www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel befasst sich mit der Substanz Mumia Fur die Person Mumia Abu Jamal siehe dort Mumia lateinisch auch Pulvis mumiae Mumiya Mumienpulver ist eine bis in die 1920er Jahre hinein als Heilmittel verwendete Substanz Sie bestand aus zermahlenen agyptischen Mumien Die Substanz oftmals bestehend aus mumifizierten Leichenteilen Balsamierungsstoffen und einem Gemisch aus Pech und Asphalt 2 war auch unter der Bezeichnung Mumia vera aegyptiaca im Handel und wurde auch von bekannten pharmazeutischen Unternehmen vertrieben Daneben fand sie auch als farbschones Braun Pigment Mumienbraun Verwendung Die Verwendung von Mumia wird heute aus ethischen Grunden nicht mehr akzeptiert Mumia darf nicht verwechselt werden mit Mumijo einem althergebrachten asphalthaltigen Naturprodukt das in der zentralasiatischen Volksmedizin als Heil und Starkungsmittel verwendet wird Apothekendose aus dem 18 Jahrhundert mit Aufschrift MUMIA 1 Laut Zekert 3 war die Verwendung des Wortes Mumia uneinheitlich Mischung von Einbalsamierungsstoffen aus den altagyptischen Mumien Pulver aus den ganzen Mumien Gemisch von Asphalt und Pech Leichenteile von GehangtenInhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Heilkunde und Zauberei 3 Paracelsische Tradition 4 Malerei 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Naturliches Bitumen vom Toten MeerMumien wurden durch Grabraub in Agypten und angrenzenden Landstrichen schon immer aus ihren Aufbewahrungsstatten entfernt Neben den Konigsgrabern also Grabern hochgestellter Personen mit reichen Grabbeigaben wurden auch riesige Mengen an schlichten Bestattungen gefunden Daneben fanden sich auch zahlreiche Mumien von den Agyptern heiligen Tieren wie Falken oder Katzen Seit wann diese als Substanz verwendet wurden ist unbekannt Mumia soll vor zweitausend Jahren das erste Mal verwendet worden sein Man nimmt heute an dass sie ab dem 12 Jahrhundert nach Europa importiert wurde 4 Zunachst war Mumia lediglich die arabische Bezeichnung fur Erdpech Asphalt und Bitumen abgeleitet vom persisch arabischen mum bzw mom fur Wachs das bereits seit der Antike als kostbares Heilmittel verwendet wurde Aufgrund der Ahnlichkeit der in antiken agyptischen Mumien vorgefundenen verharzten Balsamierungsprodukte mit diesen Erdpechen wurde deren Name Mumia oder Mumie auf die mumifizierten Korper ubertragen Zunachst wurden nur die harzahnlichen Balsamierungsprodukte aus den Mumien als Heilmittel gewonnen Mit der Ubertragung des Namens Mumia auf die mumifizierten Korper ging vermutlich auch die Vorstellung der heilenden Wirkung von den Erdpechen beziehungsweise der in den Mumien vorgefundenen Konservierungsprodukte auf die konservierten Korper selbst uber 5 Im 16 Jahrhundert verboten die Araber den Mumienhandel mit Europa Sie wollten so verhindern dass die Europaer ihre Vorfahren essen damals hatte in Europa fast jede Apotheke ihre Mumie Viele Mumienhandler haben darauf Gehangte und frisch Gestorbene im Wustensand vergraben und zu antiken Mumien gemacht nbsp Agyptischer Mumienhandler 1875 Felix Bonfils Auch hat die beginnende Archaologie des 18 und 19 Jahrhunderts bestattete Altagypter wieder vermehrt zutage gefordert und den Markt mit deren sterblichen Uberresten versorgt In den Handel kam Mumia vera in Form eines hellen schokoladenfarbenen Pulvers im Preis pro Pfund oder Kilogramm oder ganze Kopfe nach Stuck 4 Noch 1924 wurde Mumia vera aegyptiaca fur 12 Goldmark pro Kilogramm von der Firma Merck in Darmstadt