www.wikidata.de-de.nina.az
Die kognitive Theorie der Depression auch kognitives Modell der Depression ist eine vor allem von Aaron T Beck ausgearbeitete psychologische Theorie Sie versucht zu beschreiben wie Depression funktioniert und bildet den Ausgangspunkt und die Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie Die kognitive Triade Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Unterschiede zu anderen Theorien der Depression 2 1 Psychoanalyse 2 2 Behaviorismus 2 3 Erlernte Hilflosigkeit 2 4 Depression als affektive Storung 3 Allgemeines 4 Die Bereiche des depressiven Denkens die kognitive Triade 4 1 Selbstbild 4 2 Menschliches Umfeld 4 3 Zukunft 5 Denkschemata und depressogene Grundannahmen 5 1 Schemata 5 2 Latenz und Aktivierung 5 3 Depressogene Grundannahmen 6 Formen der kognitiven Verzerrung 7 Automatische Gedanken 8 Literatur 9 EinzelnachweiseEntstehungsgeschichte BearbeitenDie Ideengeschichte aus der die kognitive Theorie entstanden ist lasst sich bis zu den Philosophen der Stoa zuruckverfolgen Epiktet schrieb im Enchiridion Die Menschen werden nicht durch die Dinge selbst beunruhiget sondern durch die Meinungen welche sie von den Dingen haben 1 Im 20 Jahrhundert forderte Alfred Adlers Individualpsychologie dazu auf den Patienten im Kontext seiner eigenen bewussten Erlebniswelt zu verstehen 1 Adler schrieb 1931 Wir leiden nicht an einem aus unseren Erfahrungen stammendem Schock dem sogenannten Trauma sondern wir machen aus unseren Erfahrungen genau das was unseren Zwecken dient 2 Leon J Saul Franz Alexander Karen Horney und Harry Stack Sullivan entwickelten diesen Ansatz fort 3 Philosophische Anregungen kamen von Immanuel Kant Martin Heidegger und Edmund Husserl Karl Jaspers Ludwig Binswanger und Erwin W Straus wendeten diese Phanomenologie ins Psychologische 3 Weiteren Einfluss hatte Jean Piagets Entwicklungspsychologie 3 Albert Ellis begrundete die eigentliche kognitive Theorie 1957 indem er das aktivierende Umwelt Ereignis A uber den Glauben B mit den emotionalen Konsequenzen C verknupfte 4 Weitere Beitrage zur theoretischen Konzeption haben Michael Mahoney Marvin Goldfried Gerald Davison Donald Meichenbaum Alan Kazdin und Terence Wilson geliefert 5 Die kognitive Theorie der Depression hat 1976 Aaron T Beck ausgearbeitet 6 Vorausgegangen waren ihr systematische klinische Beobachtungen und Experimente 7 Unterschiede zu anderen Theorien der Depression BearbeitenPsychoanalyse Bearbeiten Wahrend die klassische psychoanalytische Theorie davon ausgeht dass depressive Menschen von Masochismus bzw von einem Leidensbedurfnis angetrieben sind 8 haben die Vertreter der kognitiven Verhaltenstherapie darauf hingewiesen dass in wissenschaftlichen Untersuchungen ein solches Bedurfnis zu leiden bei depressiven Patienten nicht beobachtet worden sei 9 Umso augenfalliger erschien ihnen bei diesen Patienten ihre harsche Selbstkritik und ihre negative Sicht auf sich selbst die systematisch negative Auslegung positiver Erfahrungen die sie mit der Welt machen und die zu einer negativen Sicht auf die Welt fuhren ihre negative Sicht auf die Zukunft Beck und seine Kollegen erschien es naheliegend dass eine derartig negative Generalperspektive die durch Realitatstests offenbar nicht korrigiert wird als Folge vielfaltiger und umfangreicher kognitiver Verzerrung zu erklaren sei 9 Wahrend die klassische Psychoanalyse davon ausgeht dass Depressionen durch freies Assoziieren des Patienten zu heilen seien geht die kognitive Verhaltenstherapie davon aus dass depressive Patienten gerade nicht ihren eigenen Gedanken uberlassen bleiben durfen weil sie sonst immer tiefer im Morast ihrer Sorgen und ihrer negativen