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Die Paritat bezeichnet in der Physik eine Symmetrieeigenschaft die ein physikalisches System gegenuber einer raumlichen Spiegelung haben kann Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 1 1 Beispiele 2 Paritatserhaltung 3 Paritatsverletzung 4 Theoretische Beschreibung in der Quantenmechanik 4 1 Paritatsoperator und Eigenwerte 4 2 Paritatserhaltung und Paritatsverletzung 5 Andere Dimensionen 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDer Paritat liegt eine Raumspiegelung zugrunde die nach Auswahl eines Punktes als Koordinatenursprung durch einen Vorzeichenwechsel in jeder der drei Ortskoordinaten dargestellt wird Dabei bleibt die Zeit t displaystyle t nbsp unverandert t x y z t x y z displaystyle t x y z mapsto t x y z nbsp Jeder Ort r displaystyle vec r nbsp geht dabei in den Ort r displaystyle vec r nbsp uber der anschaulich gesprochen jenseits des Ursprungs genau gegenuber liegt Fur die raumliche Vorstellung dieser Transformation der Koordinaten ist oft hilfreich dass sie aus einer Spiegelung an einem ebenen Spiegel und einer anschliessenden 180 Drehung um die zum Spiegel senkrechte Richtung zusammengesetzt werden kann Eine physikalische Fragestellung ist nun wie sich ein physikalisches System in einem bestimmten Zustand verhalt wenn es raumlich gespiegelt wird Fur die Antwort spielt es keine Rolle ob nur in der Beschreibung des Systems die obige Koordinatentransformation vorgenommen wird oder ob stattdessen ein zweites System als gespiegelte Kopie des ersten aufgebaut wird Behalt eine physikalische Grosse des Systems dabei ihren Wert dann ist das System hinsichtlich dieser Grosse spiegelsymmetrisch es hat positive Paritat Wechselt eine physikalische Grosse bei gleichbleibendem Betrag nur ihr Vorzeichen dann hat das System hinsichtlich dieser Grosse negative Paritat Bezuglich des Betrags hat es dann also positive Paritat In allen anderen Fallen liegt keine bestimmte Paritat vor Solche Systeme erscheinen unsymmetrisch jedenfalls in Bezug zum gerade benutzten Koordinatenursprung Beispiele Bearbeiten Eine im Ursprung befindliche elektrische Punktladung Q displaystyle Q nbsp hat hinsichtlich ihres Potentials V r Q 4 p e 0 r displaystyle V vec r tfrac Q 4 pi varepsilon 0 vec r nbsp positive Paritat denn V r V r displaystyle V vec r V vec r nbsp Hinsichtlich ihres elektrischen Feldes aber hat sie negative Paritat denn E r E r displaystyle vec E vec r vec E vec r nbsp Bezuglich eines anders gewahlten Koordinatenursprungs liegt gar keine Paritat vor Paritatserhaltung BearbeitenBei allen Prozessen die durch Gravitation oder Elektromagnetismus bewirkt werden bleibt die Paritat des Anfangszustands wenn er eine hat erhalten Diese Paritatserhaltung gilt demnach in der ganzen Klassischen Physik Anschaulich bedeutet dies z B dass aus einem symmetrischen Zustand nicht ein unsymmetrischer hervorgehen kann Diese Aussage mag manchmal falsch erscheinen z B wenn nach der Explosion eines vollstandig symmetrisch aufgebauten Feuerwerkskorpers die entgegengesetzt auseinander fliegenden Brocken verschiedene Grosse haben Oder wenn sich ein gluhender Eisenstab beim Abkuhlen in unsymmetrischer Weise spontan magnetisiert Nach der klassischen Physik muss die Ursache solcher Symmetriebrechung darin liegen dass schon der Anfangszustand nicht vollig symmetrisch war was wegen der Kleinheit der Storung aber unerkannt geblieben ist Alles andere widerspricht der unmittelbaren Anschauung denn ein mechanischer