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Dieser Artikel behandelt die Abschiebung judischer Polen aus dem Deutschen Reich 1938 fur die ahnliche Bezeichnung der Internierung und Ermordung von Sowjetburgern polnischer Herkunft im Rahmen des Grossen Terrors 1937 38 siehe Polnische Operation des NKWD Als Polenaktion bezeichnete man die Ende Oktober 1938 auf Anweisung Heinrich Himmlers und in Abstimmung mit dem Auswartigen Amt kurzfristig durchgefuhrte Verhaftung von mindestens 17 000 im Deutschen Reich lebenden aus Polen eingewanderten Juden und ihre Ausweisung und Verbringung an die polnische Grenze Die Abschiebung erfolgte gewaltsam und kam fur die Betroffenen vollig uberraschend Herschel Grynszpan dessen Eltern betroffen waren schoss deswegen am 7 November in Paris auf den deutschen Botschaftsmitarbeiter Ernst Eduard vom Rath der am 9 November starb was wiederum als Anlass fur die Novemberpogrome 1938 genommen wurde Ausweisung judischer Polen aus Nurnberg am 28 Oktober 1938 Aufnahme aus dem Bundesarchiv Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Gedenktafel am ehemaligen Polnischen Generalkonsulat in Leipzig in dem 1938 etwa 1300 polnische Juden Schutz fanden Musikviertel Wachterstrasse 32 Am 31 Marz 1938 wurde vom polnischen Parlament ein Gesetz verabschiedet das die Moglichkeit vorsah allen polnischen Staatsburgern die langer als funf Jahre ununterbrochen im Ausland lebten die Staatsburgerschaft zu entziehen 1 Anlass hierfur war vor allem der Anschluss Osterreichs nach dem die polnische Regierung mit der baldigen Einreise von bis zu 20 000 judischen Fluchtlingen polnischer Herkunft aus dem besetzten Osterreich rechnete Am 9 Oktober 1938 folgte eine Verfugung nach der im Ausland ausgestellte Passe ab 30 Oktober 1938 nur mit einem Prufvermerk eines polnischen Konsulats zur Einreise nach Polen berechtigten Auf diese Weise wollte die polnische Regierung eine Massenausweisung nach Polen der im Deutschen Reich lebenden Juden polnischer Staatsangehorigkeit verhindern 1 2 Staatssekretar Ernst von Weizsacker druckte gegenuber dem polnischen Botschafter Jozef Lipski die Befurchtung der deutschen Fuhrung aus dass uns im Wege der Ausburgerung ein Klumpen von 40 50 000 staatenlosen ehemaligen polnischen Juden in den Schoss fiele 3 Die polnische Regierung wurde am 26 Oktober ultimativ aufgefordert die Inhaber polnischer Passe auch kunftig ohne Sichtvermerk einreisen zu lassen andernfalls werde man die polnischen Juden noch vor Inkrafttreten des Gesetzes abschieben 4 In der NS gesteuerten Presse waren besonders Juden osteuropaischer Herkunft schon seit der Machtergreifung von 1933 immer drastischer verunglimpft und diffamiert worden Im Deutschen Reich sowie den angeschlossenen Gebieten lebten zu dieser Zeit etwa 72 000 Juden polnischer Staatsangehorigkeit Reinhard Heydrich liess zwischen dem 28 und 29 Oktober 1938 zahlreiche Juden polnischer Staatsangehorigkeit verhaften Der schnelle Zugriff wurde durch die seit 1935 gefuhrte Judenkartei ermoglicht Obwohl diese Aktion uberraschend kam konnte die Polizei nur einen Teil der polnischen Juden festnehmen und abschieben Einige wurden nicht in der Wohnung angetroffen mussten wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit entlassen werden oder konnten sich versteckt halten 5 Betroffen von der Aktion waren vor allem mannliche Erwachsene Sie wurden zunachst in Gefangnissen und Sammellagern festgehalten und dann mit bewachten Sonderzugen uber die Grenze vor allem bei Neu Bentschen Brandenburg Zbaszyn Bentschen zur Woiwodschaft Posen Chojnice Konitz in Pommerellen und Beuthen in Oberschlesien abgeschoben 1 6 Die Ausgewiesenen durften nur Nahrungsmittel fur zwei Tage und wenige personliche Habseligkeiten mitnehmen Einige durften spater noch einmal fur kurze Zeit nach Deutschland zuruckkehren um ihren Besitz zu verkaufen Die Erlose wurden jedoch auf Sperrkonten deponiert Die Zwangsausweisung kam fur die polnischen Grenzbehorden uberraschend so dass sie unter den gegebenen Umstanden vollig uberfordert waren und je nach Ort unterschiedlich agierten An manchen Grenzorten konnten die Ausgewiesenen ungehindert weiterreisen ohne namentlich erfasst zu werden In Zbaszyn wurde der Versuch unternommen die abgeschobenen Personen zu registrieren bzw ihre Passe zu kontrollieren Etwa 10 000 der Ausgewiesenen durften innerhalb der ersten zwei Tage in das Landesinnere weiterreisen Diejenigen allerdings die in Polen keine Familienangehorigen bzw Bekannten hatten bei denen sie unterkommen konnten und diejenigen denen man die Einreise verweigerte wurden in Zbaszyn interniert 1 Das dortige Lager wurde vom amerikanischen