Kognitionen versinken 10 Behaviorismus Bearbeiten Ahnlich wie beim Modell der erlernten Hilflosigkeit wird Depression im klassischen Behaviorismus als ein dysfunktionales Verhalten konzipiert das erlernt ist und darum auch wieder verlernt werden kann 11 Anders als beim Modell der erlernten Hilflosigkeit wird Depression in der behavioristischen Theorie jedoch nicht auf innere sondern auf aussere Faktoren zuruckgefuhrt insbesondere auf Verstarkung also auf die Verhaltensruckmeldungen die der Patient von seiner Umwelt erfahrt Den bedeutendsten Einzelbeitrag zur behavioristischen Theorie der Depression hat 1974 Peter M Lewinsohn geliefert Kern seiner Verstarker Verlust Theorie war die These dass Depression dann entsteht wenn die positive Verstarkung im Leben eines Menschen zurucktritt d h wenn er in aussere Lebensumstande z B Isolation Wechsel des sozialen Umfelds gerat die verhindern dass er fur positives Verhalten weiterhin die Belohnungen empfangt die fur seine Leistungsbereitschaft und fur seine seelische Gesundheit unverzichtbar sind Lewinsohn vermutete auch dass manche Patienten von der Umwelt in ihrer Depression geradezu bestarkt werden z B wenn Angehorige sich ihnen dienstbar machen 12 Die kognitive Theorie der Depression hat mit diesem Modell kaum etwas gemein Ihre Vertreter nehmen an dass eine Depression durch aussere Faktoren zwar ausgelost werden kann bezweifeln aber fundamental dass Depression in ihrem Verlauf und ihrer Erscheinungsform durch aussere Faktoren auch determiniert ist Die Determinanten der Depression sehen sie vielmehr in der Kognition des Patienten einem inneren Faktor also der beim behavioristischen Ansatz gar keine Beachtung findet Erlernte Hilflosigkeit Bearbeiten Von Martin E P Seligman und Steven F Maier wurde in den spaten 1960er Jahren das Modell der erlernten Hilflosigkeit entwickelt das einige Gemeinsamkeiten hat mit der kognitiven Theorie der Depression Beide Modelle gehen davon aus dass negative kognitive Stile das Risiko fur Depressionen erhohen wenn Personen negative Lebensereignisse erleben 13 Entsprechend setzte Seligman in der Therapie von Depressionen ahnliche Methoden ein wie sie auch in der kognitiven Verhaltenstherapie ublich sind Das umfasste insbesondere dem Patienten negative Interpretationen seiner Erfahrungen aufzuzeigen die Prufung der Richtigkeit solcher Interpretationen und die Suche nach akkurateren Interpretationen 14 Anders als Seligman halt Beck es jedoch fur falsch und sogar gefahrlich negative Interpretationen durch Reframing einfach ins Positive zu wenden ihm geht es allein um die Akkuratheit der Interpretation Entgegengesetzt ist die kognitive Theorie der Depression auch dem depressiven Realismus von Lauren Alloy und Lyn Yvonne Abramson die 1988 die These entwickelt haben Depressive seien trauriger aber weiser 15 Depression als affektive Storung Bearbeiten In der Psychiatrie wird die Depression haufig als eine affektive Storung klassifiziert etwa in ICD 10 wo ihr ein Platz in unmittelbarer Nachbarschaft u a zur bipolaren Storung zugewiesen wird Beck halt es fur irrefuhrend eine Krankheit die eine solche Bandbreite von Gesichtspunkten hat wie die Depression aufs Affektive festzulegen und schrieb ironisch dass man ebenso gut Scharlach als Hautkrankheit klassifizieren konne 16 Allgemeines BearbeitenBeck beschreibt die Depression mit Mark Schreiber 17 als eine komplexe Storung die kognitive affektive motivationale verhaltensmassige und vegetative Symptome umfassen kann 18 Fur das primare Element in der Phanomenkette halt er die Denkstorung Zur letzten Ursache der Krankheit d h ob Depressionen auf z B eine erbliche Disposition fehlerhaftes Lernen Hirnschadigung