www.wikidata.de-de.nina.az
Das Induktionsproblem auch Humesches Problem oder Hume Problem ist ein Grundproblem der Erkenntnistheorie Es bezieht sich auf die Frage ob und wann ein Schluss durch Induktion von Einzelfallen auf ein allgemeingultiges Gesetz zulassig ist Es wurde erstmals um 1740 von David Hume angesprochen Obwohl das Induktionsproblem im Empirismus formuliert wurde ist es ein Problem aller Philosophien oder Wissenschaften die Induktionsschlusse als Beweisverfahren zulassen Es ist eine moderne Variante des Nominalismus die den vernunftigen Ordnungen des Rationalismus aber auch den auf Messungen beruhenden Verallgemeinerungen der Naturwissenschaften eine beobachterunabhangige Realitat abspricht Inhaltsverzeichnis 1 David Hume 2 Immanuel Kant 3 Klassische Position des Kritischen Rationalismus 4 Neufassung und Losungsvorschlage 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 NachweiseDavid Hume BearbeitenDas Induktionsproblem entwickelt Hume in seinem Erstlingswerk A Treatise of Human Nature I 3 6 und in dessen Uberarbeitung An Enquiry Concerning Human Understanding Hume stiess erstmals bei seiner Behandlung der Kausalitat auf dieses Problem Wenn ausgehend von beobachteten Ursache Folge Beziehungen konstante Ursache Wirkungs Verhaltnisse angenommen und diese Annahmen als Wissen bezeichnet werden so beruht dies nach seiner Auffassung auf principles der menschlichen Natur denen unser Denken folgt und nicht auf einem Sachverhalt in der Welt Unser Urteil folgt der Assoziation der Eindrucke so wie sie unser Verstand aufnimmt und verarbeitet nicht den Tatsachen in der Welt Wir halten Ereignisse fur Ursachen und Wirkungen wenn wir sie wiederholt aufeinander folgen sehen da wir dann automatisch glauben diese Folge sei auch in Zukunft so zu erwarten Daher ist es unmoglich dass irgendwelche Begrundungen durch Erfahrung arguments from experience diese Ahnlichkeit der Vergangenheit mit der Zukunft belegen konnen denn all diese Begrundungen beruhen ja auf der Voraussetzung supposition dieser Ahnlichkeit 1 Ein Vorgang folge zwar dem anderen sie seien jedoch nur verbunden conjoined doch nicht verknupft connected Die naturnotwendige Annahme dass ein bestimmtes Ereignis ein ganz bestimmtes folgendes Ereignis bewirke ist also nach Hume eine Aussage uber Zusammenhange die lediglich den principles der menschlichen Natur entsprechen Menschliche Erkenntnis wird entweder intuitiv gewonnen dass ein Junggeselle unverheiratet ist folgt aus dem Wortgebrauch oder deduktiv durch Schlussfolgerungen wie Alle Menschen sind sterblich Sokrates ist ein Mensch Also ist Sokrates sterblich oder empirisch durch Wahrnehmung von Wiederholungen z B dass die Sonne jeden Morgen aufgeht Die Induktion wird als eine prinzipielle Begrundungsmethode aufgefasst die in ihrer Begrundungsleistung allgemeine Gultigkeit beansprucht Notwendige Voraussetzung fur diese Methode ist die Annahme dass sich etwas in der Zukunft so verhalten wird wie in der Vergangenheit Damit das Induktionsprinzip zu Recht allgemeine Gultigkeit beanspruchen kann muss es unmoglich sein dass diese Voraussetzung nicht zutrifft Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch Die gegenteilige Annahme dieser Voraussetzung dass die Zukunft der Vergangenheit nicht gleich sei birgt jedoch keinen Widerspruch in sich Sie trifft also ebenfalls zu und ist durchaus vorstellbar Wenn aber beide Annahmen gleichermassen moglich sind kann die Voraussetzung Ereignisse seien voraussehbar unmoglich notwendig oder allgemein sein Deshalb ist der Anspruch der Induktionsmethode auf eine allgemeingultige Begrundungsleistung notwendig falsch Die Erkenntnisart des moral reasoning bezieht sich auf Tatsachen und Erfahrung Jede Erkenntnis dieser Art beruht auf dem Prinzip von Ursache und Wirkung Doch die Verbindung von