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Unter Ministererlaubnis versteht man im deutschen Wettbewerbsrecht die Entscheidung des Bundesministers fur Wirtschaft und Klimaschutz BMWK einen vom Bundeskartellamt untersagten Unternehmenszusammenschluss dennoch zu erlauben Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Grundlage der Ministererlaubnis 2 1 Formelle Voraussetzungen 2 2 Materielle Voraussetzungen 3 Geschichte 4 Rechtsfolgen 5 Kritik 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenUnternehmenszusammenschlusse sind nach den 35 ff GWB durch das Bundeskartellamt dann zu untersagen wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstarkt wird Eine Untersagung ist nach 36 Abs 1 Halbsatz 2 GWB nur dann nicht moglich wenn durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese die Nachteile der Marktbeherrschung uberwiegen Das Gesetz geht allgemein davon aus dass sich durch Marktbeherrschung eine Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen ergibt so dass die Ausnahmeregelung des 36 Abs 1 Halbsatz 2 GWB eine andere Entscheidung des Bundeskartellamts ermoglicht Liegt eine Wettbewerbsbeschrankung vor und der Nachweis einer uberwiegenden Wettbewerbsverbesserung kann nicht gefuhrt werden ist ein Zusammenschluss zu untersagen 1 Damit hat der Gesetzgeber dem Bundeskartellamt klare wettbewerbsrechtliche Vorgaben erteilt an die es bei seinen verwaltungsrechtlichen Entscheidungen gebunden ist Grundlage der Ministererlaubnis BearbeitenDie Ministererlaubnis greift als Ausnahmevorschrift in diesen rein wettbewerbsrechtlichen Entscheidungsprozess des Bundeskartellamts ein indem sie Kriterien heranzieht die ausserhalb des Wettbewerbsrechts angesiedelt sind Eine Ministererlaubnis setzt sich uber die kartellrechtliche Entscheidung des Bundeskartellamts hinweg und muss auf den Kriterien beruhen die in 42 Abs 1 GWB abschliessend aufgezahlt sind Danach kann der Bundesminister fur Wirtschaft und Energie auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Unternehmenszusammenschluss erteilen wenn gesamtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses die Wettbewerbsbeschrankung aufwiegen oder ein uberragendes Interesse der Allgemeinheit den Zusammenschluss rechtfertigt Einschrankend verlangt das Gesetz dass die ministerielle Erlaubnis nur erteilt werden darf wenn durch das Ausmass der Wettbewerbsbeschrankung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefahrdet wird Die beiden genannten Voraussetzungen beinhalten unbestimmte Rechtsbegriffe wie gesamtwirtschaftliche Vorteile und Interesse der Allgemeinheit deren Inhalt durch Auslegung zu ermitteln ist Beide Rechtsbegriffe betreffen das Gemeinwohl das ausserhalb des Wettbewerbsrechts liegt Die beiden Rechtsbegriffe setzen in jedem Fall voraus dass der Zusammenschluss nicht nur den beteiligten Unternehmen nutzt sondern dass ein allgemeiner staats wirtschafts oder gesellschaftspolitischer Rechtfertigungsgrund fur den Zusammenschluss vorliegt 2 Die Erlaubnis darf nur erteilt werden wenn die anderweitigen staats wirtschafts oder gesellschaftspolitischen Grunde im Einzelfall grosses Gewicht haben konkret nachgewiesen sind und wenn wettbewerbskonforme Abhilfemassnahmen des Staates nicht moglich sind 3 Die Interessen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen sind im Zusammenhang mit den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses nur erheblich wenn und soweit sie mit dem offentlichen Interesse an der ausnahmsweisen Zulassung von Marktbeherrschung durch Zusammenschluss ubereinstimmen 4 Damit will diese Bestimmung anerkennen dass es aufgrund einer besonderen Entscheidungssituation oder einer besonderen Sachlage angezeigt sein kann Ausnahmen zuzulassen Der Minister ist an die Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamts gebunden und darf nur durch Abwagung dessen Entscheidung mit den von ihm festgestellten Tatbestandsmerkmalen des 42 Abs 1 GWB gewichten 5 Formelle Voraussetzungen Bearbeiten Das Bundeskartellamt muss durch schriftliche Verfugung eine Untersagung ausgesprochen haben und mindestens ein an dem geplanten Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen muss innerhalb eines Monats nach Zustellung einen Antrag auf Ministererlaubnis stellen Im