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Die Judische Gemeinde in Rostock hat eine Geschichte die bis zur Stadtgrundung der mecklenburgischen Hansestadt Rostock zuruckreicht Sie weist nach mehrfacher Zerstorung heute wieder ein lebendiges Gemeindeleben auf Die Gemeinde ist Mitglied im Landesverband der Judischen Gemeinden in Mecklenburg Vorpommern Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Erste Gemeinde 1 2 Zweite Gemeinde 1 2 1 Deutsches Kaiserreich 1 2 2 Weimarer Republik 1 2 3 Nationalsozialismus 1 3 Dritte Gemeinde 1 3 1 Nachkriegszeit und DDR 1 3 2 Entwicklung seit 1989 2 Judische Gemeinde heute 2 1 Neuer Judischer Friedhof 3 Literatur 4 Einzelnachweise 5 WeblinksGeschichte BearbeitenErste Gemeinde Bearbeiten Bereits kurz nach der Stadtgrundung in der Mitte des 13 Jahrhunderts siedelten erste Juden in Rostock Sie betrieben Handel und Geldgeschafte ein Darlehen an die Stadt ist fur das Jahr 1270 belegt 1279 erhielt die Gemeinde einen Begrabnisplatz bewilligt worauf ein judischer Friedhof nordwestlich der Stadt vor dem Kropeliner Tor angelegt wurde Eine Synagoge ist fur diese Zeit nicht nachgewiesen Im 14 Jahrhundert zur Zeit des Schwarzen Todes wurden Juden auch in Rostock aufgrund des Geruchtes Brunnenvergiftung zu betreiben aus der Stadt vertrieben Zweite Gemeinde Bearbeiten Deutsches Kaiserreich Bearbeiten nbsp Die Synagoge in der Augustenstrasse 1011868 kamen wieder erste Juden nach Rostock und nach der deutschen Reichsgrundung 1871 erhielten sie auch eine Siedlungserlaubnis Die Gemeinde wuchs schnell und zu Beginn des 20 Jahrhunderts gab es bereits uber 300 Gemeindemitglieder Die Gemeinde richtete einen Friedhof ein und errichtete 1902 die Synagoge in der Augustenstrasse 101 Die Mitglieder der Gemeinde integrierten sich in das deutsche soziale Leben waren im Handel und Gewerbe aber auch im Bildungswesen tatig und schlossen sich dem Central Verein deutscher Staatsburger judischen Glaubens an Im Ersten Weltkrieg kampften an den Fronten 60 Gemeindemitglieder von denen die meisten dort starben 1 Weimarer Republik Bearbeiten Mit der Errichtung der Weimarer Republik und der Verabschiedung der Weimarer Verfassung und den darin festgelegten Grundsatzen der Glaubens und Gewissensfreiheit sowie die Abschaffung der Staatskirche im Jahr 1919 fielen auch fur die judischen Mitburger die bis dahin noch bestehenden Einschrankungen und Behinderungen ihrer Betatigungen Viele Juden nahmen aktiv am gesellschaftlichen Leben teil es gab unter ihnen viele Arzte Juristen Hochschullehrer und Kunstler Um das geistliche Zentrum der Synagoge entfaltete sich ein reges Gemeindeleben mit Sonntagsschule Hilfsorganisationen und Gruppen und Vereine fur alle Altersgruppen Die judische Gemeinde erlebte eine Blutezeit 2 Nationalsozialismus Bearbeiten nbsp Ruine der Rostocker Synagoge ca Fruhjahr 1939Ab 1933 mussten die Juden unter dem staatlich verordneten und von vielen Burgern aufgenommenen Antisemitismus leben und leiden Der Auftakt zum Judenboykott erfolgte in Rostock am 30 Marz 1933 mit der Postierung von SA Leuten vor judischen Geschaften und setzte sich am Folgetag mit einer Grosskundgebung auf der Reiferbahn fort Der Boykott von insgesamt 57 Rostocker Geschaften Arztpraxen und Anwaltskanzleien wurde mit Einschuchterung und Gewalt durchgesetzt Mit der Verabschiedung der Nurnberger Gesetze wurde staatlicherseits die gesetzliche