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In der Operation Beresino russisch Operaciya Berezino tauschte der sowjetische Geheimdienst NKWD wahrend des Zweiten Weltkriegs der deutschen Seite durch ein Funkspiel unter der Leitung von Pawel Sudoplatow die Existenz einer 2000 Mann starken hinter der Front versprengten deutschen Kampfgruppe unter Oberstleutnant Heinrich Gerhard Scherhorn vor Unter dem Decknamen Freischutz versuchte ab Oktober 1944 die Abteilung Fremde Heere Ost FHO im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht die Unterstutzung Versorgung und spatere Evakuierung dieser imaginaren Kampfgruppe Scherhorn sicherzustellen Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 1 1 Auf russischer Seite 1 2 Auf deutscher Seite 2 Verlauf 3 Nachbetrachtung 3 1 Die Rolle Scherhorns 4 Trivia 5 Literatur und EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenAuf russischer Seite Bearbeiten Seit Beginn des Uberfalls auf die Sowjetunion 1941 betrieb der sowjetische Geheimdienst NKWD Gegenspionage im eigenen Land gegen Agenten und Partisanen der beiden deutschen Nachrichtendienste Sicherheitsdienst des Reichsfuhrers SS SD und Abwehr In der Operation Monastyr Operaciya Monastyr wurden unter Leitung der NKWD Offiziere Viktor Iljin und Michail Makljarski Doppelagenten installiert die nachdem sie das Vertrauen der Deutschen erlangt hatten sukzessive deren Netzwerke aufdeckten und tatsachliche Spione ausschalteten Mit dem Erfolg dieses Vorgehens wurde das Interesse Stalins geweckt und dieser forderte nachdem er sich anfangs nur uber den Fortgang informieren liess eine Ausweitung der Operation zu einer Desinformationskampagne auf strategischer Ebene Diese erfolgte ab Mitte 1942 So versorgte zum Beispiel der NKWD Agent Alexander Demjanow Codename Heyne die Abteilung Fremde Heere Ost unter dem spateren BND Chef Reinhard Gehlen mit detaillierten Planen der Roten Armee Diese enthielten teilweise wie im Fall der sowjetischen Rschew Offensive sogar echte Informationen um die Tarnung der Doppelagenten zu stutzen In einer weiteren Ausbaustufe wurde Anfang 1944 beschlossen die Zielstellung des Vorgehens um die systematische Zerschlagung deutscher Spezialkrafte und ihrer Versorgungslinien zu erweitern 1 Auf deutscher Seite Bearbeiten Im Juni 1944 begann die Rote Armee mit der Operation Bagration um die weissrussische Hauptstadt Minsk zuruckzuerobern Im Verlauf dieser sehr erfolgreichen Operation wurde die deutsche Wehrmacht bis hinter die damalige Grenze Polens zuruckgedrangt Dabei geriet am 9 Juli 1944 der deutsche Oberstleutnant Heinrich Scherhorn mit Teilen seines Wachregiments der 286 Sicherungs Division in sowjetische Gefangenschaft Am 18 August 1944 meldete sich dann ein zuruckgelassener Funker bei seiner Fuhrungsstelle mit der Nachricht dass er im Raum Berasino etwa 100 km ostlich von Minsk Verbindung mit einer deutschen Kampfgruppe aufgenommen hatte Diese bestunde aus circa 2500 hinter der Front versprengten Soldaten und wurde von einem Oberst namens Scherhorn angefuhrt Ziel der Kampfgruppe sei es nach Westen durchzubrechen Dazu bate die Gruppe um Unterstutzung der Heeresgruppe Mitte Oberst Hans Heinrich Worgitzky von der Spionageabwehr beim Oberkommando des Heeres vermutete hinter der Nachricht von Beginn an eine Finte der Sowjets und weigerte sich Truppen zur Unterstutzung der Kampfgruppe Scherhorn zu entsenden Dem stellte sich Reinhard Gehlen als Vertreter des SD entgegen der die Mitteilung fur glaubhaft hielt denn bereits in der letzten Sommeroffensive der Wehrmacht war einer kompletten Division die Ruckkehr zur 500 km entfernten Frontlinie in Ostpreussen gelungen In diesen gegensatzlichen Positionen spiegelte sich auch der Konflikt der beiden konkurrierenden Geheimdienste wider So war der Geheimdienst des Heeres nach den Niederlagen des vergangenen Jahres bei der obersten Fuhrung in Ungnade gefallen und wurde zunehmend vom SD unter der Hoheit der SS verdrangt