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Der Judische Friedhof Burgkunstadt war der Friedhof des Burgkunstadter Distriktsrabbinats und einiger angrenzenden Orte Er liegt im oberfrankischen Burgkunstadt einer Gemeinde im Landkreis Lichtenfels Der Bestattungsort befindet sich ein Kilometer nordwestlich von Burgkunstadt am Ebnether Berg Die altesten der etwa 2000 Grabsteine stammen aus dem 17 Jahrhundert der letzte aus dem Jahr 1940 In der ortlichen judischen Bevolkerung hatte sich fur den Friedhof vor allem der Name Guter Ort etabliert EingangsportalBlick uber die Graberfelder Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Bau und Nutzungsgeschichte von 1620 bis 1933 1 2 Entwicklungen im Dritten Reich von 1933 bis 1945 1 3 Entwicklung seit 1945 2 Aufbau und Charakterisierung des Friedhofes 2 1 Grabsteine 2 2 Taharahaus 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenBau und Nutzungsgeschichte von 1620 bis 1933 Bearbeiten Im Jahr 1620 wurde das Feld am sogenannten Hutanger als Grundstuck fur einen neu anzulegenden Friedhof der judischen Gemeinde Burgkunstadts bestimmt 1 Moglicherweise fanden an dieser Stelle aber schon seit viel langerer Zeit die verstorbenen Gemeindemitglieder ihre letzte Ruhe 1 Die ersten Juden siedelten in Burgkunstadt und der Umgebung bereits ab Mitte des 13 Jahrhunderts Die erste Beerdigung im Friedhof fand gesichert im Jahr 1626 statt wobei auch bereits 1623 schon eine stattgefunden haben konnte von der jedoch kein Grabstein mehr erhalten ist 1 1679 erfolgte eine erste Erweiterung des Friedhofs 2 Finanziert wurde der Friedhof durch den Israelitischen Begrabnisverein der auch den bis 1835 genutzten Judischen Friedhof in Kups mitbetreute Einnahmen generierte der Verein insbesondere durch Beitrage die anlasslich von Hochzeiten gezahlt werden mussten und sich in der Hohe nach dem Vermogen des Brautpaares richteten Im Jahr 1829 betrugen diese Einnahmen aus insgesamt 17 Gemeinden zusammen 54 15 Gulden 1 Bedingt durch die stark angewachsenen judischen Gemeinden im Einzugsgebiet des Friedhofs stellten am 12 Marz 1841 die drei Vorsteher des Begrabnisvereins Moritz Mack aus Altenkunstadt Michael Rothschild und Abraham Schreyer Thurnauer beide aus Burgkunstadt bei der Stadt Burgkunstadt einen Antrag auf Erweiterung des israelitischen Begrabnisplatzes zu Burgkunstadt Diese wurde bald darauf genehmigt und die Planungen begonnen Abgeschlossen werden konnten die Arbeiten im Jahr 1844 Erneuert wurde im Zuge der Bauarbeiten die Freidhofsumfassungsmauer die zudem mit einem grossen Portal versehen wurde neben dem an der Innenseite der Mauer ein neues Taharahaus und ein neuer Brunnen errichtet wurden Die meisten Beerdigungen fanden auf dem Friedhof in der Blutezeit der judischen Gemeinden im Einzugsgebiet um den Friedhof in den Jahren von 1830 bis 1850 statt Waren dies um 1840 noch uber 2000 Personen sank die Zahl der judischen Gemeindemitglieder bis 1867 auf rund 800 ab Bedingt war dies vor allem durch die starke Abwanderung in grossere Stadte wie Bamberg und Nurnberg und die Auswanderung in die USA Im Jahr 1900 lebten noch etwa 400 Juden im Einzugsgebiet und 1933 nur noch 120 1 Entwicklungen im Dritten Reich von 1933 bis 1945 Bearbeiten Bedingt durch die antijudischen Entwicklungen im Dritten Reich nahm der Burgkunstadter Burgermeister Leo Feuersinger im November 1938 Verhandlungen mit dem Begrabnisverein auf den Friedhof und einige angrenzenden Flurstucke an die Stadt Burgkunstadt