Grundlage dafur geliefert Das Reichsburgergesetz legte fest dass kein Jude mehr ein offentliches Amt innehaben durfte Auch die judischen Beamten die seit der Einfuhrung des Berufsbeamtengesetzes von der Entlassung verschont geblieben waren mussten zum 31 Dezember 1935 den Dienst quittieren Ausserdem verloren Juden das politische Wahlrecht 1938 wurde judischen Arzten und Rechtsanwalten die Zulassung entzogen Im Jahre 1938 erreichte die Judenverfolgung eine neue Dimension Massnahmen wie erhohte Steuerforderungen und Loschung aus dem Handelsregister zwangen judische Geschaftsinhaber zur Aufgabe ihrer Unternehmen Die Verdrangung judischer Unternehmen fand Mitte 1939 ihren Abschluss In Rostock wurden im Rahmen der Deportation am 28 Oktober 1938 insgesamt 37 Juden verhaftet und in der Polenaktion nach Polen abgeschoben Im Zuge des von den Nationalsozialisten entfesselten Novemberpogroms brannte am 10 November 1938 die Synagoge in der Augustenstrasse Dem Brandanschlag folgte unmittelbar eine Welle der Gewalt SA und SS Trupps besetzten Hauser Wohnungen und Geschafte zerstorten Einrichtungsgegenstande und tyrannisierten judische Burger 64 von der Gestapo verhaftete Juden wurden in die Strafanstalt Altstrelitz eingewiesen wo sie erschwerten Haftbedingungen ausgesetzt waren Die Auswanderung der restlichen Juden unterstutzte der Vorsitzende der judischen Gemeinde Arnold Bernhard mit den Ertragen aus dem Zwangsverkauf des Synagogengrundstucks Die meisten Juden verliessen die Stadt und versuchten ins Ausland zu fluchten einige hatten Selbstmord begangen wie der Zahnmediziner Prof Hans Moral 70 Gemeindemitgliedern gelang es nicht bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs die Stadt zu verlassen sie wurden von 1942 bis 1944 in Konzentrationslager deportiert und kamen fast alle dort ums Leben Damit horte die Gemeinde auf zu existieren Dritte Gemeinde Bearbeiten Nachkriegszeit und DDR Bearbeiten nbsp Denkmal auf dem Judischen FriedhofNach dem Ende des Krieges entschieden sich die meisten der wenigen Holocaust Uberlebenden fur eine Ausreise nach Palastina um einen neuen judischen Staat aufzubauen Sie hatten das Vertrauen fur einen Neubeginn in die Regierungen und in ihre Mitburger verloren Im gesamten Nachkriegsdeutschland waren etwa 23 000 Gemeindemitglieder gemeldet daneben lebten etwa 15 000 Juden in Deutschland Nach der Grundung der Bundesrepublik und der DDR 1949 und dem Beginn des Kalten Krieges lebte die uberwiegende Zahl der Juden auf dem Gebiet der Bundesrepublik so waren es 1950 etwa 22 431 Hier konnte sich schnell ein funktionierendes Gemeindewesen entwickeln 1950 kam es zur Grundung des Zentralrates der Juden in Deutschland Durch die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen gute Handelsbeziehungen und Reparationszahlungen an Israel konnte die Bundesregierung ihre Wiedergutmachungspolitik gestalten Diejenigen Juden die bewusst ihren Lebensmittelpunkt in der DDR suchten waren meist Sozialisten Kommunisten und Atheisten die teilweise hohe Posten in der DDR bekleideten wie beispielsweise Markus Wolf Hermann Axen und Albert Norden oder als Kunstler erfolgreich waren wie Anna Seghers oder Lea Grundig Ein judisches Gemeindeleben fand nicht statt Ein gewisser Antisemitismus der auch in der immer idealisierten Sowjetunion stark vertreten war herrschte auch in der DDR Dieser nahm stark zu als nach dem Sechstagekrieg