Letztlich entschied sich der Stabschef Alfred Jodl dafur mit einer Rettungsaktion zu beginnen 2 Verlauf Bearbeiten nbsp Otto Skorzeny ausfuhrender Befehlshaber auf deutscher Seite 1943 nbsp Eine Ju 290 wie sie zur Versorgung aus der Luft verwendet wurde nbsp Eine Ar 232 Tausendfussler spezialisiert fur Landungen auf unebenen UntergrundDie Rettungsaktion unter dem Namen Unternehmen Freischutz begann mit dem Absetzen von vier Erkundungstrupps per Fallschirm in der Region Organisiert von SS Obersturmbannfuhrer Otto Skorzeny bestanden die Gruppen aus jeweils acht Freiwilligen des Jagdverbandes Ost I des SS Jagerbataillons 502 in Uniformen der Roten Armee und mit entsprechenden Waffen Zwei der Kommandos meldeten sich nicht wieder Das Dritte teilte der Einsatzleitung mit dass es fernab der eigentlichen Landezone aufgekommen sei und sich zu Fuss auf den Ruckweg mache Drei Wochen spater uberquerte es die Front in Litauen Die vierte Erkundungseinheit meldete dann tatsachlich uber Funk Kontakt zur Kampfgruppe Scherhorn und das fur Sondereinsatze zustandige Kampfgeschwader 200 KG 200 der Luftwaffe wurde mit der Bestatigung der Existenz und anschliessenden Versorgung der Kampfgruppe beauftragt 3 Anfang Oktober 1944 wurde dann ein Verbindungsoffizier abgesetzt der potenzielle Landeplatze fur Flugzeuge ausfindig machen sollte Da aber die Zweifel uber ein mogliches Funkspiel des Gegners weiterhin bestehen blieben hielt man es fur sinnvoll zur Beseitigung dieser Zweifel den abgesetzten Offizier vor weiteren Unternehmungen zunachst einmal in persona zuruckzuholen denn bis dahin beruhten alle Informationen ausschliesslich auf Funkspruchen Nach Absprache zwischen der Heeresgruppe Mitte dem zustandigen Luftflottenkommando 6 und dem KG 200 wurden mit einer Junkers Ju 290 aus Wormditt erganzend ein Arzt weitere Funker und ein Luftwaffenoffizier an der Stelle abgesetzt an der von der Kampfgruppe Scherhorn Feuersignale gesetzt wurden Auch diese Gruppe meldete sich im Anschluss per Funk und bestatigte die Fortfuhrung der Suche nach einer geeigneten Landeflache Da sich dies aber als zunehmend schwierig darstellte beschloss man auf deutscher Seite nun doch Material fur die Kampfgruppe mit dem Fallschirm abzuwerfen denn zwischenzeitlich war es Mitte Oktober geworden und die Kampfgruppe meldete Proviant und Munitionsknappheit sowie Verwundete durch anhaltende Kampfe mit der Roten Armee Es folgten ab 21 Oktober 1944 Versorgungsfluge von Ju 290 und Heinkel He 111 mit wechselnder Haufigkeit sowie der Abwurf der notigen Technik zur Herstellung eines Behelfsflugplatzes Im Marz 1945 wurde sogar ein Ritterkreuz fur Oberst Scherhorn abgeworfen 4 5 Zum Jahresende 1944 signalisierte die Kampfgruppe die Fertigstellung des Flugfeldes Im Kriegsverlauf war mittlerweile Ostpreussen verloren gegangen und die Operationsbasis des Unternehmens Freischutz musste nach Tutow in Pommern zuruckverlegt werden Zwei Transportmaschinen machten sich von dort auf den Weg zu den Eingeschlossenen und dem neuen Flugplatz Als sie ihr Ziel erreichten und in der Nacht die Markierungsfeuer der Landebahn anflogen schien am Boden ein Gefecht loszubrechen und Explosionen waren zu sehen Trotzdem wagte einer der beiden Piloten die Fortsetzung des Landeanflugs musste ihn aber abbrechen als am Boden die Markierungsfeuer der Landebahn abrupt geloscht wurden Scherhorn meldete im Anschluss an Otto Skorzeny dass man von einem russischen Luftangriff uberrascht und das Flugfeld dabei dauerhaft beschadigt worden ware Da jetzt die Russen auch am Boden intensiv gegen die Kampfgruppe vorgingen wurde sich diese in drei einzelnen Gruppen nach Norden absetzen 6 Da der Funkkontakt zwischen Skorzeny und der Kampfgruppe trotz des Ruckzugs nicht abriss wurde als nachstes geplant die verbliebenen Soldaten von einem zugefrorenen See in Polen abzuholen Wiederholt von Scherhorn gemeldetes schlechtes Wetter und Treibstoffmangel bei der Luftwaffe verzogerten aber