biochemische Anomalien oder Ahnliches zuruckgehen umfasst das kognitive Modell der Depression keine Aussagen 19 Die Kognitionen eines Menschen basieren auf Einstellungen oder Annahmen Schemata die wiederum aus vorausgegangenen Erfahrungen entstanden sind 20 Bei depressiven Patienten sind diese Schemata weithin dysfunktional und fuhren zu automatisierten und stereotypen negativen Gedanken 21 Beck spricht in diesem Zusammenhang gelegentlich auch von gedankenlosem Denken thoughtless thinking 22 Die Patienten sind sich der dysfunktionalen Schemata ihres Denkens meist nicht bewusst 1 Beck geht von folgenden Annahmen aus negative kognitive Triade Die Gedankeninhalte betreffen das Selbst Ich bin hasslich die Welt Keiner liebt mich und die Zukunft Es wird so unertraglich bleiben 23 Der Patient hat ein negatives Selbstbild er beurteilt sich selbst als fehlerhaft unzulanglich wertlos und nicht begehrenswert Diese Gedanken gehen so weit dass der Betroffene denkt ihm fehlen Eigenschaften um glucklich zu sein Ausserdem neigt er dazu sich zu unterschatzen und zu kritisieren Nach Beck und anderen 1975 sind Depressive vor allem dann anfallig fur Suizid wenn die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verloren geht 24 Schemata oder dysfunktionale Uberzeugungen Ein Beispiel fur eine dysfunktionale Uberzeugung ware Wenn mich niemand liebt ist mein Leben sinnlos 23 Die genannten Kognitionen gehen auf Schemata zuruck die aus vergangenen Erfahrungen entstanden sind Mit diesem Konzept wird erklart warum ein depressiver Patient trotz objektiver Belege fur positive Faktoren in seinem Leben seine schmerzverursachende und selbstverletzende Haltung beibehalt Schemata sind hier stabile kognitive Verarbeitungsmuster die sich in der Kindheit und Jugend herausgebildet haben Sie konnen fur langere Zeit inaktiv sein aber durch bestimmte Umweltereignisse z B Stresssituationen reaktiviert werden kognitive Verzerrungen oder Fehler Aufgrund der in der Kindheit gelernten Schemata findet laut Beck bei Depressiven eine fehlerhafte Informationsverarbeitung statt die dem von Piaget beschriebenen kindlichen Denken ahnelt Die Annahmen sind eindimensional global invariabel verabsolutierend oder irreversibel Erfahrungen werden in der Regel negativ interpretiert subjektiv werden uberwiegend Enttauschungen und Niederlagen empfunden und auch die Zukunftserwartung ist negativ gepragt Eine Veranderung der gegenwartig empfundenen Situation wird ebenso wenig als moglich angenommen wie eine eigene Beteiligung an dieser Die Bereiche des depressiven Denkens die kognitive Triade BearbeitenDas depressive d h von spontanen und scheinbar unbeherrschbaren negativen Kognitionen beherrschte Denken findet in genau drei Bereichen statt im Denken uber das Selbst Selbstbild im Denken uber das menschliche Umfeld und im Denken uber die Zukunft Beck spricht hier von einer kognitiven Triade auch negative Triade 25 Selbstbild Bearbeiten Depressive Patienten betrachten sich selbst als geschadigt unzulanglich krank oder benachteiligt und sie neigen dazu unangenehme Erfahrungen auf psychologische moralische oder korperliche Mangel zuruckzufuhren die in ihnen selbst liegen Sie glauben dass sie aufgrund dieser gemutmassten Mangel wertlos und bei anderen unerwunscht seien und unterschatzen und kritisieren sich darum Weiterhin glauben sie dass sie aufgrund dieser gemutmassten Mangel weder Gluck noch Zufriedenheit erleben konnen 26 Viele Symptome der Depression konnen als direkte Folge der problematischen Kognitionen verstanden werden die sich in der Triade ereignen Abhangigkeit z B von einem Ex Partner lasst sich als Folge der systematischen Selbstunterschatzung des