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Kunstsoziologie auch Soziologie der Kunste ist eine spezielle Soziologie die die Kunst in ihren sozialen Verflechtungen theoretisch und empirisch erforscht Sie befasst sich zunachst mit dem sozialen Gehalt der Kunstwerke nach Form Inhalt und verwendeter Symbolik der gesellschaftlichen Funktion der Kunste beispielsweise Malerei Literatur Musik Theater Film und der sozialen Stellung von Kunstlern sodann mit der Rezeption durch das Publikum und den sozialokonomischen Bedingungen der Produktion und Distribution durch Galerien Verlage Kinos usw von Kunst Die Kunstsoziologie uberschneidet sich mit anderen speziellen Soziologien wie der Wissenssoziologie und Kultursoziologie und diversen Kulturwissenschaften wie Kunstgeschichte philosophische Asthetik und Literaturgeschichte Die Deutsche Gesellschaft fur Soziologie nahm die Kunst erstmals 1930 auf ihrem 7 Deutschen Soziologentag in ihr Programm auf 1 Inhaltsverzeichnis 1 Historische Kunstsoziologie 2 Kunstlergruppen 3 Organisationen des Kunstsystems 4 Bedeutende Vertreter der Kunstsoziologie 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHistorische Kunstsoziologie BearbeitenRuckblickend bezeichnet man als Kunst was z B in den Gesellschaften der Jager und Sammler in magischen Riten zwecks Beschworung des Jagderfolgs Hohlenmalerei gegen Ende der jungsten Eiszeit Lascaux Altamira eingebunden war oder im Mittelalter als religioser Dienst Altarbild und Ikonenmalerei verstanden wurde Im Laufe der Zeit lost sich das Kunstwerk aus sakralen Zusammenhangen Mit dem Aufbluhen der Adelsherrschaft in der fruhen Neuzeit entstand ein Reprasentationsbedurfnis der Konige und Fursten das von Hofkunstlern Dichtern z B Torquato Tasso Goethe Musikern z B Georg Friedrich Handel Joseph Haydn und bildenden Kunstlern z B Diego Velasquez Cranach befriedigt wurde Diese Kunstler waren bei aller Genialitat gleichwohl Auftragskunstler und teilten mit ihren Herrschern weitgehend deren Geschmackskanon Analog zu den Furstenhofen bestellten auch reiche Stadte besonders in Oberitalien Stadtkunstler Tizian in Venedig Michelangelo in Florenz Johann Sebastian Bach in Leipzig Es hing von der Aufgeklartheit seines Herrn und der eigenen Reputation ab inwieweit der Hofkunstler seine eigene Lebensweise z B ausserhalb des Hofes und seine personlichen kunstlerischen Vorstellungen durchsetzen konnte Der lange Ablosungsprozess der hofisch aristokratischen durch die burgerliche Kultur kulminierte politisch in der Franzosischen Revolution Die Bezuge kunstlerischer Arbeit verschoben sich von den Hofen dem Adel und dem alten Patriziat zu den neuen Klassen des Besitz und Bildungsburgertums 2 Das Heraustreten aus den feudalen und patrizischen Abhangigkeiten gelang den bildenden Kunstlern zuerst in den Niederlanden im 17 Jahrhundert dem Goldenen Zeitalter Michael North Weil ihm eine angemessene Anstellung als Hofmusiker versagt blieb versuchte Mozart als erster bedeutender Komponist durch den Verkauf seines Geschicks als Musiker und seiner Werke auf dem offenen Markt sich Ende des 18 Jahrhunderts als freier Kunstler zu etablieren 3 Spatestens in der Romantik trat der moderne Kunstler auf den Plan der Autonomie und Subjektivitat zur Grundlage