verkauft 6 Zu dieser Zeit wurde Mumia auch in Europa zunehmend verfemt Der Kunstwissenschaftler Kurt Wehlte sicherte sich noch Material aus der Moeves schen Kunstlerfarbenfabrik in Berlin um sie als historisches Dokument in seinem Materialienarchiv heute Hochschule fur Bildende Kunste Dresden aufzubewahren die Restbestande wurden seinerzeit einfach unruhmlich 7 verheizt Er erwahnt ausdrucklich dass es sich um echte Leichenteile handelte Man erkannt daran deutlich dicke Arterien und Rohrenknochen und nur halb verfallene Bandagen 7 distanziert sich aber von der pietatlosen Gewinnsucht 7 diese zu verarbeiten und zu verwenden Proben historischer medizinischer Mumia befinden sich auch im Frankfurter Naturmuseum Senckenberg 6 8 Daneben waren Falschungen aller Art fur Mumia vera weit verbreitet Viele dieser Mumien waren wohl einheimischer Herkunft So schrieb etwa J van Beverwijck bereits 1656 Aber bei uns wird der rechte Balsam Zedernharz sehr selten aus Agypten gebracht denn das meiste an Fleisch und Knochen stammt von armen Leuten deren Leichnam der geringeren Kosten wegen nur balsamiert ist mit Asphalt oder Judenleim 9 Bei seinem Landsmann Petrus Baerdt heisst es 1645 nennen die dasselbe noch Mumia ob es etwas besonderes ware obgleich es ein Arm oder Bein von einem verfaulten oder gehangten Lazarus oder einem anderen pockigen Bordellbock gewesen sein mag Im Grossen Turkenkrieg wurden z B wahrend der Belagerung von Ofen sogenannte Unglaubige die den kaiserlichen Truppen oder ihren Alliierten in die Hande fielen massakriert gehautet und ihre gedorrten Korper sackeweise in die Heimat geschickt um als Mumia weiterverarbeitet zu werden 10 Auch zahlreiche Moorleichen fanden ihren Weg in die Apotheken wie die 1791 entdeckte Moorleiche von Kibbelgaarn oder das Skelett der 1895 entdeckten Moorleiche von Obenaltendorf aus Niedersachsen Die Mumienforschung wird seitens arabischer und afrikanischer Archaologen heute sehr kritisch beurteilt Es herrscht Unklarheit wie und in welchem Umfang die religiosen Vorstellungen der alten Agypter die zum Mumienkult gefuhrt haben beurteilt und berucksichtigt werden sollen 11 Die Verwendung der Leichenteile aber kann als Grabschandung bezeichnet werden der Verzehr ist eine Form des Kannibalismus Heilkunde und Zauberei Bearbeiten nbsp Holzerne Apothekendose mit Aufschrift MUMIAE 12 Die angebliche Heilwirkung wurde auf bei der Mumifizierung verwendeten Teer zuruckgefuhrt Diesen Teer bezeichnete man als mumiya und man sagte ihm magische und heilende Krafte nach Man versuchte das seltene Mumiya aus Mumien zu gewinnen Es sollte gegen so gut wie jede Krankheit helfen und wurde auch als ein Aphrodisiakum gepriesen Man schluckte es rieb es auf die Haut oder tat es direkt auf die Wunde In welchem Ausmass bei der Mumifizierung uberhaupt Teer zur Verwendung kam steht allerdings heute in Frage Nachgewiesen wurde Bitumen in jungster Zeit eindeutig Aber auch andere organische Substanzen wie Gummiharze und Harze konnten teerahnliche Formen angenommen haben 4 Der Frankfurter Arzt Joachim Struppe gibt 1574 in einem Traktat uber den Gebrauch von Mumia 21 Anwendungsbereiche und Krankheiten darunter Husten Halsweh Schwindel Gichtbruchigkeit Herzweh Zittern Nierensucht und Kopfschmerzen 6 Uber die Verwendung von angeblichen oder echten agyptischen Mumien als Heilmittel war in der Oeconomischen Encyclopadie von Johann Georg Krunitz im 18 Jahrhundert zu lesen Man ruhmt sie sehr das geronnene Geblut und die Geschwulst zu zertheilen und sie