Patienten verstehen der andere Personen fur kompetenter und fahiger halt als sich selbst 27 Menschliches Umfeld Bearbeiten Depressive Menschen neigen dazu ihre Erfahrungen auf eine negative Weise zu interpretieren Sie stehen unter dem Eindruck dass die Welt ihnen Ungeheuerliches abverlangt und ihnen dabei gleichzeitig massive Hindernisse in den Weg stellt Erfahrungen mit der Welt werden stereotyp in Kategorien von Erfolg Niederlage und von Gewahrtbekommen Deprivation verbucht 26 Zukunft Bearbeiten Depressive Menschen neigen zur Annahme dass ihre gegenwartigen Schwierigkeiten und ihr Leiden in der Zukunft kein Ende finden und dass Unternehmungen die sie in Angriff nehmen konnten scheitern werden 26 Zu den Symptomen die sich aus dem besonderen Zukunftsbild des depressiven Patienten erklaren lassen zahlt unter anderem dessen Willenslahmung die als Folge seines Pessimismus und seiner Hoffnungslosigkeit beschrieben werden kann da er erwartet dass seine Anstrengungen keinen Erfolg hervorbringen werden unternimmt er nichts Suizidwunsche sind ein extremer Ausdruck seines Wunsches einer Situation zu entkommen die ihm unertraglich und unabanderlich erscheint Viele physische Symptome z B Gewichtsverlust Schlaflosigkeit sind als Folge einer psychomotorischen Hemmung der Apathie und des niedrigen Energieniveaus des Patienten zu erklaren der davon uberzeugt ist dass all seine Bemuhungen zum Scheitern verurteilt sind 27 Denkschemata und depressogene Grundannahmen BearbeitenSchemata Bearbeiten Charakteristisch fur depressive Patienten ist dass sie bestimmte Einstellungen haben durch die sie sich selbst Schmerz und Niederlagen bereiten Um zu erklaren warum sie diese fur sie nachteilhaften Einstellungen selbst dann aufrechterhalten wenn sie durch Gegenbeweise widerlegt werden zieht Beck das Konzept von Schemata heran 27 Unter einem Schema versteht er kognitive Muster denen eine Person folgt wenn sie einer bestimmten Umweltsituation ausgesetzt ist diese in Begriffe kleidet und darauf reagiert Schemata sind die Prageform mit der Stimuli zu Kognitionen geformt werden Menschen kategorisieren und bewerten ihre Erfahrungen durch eine Matrix von Schemata 28 Diese Schemata konnen sich bei verschiedenen Menschen stark unterscheiden sind bei ein und demselben Menschen meist aber recht stabil 27 Bei Psychopathologien wie z B Depressionen sind bestimmte Schemata dysfunktional was zur Folge hat dass der Patient bestimmte Umweltsituationen auf verzerrte Weise in Begriffe kleidet 29 Beispiel NN grusst mich nicht weil er mich nicht mag 23 Alternative Deutungen NN grusst mich nicht weil er seine Brille nicht tragt und mich nicht erkennt werden systematisch ausgeschlossen Latenz und Aktivierung Bearbeiten Die dysfunktionalen Schemata werden durch Erfahrungen gepragt die zeitlich vor der Depression liegen Sie bleiben meist latent in bestimmten Situationen die der Ur Situation ahneln konnen sie jedoch aktiviert werden 30 Beispiel Ein dysfunktionales Schema das nach dem Tode eines Elternteils in der Kindheit entstanden ist kann aktiviert werden wenn der Patient von seinem Ehepartner verlassen wird Nicht jeder reagiert auf ein Verlassenwerden mit einer Depression sondern nur solche Menschen die aufgrund ihrer kognitiven Organisation fur bestimmte Situationen besonders sensibel sind 30 Uber die letztlichen Ursachen der Aktivierung d h ob die Aktivierung durch psychischen Disstress ein biochemisches Ungleichgewicht hypothalamische Stimulation oder noch andere Faktoren erfolgt werden im Rahmen der kognitiven Theorie der Depression keine Aussagen gemacht 31 Es kommt vor dass ein Patient die Situation die ihn depressiv macht im Sinne eines Teufelskreises