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Das Kirchenpatronat oder Patronatsrecht lateinisch ius patronatus kurz auch Patronat ist die Schirmherrschaft eines Landes oder Grundherrn auch einer Gebietskorperschaft oder einer juristischen Person uber eine Kirche die auf seinem Gebiet liegt Eine Patronatsloge St Annen Kirche in Priessnitz bei BornaInhaltsverzeichnis 1 Begriffsdefinition 2 Historische Entstehung 3 Rechtliche Voraussetzungen 4 Rechte und Pflichten des Patrons 5 Bedeutung der Patronatsvertrage heute 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBegriffsdefinition BearbeitenPatron ist die aus dem Lateinischen ubernommene Entsprechung fur Kirchherr auch Kilchherr im Schweizer Sprachraum Unter einem Kirchenpatronat versteht man allgemein eine Rechtsbeziehung zwischen einer Kirchengemeinde und ihrem Patron Je nach rechtlicher Ausgestaltung kann ein Patronat von einer weiblichen oder mannlichen Person wahrgenommen werden die eine besondere Verantwortung fur eine Kirche ubernimmt sei es in Form eines regelmassig zu zahlenden Beitrages oder in Form einer Baulastverpflichtung 1 Historische Entstehung BearbeitenDie Geschichte der Kirchenpatronate als Rechtskonstruktion reicht weit zuruck Das Kirchenpatronat entwickelte sich aus dem Eigenkirchenwesen des Mittelalters Bis zur Zubilligung des Kirchenpatronats durch Papst Alexander III im 12 Jahrhundert n Chr standen die meisten Kirchen im Eigentum adeliger Grundherren oder von Stadten Es handelte sich um Stiftungen zugunsten der Kirche Zwar durften die Stifter die Kirchen nicht ihrem Zweck entfremden Die Stifter blieben aber dennoch rechtliche Eigentumer des Kirchengebaudes und des Pfrundguts 2 Das Patronatsrecht unterlag im Laufe der Zeit einem erheblichen Bedeutungswandel Die Papste bekampften das Eigenkirchenrecht im Hochmittelalter Alexander III fuhrte dennoch das Kirchenpatronat auch Kirchensatz oder Kollaturrecht ein welches das Obereigentum des Stifters und dessen Rechtsnachfolger kirchenrechtlich verfestigte aber auch die Nutzungsrechte der Pfarrer positivierte Rechtliche Voraussetzungen BearbeitenZur Entstehung eines Kirchenpatronats waren folgende Voraussetzungen erforderlich Die in Frage kommende Person musste einen kanonischen Erwerbstitel haben sie musste fahig sein Patron zu werden juristische oder naturliche Person mit kirchlicher Fahigkeit ein patronatsfahiges Objekt z B eine Kirche musste vorhanden sein der kunftige Patron musste eine kirchenobrigkeitliche Genehmigung zum Patronatserwerb erhalten Es wird noch heute 2014 zwischen belasteten und unbelasteten Patronaten unterschieden Die belasteten sind dingliche Patronate die mit dem Eigentum eines Gutes verbunden sind d h Patron ist jeweils der Eigentumer des mit dem Patronat verbundenen Landgutes sofern er Mitglied der Kirche ist und sich zu ihren Grundsatzen bekennt Weil sich beide Rechtsinstitute in ihrer rechtlichen Ausformung sehr ahneln wird das Patronat auch als erste Tochter des Eigenkirchenrechts und als altere Schwester der Inkorporation bezeichnet Die Erlangung des Patronatsrechtes das im Mittelalter vermehrt in die Hande von Klostern oder Domkapiteln gelegt wurde war Voraussetzung fur die Inkorporation einer Kirche bzw Seelsorgesprengels in den Rechtsverband eines Stiftes 3 Rechte und Pflichten des Patrons BearbeitenZu den Pflichten eines Patrons gehort die Kirchenbaulast am Kirchengebaude und mitunter am Pfarrhaus oft auch die Besoldung des Pfarrers und anderer Amtstrager der Kirche Die Rechte sind teils Ehrenrechte z B auf einen besonderen Sitzplatz in der Kirche im Patronatsgestuhl und die Erwahnung im Gebet teils wirkliche Rechte wie z B die Moglichkeit bei einer Wiederbesetzung einer Pfarrei den neuen Pfarrer der kirchlichen Instanz vorzuschlagen Prasentationsrecht