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Heinrich John Rickert 25 Mai 1863 in Danzig Konigreich Preussen 25 Juli 1936 in Heidelberg war ein deutscher Philosoph der den Neukantianismus und die sogenannte Wertphilosophie vertrat Heinrich Rickert um 1930 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Lehre 3 Ehrungen 4 Werke 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHeinrich Rickert war Sohn des Redakteurs und Politikers Heinrich Rickert und dessen Ehefrau Annette geb Stoddart 1839 1889 Er erhielt zunachst Privatunterricht in Danzig und Berlin und besuchte anschliessend das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin Er verliess die Schule bereits vor dem Abitur und horte in den Jahren 1884 bis 1885 an der Friedrich Wilhelms Universitat Berlin Vorlesungen bei Herman Grimm Kunstgeschichte Heinrich von Treitschke Geschichte Emil du Bois Reymond Physiologie bei Wilhelm Scherer Poetik sowie bei Friedrich Paulsen Philosophie Paulsens Vorlesungen gaben den Anstoss dafur dass sich Rickert fur die Philosophie entschied Ab 1885 studierte er nachdem er sein Abitur nachgeholt hatte an der Kaiser Wilhelms Universitat Strassburg Philosophie besonders bei Wilhelm Windelband zudem die Nebenfacher Nationalokonomie bei Georg Friedrich Knapp und Lujo Brentano sowie Physiologie bei Friedrich Goltz 1886 lernte er in Zurich privat den Philosophen Richard Avenarius kennen 1888 wurde Rickert bei Wilhelm Windelband mit dem Thema Zur Lehre von der Definition zum Dr phil promoviert 1 Er kehrte 1888 nach Berlin zuruck und ubersiedelte 1889 aus gesundheitlichen Grunden nach Freiburg im Breisgau Dort habilitierte er sich 1891 bei Alois Riehl mit der Schrift Der Gegenstand der Erkenntnis und wirkte anschliessend an der Albert Ludwigs Universitat Freiburg zunachst als Privatdozent und ab 1894 als ausserordentlicher Professor fur Philosophie Nachdem er 1896 einen Ruf nach Rostock abgelehnt hatte wurde er im gleichen Jahr in Freiburg Ordinarius 1915 habilitierte sich Martin Heidegger bei ihm mit einer Arbeit uber Johannes Duns Scotus die er angeblich nicht selbst gelesen hat 2 1915 erhielt Rickert einen Ruf an die Ruprecht Karls Universitat Heidelberg als Nachfolger von Wilhelm Windelband Sein Nachfolger in Freiburg wurde Edmund Husserl Seine Kollegen in Heidelberg waren seinerzeit Hans Driesch Karl Jaspers Heinrich Maier Hermann Glockner Ernst Hoffmann und Erich Rothacker Rickert gehorte zu den Gegnern der Phanomenologie Rickerts Freiburger Nachfolger Edmund Husserl Heidegger der Lebensphilosophie Henri Bergson und der Existenzphilosophie Karl Jaspers 3 1932 wurde er emeritiert vertrat seinen Lehrstuhl aber noch bis zum Sommersemester 1934 4 Sein Nachfolger wurde Ernst Krieck Rickert verkorperte nach den Erinnerungen seines Kollegen Rothacker den Typus des Professors wie er im Buche stand Er soll unter Platzangst gelitten haben und war so ubergewichtig dass seine Ehefrau und sein Schuler und Privatsekretar August Faust ihn mit vereinten Kraften auf das Katheder schieben mussten 5 Fur sein Faust Buch das er 1932 nach lebenslanger Beschaftigung mit dem Thema auch in Vorlesungen und mehreren Vorstudien veroffentlichte wurde ihm im Jahr darauf die Goethe Medaille verliehen Weitere Schuler Rickerts waren Broder Christiansen 1869 1958 Bruno Bauch 1877 1942 Richard Kroner 1884 1974 Lenore Kuhn 1878 1955 Gunter Ralfs 1899 1960 Rudolf Zocher 1887 1976 Ioannis N Theodorakopoulos 1900 1981 und vor allem Emil Lask 1875 1915 mit dem er befreundet war und in dem er wohl auch seinen eigentlichen philosophischen Erben sah 6 Die beiden bildenden Kunstler Franz Rickert Goldschmied 1904 1991 und Arnold Rickert Bildhauer 1889 1976 7 aus der Ehe mit Sophie geb Keibel 1864 1951 sind seine Sohne Sein Nachlass befindet sich in der Universitatsbibliothek Heidelberg Lehre BearbeitenAusgangspunkt ist mit Kant die objektive Wissenschaft mit wahren Erkenntnissen sowohl in der Natur als auch in der Kulturwissenschaft Rickert ersetzte Windelbands absoluten Gegensatz zwischen nomothetisch naturwissenschaftlichem und idiographisch geschichtlichem Verfahren durch einen