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Die Konservierung von Pfarrwitwen und tochtern bei der Pfarrstelle auch als Konservierung bei der Pfarre 1 oder Pfarrkonservation 2 bezeichnet war eine nach Einfuhrung der Reformation in Norddeutschland vor allem in Mecklenburg und Pommern aber auch in anderen protestantischen Landern Mittel und Nordeuropas ubliche Rechtsgewohnheit wonach der Amtsnachfolger die Witwe oder eine Tochter seines Vorgangers zu heiraten hatte um an eine Pfarrstelle zu gelangen Die Konservierung also Erhaltung der Witwe oder der Tochter an der Pfarrstelle blieb bis ins 19 Jahrhundert ein verlassliches Mittel der Witwenversorgung Diese Verfahrensweise war eine in der Fruhen Neuzeit haufig geubte Praxis der sozialen Absicherung von Witwen und Waisen In ahnlicher Form gab es sie auch bei Handwerkszunften oder unter Fernhandelskaufleuten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Mecklenburg 1 2 Pommern 1 3 Andere Territorien 1 3 1 Brandenburg 1 3 2 Mitteldeutschland 1 3 3 Ostpreussen 1 3 4 Schweden und Finnland 2 Literatur 3 Einzelnachweise 4 WeblinksGeschichte BearbeitenMit der Einfuhrung der Reformation in Pommern 1534 und Mecklenburg 1549 wurde den protestantischen Geistlichen die Eheschliessung erlaubt Die Pfarrer wurden zunachst wie bisher uberwiegend aus den althergebrachten Pfrunden versorgt die aber oft nicht ausreichten um den Lebensunterhalt einer Pfarrfamilie zu bestreiten Die Pfarren erhielten ihre Einkunfte aus den Pfrunden von der Kirchengemeinde uberwiegend in Form von Naturalien und zu einem geringeren Teil auch als Geldzahlungen letzteres haufig als die fur die Durchfuhrung von Taufen Trauungen oder Beerdigungen zu zahlenden Gebuhren Die landlichen Pfarren betrieben meist Landwirtschaft wofur ihnen die Kirchengemeinde Ackerbestellarbeiten und Fuhrdienste zu leisten hatte Durch die nach Einfuhrung der Reformation erfolgte Sakularisation und infolge des Dreissigjahrigen Krieges und den Wirren der Nachkriegszeit verloren viele Pfarren ihre Landbesitzungen Ebenso verringerte sich durch Verarmung der Bauern und die Reduzierung der Bauernstellen durch Bauernlegen Enteignung der Bauern die Hohe der Zehnteinkunfte Konnte ein verheirateter Pfarrer keine finanziellen Rucklagen bilden wurde die Versorgung seiner Hinterbliebenen im Todesfall zu einem Problem Ihnen wurde ein Gnadenjahr oder Gnadenhalbjahr zugestanden in dem ihnen die vollen Einnahmen des Verstorbenen zugestanden wurden In dieser Zeit hatte die Witwe fur einen Vertreter fur die Gottesdienste und die Durchfuhrung der Sakramente zu sorgen der auch die entsprechenden Gebuhren erhielt Mitunter wurde den Witwen auch danach ein geringer Anteil an den Pfrunden in einigen Fallen auch eine Verlangerung des Gnadenjahrs zugestanden meist standen sie aber anschliessend mittellos da Die Pfarramtskandidaten die sich durch die Konservierung eine Pfarrstelle sicherten konnten aus der Situation der Frauen Vorteile ziehen Die Pfarrwitwe brachte ihr komplettes Inventar mit in die Ehe ein das heisst der Nachfolger bezog ein fertig mobliertes und ausgestattetes Pfarrhaus Sie brachte des Weiteren alle Erfahrungen fur die Tatigkeiten einer Pfarrfrau mit sich zu denen unter anderem die Erzeugung und Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten die Fuhrung eines grossen Haushaltes und die Anleitung des Personals gehorten 3 Die oftmals in miserablen wirtschaftlichen Verhaltnissen lebenden Kandidaten konnten durch die Konservierung eventuelle Mangel in ihrer Ausbildung oder ihrem Examen kompensieren um so an die