Apparat der in spiegelbildlichem Nachbau nicht genau so funktionieren wurde wie das Original liegt ausserhalb unserer Vorstellungsmoglichkeiten Zum Beispiel musste man sich vorstellen konnen was bei einer normalen Holzschraube zwischen dem Gewinde und dem Holz passiert wenn sie die Paritat verletzt also beim Hineindrehen herauskommt Die Anschauung befindet sich hingegen im Einklang mit allen praktischen Erfahrungen in der makroskopischen Welt die vollkommen von den paritatserhaltenden Wechselwirkungen Schwerkraft und Elektromagnetismus bestimmt werden Ein anderes Kennzeichen der Paritatserhaltung ist dass man durch alleiniges Beobachten eines physikalischen Vorgangs prinzipiell nicht entscheiden kann ob man ihn direkt oder nach einer Spiegelung beobachtet Denn geht ein System sei es symmetrisch oder unsymmetrisch von einem Anfangszustand nach den Gesetzen der klassischen Physik in einen anderen Zustand uber dann geht ein gespiegelter Anfangszustand des gespiegelt aufgebauten Systems in derselben Zeit in das Spiegelbild des Endzustands uber Die beiden Falle sind nur dadurch zu unterscheiden dass man im Beobachtungsvorgang das Vorhandensein oder die Abwesenheit einer Spiegelung nachweist Die theoretische Begrundung beider Kennzeichen der Paritatserhaltung beruht darauf dass die Bewegungsgleichungen fur Gravitation und Elektromagnetismus unverandert bleiben wenn man die oben angegebene Koordinatentransformation durchfuhrt Man sagt diese Gleichungen selbst besitzen Spiegelsymmetrie sie sind unter dieser Transformation kovariant Paritatsverletzung Bearbeiten Hauptartikel Paritatsverletzung Aufgrund aller praktischen Erfahrung und physikalischen Erkenntnis wurde eine Verletzung der Paritatserhaltung fur ausgeschlossen gehalten bis im Jahr 1956 eine bestimmte Beobachtung aus der Elementarteilchenphysik nicht mehr anders zu deuten war Tsung Dao Lee und Chen Ning Yang schlugen diesen Ausweg zur Losung des t 8 Puzzle gesprochen Tau Theta Puzzle beim Zerfall des Kaons vor 1 Noch im selben Jahr konnte dies von Chien Shiung Wu 2 und Leon Max Lederman 3 in zwei unabhangigen Experimenten bestatigt werden Die Ursache der Paritatsverletzung liegt in der schwachen Wechselwirkung mit welcher z B die Beta Radioaktivitat und der Zerfall vieler kurzlebiger Elementarteilchen beschrieben wird Die Formeln der theoretischen Formulierung der schwachen Wechselwirkung sind nicht invariant gegenuber der Paritatstransformation Fermionische Teilchen wie zum Beispiel das Elektron besitzen eine Eigenschaft namens Chiralitat mit zwei moglichen Auspragungen die als linkshandig und rechtshandig bezeichnet werden und durch Raumspiegelung wechselseitig ineinander ubergehen Das ist vergleichbar mit der Polarisation von Licht oder eben mit dem Unterschied von linker und rechter Hand Ein Elektron befindet sich wie in der Quantenphysik moglich im Allgemeinen in einer Art von Uberlagerungszustand von Links und Rechtshandigkeit Eine paritatserhaltende Wechselwirkung muss beide Chiralitaten gleich stark betreffen Die schwache Wechselwirkung greift aber lediglich an der linkshandigen Komponente des Elektronenzustands an Dadurch ist die schwache Wechselwirkung nicht symmetrisch unter der Paritatstransformation und verletzt die Paritatserhaltung Theoretische Beschreibung in der Quantenmechanik BearbeitenParitatsoperator und Eigenwerte Bearbeiten In der Quantenmechanik wird der Zustand eines physikalischen Systems bestehend aus einem Teilchen im einfachsten Fall durch eine Wellenfunktion