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Empirische Beobachtungssatze auch Konstatierungen werden im logischen Empirismus Aussagen genannt uber deren Gultigkeit durch sinnliche Beobachtung eine intersubjektive Ubereinkunft erzielt werden kann Sie dienen als empirische Basis zur Uberprufung von Theorien und waren Gegenstand der Protokollsatzdebatte des Wiener Kreises zu Beginn der 1930er Jahre Bis dahin vertretene Auffassungen dass Beobachtungssatze eine absolut gesicherte Basis bieten wurden infolge der Debatte weitgehend aufgegeben und durch einen Fallibilismus ersetzt Demnach kann bei solchen Satzen durch empirische Prufung zwar eine intersubjektive Ubereinkunft im Rahmen eines Forschungskontextes erzielt werden die aber immer insofern vorlaufig ist als sich Beobachtungssatze durch weitere Uberprufungen auch als letztlich falsch erweisen konnen Die Problematik der Protokollsatze ist Gegenstand des Basisproblems der Erfahrung Inhaltsverzeichnis 1 Beobachtungssatz Moritz Schlick 2 Protokollsatz Otto Neurath 3 Beobachtungssatz Rudolf Carnap 4 Basissatz Karl Popper 5 Beobachtungssatz Willard Van Orman Quine 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseBeobachtungssatz Moritz Schlick BearbeitenNach Moritz Schlick kann nur die eigene Konstatierung in der die Beruhrung der Theorie mit der Wirklichkeit zustande kommt absolute Gewissheit bieten Ein Erfullungserlebnis hervorgerufen durch Ubereinstimmung von Voraussage und Konstatierung fuhrt zur Formulierung von Beobachtungsatzen Diese Beobachtungssatze gelten nur zum exakten Zeitpunkt der Formulierung als absolut gewiss Nach diesem Zeitpunkt verwandeln sie sich in Hypothesen ohne zwingende Absolutheit da dann Fehlerquellen Erinnerungsfehler fehlerhafte Niederschrift usw vorhanden sein konnen Schlick sieht aus diesem Grund auch einen Unterschied zwischen Protokollsatzen und Beobachtungssatzen Der Protokollsatz ist jener Satz welcher die Wahrnehmung eines Subjekts thematisiert Die Konstatierung tut dies nicht da sie nicht aufgeschrieben werden kann 1 Daran wird kritisiert dass selbst ein subjektives gewisses Erlebnis keine gewisse intersubjektive Aussagen garantiert das Induktionsproblem nicht gelost wird und auch die subjektive Gewissheit des eigenen Erlebens nicht gewiss ist 2 Protokollsatz Otto Neurath BearbeitenMotiviert durch Pierre Duhems These der Theoriengeladenheit aller Beobachtungen hat Otto Neurath die Auffassung Schlicks von der absoluten Gewissheit von Beobachtungssatzen als metaphysische Scheinthese kritisiert Theorien mussen nach Neurath mit Protokollsatzen in Ubereinstimmung gebracht werden Diese mussen intersubjektiv formuliert sein und einen Verweis auf eine wahrnehmende Person enthalten beispielsweise in der Form Die Person X displaystyle X nbsp hat zur Zeit t displaystyle t nbsp am Ort O displaystyle O nbsp das und das wahrgenommen Protokollsatze besitzen nach Neurath keine absolute Gewissheit sondern ihre Anerkennung beruht auf Konventionen Neurath schlug fur Protokollsatze eine Form vor in der immer ein Personenname in bestimmter Verknupfung mit anderen Termini mehrmals vorkommt Ottos Protokoll um 3 Uhr 17 Minuten Ottos Sprechdenken war um 3 Uhr 16 Minuten Im Zimmer war um 3 Uhr 15 Minuten ein von Otto wahrgenommener Tisch 3 Beobachtungssatz Rudolf Carnap BearbeitenDer Unterschied zwischen singularen Satzen zu denen die Beobachtungsatze gehoren und Allaussagen beispielsweise Naturgesetze ist nach Rudolf Carnap nur graduell sodass singulare Satze genauso wie Allaussagen letztlich nicht endgultig verifiziert werden konnen Nach Carnap enthalt die Annahme bzw Ablehnung eines Beobachtungssatzes deshalb eine intersubjektive konventionelle Komponente da keine allgemeine Regel fur die Annahme oder Ablehnung eines Satzes existiert Prinzipiell kann jeder Beobachtungssatz auch verworfen werden Neben der konventionellen Komponente gibt es aber auch eine objektive Komponente welche aus der gemachten Beobachtung resultiert Beobachtungen konnen z B so deutlich sein dass man praktisch nicht anders kann als einen Beobachtungssatz zu akzeptieren auch wenn trotzdem eine Ablehnung theoretisch moglich ware Nach Carnap sind Beobachtungssatze also keine absolut sicheren Wahrheiten aber auch keine reinen Konventionen Carnap unterteilte die wissenschaftliche Sprache in eine theoretische Kunstsprache und eine empirische Beobachtungsprache zu der die Beobachtungsatze gehoren Basissatz Karl Popper BearbeitenKarl Popper behandelt