zu verkaufen was jedoch vorerst nicht geschah Die letzte Bestattung auf dem Begrabnisort fand 1940 statt Nach der Auflosung des Begrabnisvereins und der Ausloschung der judischen Gemeinde durch Flucht und Deportation im April 1942 wurden die Kaufverhandlungen mit der Reichsvereinigung der Juden Bezirksstelle Munchen weitergefuhrt Am 2 Juni 1943 erfolgte schliesslich der Kauf durch die Stadt fur den sehr geringen Preis von 1000 RM Am 6 Marz 1944 wurde die Stadt Burgkunstadt vom Finanzamt Lichtenfels aufgefordert zusatzlich noch 200 RM an die Reichsvereinigung der Juden zu zahlen mit denen der Erwerb der Grabsteine abgegolten werden sollte 3 Nach dem Kauf kursierte kurzzeitig das Gerucht dass die SA plane den Friedhof zu schleifen und auf dem Gelande einen Schiessplatz zu errichten was jedoch nie so geplant war Durch einzelne Personen kam es in den Jahren 1943 bis 1945 zu politisch motivierten Schandungen einzelner Graber wobei manche vollig zerstort wurden 3 Entgegen der Befurchtungen den Friedhof einzuebnen wandte sich in einem Schreiben vom 18 Februar 1943 das Reichsinstitut fur Geschichte des neuen Deutschlands an die Stadt Burgkunstadt und forderte diese auf den Friedhof umgehend zu schutzen und weitere Zerstorungen zu unterbinden Das Reichsinstitut fur Geschichte des neuen Deutschlands zu dessen Hauptaufgabe die Erforschung der Judenfrage gehort fuhrt in Einvernehmen mit dem Reichsfuhrer SS seit langerer Zeit eine Aktion zur Erfassung der in Deutschland noch vorhandenen Judenfriedhofe durch Diese sind unter genealogischen und anthropologischen Gesichtspunkten von Bedeutung fur eine moglichst vollstandige Erfassung der Judenfamilien und Judensippen und ihrer Stellung im deutschen Volksleben der Vergangenheit damit zugleich aber auch fur die moglichste Sicherung und Vertiefung unserer wissenschaftlichen Erkentnisse fur den Kampf gegen das Judentum Weiteren Zerstorungen des Friedhofs ist Einhalt zu gebieten Vielfach handelt es sich namlich bei den judischen Grabdenkmalern fruherer Jahrhunderte um Arbeiten deutscher Steinmetzen die von kunstlerisch erheblichem Wert sein konnen und deshalb wichtige Zeugnisse deutscher Handwerksentwicklung darstellen Sie sollten deswegen nicht ohne Not zerstort und falls vorhanden auch bei Abraumung der Friedhofe irgendwie sichergestellt werden Reichsinstitut fur Geschichte des neuen Deutschlands 1943 3 Des Weiteren wurde durch das Reichsinstitut anstehende Massnahmen angekundigt unter anderem die fotografische Erfassung der Grabsteine und Ausgrabungen fur anthropologische Messungen Alle Arbeiten sollten unter rassekundlichen genealogischen und kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten erfolgen 3 Durch die kriegsbedingte Personalknappheit des Institutes wurden jedoch keine der Arbeiten durchgefuhrt Der erzwungene Verkauf des Friedhofs an die Stadt wurde 1945 ruckgangig gemacht und das Anwesen dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern ubereignet dem es bis heute gehort Soweit moglich wurden die Schaden aus der NS Zeit behoben 3 Entwicklung seit 1945 Bearbeiten Fur grosses Entsetzen und internationale Berichterstattung vor allem in den USA und in Israel aber auch unter anderem in der Tagesschau sorgte eine Schandung des Friedhofs in der Nacht zum 24 Februar 1973 Ein Spazierganger hatte entdeckt dass in der Nacht mehr als 600 Grabsteine umgeworfen und teilweise zerstort worden waren 2 Neben einem rechtsextremen Tatmotiv wurde auch ein