Ursache und Wirkung setzt voraus dass dies auch in Zukunft gelten wird Was bewiesen werden soll wird vorausgesetzt wodurch diese Erkenntnisart ausscheidet Somit hat Hume gezeigt dass es in seinem Modell menschlicher Erkenntnis keine Schlussregel gibt die die Induktion rechtfertigt Der Mensch komme nicht aus logischen Denkoperationen sondern aus Gewohnheit dazu aus den bisherigen Erfahrungen auf die Zukunft zu schliessen Immanuel Kant BearbeitenImmanuel Kant schrieb Hume das Verdienst zu ihn mit seinen skeptischen Argumenten aus dem dogmatischen Schlummer geweckt zu haben Das erkenntnistheoretische Hauptwerk Kants die Kritik der reinen Vernunft behandelt die Frage wie man trotz der von Hume aufgeworfenen Probleme zu sicherem Wissen gelangen kann Dass solches Wissen moglich und in einigen Wissenschaften etwa der Physik oder der Mathematik tatsachlich vorhanden ist stand fur Kant ausser Frage vgl Immanuel Kant AA 000003 III 36 39 2 Kants Ansatz versucht dies durch eine Theorie zu erklaren die Elemente der widerstreitenden erkenntnistheoretischen Richtungen seiner Zeit vereinigt namlich des Rationalismus in der Tradition von Leibniz und Christian Wolff und des Empirismus in der von John Locke und Isaac Newton Kant unterscheidet einerseits zwischen analytischen und synthetischen Urteilen und andererseits zwischen Urteilen a priori und Urteilen a posteriori Analytische Urteile sind sogenannte Erlauterungsurteile So wird in Kants Beispiel Alle Korper sind ausgedehnt nur etwas uber Korper ausgesagt was im mathematischen Begriff Korper schon enthalten ist Mit analytischen Urteilen ist damit fur Kant kein Erkenntnisgewinn verbunden Synthetische Urteile dagegen sind Erweiterungsurteile sie verknupfen mit dem Begriff etwas was nicht schon zuvor in ihm enthalten war so etwa in Alle Korper sind schwer sie stellen damit falls wahr einen Zugewinn an Erkenntnis dar Urteile a priori gelten unabhangig von aller Erfahrung Urteile deren Gultigkeit aus der Erfahrung stammt sind a posteriori Man weiss dass der Junggeselle unverheiratet ist auch wenn man noch nie einen gesehen hat aber das Wissen wonach Wasser trinkbar ist bedarf der Empirie Vgl Immanuel Kant AA 000003 III 30 3 4 da Trinkbarkeit eine Relation zwischen biologischen Organismen und Flussigkeiten ist die nur festgestellt werden kann wenn man sowohl Flussigkeit als auch Organismus betrachtet Aus den zwei Unterscheidungen ergeben sich vier mogliche Kombinationen analytische Urteile a priori etwa Alle Korper sind ausgedehnt analytische Urteile a posteriori entfallen weil analytische Urteile vor Erfahrung gelten obwohl sie aus Anlass einer Erfahrung entdeckt werden konnen synthetische Urteile a posteriori etwa dieses Wasser ist trinkbar synthetische Urteile a priori bei denen Kant sich fragt auf welche Weise sie moglich sind 5 Die Frage ob und wie erfahrungsunabhangig gultige Erweiterungsurteile moglich sind ist die Aufgabenstellung von Kants 1781 erschienenem Werk Kritik der reinen Vernunft Kant bejaht die Moglichkeit synthetischer Urteile a priori Sie sind deshalb moglich weil unsere Erfahrung nur in bestimmten Anschauungsformen Raum und Zeit und unter Kategorien insgesamt 12 darunter auch Kausalitat stattfindet Diese Bedingungen der Moglichkeit von Erfahrung haften dann allem an was uberhaupt erfahren werden kann Nicht die Gegenstande bestimmen die Erkenntnis sondern die Erkenntnis bestimmt die Gegenstande Daher sind fur den Bereich moglicher Erfahrung erfahrungsunabhangige Erweiterungsurteile moglich deren Gultigkeit nicht auf Induktion sondern auf diskursiver Erkenntnis a priori beruht so z B in einer Naturphilosophie wie er sie in seinem Werk Metaphysische Anfangsgrunden der Naturwissenschaft beschreibt In der empirischen Physik sind allgemeine Gesetze damit aber auch als vernunftmassig