Protokollsatze als das Problem der empirischen Basis kurz Basisproblem in der Logik der Forschung 1934 Nach seiner Auffassung kann es keine reinen Protokollsatze geben da sie bereits Theorien voraussetzen sie also theoriegeleitet sind und bereits eine Interpretation beinhalten z B die Benennung von wahrgenommenen Objekten Identifikationen von Personen und Orten Ein singularer Aussagesatz behauptet weit mehr als wir je wahrnehmen Popper nennt dies die Transzendenz der Darstellung 4 Popper fuhrte daher das Konzept der Basissatze ein Basissatze haben bei Popper statt Die Person X displaystyle X nbsp hat zur Zeit t displaystyle t nbsp am Ort O displaystyle O nbsp wahrgenommen Der Tisch ist weiss die Form Zur Zeit t displaystyle t nbsp am Ort O displaystyle O nbsp ist der Tisch weiss weil dadurch eine objektive Aussage uber den Tisch selbst gemacht wird nicht lediglich eine Aussage uber den subjektiven Eindruck einer bestimmten Person Ihnen wird kein Beweischarakter zugesprochen stattdessen besitzen sie konventionellen Charakter Denn wenn wir Beobachtungen als wahr oder falsch akzeptieren so entscheiden wir aufgrund einer unsicheren Beurteilung der relevanten Beobachtungssituation Diese Entscheidungen sind also stets aufgrund weiterer und oder anderer Beobachtungen revidierbar 4 Trotzdem gibt es eine durch vereinfachte Rezeption von Poppers Werk entstandene Abwandlung seiner Erkenntnistheorie welche auf Protokollsatze statt auf Basissatze zuruckgreift und daher als dogmatischer Falsifikationismus bezeichnet wird Beobachtungssatz Willard Van Orman Quine BearbeitenDie Auffassung von Willard Van Orman Quine uber Beobachtungssatze ist durch seinen radikalen Empirismus seinen Behaviorismus und seinen naturalistischen Holismus gepragt Im Gegensatz zu Carnap halt Quine die scharfe Unterscheidung zwischen theoretischer Sprache und Beobachtungssprache fur nicht moglich Da fur ihn Theorie und Sprache unaufloslich miteinander verknupft sind ist die Grenze zwischen beiden fliessend Trotzdem halt Quine an den Beobachtungssatzen fest welche fur ihn durch ihre Intersubjektivitat und die enge kausale Verknupfung zu den Sinnesrezeptoren von den ubrigen Satzen ausgezeichnet werden Diese beiden Forderungen bedeuten konkret dass Urteile uber die Beobachtungssatze nur von Reizungen der Sinnesrezeptoren und nur von der gespeicherten Information abhangen welche zu ihrem Verstandnis notwendig ist sowie dass alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft zu demselben Urteil uber sie gelangen sofern sie denselben Sinnesreizungen ausgesetzt sind Siehe auch BearbeitenProtokollsatzdebatte Wiener Kreis Otto Neurath Logischer Empirismus Korrespondenzproblem Psychologie ElementarsatzLiteratur BearbeitenRudolf Carnap Uber Protokollsatze In Erkenntnis Leipzig Bd 3 Nr 2 3 1932 S 215 228 Entgegnung auf Otto Neurath doi 10 1007 BF01886421 Rudolf Carnap Beobachtungssprache und Theoretische Sprache In Dialectica 12 1958 S 236 248 doi 10 1111 j 1746 8361 1958 tb01461 x Volltext PDF Otto Neurath Protokollsatze In Erkenntnis Leipzig Bd 3 Nr 2 3 1932 S 204 212 Auch in Haller Rutte Gesammelte philosophische und methodologische Schriften Bd 2 doi 10 1007 BF01886420 Peter Ehlen Gerd Haeffner Friedo Ricken Philosophie des 20 Jahrhunderts 3 Aufl Kohlhammer Stuttgart 2010 S 337 343 Wolfgang Stegmuller Hauptstromungen der Gegenwartsphilosophie Bd I Kapitel IX ISBN 3 520 30807 X Rainer Schnell Paul B Hill Elke Esser Methoden der empirischen Sozialforschung 10 Auflage Oldenbourg Munchen 2013 ISBN 978 3 486 59106 4 S 75 79 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Bernd Philippi Konstatierung In Jurgen Mittelstrass Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Zweite Auflage Band 4 Metzler 2010 ISBN 978 3 476 02103 8 S 307f Einzelnachweise Bearbeiten Moritz Schlick Uber das Fundament der Erkenntnis S 513 abgerufen am 18 Januar 2020 Hans Gunther Russ Wissenschaftstheorie Erkenntnistheorie und die Suche nach Wahrheit Stuttgart Kohlhammer 2004 Kohlhammer Urban Taschenbucher 59 ISBN 3 17 018190 4 S 71 Thomas Mormann Rudolf Carnap Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 41954 2 S 112 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche a b Herbert Keuth Wissenschaft und Werturteil Zu Werturteilsdiskussion und Positivismusstreit J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1989 ISBN 3 16 345453 4 S 101 107 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Beobachtungssatz amp oldid 237759373