Pfarrstelle zu gelangen Auch moralische Grunde wie Barmherzigkeit Mitleid und Christenpflicht gegenuber der Witwe und den Kindern des Vorgangers sind in Betracht zu ziehen 4 Mecklenburg Bearbeiten Wahrend die erste Mecklenburger Kirchenordnung von 1552 nur anmahnte das man ire arme Weib und Kinder nicht mit hunger sterben lasse regelten die folgenden Kirchenordnungen ab 1602 die Versorgung der Pfarrwitwen und das Gnadenjahr bereits detaillierter Der Versuch im Jahr 1757 das Gnadenjahr bei den landesherrlichen Kirchenpatronaten abzuschaffen und stattdessen den Hinterbliebenen in jedem Fall die Halfte der bisherigen Einkunfte zu zahlen schlug fehl und wurde in der Kirchenordnung von 1779 vollstandig revidiert Nach dem Ablauf des Gnadenjahrs standen die Pfarrerswitwen jedoch meist vollig ohne Einkommen da denn nur die reichen Kirchengemeinden konnten es sich leisten fur die Versorgung der Hinterbliebenen zusatzliche Mittel aufzubringen In Mecklenburg erfolgte 1551 in Robel die erste belegte Konservierung eine Haufung trat nach 1580 auf Die Konservierung erwies sich haufig und auf langere Zeit als ein bewahrtes Mittel zur Witwenversorgung und wurde bald als Rechtsanspruch angesehen Die in den Kirchenordnungen enthaltenen Passagen in denen die Bevorzugung eines heiratswilligen Pfarramtskandidaten ermoglicht wurde wurden meist als Gebot oder gar Pflicht interpretiert Die Rechtmassigkeit dieser Bevorzugung wurde von einigen Herzogen wie Christian I angezweifelt der 1660 dazu vermutlich an der Universitat Wittenberg ein Rechtsgutachten anfertigen liess Der klaren Ablehnung in diesem Gutachten wie auch der des Rostocker Juristen Johann Quistorp der die Konservierung mit einer Frauenherrschaft verglich 5 folgten jedoch keine durch die Regierenden gesteuerten Verbesserungen der Witwenversorgung Anfang des 18 Jahrhunderts erreichte die Konservierung als sicherste Form der Hinterbliebenenversorgung in Mecklenburg ihren Hohepunkt 1704 hatte etwa ein Drittel der verheirateten mecklenburgischen Pfarrer die Witwe oder eine Tochter des Vorgangers geheiratet wobei die Zahl der Tochter mit 67 die der Witwen mit 54 leicht uberwog Ohne Berucksichtigung der vier grossten Stadte Rostock Wismar Schwerin und Gustrow in denen diese Praxis mit Hilfe von Witwenkassen zuruckgedrangt werden konnte erreichte der Anteil der Konservierungen mehr als 42 Prozent In den landesherrlichen Patronaten in Mecklenburg Schwerin lag der Anteil der Konservierung fast doppelt so hoch wie in den ritterschaftlichen Die gangige Konservierungspraxis erschwerte durch ihre Existenz das fruhe Aufkommen versicherungsartiger Versorgungsalternativen Ende des 17 Jahrhunderts und Anfang des 18 Jahrhunderts wurden in Mecklenburg die ersten Witwenkassen fonds oder stiftungen eingerichtet die von einzelnen oder mehreren ortlichen Pfarrern gegrundet wurden um ihren Frauen eine Witwenversorgung zu verschaffen und die Notwendigkeit zur Konservierung zu beenden Ebenso existierten Stiftungen wohlhabender Gemeindemitglieder Kirchenpatrone und Angehoriger furstlicher Hauser Die bereits 1623 von der 1592 verwitweten Herzogin Sophie von Mecklenburg eingerichtete Sophienstiftung sah neben der Versorgung von adligen und burgerlichen Witwen auch Pfarrwitwen unter ihren Nutzniessern Die Grundung landesherrlich unterstutzter Witwenkassen erfolgte in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts unter anderem auf Vorschlag des Rostocker Theologen Bernhard Friedrich Quistorp Die Grossherzogliche Witwenkasse von 1835 war die erste alle Kirchendiener einschliessende Institution