und das Vetorecht bei der Ubernahme des Pfarramts durch eine dem Patron nicht genehme Person ausuben zu konnen Ausserdem stand dem fruheren Kirch en herrn das Begrabnis in der Kirche zu Diese Stellung bei historischen Patronaten ist auch in der Gegenwart an zahlreichen Kunstschatzen in Kirchen ablesbar Einen Sonderfall stellt das noch heute bestehende Patronat an der deutschen St Petri Kirche in Kopenhagen dar Hier entwickelte sich der Patron im Laufe des 17 Jahrhunderts von einer Kontrollinstanz zum obersten Lobbyisten der Gemeinde 4 Bedeutung der Patronatsvertrage heute BearbeitenHistorische Kirchenpatronate bestehen im Westen Deutschlands in grosserer Anzahl Im Bistum Augsburg bspw bestehen noch 22 private bzw 35 kommunale Patronate die den Patronatsherrn bzw den jeweiligen Stadt oder Gemeinderat berechtigen dem Bischof einen Pfarrer ihrer Wahl zu prasentieren Manche Patronate werden nicht mehr oder zuruckhaltend ausgeubt d h der Prasentationsberechtigte und der Bischof verstandigen sich vor der Prasentation auf den zu Prasentierenden Es gibt jedoch nach wie vor Patronatsherren die ihr Recht in alter Weise ausuben 5 Das II Vatikanische Konzil forderte das freie Ernennungsrecht der Bischofe bezuglich der Besetzung der Pfarreien ihrer Diozesen Christus Dominus Nr 18 und 21 Von manchen Diozesen wurde infolgedessen der Versuch unternommen Patronate zuruckzudrangen Ein Rechtsstreit in der Diozese Passau beispielsweise tragt zur Klarung der Rechtssicherheit fur bestehende Patronate bei Die Apostolische Signatur das Hochstgericht der Kirche zeigt in ihrem Urteil die Kriterien fur den Weiterbestand von Patronatsrechten auf 6 7 In der Evangelischen Landeskirche in Baden wird bei der Besetzung der regional erhaltenen Patronatspfarrstellen sowohl zur Eroffnung wie zum Abschluss des Verfahrens das Einverstandnis des Patrons gesucht auch die Wahlvorschlagsliste seitens der Landeskirche wird mit ihm abgestimmt Die Wahl selbst erfolgt durch die Gemeinde sofern es nicht zu einem Besetzungsverfahren seitens der Landeskirche kommt in das wiederum der Patron eingebunden ware 8 Vor Anderungen dieser Regeln hat die Landeskirche den Patronatsinhabern eine Anhorung eingeraumt In der Evangelischen Landeskirche in Wurttemberg sind die letzten Patronatsrechte auf ursprunglich wurttembergischen Gebiet die seit 1920 noch 137 Pfarrstellen betroffen hatten 1992 mit dem Ableben des letzten Patronatsherrn Reinhard von Koenig Fachsenfeld 1899 1992 der 1988 sein Recht an der Pfarrstelle Fachsenfeld bei Aalen letztmals wahrgenommen hatte endgultig erloschen 9 Lediglich fur die Pfarrei Schluchtern die erst 1974 von der badischen in die wurttembergische Landeskirche umgegliedert wurde existiert noch heute das Patronatsrecht des Furstenhauses zu Leiningen mit Sitz in Amorbach Zuletzt wurde das Patronatsrecht bei der Besetzung der Pfarrstelle mit dem heutigen Stand 2022 Pfarrer 2014 wahrgenommen 10 In der Evangelisch lutherischen Landeskirche Hannovers gab es im Jahr 2012 noch 131 Patronate 11 Neue Patronate konnen nicht entstehen 12 Im Osten Deutschlands kam das ritterschaftliche Patronat zumindest praktisch zum Erliegen wenn auch nicht zwingend rechtlich da Rittergutsbesitzer dort flachendeckend zwischen 1945 und 1949 von ihren Hofen vertrieben wurden Allerdings wird darauf hingewiesen dass die Patronate rechtlich nicht zwingend abgeschafft worden sind und uberwiegend dinglich mit dem Land verbunden waren Insofern hatten die heutigen Eigentumer das Patronatsrecht inne Praktisch ist die Rechtslage in den evangelischen Landeskirchen im Osten Deutschlands jedoch unterschiedlich In einigen Landeskirchen ist das Patronatsrecht nicht bloss faktisch zum Erliegen gekommen sondern besteht heute nicht mehr 13 Andere Landeskirchen gehen zielgerichtet aus