gebildete Hypothesen moglich die experimentell uberpruft werden konnen Die Bildung der allgemeinen Aussagen beruht dabei nicht auf psychologischer Assoziation sondern auf einer vernunftmassigen Spekulation die mithilfe der Einbildungskraft in Vorhersagen fur die Erfahrung operationalisiert werden kann Nach Ansicht Kants ist dieses Verfahren seit Galileo Galilei in der Physik in Gebrauch die so erst zur Wissenschaft wurde Vgl Immanuel Kant AA 000003 III 15 16 6 Klassische Position des Kritischen Rationalismus BearbeitenKarl Raimund Popper 1902 1994 schliesst sich Humes Ergebnis in verschiedenen Schriften u a Logik der Forschung Objektive Erkenntnis an Es gibt keine gultige Induktion die zwingend von speziellen Beobachtungssatzen der Art Dieser Schwan ist weiss zu der allgemeinen Aussage Alle Schwane sind weiss ubergehen kann Die Wahrheit des Satzes Alle Schwane sind weiss kann nicht durch einzelne Beobachtungssatze des Typs Dieser Schwan ist weiss bewiesen werden Denn ein einziger beobachteter schwarzer Schwan reicht aus um einen solchen Allsatz zu widerlegen Es musste also ausgeschlossen werden dass es schwarze Schwane uberhaupt geben konnte Zwischen Existenzsatzen Es gibt einen weissen Schwan wie sie zur Beschreibung von Beobachtungen verwendet werden und den Allsatzen Alle Schwane sind weiss aus denen nach Popper wissenschaftliche Theorien bestehen besteht hier eine Asymmetrie Existenzsatze dagegen konnen als wahr erkannt werden in dem man sie empirisch verifiziert Fur wissenschaftliche Theorien die aus allgemeinen Aussagen bestehen gilt das nicht sie konnen nur falsifiziert werden Falsifikationismus Popper formuliert daher die Schritte der wissenschaftlichen Methode so Zunachst werden neue Hypothesen als Antworten auf Probleme aufgestellt Dann wird versucht diese durch Beobachtungen zu falsifizieren Gelingt dies nicht gibt es keine Garantie dass es in der Zukunft nicht gelingen wird aber die Theorie ist dadurch zumindest bereits falsifizierten Theorien uberlegen 7 Neufassung und Losungsvorschlage BearbeitenVerallgemeinert wurde Humes Aussage durch den Kritischen Rationalismus Hans Albert gemass welchem Letztbegrundungen wegen des Munchhausen Trilemmas prinzipiell nicht moglich sind Jeder Beweis beruhe auf rational nicht begrundbaren Vorannahmen was jedoch fur bestimmte Sonderfalle von Apel Kuhlmann Hosle et al bestritten wird reflexive Letztbegrundung Es gibt weitere Losungsvorschlage zum Induktionsproblem Peter Frederick Strawson 1919 2006 sagt dass die Standards des induktiven Schliessens selbst das sind was mit Rechtfertigung gemeint ist Richard Bevan Braithwaite nahm 1953 an dass sich die Verlasslichkeit bestimmter induktiver Schlusse induktiv begrunden lasse indem man eine Schlussregel verwende deren Verlasslichkeit durch das Argument selbst erst belegt werden solle 8 ohne dass dies eine zirkulare Begrundung sein soll Rafael Ferber sieht den ausserlogischen Rechtsgrund fur die Vernunftigkeit von Induktionsschlussen in einer hypothetischen Forderung der praktischen Vernunft Das Induktionsprinzip sei eine naturliche und berechtigte Forderung der praktischen Vernunft Ein Induktionsverbot kame einer Aufforderung zum Selbstmord gleich 9 Hans Reichenbach 1891 1953 argumentierte Hume habe darin recht dass man nicht die Verlasslichkeit des induktiven Schliessens zirkelfrei demonstrieren konne wohl aber dass induktives Schliessen das beste ist was wir tun konnen um Voraussagen uber zukunftige Ereignisse und Ereignishaufigkeiten zu machen 10 Reichenbachs Ansatz wurde von Gerhard Schurz zu einer Rechtfertigung der Optimalitat der Meta Induktion 11 des induktiven Schliessens angewandt auf die Erfolgsbilanzen konkurrierender Voraussagemethoden auf streng mathematischer Grundlage ausgebaut 12 Siehe auch BearbeitenBeweis Logik Nelson GoodmanLiteratur