der Witwenversorgung in Mecklenburg Die letzten Konservierungen sind fur Mecklenburg in der Mitte des 19 Jahrhunderts belegt Pommern Bearbeiten Pommern war das einzige protestantische deutsche Land in dem die Konservierung einen ahnlichen Stellenwert wie in Mecklenburg erlangte Die pommersche Generalsynode von 1545 sah keine andere Moglichkeit zur Witwenversorgung und billigte deshalb die Konservierung Mit dem Consilium Pomeranicorum Theologorum de anno gratiae der Synode von 1572 wurde die Heirat der Witwe oder Tochter des Vorgangers zur moralischen Pflicht erklart Gegnern der Konservierung wie dem Stralsunder Superintendenten Jakob Crusius gelang es nicht diese Praxis einzuschranken Crusius urteilte 1575 die Kirchen wurden den Pfarrwitwen und Pfarrtochtern zur Mitgift als Lehen uberlassen Herzog Philipp Julius unterstutzte die Konservierung und intervenierte zugunsten der Wunsche von Witwen und Predigertochtern Auf Rugen musste der Pfarrer der nach dem Wendisch Rugischen Landgebrauch Eigentumer des Pfarrhofes Wedeme war fur den Erhalt von Haus und Umfriedung selbst aufkommen Die entstandenen Kosten konnten als so genanntes Erbegeld auf den Pfarrhof festgeschrieben werden Da hier im Einzelfall bis zu 800 Mark Sundisch anfielen konnte dies fur den Nachfolger eine kaum tragbare Belastung bedeuten Durch die Konservierung konnte die Zahlung des Erbegeldes umgangen werden was zu deren Verbreitung auf der Insel beitrug 6 Die schwedische Regierung in Pommern bestatigte 1663 im Haupt Kommissions Rezess die Beschlusse der pommerschen Synoden In Schwedisch Pommern war im 17 und bis ins 18 Jahrhundert hinein die Vergabe einer Pfarrstelle an die Einwilligung des Kandidaten in eine eventuell gewunschte oder erforderliche Konservierung gebunden Wahrend der danischen Besetzung des nordlichen Vorpommerns im Grossen Nordischen Krieg verordnete der danische Konig Friedrich IV die Aufhebung dieser Verfahrensweise 7 Die eigentlichen Probleme der Witwenversorgung losten die Danen aber nicht abgesehen von der Errichtung von Pfarrwitwenhausern wie das 1720 in Gross Zicker gebaute Mit der Ruckgabe des Landesteils an Schweden wurden die alten Verhaltnisse wieder eingefuhrt und blieben bis zur Mitte des 18 Jahrhunderts in Neuvorpommern und Rugen wirksam Einspruche von Kirchenpatronen vereitelten bereits im 17 Jahrhundert erfolgreich Konservierungen die Gegnerschaft gewann zahlreichen Zuspruch so dass der Hohepunkt der Pfarrwitwenkonservierung in den pommerschen Landesteilen bereits in der ersten Halfte des 18 Jahrhunderts uberschritten wurde 8 1775 wurde in Schwedisch Pommern eine Allgemeine Prediger Witwen und Waisen Verpflegungsgesellschaft nach Vorbild einer gleichnamigen mecklenburgischen Institution gegrundet In Hinterpommern und Altvorpommern wurde die Konservierungspraxis mit Unterstutzung der brandenburgisch preussischen Landesherren zuruckgedrangt Andere Territorien Bearbeiten Auch in anderen Teilen Norddeutschlands sind Konservierungen belegt so in der Mark Brandenburg im Kurfurstentum Sachsen im Herzogtum Sachsen Gotha und in Ostpreussen und im danischen Gesamtstaat Daruber hinaus ist diese Praxis fur Schweden und Finnland bezeugt Brandenburg Bearbeiten In der Mark Brandenburg sind fur das 17 Jahrhundert Konservierungen belegt Uber den Umfang sind nach dem gegenwartigen Stand der Forschung keine Aussagen moglich Kurfurst Friedrich III erliess 1698 99 ein Juramentum simoniae fur Pfarramtsbewerber um die wahrscheinlich auch hier verbreitete Praxis abzuschaffen die als Amterkauf angesehen wurde 9 Mitteldeutschland