Racheakt an den Israelis fur den Abschuss einer libyschen Verkehrsmaschine uber der Sinai Halbinsel durch israelische Kampfflugzeuge am 21 Februar 1973 in Betracht gezogen Nach nur drei Tagen Ermittlungsarbeit konnten jedoch die Tater gefasst werden bei denen es sich um junge Manner aus Alten und Burgkunstadt handelte welche die Schandung unter Alkoholeinfluss nach einer Faschingsparty begangen hatten In Zusammenarbeit mit dem Israelitischen Landesverband wurde der Friedhof durch die Stadt Burgkunstadt wieder hergerichtet 3 Durch mehrere Institutionen und Schulergruppen erfolgen in unregelmassigen Abstanden ehrenamtliche Pflegemassnahmen des Friedhofsgelandes Seit 1989 wird alljahrlich im September durch die Interessensgemeinschaft Synagoge Altenkunstadt in den Tagen um Rosch ha Schana eine Gedenkfeier auf dem Friedhof abgehalten 3 Aufbau und Charakterisierung des Friedhofes BearbeitenMit einer Flache von 144 5 Ar und noch etwa 2000 Grabsteinen Mazewot zahlt der Begrabnisplatz zu den grossten judischen Landfriedhofen Bayerns Die viereckige Anlage wird von einer Sandsteinummauerung begrenzt und steht unter Denkmalschutz Das schmiedeeiserne Eingangstor ist von einer massiven Steinmauer eingefasst Links dahinter befindet sich das 1844 erbaute kleine Taharahaus aus Sandstein und ein Brunnen Das Einzugsgebiet des Friedhofes umfasste das Obermaingebiet mit den judischen Gemeinden in den Distriktsrabbinaten Burgkunstadt Altenkunstadt Burgkunstadt Ebneth Fassoldshof Maineck Weidnitz Distriktsrabbinat Redwitz Friesen Horb am Main Kronach Kups ab 1832 Lichtenfels bis 1840 Mistelfeld Mitwitz Oberlangenstadt ab 1832 Redwitz sowie in Teilen auch Bayreuth bis 1787 4 Coburg Hochstadt am Main Kulmbach Rothwind Seubelsdorf 1 2 Grabsteine Bearbeiten nbsp Schematischer Grundriss des Judischen Friedhofs mit Darstellung der BelegungsflachenDie Grabsteine sind in vier grosseren Feldern aufgestellt wobei sich die altesten beiden Felder noch weiter unterteilen lassen Im mittleren Teil Feld 1 stehen die altesten Grabsteine Sie lassen sich in drei kleinere Bereiche unterteilen wobei die Belegungen ab 1620 1730 und 1784 begannen 5 Die meisten Steine aus diesen Feldern sind heutzutage weitgehend umgekippt oder komplett im Boden versunken Sehr gut erhalten ist jedoch nach wie vor der alteste noch erhaltene Stein des Friedhofes aus dem Jahr 1626 Im Nordlichen Teil des Friedhofs Feld 2 stehen Grabsteine aus der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts angeordnet in abermals drei Bereichen die ab 1818 1827 und 1842 belegt wurden 5 Rechts vom Eingang im ostlichen Teil Feld 3 stehen in regelmassigen Reihen mit etwa gleichem Abstand die 720 Grabsteine aus der Zeit von 1844 bis 1878 Die Grabsteine links vom Eingang Feld 4 stammen aus den Jahren von 1874 bis 1940 5 und zeigen oft deutsche Inschriften und Symbole die auch auf christlichen Friedhofen zu finden sind Die meisten Steine in den beiden altesten Abschnitten des Friedhofs sind mit 80 bis 100 cm Hohe relativ niedrig haben eine Breite von meist 40 bis 50 cm und eine Starke von 8 bis 15 cm Vorherrschend sind die Stilformen des Barock Rokoko und Biedermeier erganzt um traditionelle judische Symbolzeichen wie Kohanimhande Mohelmesser Levitenkannen Schofarhorner und blaser und Familienembleme Viele der Steine sind teilweise oder fast vollstandig im Erdboden eingesunken einige jedoch auch in den Jahren 1926 bis 1928 mit Unterstutzung des Landesrabbinats Munchen saniert 1 Taharahaus