Grunden des Denkmalschutzes dazu uber alte Patronatsvertrage neu zu beleben oder sogar neue Patronatsvertrage abzuschliessen 14 Literatur BearbeitenEva Maria Belser Pfarrwahl und Patronatsrecht Mitwirkungsrechte der Laien aus historischer Sicht In Schweizerische Kirchenzeitung Jg 1997 Nr 41 archivierte Version auf archive org Kirchpatron In Vormalige Akademie der Wissenschaften der DDR Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 7 Heft 7 bearbeitet von Gunther Dickel Heino Speer unter Mitarbeit von Renate Ahlheim Richard Schroder Christina Kimmel Hans Blesken Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1980 OCLC 718486466 adw uni heidelberg de Kirchherr In Vormalige Akademie der Wissenschaften der DDR Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 7 Heft 7 bearbeitet von Gunther Dickel Heino Speer unter Mitarbeit von Renate Ahlheim Richard Schroder Christina Kimmel Hans Blesken Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1980 OCLC 718486466 adw uni heidelberg de Hartmut Bottcher Michael Muller Teotonio R de Souza Patronat In Religion in Geschichte und Gegenwart RGG 4 Auflage Band 6 Mohr Siebeck Tubingen 2003 Sp 1019 1023 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Kirchenpatronat im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Ansgar Hense Florian Sepp Patronatsrecht 19 20 Jahrhundert In Historisches Lexikon Bayerns zur Entwicklung in Bayern und der Pfalz nach 1800 Andreas Thier Patronatsrecht In Historisches Lexikon der Schweiz Einzelnachweise Bearbeiten Vgl cann 1448 1471 CIC 17 lat engl Rudolf Gmur Andreas Roth Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte Luchterhand Munchen Unterschleissheim 2005 ISBN 3 472 06315 7 Rn 119 Peter Koch Die Ordenspfarre Entstehung Herausforderung und Perspektiven Verlag Ferdinand Schoningh ISBN 978 3 657 76656 7 S 32 Jurgen Beyer Der erste Patron der keiner war und den es gleich zweimal gab Die Entstehung des Patronats an der Sankt Petri Kirche In 400 Jahre koniglicher Patron von Sankt Petri 400 ar kongelig patron for Sankt Petri Sankt Petri Kopenhagen 2016 S 61 65 PDF Rudolf Neumaier Der Herr Graf und seine Seelen In einem niederbayerischen Dorf bestimmt ein Adliger wer in seiner Gemeinde Pfarrer wird In Suddeutsche Zeitung 19 Juni 2015 S 12 Prot N 19391 87 C A Sententia definitiva coram Stickler 2 Juni 1990 zu Graf von Deym in Arnstorf Matthias Ambros Verwaltungsbeschwerde und Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Effizienz des kirchlichen Rechtsschutzes gemessen an einem Passauer Patronatsstreit Kirchen und Staatskirchenrecht Nr 22 Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 ISBN 978 3 506 78397 4 14a d Pfarrstellenbesetzungsgesetz PfStBesG 12 April 2014 abgerufen am 23 April 2017 Andreas Weiss Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Wurttemberg und ausgewahlter evangelischer Freikirchen Mohr Siebeck Tubingen 2012 ISBN 978 3 16 151666 5 S 34 Anmerkung 242 Amtsblatt der Evangelischen Landeskirche in Wurttemberg Bd 66 Nr 4 30 04 2014 S 84 4 Patronatstag der Landeskirche Pressemitteilung In Landeskirche Hannovers de 9 Oktober 2012 abgerufen am 23 April 2020 Kirchengesetz uber Patronate Patronatsgesetz vom 14 Dezember 1981 1 Absatz 2 Evangelisch lutherische Landeskirche Hannovers Kirchenrecht evlka de abgerufen am 23 April 2020 Z B nach SaEvKiStVG i V m Art 12 Abs 1 Satz 1 Evangelischer Kirchenvertrag Sachsen Die im Freistaat bestehenden Patronatsrechte werden aufgehoben Patronatsvertrage Fordervereine und Stiftungen Rechtskonstruktionen zum Erhalt gefahrdeter Dorfkirchen Memento vom 2 Juli 2015 im Internet Archive Ilex Rechtsanwalte amp Steuerberater Potsdam Berlin Normdaten Sachbegriff GND 4173557 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kirchenpatronat amp oldid 229384817