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Ilse Rennefeld 1 November 1895 in Berlin als Ilse Bobreker 1 Januar 1984 in Kongen war eine deutsche anthroposophische Arztin die durch das Unternehmen Sieben vor dem Holocaust gerettet wurde Nach dem Zweiten Weltkrieg begrundete sie eine Arztpraxis in Kongen Dort lebte sie wie schon vor dem Krieg mit ihrem blinden Mann dem Dichter Otto Rennefeld und einer Freundin in einer Lebensgemeinschaft Sie bewohnten das Otto Rennefeld Haus das sich zu einem Haus kultureller Begegnung entwickelte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Jugend 1 2 Studium 1 3 Weimarer Republik 1 4 Nationalsozialismus 1 4 1 Berlin 1 4 2 Niederlande 1 4 3 Schweiz 1 5 Nachkriegszeit 1 6 Lebensabend 2 Otto Rennefeld Haus 3 Schriften 4 Weblinks 5 Literatur 6 FussnotenLeben BearbeitenJugend Bearbeiten nbsp Auguste Victoria Schule heute Fichtenberg Oberschule in BerlinIlse Bobreker wurde am 1 November 1895 in Berlin als zweites der drei Kinder des Getreidehandlers Ferdinand Bobreker und seiner Frau Selma Jacobsohn geboren Die judische Familie wohnte in Wilmersdorf in der Rankestrasse 19 ab 1915 in der Kurfurstenstrasse 102 1 Die wohlhabenden und bildungsbeflissenen Eltern ermoglichten ihrer Tochter eine gute Ausbildung was auch fur hohere Tochter damals nicht selbstverstandlich war Sie besuchte das Realgymnasium Auguste Victoria Schule in Berlin Charlottenburg das sie 1914 mit der Reifeprufung abschloss Auf der Schule lernte sie 1909 die mit ihren Eltern aus Koln zugezogene Klare Meumann 1894 1980 kennen Zwischen beiden entwickelte sich eine tiefe Freundschaft die ein Leben lang anhielt 2 Studium Bearbeiten Ilse Bobreker begann kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommersemester 1914 gemeinsam mit ihrer Schulfreundin Klare Meumann das Studium der Medizin an der Berliner Friedrich Wilhelms Universitat Sie blieb bis zum Wintersemester 1916 17 eingeschrieben 3 Fur den Studienabschluss und die Dissertation wechselten beide 1918 an die Universitat Tubingen 4 1919 legte Ilse ihre Doktorarbeit in Tubingen vor 5 am 27 Mai 1920 erhielt sie ihre Approbation in Berlin 6 Wahrend der Studienzeit war sie in Kiel und Berlin in der Krankenpflege und als Assistenzarztin tatig 7 Weimarer Republik Bearbeiten 1913 hatte Ilse Bobreker an ihrer Schule bei einer Dichterlesung ihren spateren Mann den blinden und mittellosen Dichter Otto Rennefeld kennengelernt der ein Jahr zuvor seine beiden ersten Gedichtbande veroffentlicht hatte Sie verlobten sich 1919 in Tubingen und heirateten ein Jahr spater an Goethes Geburtstag am 28 August 1920 in Berlin Zuvor war Otto Rennefeld 1918 zusammen mit seiner Mutter Adele und seiner Schwester Leni von Koln nach Berlin umgezogen Das Ehepaar und Klare Meumann die Freundin der Ehefrau liessen sich in Charlottenburg nieder zuerst in der Kantstrasse 130a ab 1932 in der Suarezstrasse 64 Sie lebten von nun an in einer Lebensgemeinschaft zusammen die nur einige Jahre in der Nazizeit unterbrochen wurde 8 Mit im Haus wohnten Otto Rennefelds Mutter Adele seine Schwester Leni und Ilses Schwester Edith Otto Rennefeld hatte sich wahrend des Studiums vor dem Ersten Weltkrieg auf Anregung von Freunden der Anthroposophie Rudolf Steiners zugewendet Unter seinem Einfluss wurden auch die beiden Freundinnen zu Anhangern der anthroposophischen Bewegung und nahmen 1921 und 1924 im schweizerischen Dornach an Steiners Arztekursen uber ganzheitliche Medizin teil In ihrer Gemeinschaftspraxis praktizierten die Arztinnen eine Medizin auf anthroposophischer Grundlage Sie wurden zunachst vor allem von Patienten aus dem gehobenen Burgertum des Berliner Westens konsultiert Nachdem Grafin Eliza von Moltke ebenfalls eine Anhangerin der