beschrieben Diese ist eine Funktion ps R 3 C displaystyle psi colon mathbb R 3 to mathbb C nbsp Das Verhalten solcher Wellenfunktionen unter der Paritatstransformation wird durch einen Operator P displaystyle hat P nbsp beschrieben Paritatstransformation oder Paritatsoperator genannt welche jeder Wellenfunktion ps displaystyle psi nbsp die zugehorige Wellenfunktion P ps displaystyle hat P psi nbsp im gespiegelten Koordinatensystem zuordnet Sie ist definiert durch die Gleichung P ps r ps r displaystyle hat P psi vec r psi vec r nbsp fur jede Wellenfunktion ps displaystyle psi nbsp und jeden Ortsvektor r displaystyle vec r nbsp Fur Dirac Wellenfunktionen ist der Paritatsoperator nicht allein eine Raumspiegelung der Wellenfunktion Es tritt eine Transformation im 4 dimensionalen Dirac Raum hinzu die durch Multiplikation mit der Dirac Matrix g 0 displaystyle gamma 0 nbsp bewirkt wird 4 5 P ps r g 0 ps r displaystyle hat P psi vec r gamma 0 psi vec r nbsp Der Paritatsoperator hat einfache mathematische Eigenschaften Linearitat Es handelt sich um eine Involution Mathematik Durch zweifache Anwendung erhalt man wiederum die ursprungliche Wellenfunktion P P ps ps displaystyle hat P hat P psi psi nbsp somit ist P displaystyle hat P nbsp invertierbar und P 1 P displaystyle hat P 1 hat P nbsp Der Operator erhalt die Norm da P displaystyle hat P nbsp linear und invertierbar ist ist P displaystyle hat P nbsp ein unitarer Operator wie bei den Symmetrietransformationen in der Quantenphysik ublich Aufgrund der Unitaritat ist P 1 displaystyle hat P 1 nbsp gleich seinem Adjungierten P displaystyle hat P dagger nbsp somit ist P P displaystyle hat P hat P dagger nbsp selbstadjungiert Als selbstadjungierter Operator hat P displaystyle hat P nbsp nur reelle Eigenwerte und lasst sich als Observable auffassen Zu dieser Observable existiert aber kein direktes klassisches Pendant aus dem sie sich etwa uber ein Funktionalkalkul ergibt Da der Paritatsoperator unitar ist haben all seine Eigenwerte Betrag 1 displaystyle 1 nbsp Somit besitzt P displaystyle hat P nbsp hochstens die Eigenwerte 1 displaystyle 1 nbsp und 1 displaystyle 1 nbsp auch als Paritatsquantenzahl bezeichnet Die Eigenfunktionen zum Eigenwert 1 displaystyle 1 nbsp erfullen die Gleichung ps r ps r displaystyle psi vec r psi vec r nbsp und gehoren damit zu den geraden auch symmetrischen Funktionen wie zum Beispiel eine Glockenkurve Zum Eigenwert 1 displaystyle 1 nbsp gehoren ungerade auch schiefsymmetrische Wellenfunktionen denn es gilt ps r ps r displaystyle psi vec r psi vec r nbsp Jeder Zustand lasst sich eindeutig als Summe von einem Eigenzustand zum Eigenwert 1 displaystyle 1 nbsp und einem zum Eigenwert 1 displaystyle 1 nbsp darstellen das heisst in einen geraden und einen ungeraden Teil zerlegen wie leicht nachzurechnen ist und auch aus dem Spektralsatz folgt Fur Mehrteilchensysteme wird der Paritatsoperator analog zunachst fur den Raum eines jeden einzelnen Teilchens definiert und dann auf das Tensorprodukt der Raume fortgesetzt P ps 1 ps n r 1 r n ps 1 ps n r 1 r n displaystyle hat P psi 1 otimes ldots otimes psi n vec r 1 ldots vec r n psi 1 otimes ldots otimes psi n vec r 1 ldots vec r n nbsp linear fortzusetzen auf den ganzen Produktraum Algebraisch lasst sich der Paritatsoperator auch durch das Transformationsverhalten der Komponenten des Ortsoperators r x 1 x 2 x 3 displaystyle hat vec r hat x 1 hat x 2 hat x 3 nbsp charakterisieren P x i P 1 P x i P x i displaystyle hat P hat x i hat P 1 hat P hat