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Der Marburg Central Collecting Point auch Marburg Central Art Collecting Point war die erste Kunstsammelstelle der Nachkriegszeit in Deutschland Diese richtete die US Militarregierung in der Universitatsstadt Marburg ein um die vor und wahrend des Zweiten Weltkrieges aus Museen Bibliotheken Archiven Schlossern usw geraubten oder evakuierten Kunstguter zusammenzutragen und den rechtmassigen Eigentumern zuruckzugeben Die Sammelstelle existierte zwischen Mai 1945 und Mitte August 1946 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Die Marburger Sammelstelle 2 1 Involvierte Institutionen und Tatigkeiten 2 2 Nach Marburg verbrachte Objekte und Restitutionsbestrebungen 2 3 Auflosung der Marburger Sammelstelle 3 Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen 4 Trivia 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorgeschichte Bearbeiten nbsp Mundloch des Hainer Stollens in Siegen1943 richtete die amerikanische Regierung die American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas ein Diese inoffiziell nach ihrem Vorsitzenden Owen Roberts Roberts Commission genannte Kommission liess Listen der schutzenswerten Bauwerke in Europa erstellen die unmittelbar nach dem Abzug der Militareinheiten vor weiteren Schaden gesichert werden sollten Fur die praktische Umsetzung grundete man eine militarische Spezialeinheit namens Monuments Fine Arts and Archives Section kurz MFA amp A deren Kunstschutzoffiziere aufgrund ihrer Tatigkeit informell als Monuments Men bezeichnet wurden Daruber hinaus sollte die Einheit die Kulturguter die vor allem durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg aus den besetzten Landern geraubt worden waren zusammentragen und ihren ursprunglichen Besitzern wieder aushandigen nbsp Walker Hancock in den 1960er JahrenIm Herbst 1944 erreichten die ersten der sich langsam von Frankreich nach Osten verschiebenden alliierten Frontlinie folgenden Offiziere deutschen Boden George Leslie Stout 1 und Walker Hancock erhielten bei ihrem Aufenthalt im kriegszerstorten Aachen Kenntnis von einem grossen Kunstgutlager in einem ehemaligen Eisenerzbergwerk bei Siegen Bei ihrer anschliessenden Besichtigung des Hainer Stollens Anfang April 1945 entdeckten die beiden Offiziere in einem separaten und bewachten Raum fast 600 Gemalde hunderte Plastiken und weitere Objekte die durch die vorherrschende hohe Luftfeuchtigkeit schon durch Schimmel angegriffen waren Zur Sicherung der Kunstwerke beschlossen Stout und Hancock diese so schnell wie moglich zu evakuieren Weil ihnen dies jedoch infolge des noch anhaltenden Kriegszustandes nicht sofort moglich war setzten sie ihre Inspektionsreise fort Nach einer Zwischenstation in Marburg trennten sich ihre Wege Wahrend Stout nach Suden weiterfuhr wandte sich Hancock nach Osten und entdeckte am 29 April 1945 in einem Kalibergwerk in Bernterode neben Kunstwerken die preussischen Kronjuwelen die Militarstandartensammlung sowie die Sarkophage Friedrichs des Grossen Friedrich Wilhelms I des ehemaligen Reichsprasidenten Paul von Hindenburg und seiner Frau Gertrud Um den Bestand nicht als politische Trophae in die Hande der Sowjetunion fallen zu lassen in deren Besatzungszone sich das Bergwerk befand ordnete die amerikanische Militarregierung die sofortige Evakuierung an Die Marburger Sammelstelle Bearbeiten nbsp Haupteingang des Staatsarchivs am FriedrichsplatzAm 9 Mai 1945 kamen die ersten Objekte aus dem Depot Bernterode in Marburg an und der Central Collecting Point nahm seine offizielle Tatigkeit auf Ausschlaggebend fur die Wahl der mittelhessischen Universitatsstadt waren mehrere Faktoren So lag Marburg in der Amerikanischen Besatzungszone verhaltnismassig nah an weiteren mittlerweile bekannten Depots im mitteldeutschen Raum und wies nur geringe Kriegsschaden auf Schon im April 1945 hatte Hancock zudem auf seiner Inspektionstour durch Hessen und Thuringen in der Stadt drei fur diese Zwecke geeignete Gebaude registriert Den Jubilaumsbau der Universitat der bis heute Sitz des Universitatsmuseums und der kulturwissenschaftlichen Institute samt ihrer Sammlungen ist das Marburger Schloss sowie das erst 1938 eingeweihte Staatsarchiv Dort richtete Hancock nach seiner Ruckkehr unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation sein Buro ein nachdem er das von einer amerikanischen Militareinheit okkupierte Bauwerk hatte raumen und Off Limits stellen lassen Involvierte Institutionen und Tatigkeiten Bearbeiten nbsp Reprasentativer Eingang des Kunstgebaudes der Philipps Universitat Marburg ehemals Jubilaumsbau genannt an der BiegenstrasseMit Hilfe der noch verbliebenen Angestellten des Staatsarchivs sowie sechs vom Arbeitsamt zugewiesenen Arbeitern magazinierte man die fast taglich eintreffenden Objekte Fur die Inventarisierung der Kunstwerke fragte Hancock bei Richard Hamann nach Unterstutzung an der in Personalunion sowohl Leiter des kunstgeschichtlichen Seminars als auch des Bildarchivs Foto Marburg war und bereitwillig sein Personal zur Verfugung stellte Die Kunstgeschichte wurde beauftragt Karteikarten zu jedem Objekt anzufertigen und diese mit vom Bildarchiv erstellten Fotografien zu versehen Hamann war es auch der sich zusammen mit dem damaligen Oberburgermeister Eugen Siebecke und dem Universitatsrektor Julius Ebbinghaus fur die Ausrichtung einer Ausstellung mit den Collecting Point Objekten bei der Militarregierung aussprach Nach der erteilten Genehmigung offnete am 15 November 1945 im Universitatsmuseum eine erste Ausstellung von 30 Meisterwerken der europaischen Malerei 2 Bis zur Auflosung der Kunstsammelstelle folgten noch weitere im Museum sowie im Staatsarchiv Zur Sicherung der historisch bedeutenden Bauwerke in Hessen und als weitere Unterstutzung fur die Erfassung der Objekte rekrutierte Hancock zudem den Arbeitsstab des ehemaligen Provinzialkonservators Hessens Friedrich Bleibaum Bleibaum hatte wahrend des Zweiten Weltkriegs aktiv die Sicherung von Bauwerken und die Evakuierung wertvoller hessischer Bestande betrieben und blieb weiter im Auftrag der Amerikaner in diesen Bereichen verantwortlich so beispielsweise fur die von ihm selbst in den Bunkern in Bad Wildungen verstauten Kunstwerke Nach Marburg verbrachte Objekte und Restitutionsbestrebungen Bearbeiten Wichtigstes Ziel der Amerikaner im Collecting Point war die Restitution der zusammengetragenen Bestande bei denen sie vorrangig Raubgut vermuteten Deshalb kamen Kunstschutz Vertreter wie der Belgier Raymond Lemaire die Amerikanerin Edith Standen und die Franzosin Rose Valland nach Marburg und sichteten die Kunstwerke auf Verdachtsfalle Doch im Gegensatz zu den Erwartungen uberall in Deutschland auf geraubte Objekte zu stossen traten in Marburg scheinbar nur wenige derartige Objekte zutage Insgesamt circa 200 Werke darunter der Schatz der Kathedrale von Metz gelangten aus verschiedenen Depots nach Marburg und wurden den ursprunglichen Eigentumern zuruckgegeben oder zur weiteren Untersuchung nach Wiesbaden verbracht Angemerkt werden muss hier allerdings dass in Marburg aufgrund Personal und Zeitmangels keine aktive Provenienzrecherche betrieben werden konnte so dass eventuell von Museen oder Privatpersonen wahrend des Nationalsozialismus zu Unrecht erworbene Objekte unentdeckt blieben Der grosste Teil der uber 4000 Kunstobjekte mehr als 14 000 Bucher und 17 500 Regalmeter Aktenmaterial stammte wohl aus deutschen Museen Kirchen Archiven oder Privatsammlungen darunter aus verschiedenen Berliner und rheinlandischen Kollektionen aus dem Essener Museum Folkwang der Kunsthalle Dusseldorf usw Auflosung der Marburger Sammelstelle Bearbeiten nbsp Museum WiesbadenNachdem sich herauskristallisiert hatte dass das Staatsarchiv nicht die notige Kapazitat fur die Lagerung der noch zu erwartenden Lieferungen besass und die Separierung der Objekte an verschiedenen Standorten in Hessen in den Collecting Points in Marburg und Wiesbaden dem Offenbach Archival Depot und dem Depot Bad Wildungen aus Sicherheits und Personalgrunden nicht ratsam schien entschlossen sich die fur Hessen zustandigen MFA amp A Offiziere fur eine Zusammenlegung der Kunstsammelstellen in Wiesbaden Ab dem Fruhjahr 1946 transferierte man daher Objekte aus Marburg in das Museum Wiesbaden in welchem die US Militarregierung unter dem Kunstschutz Offizier Walter Farmer eine weitere Kunstsammelstelle eingerichtet hatte und welches eine grossere Lagerflache bot Parallel verbrachte man diejenigen Objekte nach Dusseldorf und in das Schloss Dyck die die