Ministererlaubnisverfahren gilt das BMWi wie das Bundeskartellamt als Kartellbehorde Das Verfahren der Ministererlaubnis richtet sich daher nach dem Verfahrensrecht der 54 ff GWB Materielle Voraussetzungen Bearbeiten Materielle Voraussetzung ist ein offentliches Interesse an dem untersagten Zusammenschluss Neben den beiden alternativen Voraussetzungen des GWB ist auch die Wettbewerbsfahigkeit der beteiligten Unternehmen auf Markten ausserhalb Deutschlands zu berucksichtigen 42 Abs 1 Satz 2 GWB Die Erlaubnis kann nach 42 Abs 2 GWB mit Bedingungen und Auflagen versehen werden Das Verfahren der Ministererlaubnis beginnt mit einem Gutachten der Monopolkommission 42 Abs 4 GWB an deren Feststellungen der Minister jedoch nicht gebunden ist Geschichte BearbeitenDas GWB sah bei seinem Inkrafttreten im Januar 1958 keine Ministererlaubnis vor Sie wurde erst im August 1973 zusammen mit Vorschriften uber die Fusionskontrolle in das geanderte GWB eingefugt Die Ministererlaubnis sollte die Kritiker der Fusionskontrolle beruhigen und als Korrektiv fur die noch nicht absehbaren Auswirkungen der Kontrollvorschriften dienen 6 Bereits im Januar 1974 gab es die erste Ministerentscheidung im Falle VEBA Gelsenberg die erteilt wurde Im Juni 1975 lehnte das Ministerium im Falle VAW Kaiser Preussag den gestellten Antrag ab Im Dezember 1981 erteilte es die Genehmigung zur Fusion von IBH Holding und Wibau im September 1989 wurde die Fusion Daimler Benz MBB ERNO mit Auflagen genehmigt der Zusammenschluss zwischen Kali und Salz AG und der Potash Corporation of Saskatchewan wurde hingegen im Juli 1997 abgelehnt E ON Ruhrgas AG wurde im September 2002 mit Auflagen genehmigt Umstritten war auch der Fall Edeka Kaiser s Tengelmann deren Fusion im Marz 2016 gegen Auflagen genehmigt wurde In diesem Fall setzte das Oberlandesgericht Dusseldorf in einer Eilentscheidung die von Sigmar Gabriel erteilte Ministererlaubnis fur die Ubernahme von Kaiser s Tengelmann durch Edeka am 12 Juli 2016 zunachst ausser Kraft indem es feststellte Die Erlaubnis erweise sich schon nach einer vorlaufigen Prufung im Eilverfahren als rechtswidrig 7 Insgesamt gab es 23 Antrage auf Ministererlaubnis Stand 5 Dezember 2021 von denen 10 erteilt wurden 8 Rechtsfolgen BearbeitenErteilt der Minister eine Erlaubnis so stellt diese einen Verwaltungsakt dar der nach 63 Abs 1 GWB als Verfugung einer Kartellbehorde durch den Rechtsbehelf der Beschwerde angegriffen werden kann Wie sich aus einem Umkehrschluss aus 64 Abs 1 GWB ergibt hat die Beschwerde keinen Suspensiveffekt Daher kann die Beschwerde mit dem Eilantrag nach 65 Abs 3 GWB verbunden werden die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ganz oder teilweise anzuordnen Die Ministererlaubnis ist kein Akt politischen Ermessens sondern bei einem weiten Beurteilungsspielraum in der Feststellung der Gemeinwohlvorteile ein rechtlich gebundener Verwaltungsakt 9 Eine Ministererlaubnis darf erteilt werden wenn der betreffende Zusammenschluss zur Erreichung der Gemeinwohlbelange erforderlich ist daran fehlt es wenn ein geeigneter alternativer Erwerber zur Verfugung steht bei dem aller Voraussicht nach weniger gravierende Wettbewerbsnachteile zu erwarten sind 10 Nach 63 Abs 4 GWB ist fur die Beschwerde und den Eilantrag das fur den Sitz des Bundeskartellamts zustandige Oberlandesgericht zustandig Da das Bundeskartellamt in Bonn sitzt und das Land Nordrhein Westfalen durch Verordnung die Zustandigkeit fur Kartellsachen der Oberlandesgerichte dem Oberlandesgericht Dusseldorf zugewiesen hat 11 ist dieses Gericht zustandig Das Gericht pruft nicht nur die Rechtmassigkeit sondern auch etwaige Ermessensfehler dieser ministeriellen Ermessensentscheidung Hingegen ist nach 71 Abs 5 Satz 2 GWB die Wurdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der gerichtlichen Nachprufung entzogen Gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts zu Beschwerde und Eilantrag ist entweder die Rechtsbeschwerde nach 74 Abs 1 GWB oder die Nichtzulassungsbeschwerde nach 75 Abs 1 GWB zum Bundesgerichtshof moglich Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden gegen die Ministererlaubnis wurde durch das OLG Dusseldorf im Falle Edeka Tengelmann am 12 Juli 2016 angeordnet weil es u a die Besorgnis