selbst hervorbringt So fuhrt ihn die Depression eventuell zum Ruckzug von engen Bezugspersonen die ihn daraufhin kritisieren oder zuruckweisen was wiederum seine eigene Ruckzugsneigung verstarkt Ebenso ist es jedoch moglich dass nicht der Patient sondern eine Bezugsperson den Anfang gemacht hat Umgekehrt konnen harmonische Beziehungen zu nahestehenden Personen den Ausbruch einer Depression unter Umstanden abfedern Der Grad zu dem Bezugspersonen eine Depression beeinflussen ist von Patient zu Patient jedoch sehr uneinheitlich Neben offensichtlich reaktiven Depressionen gibt es auch solche bei denen sich keine ungunstigen ausseren Bedingungen aufweisen lassen 32 Die dysfunktionalen Schemata werden in der Depression idiosynkratisch und uberaktiv und werden mit zunehmender Erkrankung auch auf Situationen angewandt mit denen sie logisch immer weniger zu tun haben In der schweren Depression ist der Patient vollstandig eingenommen von unablassig wiederkehrenden sich wiederholenden negativen Gedanken und er schafft es unter Umstanden kaum noch seinen Geist anderen Aufgaben zu offnen Der Patient verliert mehr oder weniger die Willenskontrolle uber sein Denken und die idiosynkratische Organisation seiner Kognition wird autonom 29 Depressogene Grundannahmen Bearbeiten Die automatischen situationsspezifischen Gedanken liefern laut Beck die Zugangsmoglichkeit zu den dahinter liegenden grundlegenderen und situationsubergreifenden depressogenen Grundannahmen Depressogene Grundannahmen sind jene dysfunktionalen Uberzeugungen die den Betreffenden zur Depression pradispositionieren Die Grundannahmen sind nicht unmittelbar bewusst und konnen vom Patienten meist erst nach langerer Introspektion artikuliert werden Sie sind schwerer zu erkennen und zu bearbeiten als automatische Gedanken Beck zahlt einige Grundannahmen auf die zur Depression dispositionieren hier einige Beispiele 33 Um glucklich zu sein muss ich bei allem was ich unternehme Erfolg haben Um glucklich zu sein muss ich immer von allen Menschen akzeptiert werden Wenn ich Fehler mache bedeutet das dass ich unfahig bin Ich kann ohne dich nicht leben Wenn jemand anderer Meinung ist als ich bedeutet das dass er mich nicht mag Mein Wert als Mensch hangt davon ab was andere von mir denken Die Gedanken der negativen kognitiven Triade verstarken die dysfunktionale Grunduberzeugung ebenso wie umgekehrt 23 Formen der kognitiven Verzerrung BearbeitenDepressive Patienten halten am Wahrheitsgehalt ihrer negativen Konzepte auch dann fest wenn sie durch Gegenbeweise widerlegt werden Ursache dafur sind systematische Denkfehler Beck identifiziert bei depressiven Patienten insbesondere sechs Formen der kognitiven Verzerrung 34 Willkurliche Ruckschlusse arbitrary inference Ruckschlusse X mag mich nicht werden aus Anhaltspunkten gezogen die fur die betreffenden Ruckschlusse entweder unzureichend sind oder sie sogar ausschliessen Selektive Verallgemeinerung selective abstraction Aus einem Bundel von Anhaltspunkten wird ein Detail herausgeklaubt aus dem Ruckschlusse gezogen werden Y hat mir beim Abschied nicht die Hand gegeben also mag er mich nicht Ruckschlusse aus sehr viel offensichtlicheren Anhaltspunkten Y schien erfreut zu sein mich getroffen zu haben und wir hatten ein gutes langes Gesprach unterbleiben Voreiliges Verallgemeinern overgeneralization hasty generalization Aufgrund eines einzigen Vorfalls oder aufgrund mehrerer isolierter Vorfalle wird eine allgemeine Regel aufgestellt die nicht nur auf ahnliche Situationen angewendet wird sondern auch auf solche Situationen die zu den Ur Vorfallen keinerlei Ahnlichkeit aufweisen Aufblasen magnification und Schmalern minimization