BearbeitenLeah Henderson The Problem of Induction In Ed Zalta ed Stanford Encyclopedia of Philosophy Summer 2018 Edition https plato stanford edu archives sum2018 entries induction problem 2018 David Hume A Treatise of Human Nature Being an Attempt to introduce the experimental Method of Reasoning into Moral Subjects deutsch Ein Traktat uber die menschliche Natur 1739 40 David Hume An Enquiry Concerning Human Understanding deutsch Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes 1748 David Hume An Enquiry concerning the Principles of Morals deutsch Eine Untersuchung der Grundlagen der Moral Hrsg v Karl Hepfer Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2002 ISBN 978 3 525 30601 7 Hans Michael Baumgartner Kants Kritik der reinen Vernunft Anleitung zur Lekture Verlag Karl Alber Freiburg i Br Munchen 1996 ISBN 3 495 47638 5 Alan Francis Chalmers Wege der Wissenschaft Springer 2008 ISBN 978 3 540 49490 4 Wolfgang Stegmuller Das Problem der Induktion Humes Herausforderung und moderne Antworten Wiss Buchges Darmstadt 1996 ISBN 3 534 07011 9 Jean George Pierre Nicod The logical problem of induction In Foundations of Geometry and Induction Routledge amp Kegan Paul 1930 Hans Reichenbach The Theory of Probability University of California Press Berkeley 1949 Gerhard Schurz Hume s problem Solved The Optimality of Meta Induction MIT Press Cambridge MA 2019 David Stove Probability and Hume s Inductive Scepticism Clarendon Press Oxford 1973 David Stove The Rationality of Induction Clarendon Press Oxford 1986 Torstens Wilholt Induktion In Jordan Nimtz Hrsg Lexikon Philosophie Hundert Grundbegriffe Reclam Stuttgart 2009 S 139 141 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Induktionsproblem Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Leah Henderson The Problem of Induction In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Franz Huber Confirmation and Induction In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Aufsatze zum Thema Induktion in der neueren Erkenntnistheorie Wolfgang Spohn Die Logik und das InduktionsproblemNachweise Bearbeiten David Hume Eine Untersuchung uber den menschlichen Verstand Frankfurt am Main 2007 S 59 Immanuel Kant Gesammelte Schriften Hrsg Bd 1 22 Preussische Akademie der Wissenschaften Bd 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin ab Bd 24 Akademie der Wissenschaften zu Gottingen Berlin 1900ff AA 000003 III 36 39 KrV B 14 19 Immanuel Kant Gesammelte Schriften Hrsg Bd 1 22 Preussische Akademie der Wissenschaften Bd 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin ab Bd 24 Akademie der Wissenschaften zu Gottingen Berlin 1900ff AA 000003 III 30 KrV A8 B6 Hans Michael Baumgartner Kants Kritik der reinen Vernunft Anleitung zur Lekture Verlag Karl Alber Freiburg i Br Munchen 1996 ISBN 3 495 47638 5 S 30 34 http www textlog de 32742 html Immanuel Kant Gesammelte Schriften Hrsg Bd 1 22 Preussische Akademie der Wissenschaften Bd 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin ab Bd 24 Akademie der Wissenschaften zu Gottingen Berlin 1900ff AA 000003 III 15 16 KrVB xiii xiv Chalmers Alan F Wege der Wissenschaft 50 62 Torsten Wilholt Induktion In Jordan Nimtz Hrsg Lexikon Philosophie Hundert Grundbegriffe Reclam Stuttgart 2009 S 139 141 Rafael Ferber Philosophische Grundbegriffe 6 Auflage C H Beck Munchen 1999 S 69 73 71 Hans Reichenbach The Theory of Probability University of California Press Berkeley 1949 S sec 91 Gerhard Schurz Hume s problem Solved The Optimality of Meta Induction MIT Press Cambridge MA 2019 ISBN 978 0 262 03972 7 Leah Henderson The Problem of Induction In Stanford Encyclopedia of Philosophy Summer 2018 Edition Ed Zalta 2018 abgerufen am 3 Juli 2019 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Induktionsproblem amp oldid 238149698