstiftenden Element der Auffuhrung werden CUE Bearbeiten Mit dem CUE haben die Initiatoren eine Plattform in Berlin geschaffen die von verschiedenen Definitionen wie Happening ein interdisziplinares Event Improvisation oder Jam die ein zu eng fur dieses Format gefasstes Verstandnis einer Veranstaltung hervorrufen bewusst Abstand nimmt Improvisation im interdisziplinaren Kontext Musik Klang Tanz Performance Malerei Videokunst u v m ist der Ausgangspunkt des Konzepts im 2007 gewesen Seither ist CUE ein regelmassiges ursprunglich ein monatliches Treffen das in einem vorgegebenen Raum zu einer vorgegebenen Zeit stattfindet Zusammen mit der Partizipation der Teilnehmer werden somit die Rahmenbedingungen der Veranstaltung genannt da alles Weitere sich im Verlauf des Abends aus der Begegnung mit dem Unvorhersehbaren a temporary encounter with the unforeseeable generieren soll Da es keinen Leiter oder Regisseur gibt verteilt sich die Aufgabe der Gestaltung des Abends auf alle Teilnehmer und derer Wunsche und Bedurfnisse needs Gestaltung des Abends steht also im Vordergrund als eine gemeinsame Aufgabe und Verantwortung der Teilnehmer Im engeren Sinne wird hier cue als ein kommunikatives Werkzeug verstanden das in diesem Prozess eingesetzt wird Die Erfahrungen aus den praktischen Begegnungen in verschiedenen CUE Veranstaltungen seit 2007 werden von einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Konzept des CUE begleitet Es werden Fragen wie Was ist ein Event Wie kann man Bedingungen erschaffen die die Teilnehmer zur Partizipation einladt noch bevor das Event begonnen hat Welche Art von Partizipation wird in einer CUE Veranstaltung erwartet gestellt und verschiedene Moglichkeiten geboten diese Fragen zu beantworten Seit 2008 fand das Projekt CUE neben Berlin in weiteren europaischen Stadten wie Madrid Istanbul Rotterdam Palermo Barcelona und Riga statt Zusatzlich zu einzelnen Veranstaltungen in o g Stadten wurde eine gemeinsame Onlineplattform geschaffen die uber Liveubertragung eine Kommunikation zwischen den Stadten ermoglichte Das Projekt CUE verfugt uber umfangreiche Onlinearchive denen die Dokumentation der einzelnen Abende genauso wie theoretische Konzeptweiterfuhrung der bisherigen 7 Jahre zu entnehmen ist Literatur BearbeitenTheodor W Adorno Asthetische Theorie Frankfurt am Main 1970 Claire Bishop Hrsg Participation Documents of Contemporary Art Whitechapel Gallery The MIT Press 2006 Manfred Brauneck Die Welt als Buhne Geschichte des europaischen Theaters Zweiter Band Stuttgart Weimar 1996 Erika Fischer Lichte Asthetik des Performativen Frankfurt am Main 2004 Erika Fischer Lichte Geschichte des Dramas Band 1 Von der Antike bis zur deutschen Klassik Tubingen 1999 Erika Fischer Lichte Doris Kolesch Christel Weiler Hrsg Berliner Theater im 20 Jahrhundert Berlin 1998 Michel Foucault Die Ordnung der Dinge Frankfurt a M 1974 Martin Gessmann Hrsg Philosophisches Worterbuch 23 Auflage Stuttgart 2009 Allan Kaprow Notes on the Elimination of the Audience In Claire Bishop Hrsg Participation Whitechapel 2006 S 102 104 Gunther Heeg Das Phantasma der naturlichen Gestalt Korper Sprache und Bild im Theater des 18 Jahrhunderts Frankfurt Basel 2000 Susan Kattwinkel Hrsg Audience Participation Essays on Inclusion in Performance Westport 2003 Dennis Kennedy The Oxford companion to theatre and performance Oxford 2010 Heinz Kindermann Theatergeschichte Europas Bd 4 Von der Aufklarung zur Romantik 1 Teil Salzburg 1961 Hajo Kurzenberger Der kollektive Prozess des Theaters Chorkorper Probengemeinschaften theatrale Kreativitat Bielefeld 2009 Josef Oehrlein Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro Frankfurt a M 1986 Jacques Ranciere Der emanzipierte Zuschauer Herausgegeben