Negative Ereignisse werden unangemessen hoch bewertet und positive Ereignisse in ihrer Bedeutung heruntergespielt Beispiel Dass ich beim Kunden A den Vertragsabschluss hinbekommen habe ist nichts wert Aber dass Kunde B bis heute noch nicht zuruckgerufen hat zeigt dass ich ein schlechter Verkaufer bin Personalisierung personalization Der Patient bezieht Ereignisse ohne ausreichende Anhaltspunkte auf sich selbst Mein Kind hat dieses Jahr zwei schlechte Schulnoten Ich habe als Mutter versagt Dichotomes Denken absolutistic dichotomous thinking Der Patient neigt dazu alle Ereignisse in eine von zwei komplementaren Kategorien zu klassifizieren z B makellos fehlerhaft rein schmutzig heilig sundhaft Sich selbst sieht der Patient stets in der negativen Sparte In der Fachliteratur werden weitere kognitive Verzerrungen genannt 35 Katastrophisieren Das Eintreffen oder die Bedeutung von negativen Ereignissen wird stark uberbewertet Meinen Kindern wird bestimmt etwas Schlimmes passieren Emotionale Beweisfuhrung Das Gefuhl wird als Beweis fur die Richtigkeit der Gedanken genommen Ich fuhle dass ich nichts wert bin also ist das auch so Etikettierung Aus einer Handlung wird ein umfassender Sachverhalt gemacht z B Ich habe verloren ich bin ein absoluter Verlierer Gedankenlesen Man meint ohne nachzufragen die Gedanken der anderen zu kennen Die anderen denken ich bin ein Versager Tunnelblick selektive Aufmerksamkeit Jemand sieht nur einen bestimmten Aspekt seines gegenwartigen Lebens Wenn ich Stress auf der Arbeit habe dann ist mein Leben verpfuscht Gemeinsam ist diesen Denkmustern dass sie im Sinne von Piaget 36 als primitiv beschrieben werden konnen Primitives Denken ist moralisierend und leugnet dass etwas mehrere Seiten haben kann z B dass eine Person gute und schlechte Eigenschaften in sich vereinen kann dass zwischen den Extremen des Schwarz Weiss Denkens eine ganze Skala von Graustufen liegt dass menschliches Verhalten situationsabhangig ist z B dass jemandem bestimmte Handlungen in manchen Situationen schwerer in anderen aber leichter fallen dass Menschen sich andern und Probleme gelost werden konnen 37 Die Gedanken die das Bewusstsein depressiver Menschen uberfluten neigen daher dazu extrem negativ kategorisch absolut und wertend zu sein auch ihre emotionalen Reaktionen tendieren zum Negativen und zum Extremen 34 Automatische Gedanken BearbeitenVon zentraler Bedeutung fur das Empfinden und die depressiven Symptome des Patienten sind nach Beck die so genannten automatischen Gedanken Hierunter versteht man schnell ablaufende blitzartig auftretende subjektiv plausibel erscheinende und sich unfreiwillig einstellende Kognitionen die zwischen einem Ereignis externaler oder internaler Art und einem emotionalen Erleben Konsequenz liegen Die automatischen Gedanken sind zumeist im Sinne der oben beschriebenen Denkfehler verzerrt Diese sich aufdrangenden automatischen Gedanken sind den Patienten zumeist zu Beginn der Therapie nicht bewusst konnen jedoch bewusst gemacht werden und sind dadurch der therapeutischen Bearbeitung zuganglich Literatur BearbeitenAaron T Beck A John Rush Brian F Shaw Gary Emery Cognitive Therapy of Depression The Guilford Press New York 1979 ISBN 0 89862 919 5 englisch Einzelnachweise BearbeitenAlle nachfolgend aufgefuhrte Nachweise Beck et al beziehen sich auf Aaron T Beck A John Rush Brian F Shaw Gary Emery Cognitive Therapy of Depression The Guilford Press New York 1979 ISBN 0 89862 919 5 a b c Beck et al 1979 S 8 Alfred Adler Wozu leben wir Fischer Frankfurt M 1979 S 21 a b c Beck et al S 9 Albert Ellis Outcome of employing three techniques of psychotherapy In Journal of Clinical Psychology Band 