Amerikaner widerrechtlich aus der Britischen Besatzungszone evakuiert hatten dies betraf vor allem die Objekte aus dem Siegener Erzbergwerk Als letzte Massnahme transferierte man die vier Sarkophage aus dem Bernteroder Depot in der geheimen Operation Bodysnatch in die Marburger Elisabethkirche wahrend die Militarstandarten als politische Beute nach Amerika gingen 3 Unmittelbar nach dieser Aktion verkundete Francis Bilodeau 4 der Hancock als Direktor im Dezember 1945 abgelost hatte am 17 August 1946 das Ende des Marburger Collecting Point Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen BearbeitenDie MFA amp A war chronisch personell unterbesetzt In Marburg agierten lediglich Walker Hancock zeitweise unterstutzt durch den New Yorker Restaurator Sheldon Keck 5 sowie sein Nachfolger Francis Bilodeau Hancock war also auf Unterstutzung vor Ort angewiesen weshalb er auf das Personal des Staatsarchivs der Universitat des Landesdenkmalamtes und des Bauamtes zuruckgriff Auch wenn die Kooperationen nur rund 15 Monate bestanden liess die Zusammenarbeit von der Hancock berichtete den Marburg Central Collecting Point methodisch zum Vorbild der in der Folge errichteten Sammelstellen in Munchen und Wiesbaden werden Vertreter der ubrigen Kunstgutlager wie Walter Farmer Leiter des Wiesbadener Collecting Point und Gustav Andre tatig im britischen Zonal Fine Arts Repository reisten in die mittelhessische Universitatsstadt um sich das Procedere in der Sammelstelle anzuschauen und sich uber die gemeinsame Arbeit auszutauschen Trivia BearbeitenIm deutsch amerikanischen Spielfilm Monuments Men Ungewohnliche Helden der 2014 in die Kinos kam wird die Vorgeschichte thematisiert die zur Grundung der Marburger Kunstsammelstelle fuhrte Nach der Besichtigung des Siegener Bergwerks wechselt der Film jedoch den Zuschauer uber das weitere Schicksal der Siegener Kunstwerke im Unklaren lassend abrupt zu den Ereignissen in Bayern die zur Einrichtung des Munchner Collecting Point fuhrten Literatur BearbeitenMarco Rasch Das Marburger Staatsarchiv als Central Collecting Point Mit Beitragen von Tanja Bernsau Susanne Dorler Sonja Fessel Iris Lauterbach und Katrin Marx Jaskulski Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Hessischen Staatsarchiv Schriften des Hessischen Staatsarchivs 39 Marburg 2021 ISBN 978 3 88964 224 0 Marco Rasch Kunstsammelstelle Staatsarchiv Der Marburg Central Collecting Point In Archivnachrichten aus Hessen 17 1 2017 ISSN 1865 2816 S 60 62 Walker Hancock Experiences of a Monuments Officer in Germany In College Art Journal 5 4 Mai 1946 doi 10 2307 773217 S 271 311 Walter I Farmer Die Bewahrer des Erbes Das Schicksal deutscher Kulturguter am Ende des Zweiten Weltkrieges Uberarbeitet und mit einem Vorwort versehen von Klaus Goldmann Mit einer Einleitung von Margaret Farmer Planton Aus dem amerikanischen Englisch ubersetzt von Henning Kunze Schriften zum Kulturguterschutz Berlin 2002 ISBN 3 89949 010 X Weblinks BearbeitenVirtuelle Ausstellung des Hessischen Staatsarchivs Marburg und des Bildarchivs Foto Marburg Carmela Thiele Als der Marburg Central Collecting Point aufgelost wurde Deutschlandfunk Kalenderblatt 17 August 2021 Dr des Marco Rasch Einfuhrung zur Ausstellung Monuments Men in Marburg Das Staatsarchiv Marburg als Central Collecting Point Marburg 21 April 2021 auf YouTubeEinzelnachweise Bearbeiten Kurzbiografie von George Stout auf den Seiten der Monuments Men Foundation abgerufen am 18 August 2021 englisch Digitalisat des Ausstellungskataloges abgerufen am 12 Januar 2015 Martin Sabrow Die Hohenzollern und die Demokratie nach 1918 Teil II in Deutschland Archiv 18 Dezember 2020 abgerufen am 18 August 2021 Die Hohenzollern Sarge verbrachte man 1952 in die Kapelle der Familienburg und 1991 zuruck nach Potsdam wahrend die der Hindenburgs sich noch immer in Marburg befinden Kurzbiografie von Francis Bilodeau auf den Seiten der Monuments Men Foundation abgerufen am 18 August 2021 englisch Kurzbiografie von Sheldon Keck auf den Seiten der Monuments Men Foundation abgerufen am 18 August 2021 englisch Normdaten Korperschaft GND 1135593000 lobid OGND AKS LCCN nb2021007043 VIAF 2714149844947502960009 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marburg Central Collecting Point amp oldid 230392769