Joint Distribution Committee finanziell unterstutzt Im Winter 1938 39 hielten sich bis zu 8000 Personen im Lager auf in dem katastrophale hygienische Bedingungen herrschten Nach Protesten des polnischen Aussenministeriums wurde die Polenaktion eingestellt Diejenigen Juden welche nicht uber die polnische Grenze getrieben werden konnten wurden von den deutschen Behorden zuruck ins Landesinnere gebracht Im Januar 1939 schlossen Polen und das Deutsche Reich eine Vereinbarung wonach rund 6000 Familienangehorigen der zuvor Ausgewiesenen Frauen und Kinder die Einreise nach Polen ermoglicht wurde Der spatere Literaturkritiker Marcel Reich Ranicki war von dieser Massnahme betroffen Des Weiteren befand sich Zindel Sendel Grynszpan ein Schneidermeister aus Hannover nebst Angehorigen bei den Deportierten Dessen in Paris lebender 17 jahriger Sohn Herschel Grynszpan horte vom Martyrium seiner Familie Um auf die Situation der Juden aufmerksam zu machen schoss er am 7 November 1938 auf den 3 Sekretar der deutschen Botschaft Ernst Eduard vom Rath der am 9 November verstarb Die Nationalsozialisten nahmen dies zum Anlass in der folgenden Nacht die Novemberpogrome 1938 auszulosen Zindel Sendel Grynszpan sagte 1961 im Eichmann Prozess uber die Umstande seiner Deportation und die seiner Familie wahrend der Polenaktion als Zeuge aus 7 Die Zusammenarbeit von Reichsbahn und Behorden bei der Abschiebung lieferte das Vorbild fur die spateren Deportationen in die Konzentrations und Vernichtungslager Literatur BearbeitenJerzy Tomaszewski Auftakt zur Vernichtung Die Vertreibung der polnischen Juden aus Deutschland 1938 Fibre Osnabruck 2002 ISBN 3 929759 63 2 Textauszug Thomas Urban Der Verlust Die Vertreibung der Deutschen und Polen im 20 Jahrhundert Munchen 2004 Leon Noel Der deutsche Angriff auf Polen Verlag Arani Berlin 1948 Bericht des franzosischen Botschafters in Polen 1935 1939 Emanuel Feinermann Rita Thalmann Die Kristallnacht Europaische Verlagsanstalt Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 434 46211 2 zuerst 1987 Wojciech Olejniczak Izabela Skorzynska Hrsg Do zobaczenia za rok w Jerozolimie Deportacje polskich Zydow w 1938 roku z Niemiec do Zbaszynia See You next Year in Jerusalem Deportations of Polish Jews from Germany to Zbaszyn in 1938 Fundacja TRES Zbaszyn 2012 zweisprachige Publikation polnisch u englisch Bonnie M Harris Die Memoiren des Kantors Joseph Cysner Ein seltenes Zeugnis der Polenaktion In Hamburger Schlusseldokumente zur deutsch judischen Geschichte 25 Oktober 2017 doi 10 23691 jgo article 94 de v1 Alina Bothe Gertrud Pickhan Hrsg Ausgewiesen Berlin 28 10 1938 Die Geschichte der Polenaktion Metropol Berlin 2018 ISBN 978 3 86331 411 8 Alina Bothe Radikalisierung vor aller Augen Die Polenaktionen 1938 39 In informationen Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933 1945 Heft 89 2019 Heidi Behrens Norbert Reichling Ich war ein seltener Fall Die deutsch judisch polnische Geschichte der Leni Zytnicka Essen Klartext Verlag 2018 ISBN 978 3 8375 1986 0 Noam Corb From Tears Come Rivers from Rivers Come Oceans from Oceans a Flood The Polenaktion 1938 1939 In Yad Vashem Studies Volume 48 2020 pp 21 69 englisch 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Polenaktion 1938 Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Gedenkseite zur Polenaktion Offenes Archiv Fundacja TRES Zbaszyn Die vergessene Abschiebung Ausstellung erinnert an Polenaktion In taz 18 Juli 2018 Bundesarchiv Die Zwangsausweisung nach Polen im Oktober 1938 Gedenkbuch mit Suchfunktion zur namentlichen Ermittlung der BetroffenenEinzelnachweise Bearbeiten a b c d Die Abschiebung polnischer Juden aus dem Deutschen Reich 1938 1939 und ihre Uberlieferung Bundesarchiv abgerufen am 28 April 2012 Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Band 2 Deutsches Reich 1938 August 1939 hrsg von Susanne Heim Munchen 2009 ISBN 978 3 486 58523 0 S 52 Aufzeichnung des Staatssekretars vom 8 November 1938 zitiert nach Die Verfolgung und Ermordung Bd 2 S 52 mit Anm 136 Hans Jurgen Doscher Reichskristallnacht Die Novemberpogrome 1938 Munchen 2000 ISBN 3 612 26753 1 S 57 Die Verfolgung und Ermordung Dokument 112 S 322 12 500 als Zahlenangabe bei Rita Thalmann Emmanuel Feinermann Die Kristallnacht Hamburg 1993 ISBN 3 434 46211 2 S 38 The Eichmann Trial Jerusalem 1961 Zeugenaussage des Zindel Sendel Grynszpan Abgerufen am 28 Januar 2015 Noam Corb From Tears Come Rivers from Rivers Come Oceans from Oceans a Flood The Polenaktion 1938 1939 In Yad Vashem Studies academia edu abgerufen am 5 April 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Polenaktion amp oldid 238805357