relativen Unterschied zwischen generalisierender und individualisierender Methode In der Erkenntnistheorie vertrat er einen transzendentalen Idealismus der mit dem empirischen Realismus der Einzelwissenschaften ubereinstimmen soll und das transzendente Sollen nicht das Sein eines Wahrheitswerts als Gegenstand der Erkenntnis sieht Das Logische existiert nicht sondern es gilt 8 Die Anerkennung des Sollens verleiht den Urteilsakten ihre Wahrheit Urteilen ist immer Beurteilen und damit Werten Der Gegenstand der Philosophie ist das Ganze der Welt im Sinne einer Idee die zu verwirklichen ist Weltallswissenschaft Die Philosophie als allseitige Theorie des gesamten Kulturlebens erarbeitet in objektiver Weise ein System der Werte mit Rucksicht auf die geschichtliche Bedingtheit des Menschen Durch die Beachtung der Geschichte ist der Historismus zu uberwinden Die Werttheorie zielt darauf ab Kants Moralismus zu uberwinden das kritische Prinzip aber beizubehalten Philosophie ist nicht blosse Weltanschauung da sie von zufalligen Lebensinteressen frei ist Eine inhaltliche Fullung dieser Kulturtheorie ist Rickert nur im Ansatz gelungen Rickerts Deutung von Johann Gottlieb Fichtes Staatssozialismus 1922 siedelte ihn zwischen dem Liberalismus und Kommunismus an Diesen Ansatz versuchte Rickerts Schuler August Faust nach 1933 fur den Nationalsozialismus fruchtbar zu machen Siehe auch Sudwestdeutsche Schule des NeukantianismusEhrungen BearbeitenOrden vom Zahringer Lowen Ritterkreuz 1906 Geheimer Hofrat 1910 Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1916 Korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1917 Orden Berthold des Ersten Ritterkreuz 1918 Dr iur h c der Rechts u Staatswissenschaftlichen Fakultat der Albertus Universitat Konigsberg 1924 Dr h c der Kulturwissenschaften der Technischen Hochschule Dresden 1928 Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei 1931 Goethe Medaille fur Kunst und Wissenschaft durch den Reichsprasidenten 1933 Dr h c Theologische Fakultat der Universitat Heidelberg zum 70 Geburtstag 1933 Korrespondierendes Mitglied der Preussischen Akademie der Wissenschaften 1934 Werke BearbeitenSamtliche Werke herausgegeben von Rainer A Bast 11 Bde De Gruyter Berlin 2018ff Zur Lehre von der Definition Tubingen 1888 1 Der Gegenstand der Erkenntnis ein Beitrag zum Problem der philosophischen Transcendenz Freiburg 1892 2 Der Gegenstand der Erkenntnis Einfuhrung in die Transzendentalphilosophie 3 vollig umgearb u erw Auflage Tubingen 1915 Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften Freiburg 1896 Online Archive 5 Auflage Tubingen 1929 Nachdruck Hildesheim 2007 Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft Freiburg 1899 Online Archive Digitalisat Neuauflagen Stuttgart 1986 sowie Celtis Verlag Berlin 2013 ISBN 978 3 944253 00 8 Wilhelm Windelband Tubingen 1915 Die Philosophie des Lebens Darstellung und Kritik der philosophischen Modestromungen unserer Zeit Tubingen 1920 2 Auflage 1922 Online Archive System der Philosophie Erster Teil Allgemeine Grundlegung der Philosophie Tubingen 1921 Die philosophischen Grundlagen von Fichtes Sozialismus in Logos XI 1922 23 S 148 180 Die Probleme der Geschichtsphilosophie Eine Einfuhrung Heidelberg 1924 Neuauflage Celtis Verlag Berlin 2013 ISBN 978 3 944253 01 5 Kant als Philosoph der modernen Kultur Ein geschichtsphilosophischer Versuch J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1924 Uber die Welt der Erfahrung Munchen 1927 Die Logik des Pradikats und das Problem der Ontologie Heidelberg 1930 Die Heidelberger Tradition in der Deutschen Philosophie Tubingen 1931 Goethes Faust Die dramatische Einheit der Dichtung J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1932 Grundprobleme der Philosophie Methodologie Ontologie Anthropologie J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1934 Unmittelbarkeit und Sinndeutung Aufsatze zur Ausgestaltung des Systems der Philosophie Tubingen 1939 Philosophische Aufsatze herausgegeben von Rainer A Bast Tubingen 1999 mit ausfuhrlichem Literaturverzeichnis Literatur BearbeitenRainer A Bast Rickert Heinrich John In