x i hat P hat x i nbsp Oder anders ausgedruckt P x i x i P displaystyle hat P hat x i hat x i hat P nbsp Der Paritatsoperator antivertauscht also mit dem Ortsoperator P x i 0 displaystyle left hat P hat x i right 0 nbsp Das Gleiche gilt auch fur die Komponenten des Impulsoperators p p 1 p 2 p 3 displaystyle hat vec p hat p 1 hat p 2 hat p 3 nbsp P p i 0 displaystyle left hat P hat p i right 0 nbsp Paritatserhaltung und Paritatsverletzung Bearbeiten Erhaltung der Paritat ist gewahrleistet wenn der Hamilton Operator H displaystyle hat H nbsp mit dem Paritatsoperator vertauschbar ist P H P H H P 0 displaystyle left hat P hat H right hat P hat H hat H hat P 0 nbsp Als Folge bleibt ein einmal vorliegender Paritatseigenwert fur alle Zeit erhalten Des Weiteren existiert ein gemeinsames vollstandiges System von Eigenzustanden zu H displaystyle hat H nbsp und P displaystyle hat P nbsp mit der Folge dass bis auf zufallige mogliche Ausnahmen im Fall von Energieentartung alle Energieeigenzustande eine wohldefinierte Paritat besitzen Aufgrund der beobachteten Paritatsverletzung muss der fur die betreffenden Prozesse gultige Hamilton Operator einen mit dem Paritatsoperator nicht vertauschbaren Term enthalten Damit folgt dass es Prozesse gibt in denen die anfangliche Paritat nicht erhalten bleibt und dass die Energieeigenzustande genau genommen Uberlagerungen von zwei Zustanden entgegengesetzter Paritat sind Da dieser paritatsverletzende Term nur in der schwachen Wechselwirkung vorkommt sind die tatsachlich beobachtbaren Auswirkungen meistens geringfugig wenn auch theoretisch bedeutsam Andere Dimensionen BearbeitenBetrachtet man physikalische Theorien in anderen als drei Dimensionen so ist zu beachten dass bei geradzahliger Dimension des Raumes eine Umkehr aller Koordinaten nichts anderes als eine Drehung ist die Determinante ist 1 displaystyle 1 nbsp Daher definiert man fur allgemeine Dimensionszahl die Paritatstransformation als Umkehr einer Koordinate und verfahrt ansonsten analog Dabei hat man den praktischen Nachteil dass es nicht moglich ist bezugssystemsunabhangig eine feste solche Matrix als Paritatstransformation zu definieren Siehe auch BearbeitenLadungskonjugation CP Verletzung CPT Theorem Zeitumkehr Physik Literatur BearbeitenTheo Mayer Kuckuk Der gebrochene Spiegel Symmetrie Symmetriebrechung und Ordnung in der Natur Birkhauser Basel 1989 Jorn Bleck Neuhaus Elementare Teilchen Von den Atomen uber das Standard Modell bis zum Higgs Boson Kap 12 2 2 Auflage Springer Heidelberg 2013 ISBN 978 3 642 32578 6 Einzelnachweise Bearbeiten T D Lee C N Yang Question of Parity Conservation in Weak Interactions In Physical Review 104 Jahrgang 1956 S 254 258 doi 10 1103 PhysRev 104 254 C S Wu E Ambler R W Hayward D D Hoppes R P Hudson Experimental Test of Parity Conservation in Beta Decay In Physical Review 105 Jahrgang 1957 S 1413 1415 doi 10 1103 PhysRev 105 1413 Richard L Garwin Leon M Lederman Marcel Weinrich Observations of the Failure of Conservation of Parity and Charge Conjugation in Meson Decays the Magnetic Moment of the Free Muon In Physical Review 105 Jahrgang 1957 S 1413 1415 doi 10 1103 PhysRev 105 1415 Franz Schwabl Quantenmechanik fur Fortgeschrittene QM II Springer 2005 ISBN 978 3 540 25904 6 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche M E Peskin D V Schroeder An Introduction to Quantum Field Theory Addison Wesley 1995 ISBN 978 0 201 50397 5 S 65 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Paritat Physik amp oldid 230831282