soll nicht bloss vermoge ihrer bituminosen und balsamischen Theile sondern auch vermoge des fluchtigen Salzes wirken Die Tinctur welche daraus gemacht wird besitzt die balsamischen Eigenschaften der Mumie man gibt sie von 12 bis 24 Tropfen Beim Einkauf mussen die Droguisten und Apotheker darauf sehen dass sie grosse Stucke die Fleisch haben und keine blosse Knochen sind bekommen und die wenn man etwas davon auf Kohlen wirft zwar stark aber nicht nach Pech riechen Je schoner und balsamischer der Geruch ist desto hoher schatzt man die Waare 13 In Russland wurde die Anwendung von Mumia durch den Schriftsteller Leo Tolstoi als wachstumsforderndes Remedium propagiert In der traditionellen chinesischen Medizin wird eine aus in Honig mumifizierten Leichen hergestellte Arznei als Behandlung fur Knochenbruche beschrieben Allerdings ist unklar ob eine solche Arznei jemals hergestellt wurde 14 In der historischen europaischen Medizin waren auch weitere menschliche Arzneistoffe wie Menschenfett axungia hominis oder Cranium humanum menschlicher Schadel uber viele Jahrhunderte in Gebrauch Paracelsische Tradition BearbeitenIm 17 Jahrhundert wird unter Mumie in der magisch medizinischen Tradition des Paracelsus auch ein uberaus feiner subtiler geistiger Teil der einem jeden Menschen angeboren verstanden welcher in seinen Korperteilen Blut Gewebe und Ausscheidungen prasent ist und sogar eine Zeitlang uber den Tod hinaus verbleibt Mittels dieser Mumie sollten sich durch Transplantation Ubertragung auf andere Lebewesen im Sinne eines animalischen Magnetismus Wunderdinge verrichten lassen sogenannte magnetische Kuren etwa in einer Waffensalbe 15 Malerei BearbeitenMumie auch Mumienbraun ist ein bestechend schones 7 tiefbraunes Pigment Als Kunstlerfarbe wird es durchgehend seit der Mitte des 16 Jahrhunderts verwendet 4 Es wurde insbesondere in der Olmalerei geschatzt wo es haufig in der seinerzeit verbreiteten altmeisterlichen Technik der Braununtermalung eingesetzt wurde in der es von lasierend bis deckend verwendbar war Daneben war es auch fur Schattierung beliebt Neuere Forschungsergebnisse haben gezeigt dass der farbende Bestandteil von agyptischen Mumien Bitumen war 16 Gegen Ende des 19 Jh kommt auch Extraktion mit Ammoniak organischen Losungsmitteln oder atherischen Olen in Gebrauch um eine Substanz zu gewinnen die in der Literatur unter der Bezeichnung Mumiin gefuhrt wird 4 Literatur BearbeitenDie agyptische Mumie ein Phanomen der Kulturgeschichte die agyptischen Mumien und die Mumifizierung als spezifisches Phanomen der altagyptischen Kultur sowie deren Rezeption als ein Phanomen der europaischen Kultur eine Fallstudie zum Bild vom Alten Agypten Beitrage eines Workshops am Seminar fur Sudanarchaologie und Agyptologie der Humboldt Universitat zu Berlin lt 25 und 26 April 1998 gt In Martin Fitzenreiter Christian E Loeben Hrsg Internet Beitrage zur Agyptologie und Sudanarchaologie IBAES Band 1 Humboldt Universitat zu Berlin Seminar fur Sudanarchaologie und Agyptologie Berlin 1998 hu berlin de PDF 1 5 MB abgerufen am 21 September 2016 Benno R Meyer Hicken Uber die Herkunft der Mumia genannten Substanzen und ihre Anwendung als Heilmittel Dissertation Fachbereich Medizin Universitat Kiel 1978 Eintrag Mumie In Kurt Wehlte Werkstoffe und Techniken der Malerei 4 Auflage Maier Ravensburg 1990 ISBN 3 473 48359 1 Kapitel 1 48 Lexikalisches Verzeichnis von Pigmenten Abschnitt 4 Braune Pigmente S 133 Alfred Wiedemann Mumie als Heilmittel In Zeitschrift des Vereins fur