13 1957 S 344 350 Albert Ellis Reason and emotion in psychotherapy Lyle Stuart New York 1962 Albert Ellis Growth through reason Verbatim cases in rational emotive psychotherapy Science amp Behavior Books Palo Alto 1971 Albert Ellis Humanistic psychotherapy The rational emotive approach McGraw Hill New York 1973 Beck et al S 10 Aaron T Beck Cognitive Therapy and the emotional disorders International Universities Press New York 1976 Aaron T Beck Thinking and depression 1 Idiosyncratic content and cognitive distortions In Archives of General Psychiatry Band 9 1963 S 324 333 Aaron T Beck Thinking and depression 2 Theory and therapy In Archives of General Psychiatry Band 10 1964 S 561 571 Aaron T Beck Depressinon Clinical experimental and theoretical aspects Hoeber New York 1967 Wiederaufgelegt unter dem Titel Depressions Causes and treatment Philadelphia University of Pennsylvania Press 1972 Richard C Friedman The depressed masochistic patient diagnostic and management considerations a contemporary psychoanalytic perspective In Journal of The American Academy of Psychoanalysis and Dynamic Psychiatry Nr 1 1991 S 9 30 PMID 2061139 Seymour Fisher Roger Greenberg Freud scientifically reappraised Testing the theories and therapy John Wiley amp Sons New York 1996 ISBN 0 471 57855 X a b Beck et al Vorwort Beck et al S 7 Rashmi Nemade Natalie Staats Reiss Mark Dombeck Psychology Of Depression Behavioral Theories Abgerufen am 24 Oktober 2017 Peter M Lewinsohn A Behavioral approach to Depression In R J Friedman M M Katz Hrsg Psychology of depression Contemporary theory and research Wiley Oxford England 1974 S 157 178 Negative Cognitive Style In Risk Factors in Depression 1 Januar 2008 S 237 262 doi 10 1016 B978 0 08 045078 0 00011 3 sciencedirect com abgerufen am 14 Juni 2021 Learned Helplessness Abgerufen am 5 November 2017 Lauren B Alloy Lyn Yvonne Abramson Depressive realism four theoretical perspectives In Lauren B Alloy Hrsg Cognitive processes in depression Guilforde Press New York 1988 ISBN 978 0 89862 706 0 S 223 265 Aaron T Beck Clinical Experimental and Theoretical Aspects Harper amp Row New York 1967 ISBN 0 8122 1032 8 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Beck et al 1979 S 18 Mark T Schreiber Depressive cognitions In American Journal of Psychiatry Band 6 1978 S 1550 Beck et al 1979 S 18 Beck et al 1979 S 19 Beck et al S 3 Beck et al S 4 Beck et al S 5 a b c d James N Butcher Susan Mineka amp Jill M Hooley Klinische Psychologie 13 Auflage Pearson Studium Munchen 2009 ISBN 978 3 8273 7328 1 S 299 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Frank Wills Kognitive Therapie nach Aaron T Beck Therapeutische Skills kompakt Band 7 Junferman Paderborn 2014 ISBN 978 3 95571 133 7 S 120 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Saul McLeod Cognitive Behavioral Therapy Abgerufen am 26 Oktober 2017 a b c Beck et al S 11 a b c d Beck et al S 12 Beck et al S 12f a b Beck et al S 13 a b Beck et al S 16 Beck et al 1979 S 20 Beck et al 1979 S 17 Beate Wilken Methoden der Kognitiven Umstrukturierung Ein Leitfaden fur die psychotherapeutische Praxis 5 aktualisierte Auflage Kohlhammer Stuttgart 2010 ISBN 978 3 17 021324 1 S 28 ff Kohlhammer Urban Taschenbucher 466 a b Beck et al S 14 Beate Wilken Methoden der Kognitiven Umstrukturierung Ein Leitfaden fur die psychotherapeutische Praxis 5 aktualisierte Auflage Kohlhammer Stuttgart 2010 ISBN 978 3 17 021324 1 S 25 ff Kohlhammer Urban Taschenbucher 466 Jean Piaget Le jugement moral chez l enfant Librairie Felix Alcan Paris 1932 Beck et al S 15 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kognitive Theorie der Depression amp oldid 236638662