seines kreativen Schaffens machte Wolfgang Ruppert und mit seinem Publikum nunmehr uber den im burgerlichen Zeitalter entstehenden anonymen Kunst und Literaturmarkt verbunden war Seither haben die Kunstler ihre Autonomie gegen die zunehmende Kommerzialisierung der Kunst siehe Kulturwirtschaft und gegen ihre Indienstnahme fur die Imagepflege von Wirtschaftsunternehmen Sponsoring verteidigen mussen Die von Frankreich Ende des 19 Jahrhunderts ausgehende l art pour l art Bewegung Charles Baudelaire Stephane Mallarme Paul Verlaine Paul Valery und das im Kreise des Dichters Stefan Georges gefeierte Prinzip einer Kunst fur die Kunst bilden den Extrempol des Autonomieanspruchs der Kunst Als ihr Gegenpol kann die Pop Art angesehen werden deren Vertreter sich bewusst den Phanomenen der Alltagskultur widmeten und durch die Massenmedien popular wurden Nicht wenige Kunstler allen voran Andy Warhol und Jeff Koons passten ihre Produktion den Verwertungsbedurfnissen des Marktes an was wiederum von einigen Kunstkritikern als eine Art subversiver Affirmation der kapitalistischen Konsumgesellschaft interpretiert wird Kunstlergruppen BearbeitenDie Gruppenbildung von Kunstlern z B Nazarener Schule von Barbizon Worpswede Die Brucke George Kreis Gruppe 47 ist ein neuzeitliches Phanomen eine Begleit und Folgeerscheinung der extremen Subjektzentriertheit des modernen Kunstlers Erst nach der professionellen Entbindung von der handwerklichen Normerfullung zur kunstlerischen Selbstbestimmung 4 wird der Kunstler zum Solitar Niklas Luhmann sieht die exklusive Gruppenbildung von Gleichgesinnten als eine Kompensation fur den verlorenen Aussenhalt durch Tradition Patron Markt und selbst Kunstakademien 5 Organisationen des Kunstsystems BearbeitenIm ausdifferenzierten Kunstsystem ubernimmt eine Vielfalt von Organisationen bestandsnotwenige Funktionen fur die Sozialisation von Kunstlern und die Produktion Distribution und Rezeption von Kunstwerken 6 So qualifizieren und professionalisieren Kunstakademien Literaturinstitute Theaterseminare Musik und Filmhochschulen die angehenden Kunstler Sozialisation Malerwerkstatten Mittelalter und fruhe Neuzeit Theater Oper Orchester und Filmstudios stehen im Dienste der Produktion von Kunst Galerien und Verlage Bibliotheken und Buchhandlungen sind Organisationen der Distribution Der Rezeption von Kunstwerken sofern sie nicht individuell erfolgt widmen sich literarische Salons Kunstvereine kulturelle Gesellschaften und Literaturhauser Bedeutende Vertreter der Kunstsoziologie BearbeitenUnter den Soziologen die sich mit der Kunst beschaftigten haben insbesondere Georg Simmel Georg Lukacs Arnold Hauser Max Weber Theodor W Adorno Arnold Gehlen Alphons Silbermann Niklas Luhmann und Pierre Bourdieu innovative Beitrage geliefert Von den Kunsthistorikern Michael Baxandall und Martin Warnke stammen soziologisch informative Analysen Siehe auch BearbeitenKunstgeschichte Zentrale Positionen Literatursoziologie MusiksoziologieLiteratur BearbeitenTheodor W Adorno Thesen zur Kunstsoziologie In Ders Gesammelte Schriften Band 10 1 Frankfurt am Main Suhrkamp 1977 S 367 374 Victoria D Alexander Sociology of the Arts Exploring Fine and Popular Forms Blackwell Oxford 2003 ISBN 0 631 23039 4 Barbara