der Befangenheit bei Minister Sigmar Gabriel sah da er aus Sicht des OLG wahrend der entscheidenden Phase des Verfahrens Hintergrundgesprache gefuhrt haben soll deren Inhalt weder aktenkundig gemacht noch im Beschwerdeverfahren offengelegt worden sind 12 Kritik BearbeitenDie Ministererlaubnis soll Zielkonflikten zwischen reinem Wettbewerbsschutz und ubergeordneten politischen Zielen entgegenwirken Sie sei jedoch eine sehr vage Generalklausel die den Grundsatzen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit widerspreche Sie gelte als Wirtschaftslenkung und eine Auspragung des staatlichen Dirigismus ein Mittel der Mikro Steuerung wirtschaftlicher Vorgange 13 Kritiker sahen auch die Autoritat des Bundeskartellamts untergraben weil betroffene Unternehmen darauf hoffen konnten die Genehmigung durch den Minister dennoch zu erlangen 14 Die Ministererlaubnis setzt sich uber behordliche Entscheidungen die aufgrund kartellrechtlicher Wertungen getroffen wurden durch diffuse Gemeinwohlargumente hinweg Bei den bisherigen Ministererlaubnissen ist namlich nicht zwischen beiden Rechtsbegriffen differenziert worden sondern sie haben nur den Gemeinwohlvorteil gepruft Gegenstimmen halten die Ministererlaubnis fur ein industriepolitisches Korrektiv durch das ubergeordnete volkswirtschaftliche Aspekte berucksichtigt werden die bei rein wettbewerblicher Sichtweise nicht hinreichend zum Ausdruck kommen Literatur BearbeitenRupprecht Podszun Die Ministererlaubnis Einbruch der Politik ins Recht der Wirtschaft NJW 2016 S 617 Weblinks BearbeitenFAZ net 20 August 2016 Kerstin Schwenn Finger weg von der Ministererlaubnis Kommentar Einzelnachweise Bearbeiten Friederike Mattes Die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle 2004 S 19 BT Drs 6 2520 vom 18 August 1971 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrankungen vom 18 August 1971 S 31 BT Drs 6 2520 vom 18 August 1971 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrankungen vom 18 August 1971 S 31 Ernst Joachim Mestmacker Winfried Veelken in Ulrich Immenga Ernst Joachim Mestmacker Kommentar GWB 3 Aufl 2001 42 Rdnr 26 Friederike Mattes Die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle 2004 S 20 Friederike Mattes Die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle 2004 S 53 Nr 25 2016 Ubernahme von Kaiser s Tengelmann durch EDEKA Ministererlaubnis gestoppt Memento des Originals vom 28 August 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www olg duesseldorf nrw de olg duesseldorf nrw de 12 Juli 2016 abgerufen am 12 Juli 2016 In 4 Fallen wurde die Erlaubnis mit Auflagen erteilt in 1 Fall wurde eine Teilerlaubnis mit Auflage erteilt 2 Falle wurden mit positiver Stellungnahme der Monopolkommission genehmigt 2 weitere Falle wurde entgegen der Stellungnahme der Monopolkommission genehmigt 6 Falle wurden untersagt und 7 Falle wurden zuruckgenommen OLG Dusseldorf Beschluss vom 25 Juli 2002 Az VI Kart 25 02 V OLG Dusseldorf Beschluss vom 12 Juli 2016 Az VI Kart 3 16 V Memento des Originals vom 17 September 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www olg duesseldorf nrw de S 16 Website OLG Dusseldorf Abgerufen am 24 August 2016 Verordnung uber die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte und uber die gerichtliche Zustandigkeit in burgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz Vom 30 August 2011 Gesetz und Verordnungsblatt GV NRW Ausgabe 2011 Nr 21 vom 23 September 2011 Gericht stoppt Ministererlaubnis fur Tengelmann Ubernahme durch Edeka In sueddeutsche de 12 Juli 2016 abgerufen am 12 Juli 2016 englisch Nach Auffassung der Richter des 1 Kartellsenats hatte Gabriel uber die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden durfen Als Grund nannte das Oberlandesgericht unter anderem eine mogliche Befangenheit Gabriels Er habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens geheime Gesprache gefuhrt OLG Dusseldorf Beschluss vom 12 Juli 2016 Az VI Kart 3 16 V S 18 Norbert Reich Fusionskontrolle und Fusionserlaubnis ZRP 1971 S 236 f Jochen Fatschek Die Berucksichtigung ausserwettbewerblicher Gesichtspunkte bei der Anwendung der Zusammenschlusskontrolle 1977 S 138 f Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ministererlaubnis amp oldid 230451742