Israel als zionistischer Aggressor gegen die arabischen Staaten dargestellt wurde Zum Ende der DDR waren in der gesamten DDR lediglich 630 Juden in Gemeinden gemeldet es gab keine judischen Schulen und Ausbildungsmoglichkeiten Zu hohen Feierlichkeiten reiste ein Rabbiner aus Budapest an In Rostock wurden einige Juden von der sowjetischen Besatzung nach dem Kriegsende in leitende Stellen eingesetzt und leisteten in den Notjahren entscheidende Arbeit wie die Kinderarztin Hedwig von Goetzen oder der Fabrikant Leo Glaser der die LDPD mit aufbaute und als Leiter des Finanzamtes eingesetzt wurde oder der erste Leiter des Gesundheitsamtes Heinrich Strauss Sie alle hatten in den Kriegsjahren ihre Habe verloren und jahrelang nicht arbeiten durfen Zu ihnen gehorte auch der 1981 zum Ehrenburger Rostocks ernannte Ernst Hilzheimer Er gehorte der Entnazifizierungskommission der Stadt an die eng mit den antifaschistischen Kraften zusammenarbeitete Ein Teil der Paulsstrasse trug von 1986 bis 1991 seinen Namen Viele Rostocker judischer Herkunft waren aber nicht glaubig so dass die Grundung einer Gemeinde hier nicht stattfand Erst 1948 wurde in Schwerin eine Judische Gemeinde fur das ganze Land Mecklenburg gegrundet in der sich etwa 100 Glaubige darunter auch Rostocker zusammenfanden Die Rostocker Gemeindemitglieder betreuten den Friedhof im Lindenpark der durch die Stadt bereits 1945 wieder rekultiviert wurde Ein lange wahrender Kampf mit der Stadt um das Grundstuck in der Augustenstrasse auf dem die Synagoge stand endete ergebnislos da die Gemeinde kein Geld zum Kauf hatte Die Stadt liess darauf ein Wohnhaus errichten Erst 1988 wurde eine Erinnerungsstele an dieser Stelle aufgestellt Durch den Wegzug vieler Gemeindemitglieder in den Westen Deutschlands oder ihren Tod kam das Gemeindeleben in den 1970er Jahren zum Erliegen Entwicklung seit 1989 Bearbeiten nbsp Gedenkstein am Standort der Synagoge in der AugustenstrasseMit der Wiedervereinigung und dem Einzug demokratischer Strukturen bekannte sich auch die Stadt Rostock dazu das Wiedererstehen einer judischen Gemeinde zu fordern Beigetragen zur positiven Entwicklung hat der Kontakt zu dem israelischen Historiker Yaakov Zur der bereits 1988 im Zusammenhang mit einer Forschungsarbeit zur Geschichte der Juden in Rostock begann und nach der Wende intensiviert wurde Yaakov Zur wurde fur seine Verdienste zur Versohnung mit dem judischen Volk Ehrendoktor der Universitat Rostock und Ehrenburger der Stadt 1990 wurde die Vereinigung fur judische Geschichte und Kultur in Rostock e V gegrundet Am Schillerplatz wurde durch eine Schenkung des Sohnes des ehemaligen Gemeindevorstehers in Rostock Max Samuel in dessen ehemaliger Villa eine Begegnungsstatte eingerichtet Im Max Samuel Haus fand am 15 November 1992 die Grundung der Landesgemeinde Mecklenburg Vorpommerns statt der erste Vorsitzende war Arkadi Litvan Bereits nach einem Jahr wurden 34 Gemeindemitglieder gezahlt Von hier aus wurden auch die vielen judischen Einwanderer aus Russland betreut die ab 1990 ins Land kamen Eine verbindliche Rechtsgrundlage erhielt die Gemeinde durch den am 14 Juni 1996 geschlossenen Staatsvertrag mit der Landesregierung Mecklenburg Vorpommerns unter dem Ministerprasidenten Berndt Seite Die Zahl der Gemeindemitglieder wuchs standig so dass am 24 April 1994 eine eigene Rostocker Gemeinde gegrundet wurde Der Landesverband wurde Mitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland dessen damaliger Vorsitzender Ignatz Bubis viel fur die Gemeinden im Land erreicht hat Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Rostocker Gemeinde war der Vertrag der zwischen der Stadt Rostock unter ihrem Oberburgermeister Arno Poker und dem Vorsitzenden der Gemeinde Leonid Bogdan am 8 November 1998 unterzeichnet wurde und in dem die Stadt Unterstutzung bei der Einrichtung eines judischen Kindergartens und Friedhofs und beim Bau einer neuen Synagoge zusicherte Judische Gemeinde heute BearbeitenDie judische Gemeinde in Rostock konnte durch die Uberlassung eines Hauses in der Augustenstrasse durch die Stadt eine Zentrale ihres Glaubens in Rostock aufbauen Hier gibt es einen Synagogenraum mit einer Thorarolle die aus Aachen nach Rostock kam Platz fur Gemeindearbeit wie Religionsunterricht und Sonntagsschule fur Kinder und karitative Tatigkeit Das Gemeindeleben ist vielfaltig mit Angeboten fur alle Altersgruppen Besondere Bedeutung hat nach wie vor die Betreuung von judischen Zuwanderern Durch die Grundung des Kulturzentrums Schamaim gestaltete sich die kulturelle Arbeit der Gemeinde planmassig und vielgestaltig Hier wird der Umgang der judische mit der deutschen und russischen Kultur gepflegt Es ist auch der Sitz des Judischen Theaters Mechaje Eine Gemeindebibliothek stellt Literatur zum judischen Leben und Glauben bereit und eine judische Zeitung wird herausgegeben In Rostock existiert ein judischer Sportverein Makkabi Rostock e V Das hochste Gremium in der Gemeinde ist die Reprasentantenversammlung die alle drei Jahre gewahlt wird und den Vorstand und die Revisionskommission wahlt Getragen wird die Hauptlast der Gemeindearbeit von ehrenamtlichen Gemeindemitgliedern Die Gemeinde arbeitet mit vielen gesellschaftlichen Organisationen zusammen dazu gehoren die Stiftung Begegnungsstatte fur judische Geschichte und Kultur die Freunde und Forderer des Max Samuel Hauses die Deutsch Israelische Gesellschaft die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten und die Evangelische und Katholische Kirche Gedenkveranstaltungen werden organisiert so am 9 November dem Jahrestag der Reichspogromnacht oder am 8 Mai dem Jahrestag des Kriegsendes Neuer Judischer Friedhof Bearbeiten Die heutige Judische Gemeinde richtete 1996 auf einem Abschnitt des 1977 eroffneten Westfriedhofs Rostocks einen Friedhof ein Das dortige Begrabnisfeld wurde 2018 durch ein doppelt so grosses Areal von etwa 3000 Quadratmetern an anderer Stelle des Westfriedhofs erganzt Nachdem die Anzahl der Gemeindemitglieder bis 2007 stark angestiegen war ist sie seitdem leicht rucklaufig 3 Zahl der Gemeindemitglieder Jahr Mitglieder Jahr Mitglieder1994 103 2010 6801997 228 2012 6742000 389 2014 6172004 613 2016 5822007 711 2018 5662008 697 2020 540Literatur BearbeitenArkady Tsfasman Juden in Rostock Judische Gemeinde Rostock 2005Einzelnachweise Bearbeiten A Tsfasman Juden in Rostock S 72 A Tsfasman Juden in Rostock S 73 Gemeinde Rostock 13 November 2017 abgerufen am 9 November 2021 Weblinks BearbeitenRostocker Gemeinde beim Zentralrat Private Website Die Juden von Mecklenburg Juden in Rostock Max Samuel Haus Max Samuel Haus Ausstellung Die Synagoge und ihre Rabbiner Rostock 1902 1938 mit Modellansicht der Rostocker Synagoge Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Rostock amp oldid 217135144