Neue Deutsche Biographie NDB Band 21 Duncker amp Humblot Berlin 2003 ISBN 3 428 11202 4 S 550 552 Digitalisat Peter Ulrich Merz Benz Max Weber und Heinrich Rickert Die erkenntniskritischen Grundlagen der verstehenden Soziologie Wurzburg 1990 Ernst Bloch Kritische Erorterungen uber Heinrich Rickert und das Problem der Erkenntnistheorie Ludwigshafen 1909 Diss Phil Wurzburg Eike Bohlken Grundlage einer interkulturellen Ethik Perspektiven der transzendentalen Kulturphilosophie Heinrich Rickerts Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2000 Marcello Catarzi A ridosso dei limiti Per un profilo filosofico di Heinrich Rickert lungo l elaborazione delle Grenzen Soveria Mannelli 2006 Arnaud Dewalque Etre et jugement La fondation de l ontologie chez Heinrich Rickert Hildesheim 2010 Anna Donise Antonello Giugliano Edoardo Massimilla Hrsg Methodologie Erkenntnistheorie Wertphilosophie Heinrich Rickert und seine Zeit Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2016 Dagmar Drull Heidelberger Gelehrtenlexikon Band 2 1803 1932 Springer Wiesbaden 2 uberarb u erweiterte Auflage 2019 ISBN 978 3 658 26396 6 S 654 656 August Faust Heinrich Rickert Rede bei der Gedachtnisfeier der Universitat Heidelberg gehalten am 12 Dezember 1936 In Kant Studien Band 41 1936 S 207 220 mit Foto Antonello Giugliano Nietzsche Rickert Heidegger ed altre allegorie filosofiche Liguori Napoli 1999 Wolfdietrich von Kloeden Rickert Heinrich In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 8 Bautz Herzberg 1994 ISBN 3 88309 053 0 Sp 256 260 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Christian Krijnen Nachmetaphysischer Sinn Eine problemgeschichtliche und systematische Studie zu den Prinzipien der Wertphilosophie Heinrich Rickerts Wurzburg 2001 ISBN 3 8260 2020 0 Guy Oakes Weber und Rickert Concept formation in the cultural sciences Cambridge Mass 1988 Wolfgang Rasch Hrsg Aus dem Leben eines Satyrs Otto Erich Hartleben Briefe und Postkarten an Heinrich Rickert Edition im Luttertaler Handedruck Band 9 Bargfeld 1997 ISBN 978 3 928779 17 3 Mario Signore Hrsg Rickert tra storicismo e ontologia Mailand 1989 Friedrich Vollhardt Heinrich Rickert Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft Stuttgart 1986 Sven Wohler Das heterologische Denkprinzip Heinrich Rickerts und seine Bedeutung fur das Werk Die Einheit der modernen Kultur als Einheit der Mannigfaltigkeit Diss Erfurt 2001 Anton C Zijderveld Rickert s Relevance The Ontological Nature and Epistemological Functions of Values Leiden 2006 ISBN 978 90 04 15173 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Heinrich Rickert Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Heinrich Rickert Quellen und Volltexte Literatur von und uber Heinrich Rickert im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Universitatsbibliothek Heidelberg Nachlass Heinrich Rickert Heinrich Rickert Forschungsstelle der Heinrich Heine Universitat Dusseldorf Andrea Staiti Heinrich Rickert In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Helmut Zenz Heinrich Rickert im InternetEinzelnachweise Bearbeiten Titelblatt seiner Dissertationsschrift D Drull Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803 1932 Berlin u a 1986 S 219 Vgl Rickert Die Philosophie des Lebens 1920 Ruprecht Karls Universitat Heidelberg Verzeichnis der Vorlesungen Sommerhalbjahr 1934 Heidelberg 1934 Erich Rothacker Erinnerungen Bonn 2007 S 61 Vgl Vorwort zu dritten Auflage In Gegenstand der Erkenntnis 1915 S XII XIV Alfred Denker Hrsg Briefe 1912 bis 1933 und andere Dokumente Vittorio Klostermann Frankfurt am Main 2002 ISBN 978 3 465 03148 2 S 128 Gegenstand der Erkenntnis 1915 S IX Normdaten Person GND 118600605 lobid OGND AKS LCCN n85127443 NDL 00454177 VIAF 2541931 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Rickert HeinrichALTERNATIVNAMEN Rickert Heinrich John vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Philosoph und UniversitatsprofessorGEBURTSDATUM 25 Mai 1863GEBURTSORT DanzigSTERBEDATUM 25 Juli 1936STERBEORT Heidelberg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heinrich Rickert Philosoph amp oldid 235656405