Aulinger Kunstgeschichte und Soziologie Eine Einfuhrung Reimer Verlag Berlin 1992 ISBN 3 496 01094 0 Howard S Becker Art Worlds Berkeley University of California Press 2008 25th Anniversary Edition Pierre Bourdieu Die Regeln der Kunst Frankfurt am Main Suhrkamp 1999 Horst Bredekamp Kunst als Medium sozialer Konflikte Bilderkampfe von der Spatantike bis zur Hussitenrevolution Frankfurt am Main 1975 Peter Burger Hrsg Seminar Literatur und Kunstsoziologie Frankfurt am Main Suhrkamp 1978 ISBN 3 518 07845 3 Dagmar Danko Kunstsoziologie transcript Verlag Bielefeld 2012 ISBN 978 3 8376 1487 9 Jurgen Gerhards Hrsg Soziologie der Kunst Produzenten Vermittler und Rezipienten Opladen Westdeutscher Verlag 1997 Arnold Hauser Sozialgeschichte der Kunst und Literatur C H Beck 1953 Arnold Hauser Soziologie der Kunst Munchen C H Beck 1974 Niklas Luhmann Die Kunst der Gesellschaft Frankfurt am Main Suhrkamp 1995 Walther Muller Jentsch Die Kunst in der Gesellschaft Wiesbaden VS Verlag 2011 Michael North Das Goldene Zeitalter Kunst und Kommerz in der niederlandischen Malerei des 17 Jahrhunderts 2 Aufl Koln Bohlau 2001 Konrad Pfaff Kunst fur die Zukunft Eine soziologische Untersuchung der Produktiv und Emanzipationskraft Kunst Koln DuMont Schauberg 1972 ISBN 3 7701 0638 5 Wolfgang Ruppert Der moderne Kunstler Zur Sozial und Kulturgeschichte der kreativen Individualitat in der kulturellen Moderne im 19 und fruhen 20 Jahrhundert Frankfurt am Main Suhrkamp 1998 Alphons Silbermann Hrsg Theoretische Ansatze der Kunstsoziologie Enke Stuttgart 1976 Alphons Silbermann Hrsg Klassiker der Kunstsoziologie Munchen C H Beck 1984 Sociologia Internationalis Europaische Zeitschrift fur Kulturforschung Band 50 2012 Heft 1 2 Themenheft Kunstsoziologie Duncker amp Humblot Berlin 2012 ISSN 0038 0164 Christian Steuerwald Hrsg Klassiker der Soziologie der Kunste Prominente und bedeutende Ansatze Springer VS Wiesbaden 2017 ISBN 978 3 658 01454 4 Hans Peter Thurn Soziologie der Kunst Kohlhammer Stuttgart 1973 Martin Warnke Der Hofkunstler Zur Vorgeschichte des modernen Kunstlers 2 Aufl Koln DuMont 1996 Rainer Wick Astrid Wick Kmoch Hrsg Kunstsoziologie Bildende Kunst und Gesellschaft DuMont Koln 1979 Hans Zitko Hrsg Kunst und Gesellschaft Beitrage zu einem komplexen Verhaltnis Kehrer Heidelberg 2000Weblinks BearbeitenKurzfilm von Kay Kastner zur Kunstsoziologie Pierre Bourdieus Themenportal von arthistoricum Kunstlersozialgeschichte KunstsoziologieEinzelnachweise Bearbeiten Barbara Aulinger Kunstgeschichte und Soziologie Eine Einfuhrung Reimer Verlag Berlin 1992 S 38 Walther Muller Jentsch Kunstler und Kunstlergruppen Soziologische Ansichten einer prekaren Profession In Berliner Journal fur Soziologie 15 Jg 2005 H 2 S 168 Norbert Elias Mozart Zur Soziologie eines Genies Frankfurt am Main Suhrkamp 1991 S 40 Hans Peter Thurn Bildmacht und Sozialanspruch Studien zur Kunstsoziologie Opladen 1997 S 83 Niklas Luhmann Die Kunst der Gesellschaft Frankfurt am Main 1995 S 270 f Siehe dazu und zum Folgenden das Kapitel Das Kunstsystem und seine Organisationen In Walther Muller Jentsch Die Kunst in der Gesellschaft 2 Auflage Wiesbaden VS Verlag 2012 S 29 83 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kunstsoziologie amp oldid 227761460