anthroposophischen Bewegung Ilse Rennefelds Patientin geworden war suchten auf ihre Empfehlung auch Angehorige der Berliner Offiziers und Adelskreise ihren arztlichen Beistand 9 Der Dreierbund der beiden Rennefelds und der Freundin Klare Meumann fuhrte ein offenes Haus in dem regelmassig Konzerte literarische Lesungen und Arbeitsabende mit anthroposophischen Arzten stattfanden Die beiden Freundinnen kauften ein Grundstuck in Spandau nahe der Havel und liessen dort ein Landhaus zur Erholung errichten und legten einen biologisch dynamischen Blumen Obst und Gemusegarten an den sie nach einem Fantasieland von Eduard Morike Orplid nannten 10 Otto Rennefeld unternahm mit Frau und Freundin viele Reisen in Deutschland der Schweiz Osterreich Italien Finnland Frankreich England und der Sowjetunion 11 Nationalsozialismus Bearbeiten Berlin Bearbeiten Da Ilse Rennefeld Judin war begann mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 eine Zeit der existenzbedrohenden Schikanen und Demutigungen fur sie Wie allen anderen sogenannten nichtarischen Arzten wurde Ilse Rennefeld im Juli 1933 die Krankenkassenzulassung entzogen Im Oktober 1933 wurde ihre nebenberufliche Tatigkeit als Rettungsarztin die sie seit 1920 ausubte von der Stadt Berlin unter Hinweis auf den Arierparagraphen gekundigt ebenso verlor sie die Mitgliedschaft im Berufsverein der hoheren Kommunalbeamten Deutschlands 1934 emigrierte ihre Schwester Edith mit ihrem Mann dem Kaufmann Otto Husemeyer nach Palastina Da Ilse Rennefeld seit 1922 Mitglied der anthroposophienahen Christengemeinschaft war trat sie 1934 offiziell aus dem Judentum aus ohne jedoch daraus Nutzen ziehen zu konnen Im gleichen Jahr verlor sie wie alle judischen Arzte das Recht zur Ausstellung von Attesten und zur Behandlung von Beamten Behordenangestellten und Patienten aus Privatkassen Nach der vierten Verordnung zum Reichsburgergesetz wurde ihr wie allen judischen Arzten zum 30 September 1938 die Approbation entzogen Die betroffenen Arzte durften mit Genehmigung des Reichsinnenministeriums nur noch Juden ihre Ehegatten und Kinder arztlich versorgen 12 Das Berufsverbot bedeutete fur das Ehepaar Rennefeld das wirtschaftliche Ende da Otto Rennefeld kaum uber Einnahmen verfugte Ilse Rennefeld beschloss daher nach dem Vorbild ihrer Schwester Deutschland zu verlassen Trotz Unterstutzung durch zahlreiche Personlichkeiten und Institutionen konnte sie kurzfristig kein aufnahmebereites Land finden Die Novemberpogrome 1938 bei denen in Charlottenburg die randalierenden Nazitrupps bis in Ilse Rennefelds Nachbarschaft vorgedrungen waren fuhrten ihr noch einmal drastisch die Gefahren vor Augen denen judische Burger ausgesetzt waren Niederlande Bearbeiten Im Januar 1939 reiste Ilse Rennefeld zu einer Informationsreise in die Niederlande den Pass hatte sie sich vorsorglich bereits 1936 besorgt Sie konnte vorlaufig in Bosch en Duin in der Nahe von Zeist bei Utrecht in einem Heim fur behinderte Kinder des anthroposophischen Arztes Bernard Lievegoed leben und arbeiten Ihr Mann und ihre Freundin blieben in Berlin da sie als Nichtjuden nicht gefahrdet waren Nach dem deutschen Uberfall auf die Niederlande im Mai 1940 zerschlugen sich alle Plane fur eine sichere Existenz in den Niederlanden Wahrend ihrer dreieinhalbjahrigen Emigration konnte ihr Mann sie mehrmals teilweise zusammen mit ihrer Freundin unter dem Vorwand einer Augenoperation besuchen Wie schon in Deutschland galt nach dem Uberfall fur Ilse Rennefeld auch in den Niederlanden Berufsverbot ausserdem wurden Juden von jedweder Teilnahme am offentlichen Leben ausgeschlossen 1942 drohte ihr als nunmehr Staatenloser die Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz Birkenau Es gelang ihr im Rahmen