rheinische und westfalische Volkskunde Jahrgang 3 1906 S 1 38 online hier Catarina I Bothe Asphalt In Barbara H Berrie Hrsg Artists Pigments A Handbook of Their History and Characteristics Band 4 Archetype Washington London 2007 S 111 149 Catarina I Bothe Mumienbraun Sie war noch nicht 2100 Jahre alt und gab ein sehr schones Braun in Stefan Muntwyler Juraj Lipscher Hanspeter Schneider Hrsg Das Farbenbuch 367 Pigmente und Farbstoffe 17 Pigmentanalysen von Gemalden 19 Farbgeschichten 2 Auflage alataverlag Elsau 2023 ISBN 978 3 033 08879 5 S 414 421 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Mumia Sammlung von Bildern Arzneidroge Mumia Universitatsbibliothek Wien Einzelnachweise Bearbeiten Aus dem Bestand des Deutschen Apothekenmuseums Heidelberg Gundolf Keil Die Cirurgia Peters von Ulm Untersuchungen zu einem Denkmal altdeutscher Fachprosa mit kritischer Ausgabe des Textes Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm Band 2 Stadtarchiv Ulm 1961 zugleich Philosophische Dissertation Universitat Heidelberg 1960 S 426 Otto Zekert Hrsg Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570 Hrsg vom osterreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft fur Geschichte der Pharmazie Deutscher Apotheker Verlag Hans Hosel Berlin 1938 S 148 a b c d e Catarina I Bothe Der grosste Kehricht aller Farben Uber Asphalt und seine Verwendung in der Malerei von Zabern Mainz 2000 1999 ISBN 3 8053 2585 1 Zitiert nach Kremer Pigmente Mumie Memento vom 12 Januar 2005 imInternet Archive Auf kremer pigmente com zuletzt abgerufen am 17 Juli 2014 Elfriede Grabner Menschenfett und Mumie als heilkraftige Drogen In Osterreichische Arztekammer Hrsg Osterreichische Arztezeitung 11 Oktober 1982 ISSN 0029 8786 S 1006 a b c Beatrix Gessler Lohr Mumia vera aegyptiaca im Abendland In Weg zur Unsterblichkeit Mumien und Mumifizierung im Alten Agypten Naturmuseum Senckenberg Ausstellung Band 4 Nr 8 Loseblattmappe Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft Frankfurt a M 1995 a b c d Zitat wortlich in K Wehlte Werkstoffe und Techniken der Malerei Ravensburg 1990 M Fitzenreiter C E Loeben Hrsg Die agyptische Mumie ein Phanomen der Kulturgeschichte Berlin 1998 Kapitel III Rezeption und Umfeld S 109f leicht verandert wiedergegebener Beitrag PDF Datei abgerufen am 17 Juni 2014 Zum Terminus vgl Asphalt Antike Ludwig Huttl Max Emanuel Der Blaue Kurfurst 1679 1726 Eine politische Biographie 3 Auflage Suddeutscher Verlag Munchen 1976 ISBN 3 7991 5863 4 S 153 Fitzenreiter Tod und Tabu Der Tote und die Leiche im kulturellen Kontext Altagyptens und Europas In Fitzenreiter Loeben Hrsg Die agyptische Mumie 1998 Kapitel I Einleitung S 9 18 Aus dem Bestand des Museum fur Hamburgische Geschichte Hamburg Eintrag Mumie die In J G Krunitz Hrsg Oekonomische Encyklopadie Band 96 Mumie bis Mummer Pauli Berlin S 662 kruenitz1 uni trier de abgerufen am 21 September 2016 Editionszeit der Enzyklopadie 1773 1858 Mary Roach Stiff The Curious Lives of Human Cadavers Paw Prints 2008 ISBN 978 1 4352 8742 6 google com abgerufen am 9 Oktober 2010 Mumie uberaus feiner subtiler geistiger Theil der einem ieden Menschen angebohren In Johann Heinrich Zedler Grosses vollstandiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste Band 22 Leipzig 1739 Sp 745 Catarina I Bothe Asphalt In Barbara H Berrie Hrsg Artists Pigments A Handbook of Their History and Characteristics Band 4 Washington London 2007 S 111 149 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mumia amp oldid 236536855