Bearbeiten Das Taharahaus erstreckt sich uber eine Grundflache von etwa 4 5 5 m und erhebt sich als eingeschossiger Sandsteinquaderbau mit Satteldachabschluss An der Westseite befindet sich ein kleines Fenster und an der Nordseite drei kleine Fenster wovon eines im Giebel eingelassen ist Der Zugang zum Taharahaus erfolgt an der Ostseite wo sich auch eine Steinplatte mit einer hebraischen Inschrift befindet deren Ubersetzung wie folgt lautet Gelobt seist Du unser G tt Konig der Welt der Euch gezeugt hat nach dem Gesetz und Euch ernahrt und erhalten hat nach dem Gesetz und Euch zu sich berufen hat nach dem Gesetz Und er weiss die Zahl von Euch und er wird Euch in der Zukunft auferstehen lassen nach dem Gesetz Gelobt seist Du G tt der die Toten auferstehen lasst Michael Truger Ubersetzung 6 Literatur BearbeitenKlaus Dieter Alicke Lexikon der judischen Gemeinden im deutschen Sprachraum 3 Bande Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 2008 ISBN 978 3 579 08035 2 Online Ausgabe Angela Hager Hans Christof Haas Burgkunstadt In Wolfgang Kraus Berndt Hamm Meier Schwarz Hrsg Mehr als Steine Synagogen Gedenkband Bayern Band I Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgau 2007 ISBN 978 3 89870 411 3 S 106 111 Theodor Harburger Die Inventarisation judischer Kunst und Kulturdenkmaler in Bayern Band 2 Adelsdorf Leutershausen Judisches Museum Franken Furth amp Schnaiitach Hrsg Furth 1998 S 117 130 Lothar Mayer Judische Friedhofe in Mittel und Oberfranken Michael Imhof Verlag Petersberg 2012 S 54 59 ISBN 978 3 86568 572 8 Josef Motschmann Der Leidensweg der Juden am Obermain vom Ende der judischen Gemeinden in Lichtenfels Burgkunstadt und Altenkunstadt in den Jahren 1933 1942 SPD Kreisverband Lichtenfels Hrsg Lichtenfels 1983 Josef Motschmann Siegfried Rudolph Guter Ort uber dem Maintal Der judische Friedhof bei Burgkunstadt Lichtenfels 1999 CHW Monographien Band 1 ISBN 3 87735 146 8 Hans Pfreundner Materialien zur Geschichte der Juden in Burgkunstadt und Umgebung Burgkunstadt Burgkunstadt 1989 Beilage zum Jahresbericht des Gymnasiums Burgkunstadt 1988 89Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Judischer Friedhof Burgkunstadt Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Judischer Friedhof in Burgkunstadt bei Alemannia Judaica mit vielen Fotos Judischer Friedhof in Burgkunstadt beim Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland Judischer Friedhof in Burgkunstadt beim Haus der Bayerischen Geschichte Stadt Burgkunstadt Judische Kultur Memento vom 2 Januar 2015 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g Motschmann 1999 S 29 36 a b c Judische Friedhofe in Bayern Burgkunstadt uni heidelberg de abgerufen am 13 Marz 2019 a b c d e f g Motschmann 1999 S 36 39 Judische Friedhofe in Bayern Bayreuth uni heidelberg de abgerufen am 13 Marz 2019 a b c Motschmann 1999 S 42 Motschmann 1999 S 21Judische Friedhofe in Oberfranken Stadt Bamberg Bamberg Landkreis Bamberg Aschbach Buttenheim Heiligenstadt i OFr Lisberg Reckendorf Reichmannsdorf Walsdorf ZeckendorfStadt Bayreuth Bayreuth Landkreis Bayreuth Aufsess Stadt Coburg Coburg Landkreis Coburg AutenhausenLandkreis Forchheim Ermreuth Hagenbach Pretzfeld Stadt Hof Hof Landkreis Hof OberkotzauLandkreis Kronach Kups Landkreis Lichtenfels Burgkunstadt Lichtenfels 50 152222222222 11 249444444444 Koordinaten 50 9 8 N 11 14 58 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judischer Friedhof Burgkunstadt amp oldid 230339363