des Unternehmen Sieben Ende September 1942 uber Berlin unter abenteuerlichen Umstanden mit ihrem Mann nach Basel zu fluchten 13 Schweiz Bearbeiten Das Schweizer Exil des Ehepaars Rennefeld in den Jahren 1942 bis 1946 war eine harte Zeit Sie mussten immer wieder um die Verlangerung der amtlich festgesetzten Ausreisefristen bangen und durften keinerlei Erwerbstatigkeit in der Schweiz aufnehmen Ilse Rennefelds Vater Ferdinand Bobreker starb kurz vor der Deportation nach Theresienstadt im Oktober 1942 in Berlin in seinem Haus in der Kurfurstenstrasse 102 Seine Frau Selma Bobreker wurde im September 1943 im 96 Alterstransport nach Theresienstadt deportiert wo sie im Alter von 77 Jahren im Mai 1944 ermordet wurde Im Juni 1945 erhielt Otto Rennefeld die Erlaubnis der Schweizer Behorden zur Veroffentlichung seiner Gedichtsammlung Ein heimatloser Mensch Nachkriegszeit Bearbeiten Nach Kriegsende erhielten die Rennefelds erst nach langwierigen Bemuhungen im August 1946 die Genehmigung zur Einreise nach Deutschland Klare Meumann war 1944 nach ihrer Ausbombung in Berlin durch die Hilfe ihres anthroposophischen Freundes Emil Kuhn Teilhaber der Mobelfabrik Behr in Wendlingen als Betriebsarztin der Firma Behr dienstverpflichtet worden und hatte sich in dem Haus Nurtinger Strasse 6 im schwabischen Kongen niedergelassen Sie nahm das Ehepaar mit grosser Freude auf Die beiden Arztinnen fuhrten ab September 1946 ihre Berliner Gemeinschaftspraxis in Kongen weiter 1953 erwarben sie in der Wilhelmstrasse 13 in Kongen das Haus das spater den Namen Otto Rennefeld Haus erhielt Wie schon in Berlin entwickelte sich das Haus des Dreierbunds auch in Kongen zu einem kulturellen Treffpunkt Lebensabend Bearbeiten 1957 starb Otto Rennefeld in Kongen nach fast 37 jahriger Ehe im Alter von 70 Jahren 1958 holte Ilse Rennefeld die Schwester ihres Mannes Leni Lamparter aus Moskau zuruck Sie war 1923 mit ihrem Mann nach Tiflis ausgewandert und wurde im Krieg nach Sibirien verschleppt wo sie zehn Jahre in Lagerhaft verbrachte 1958 brachten die beiden Freundinnen zusammen mit Albert Steffen eine dreibandige Gesamtausgabe von Otto Rennefelds Gedichten heraus Klare Meumann starb 1970 im Alter von 86 Jahren nach zehnjahriger Krankheit und Pflege durch ihre Freundin mit der sie 72 Jahre eng befreundet gewesen war Ilse Rennefeld hielt noch bis in ihr 87 Lebensjahr hinein Sprechstunden ab Sie betreute in Kongen auch viele Gastarbeiter aus Italien Spanien Jugoslawien und der Turkei bei denen sie hohe Achtung genoss Sie starb im Alter von 88 Jahren am 1 Januar 1984 in Kongen 14 Otto Rennefeld Haus BearbeitenDas Otto Rennefeld Haus ist ein Haus kultureller Begegnung in der Wilhelmstrasse 13 in Kongen das ebenso wie das Haus Wilhelmstrasse 15 von dem Kulturforderungsverein auf anthroposophischer Grundlage Kongen Wendlingen betrieben wird Es beherbergt Versammlungsraume und die Buchhandlung Kongener Bucherstube Das Haus erwarben 1953 die beiden Arztinnen und Freundinnen Ilse Rennefeld und Klare Meumann zusammen mit dem Haus Wilhelmstrasse 15 Vorbesitzer des Otto Rennefeld Hauses war der Jurist Alfred Koebel Er hatte 1927 in Tubingen promoviert und war unter anderem Mitglied der Geschaftsleitung der Mobelfabrik Behr in Wendlingen 15 und Geschaftsfuhrer des Salamander Bunds 16 Das Haus wurde 1927 von dem Kongener Prokuristen Arthur Zimmermann nach den Planen des Nurtinger Architekten und Regierungsbaumeisters Alfred Pirling als zweistockiges Einfamilienwohnhaus mit 125 Quadratmetern Grundflache erbaut 17 Schriften BearbeitenIlse Bobreker Hysterische Dammerzustande vom Charakter der Pseudodemenz nebst zwei unter dem Bilde des Puerilismus verlaufenden Fallen Dissertation Universitat Tubingen 1919 Weblinks BearbeitenHeinz