von Peter Engelmann Ubersetzt von Richard Steurer Wien 2010 Irit Rogoff Looking Away Participations in Visual Culture In Gavin Butt Hrsg After Criticism New Responses to Art and Performance Oxford 2005 S 117 134 Weblinks BearbeitenSilke Feldhoff Zwischen Spiel und Politik Partizipation als Strategie und Praxis in der bildenden Kunst Dissertation Universitat der Kunste Berlin 2009 Aktivismus und Partizipation in der Kunst des 20 Jahrhunderts Uberlegungen zum Paradigmenwechsel vom Objekt zum Subjekt Projekte der Theatergruppe Gob Squad Die Performancegruppe Rimini Protokoll stellt sich vor Love Storys Eine partizipative Produktion des Theaters im g werk german stage service Love Storys Ein Bericht Interview mit dem Kunstler Tino Sehgal Projekte der Performancegruppe SIGNA Shakespeare s Globe Elisabethanisches Theater Prasentation zur Geburt der Regie Projekte der Performancegruppe SIGNA Projekte der Performancegruppe Gob Squad Projekt CUE Onlinearchiv CUE StadteEinzelnachweise Bearbeiten Bishop Claire Artificial Hells participatory art and the politics of spectatorship Band 1 London 2012 S 3 Bishop Claire Artificial Hells participatory art and the politics of spectatorship Band 1 London 2012 S 3 Bishop Claire Artificial Hells participatory art and the politics of spectatorship Band 1 London 2012 S 275 Bishop Claire Artificial Hells participatory art and the politics of spectatorship Band 1 London 2012 S 2 Vgl u a Ranciere Jacques Der emanzipierte Zuschauer Wien 2010 Bishop Claire Artificial Hells participatory art and the politics of spectatorship Band 1 London 2012 S 18 Bishop Claire Antagonism and Relational Aesthetics No 110 Oktober 2004 S 51 79 Kaprow Allan Notes on the Elimination of the Audience 1966 in Participation Documents of Contemporary Art Hrsg von Claire Bishop Whitechapel London 2016 S 103 Lehmann Hans Thies Get down and party Together Partizipation in der Kunst seit den Neunzigern I in Heimspiel 2011 Theater Workshops Symposium Festival 2011 http www heimspiel2011 de assets media dokumentation pdf HSP Doku D Lehmann pdf Stand 30 Januar 2014 Rogoff Irit Looking Away Participations in Visual Culture In Gavin Butt Hrsg After Criticism New Responses to Art and Performance Oxford 2005 S 127 Rogoff Irit Looking Away Participations in Visual Culture In Gavin Butt Hrsg After Criticism New Responses to Art and Performance Oxford 2005 S 133 a b Rogoff Irit What Does It Mean to Participate In Audioarchiv des Blackmarket archive Audioaufnahme zum Thema Lexikon der tanzerischen Gesten und angewandten Bewegungen bei Mensch Tier und Materie http www blackmarket archive com 31 Kunstforum international Bd 240 Juni Juli 2016 S 28f Glauner Max Sprich mit mir Modi der Partizipation bei Georg Klein in Sabine Sanio Hrsg Georg Klein Borderlines Heidelberg 2014 S 16 21 Glauner Max Get involved Partizipation als kunstlerische Strategie in Kunstforum international Bd 240 Juni Juli 2016 S 30 55 Glauner Max Get involved Partizipation als kunstlerische Strategie in Kunstforum international Bd 40 Juni Juli 2016 S 52 ff Brauneck Manfred Europas Theater 2500 Jahre Geschichte Eine Einfuhrung Reinbek 2012 S 123 f Roselt Jens Phanomenologie des Theaters Munchen 2008 S 9 11 Eine Widerstandsform kommunistischer Theatergruppen gegen den Faschismus in den 1930er Jahren die u a auch mit Dario Fo in Verbindung gebracht wird Vgl Boal Augusto Theater der Unterdruckten Frankfurt am Main 1989 Baselt Udo Mitmachtheater Im neunten Kreis der Holle in Der Tagesspiegel Onlineausgabe 11 Marz 2013 http www tagesspiegel de kultur mitmachtheater im neunten kreis der hoelle 7911488 html Stand 30 Januar 2014 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Partizipation Kunst amp oldid 237028544