Bearbeiten Im Kurfurstentum Sachsen wurden bereits in der Mitte des 16 Jahrhunderts die ersten Pfarrwitwenkassen eingerichtet so dass die Konservierung nicht die gleiche Verbreitung wie in Norddeutschland fand 10 Kurfurst Johann Georg I lehnte 1618 den Wunsch des Wittenberger Konsistoriums ab eine Pfarrerstochter am Ort zu erhalten 9 Im Herzogtum Sachsen Gotha heirateten zwischen 1650 und 1750 an 29 von 114 Pfarrorten die Amtsnachfolger eine Witwe oder Tochter des Vorgangers Bei den meisten der 876 Pfarrer in diesem Zeitraum fehlen jedoch Angaben zur Ehefrau so dass die tatsachliche Zahl hoher gelegen haben konnte 9 Ostpreussen Bearbeiten nbsp Annchen von TharauDokumentiert ist hier die Geschichte der Anna Neander die im 17 Jahrhundert lebte und zwei Amtsnachfolger ihres ersten Mannes heiratete Sie hat das Volkslied Annchen von Tharau inspiriert Schweden und Finnland Bearbeiten Die Erblichkeit von Pfarrstellen wurde in der schwedischen Kirchenordnung von 1571 und im Kirchengesetz ausdrucklich verneint die Bevorzugung von Pfarrersohnen oder von Schwiegersohnen bei der Pfarrerwahl jedoch ebenso vorgeschrieben Diese Art der Konservierung des Erbes war aber auch in anderen Lebensbereichen ublich 11 Literatur BearbeitenHanna Wurth Pfarrwitwenversorgung im Herzogtum Mecklenburg Schwerin von der Reformation bis zum 20 Jahrhundert Dissertation zur Erlangung des Doktortitels angenommen von Georg August Universitat Gottingen Philosophische Fakultat 20 April 2004 PDF 20 MB Georg Kruger Die Pastoren im Lande Stargard seit der Reformation In Verein fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Hrsg Jahrbucher des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 69 1904 S 1 270 Digitalisat Martin Meier Danische Kirchenpolitik in Vorpommern nordlich der Peene 1715 1721 In Gesellschaft fur pommersche Geschichte und Altertumskunde Hrsg Baltische Studien Neue Folge Bd 90 Ludwig Kiel 2004 ISBN 3 937719 02 4 S 157 f Theodor Woltersdorf Die Konservierung der Pfarr Wittwen und Tochter bei den Pfarren und die durch Heirat bedingte Berufung zum Predigtamte in Neuvorpommern und Rugen In Deutsche Zeitschriften fur Kirchenrecht 3 Folge 11 1901 177 246 3 Folge 13 1902 1 54 3 Folge 13 Zweites Heft 1903 182 209 Einzelnachweise Bearbeiten Kruger Die Pastoren im Lande Stargard seit der Reformation In Jahrbucher des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 69 1904 S 94 Martin Meier Danische Kirchenpolitik in Vorpommern nordlich der Peene 1715 1721 In Baltische Studien Neue Folge 90 Ludwig Kiel 2005 S 157 158 Wurth Pfarrwitwenversorgung S 77ff Wurth Pfarrwitwenversorgung S 94 95 Johann Quistorp Pia desideria illustrata Rostochii 1663 S 97 Brigitte Metz Die Kirchenvisitationen der Insel Rugen 1580 bis 1587 In Baltische Studien Neue Folge Band 85 N G Elwert 1999 ISSN 0067 3099 S 53 54 Martin Meier Vorpommern nordlich der Peene unter danischer Verwaltung 1715 bis 1721 Aufbau einer Verwaltung und Herrschaftssicherung in einem eroberten Gebiet Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2008 ISBN 978 3 486 58285 7 S 159f Wurth Pfarrwitwenversorgung S 178 a b c Wurth Pfarrwitwenversorgung S 180ff Wurth Pfarrwitwenversorgung S 157 Simo Heininen Markku Heikkila Matthias Quaschning Kirsch Kirchengeschichte Finnlands Vandenhoeck amp Ruprecht 2002 ISBN 978 3 525 55444 9 S 98f Weblinks BearbeitenSchilderung einer Konservierung in der Kirchenchronik von Lambrechtshagen nbsp Dieser Artikel wurde am 29 September 2008 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konservierung von Pfarrwitwen amp oldid 224570824