Matile Otto Rennefeld auf biographien kulturimpuls orgLiteratur BearbeitenFriedrich Behrmann Vom Leben und Werk des Dichters Otto Rennefeld In Das Goetheanum Wochenschrift fur Anthroposophie Jahrgang 66 1987 Nummer 22 Olaf Daecke Kultur Kunst Wirtschaft Portraits der baden wurttembergischen Region Kongen und Wendlingen SchneiderEditionen Stuttgart 2016 S 50 52 278 299 317 319 Klara Meumann Die prognostische Bedeutung der Intrakutanreaktion mit den Partialantigenen nach Deycke Much bei der ausseren Tuberkulose Dissertation Berlin 1920 Winfried Meyer Unternehmen Sieben Eine Rettungsaktion fur vom Holocaust Bedrohte aus dem Amt Ausland Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht Hain Frankfurt am Main 1993 S 82 98 283 316 330 335 Peter Selg Hrsg Anthroposophische Arzte Lebens und Arbeitswege im 20 Jahrhundert mit einer Skizze zur Geschichte der anthroposophischen Medizin bis zum Tod Rudolf Steiners 1925 Verlag am Goetheanum Dornach 2000 S 200 Peter Selg Ilse Rennefeld Eine anthroposophische Arztin judischer Herkunft im niederlandischen Exil 1939 1942 Ita Wegman Institut Arlesheim 2017 Peter Selg Ilse Rennefeld 1895 1984 Werdegang Flucht und Rettung einer anthroposophischen Arztin judischer Herkunft Zur Auswertung eines umfangreichen Nachlasses In Jahresbericht des Ita Wegman Instituts 2017 S 9 25 PDF Memento vom 1 Dezember 2017 im Internet Archive 3 42 MB Fussnoten Bearbeiten Nach dem Tod von Bobrekers Vater Gustav Bobreker 1902 1903 wurde Ferdinand Bobreker Inhaber der Getreide Agentur Gustav Bobrecker amp Co Seine Mutter Emma Brobeker geb Zernik starb 1926 1927 Ferdinand Brobeker starb 1942 seine Frau Selma wurde im Alter von 77 Jahren im Mai 1944 im KZ Theresienstadt ermordet Ilses alterer Bruder wurde kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs 1918 schwer verwundet und als Vermisster fur tot erklart Ihre jungere Schwester Edith Husemeyer emigrierte 1934 mit ihrem Mann nach Palastina Meyer 1993 S 87 90 Selg 2017 2 S 12 13 Berliner Adressbucher Opferdatenbank Matrikel der Friedrich Wilhelms Universitat Berlin Ab dem Wintersemester 1917 18 fehlen Angaben uber die Studierenden in den Matrikeln Die Tubinger Studierenden 1818 1918 in alphabetischer Folge Bobreker 1919 Klare Meumann promovierte 1920 in Berlin Meumann 1920 und wurde dort wie Ilse Rennefeld am 27 Mai 1920 approbiert Selg 2017 2 S 12 13 Meyer 1993 S 90 Selg 2017 2 S 10 11 Meyer 1993 S 90 Meyer 1993 S 90 Grafin Eliza von Moltke 1859 1932 war die Witwe des ehemaligen Generalstabschefs der kaiserlichen Armee Helmuth von Moltke Moltke der Jungere Er war der Neffe des beruhmten Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke Moltke der Altere und personlicher Adjutant von Kaiser Wilhelm II Das Landhaus lag auf der Weinmeisterhohe in Spandau Adresse Zur Haveldune 4 Standort 52 503841 13 185428 Selg 2017 2 S 17 18 Meyer 1993 S 90 91 Selg 2017 2 S 18 20 Meyer 1993 S 283 317 Die Widerstandskampfer unter ihnen der Leiter der militarischen Abwehr Wilhelm Canaris die durch das Unternehmen Sieben die Flucht von 14 Holocaustgefahrdeten organisierten wurden nach der Aufdeckung der Verschworung durch die Nazis ermordet Selg 2017 2 S 25 10 Daecke 2016 S 284 286 290 Daecke 2016 S 80 SABU Schuh amp Marketing GmbH Bau Gesuch vom 2 April 1927 Normdaten Person GND 1159598746 lobid OGND AKS LCCN n2019003013 VIAF 344152684000523430004 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Rennefeld IlseALTERNATIVNAMEN Bobreker Ilse Geburtsname KURZBESCHREIBUNG deutsche anthroposophische ArztinGEBURTSDATUM 1 November 1895GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 1 Januar 1984STERBEORT Kongen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ilse Rennefeld amp oldid 227380852