die Mission Auch ging zwischenzeitlich Pommern verloren und die Operationsbasis des Unternehmens Freischutz musste nach Grossenbrode in Holstein verlegt werden Trotzdem wurde die Versorgung mit Material Munition und Medikamenten per Fallschirm bis zum 16 Februar 1945 fortgesetzt Ein letzter Rettungsversuch erfolgte um den 20 April 1945 Zwei auf unebene Landebahnen spezialisierte Transportmaschinen vom Typ Arado Ar 232 starteten vom Flugplatz Grossenbrode Jedoch erreichte keine der beiden ihr Ziel die erste Maschine wurde durch einen technischen Defekt und die zweite durch schlechtes Wetter zur Umkehr gezwungen 4 6 7 Nachbetrachtung BearbeitenNach derzeitiger Quellenlage handelte es sich bei der Kampfgruppe Scherhorn um eine vom NKWD vorgetauschte Geisterarmee Unter Beteiligung von deutschstammigen und sprachigen Russen Uberlaufern und Antifaschisten verfolgte die Aktion erfolgreich das Ziel in der Schlussphase des Krieges wertvolle deutsche Kapazitaten zu binden und so dem eigentlichen Kriegsgeschehen zu entziehen Dank der Fehleinschatzung des SD mit seinen Vertretern Gehlen und Skorzeny wurden durch das Funkspiel kontinuierlich Lebensmittel und Ausrustung absorbiert ebenso die ohnehin knappen Ressourcen des Kampfgeschwaders 200 Mindestens 39 Fluge sind belegt und in den knapp zehn Monaten in denen die Tauschung aufrechterhalten werden konnte entsandten die Deutschen 22 Kommandos mit mindestens 13 Funkgeraten 3 Die Rolle Scherhorns Bearbeiten Nachdem die Front 1944 im Zuge der Operation Bagration zusammengebrochen und Scherhorn verletzt in Kriegsgefangenschaft gekommen war sass er zuerst im Moskauer Lubjanka Gefangnis ein Er wurde vom dortigen Geheimdienst angehalten Erfahrungsberichte uber die Partisanenbekampfung in den besetzten Ostgebieten zu schreiben Irgendwann im Herbst 1944 wurde er dann per PKW in einer mehrtagigen Fahrt nach Westen verlegt Nach Ankunft in einem kleinen Ort namens Sloboda in der Nahe von Baryssau wurde er nach eigener Schilderung in eine Hutte gefuhrt Es erwarteten ihn Offiziere der sowjetischen Geheimpolizei GPU zusammen mit Antifa Leuten in deutschen Uniformen und ihm wurde von seinen Wachtern ein junger SS Offizier in russischer Uniform vorgestellt bei dem es sich um einen der deutschen Funker handelte die Skorzeny zu den Ruckkampfern der Kampfgruppe Scherhorn geschickt hatte um Kontakt aufzunehmen Nach der Operation verblieb Scherhorn noch bis zum Sommer 1949 in Gefangenschaft in einem Lager bei Moskau und kehrte anschliessend in eine burgerliche Existenz in Niedersachsen zuruck 4 Trivia BearbeitenDie Geschichte wurde 1966 in der DDR fur einen Fernsehdreiteiler frei adaptiert Der Titel der kurzen Serie lautete Geheimkommando Bumerang in den Hauptrollen spielten Alfred Muller und Horst Weinheimer Literatur und Einzelnachweise Bearbeiten Pavel Sudoplatov Anatolii Pavlovich Sudoplatov Jerrold L Schecter Leona P Schecter Special Tasks The Memoirs of an Unwanted Witness A Soviet Spymaster Warner 1995 ISBN 978 0 7515 1240 3 S 173 182 englisch Hermann Zolling Heinz Hohne Pullach intern Teil 2 Spiegel 13 71 22 Marz 1971 abgerufen am 20 April 2020 a b Wladimir Schmorgun Krasny Sokol Golos Moskau 2005 ISBN 5 7117 0081 2 S 208 255 russisch lib ru abgerufen am 24 April 2020 a b c Erik Verg Skorzenys Geisterarmee Zeit Magazin 19 Juni 1952 abgerufen am 20 April 2020 Peter Wilhelm Stahl Manfred Jager Geheimgeschwader KG 200 die Wahrheit nach uber 30 Jahren 4 Auflage Motorbuchverlag 1984 ISBN 978 3 613 01034 5 S 139 ff a b Gunther W Gellermann Moskau ruft Heeresgruppe Mitte Was nicht im Wehrmachtbericht stand Die Einsatze des geheimen Kampfgeschwaders 200 im Zweiten Weltkrieg 1 Auflage Bernard amp Graefe 1988 ISBN 978 3 7637 5856 2 S 135 138 und 141 Otto Skorzeny Meine Kommandounternehmen Krieg ohne Fronten 5 Auflage Universitas Munchen 1993 ISBN 978 3 938392 11 9 S 362 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Operation Beresino amp oldid 218942859