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Gewalt Eine neue Geschichte der Menschheit Original The Better Angels of Our Nature Why Violence Has Declined ist ein 2011 in New York erschienenes 1200 Seiten umfassendes Buch des amerikanisch kanadischen Evolutionspsychologen Steven Pinker das sich mit der Entwicklung der Gewalt beschaftigt Die Hauptthese des Buches lautet dass sich die Gewalt im Laufe der Geschichte verringert hat Das von Pinker im Jahr 2018 veroffentlichte Buch Aufklarung jetzt Fur Vernunft Wissenschaft Humanismus und Fortschritt Eine Verteidigung Original Enlightenment Now The Case for Reason Science Humanism and Progress baut auf dem Buch Gewalt auf und wird als Fortsetzung gesehen Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Zitat 3 Rezensionen 4 Buch 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Kapitel 2 7 beschaftigen sich mit verschiedenen geschichtlichen Entwicklungen die Pinker als ein Nachlassen der Gewalt interpretiert Der Befriedungsprozess Kapitel 2 beschreibt den Ubergang von anarchischen Jager und Sammler Kulturen zu staatlichen Organisationsformen infolge der neolithischen Revolution Pinker wertet ethnographisches und palaoanthropologisches Material aus und orientiert sich am Leviathan Modell von Thomas Hobbes In Der Prozess der Zivilisation Kapitel 3 lehnt sich Pinker stark an Uber den Prozess der Zivilisation von Norbert Elias an und beschreibt den Ubergang vom Mittelalter zur Neuzeit Durch diesen Zivilisationsprozess habe sich die Anzahl der Morde in Europa auf ein Dreissigstel reduziert Die Humanitare Revolution Kapitel 4 im Zeitalter der Aufklarung fuhrte zur Achtung von Gewaltherrschaft Sklaverei Folter Totung aus Aberglauben und bei Duellen Der Lange Frieden Kapitel 5 beschaftigt sich mit der Entwicklung zwischenstaatlicher Gewalt seit dem Zweiten Weltkrieg und Der Neue Frieden Kapitel 6 mit der Entwicklung seit dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Beendigung des Kalten Krieges In Die Revolutionen der Rechte Kapitel 7 beschreibt Pinker wie im neunzehnten und vor allem in der zweiten Halfte des zwanzigsten Jahrhunderts Menschenrechte zunehmend etabliert und durchgesetzt wurden Abschaffung der Sklaverei Aufhebung von Rassentrennung Durchsetzung von Frauenrechten Kinderrechten Rechte von Homosexuellen In den beiden folgenden Kapiteln diskutiert Pinker die Psychologie der Gewalt aus evolutionspsychologischer und neurobiologischer Sicht In Die inneren Damonen Kapitel 8 untersucht er die destruktiven Krafte der menschlichen Natur und benennt Raub lust Streben nach Dominanz Rache Sadismus und Ideologie Diesen Kraften werden in Die besseren Engel Kapitel 9 Mechanismen gegenubergestellt die Gewalt einschranken konnen namlich Empathie Selbstbeherrschung Moral deren Bedeutung zweifelhaft ist und die Vernunft wobei auch die Rolle der Intelligenz Flynn Effekt diskutiert wird Pinker leistet mit diesem Buch einen Beitrag zur Erforschung des Gewalt beziehungsweise Kriminalitatsruckgangs indem er Arbeiten von Manuel Eisner und Max Roser durch Untersuchungen vor das Mittelalter weiter in die Vergangenheit fortfuhrt Zitat Bearbeiten Der Ruckgang der Gewalt durfte die bedeutsamste und am wenigsten gewurdigte Entwicklung in der Geschichte unserer Spezies sein Seite 1027Rezensionen BearbeitenIn verschiedenen deutschen Zeitungen wurde Pinker wegen seiner angeblich unseriosen Quellenauswahl kritisiert 1 In der FAZ beispielsweise bezeichnet Herfried Munkler den historischen Teil seines Buches als riskanten Ritt durch die Geschichte Zum einen sei Pinker kein Historiker und zum anderen verwende er zur Belegung seiner Thesen die Zahlenangaben von historischen Chronisten z B Aufzeichnungen zu den Eroberungszugen Dschingis Khans oder Timur Lenks Homers Ilias oder die Bucher der hebraischen Bibel Da die Chronisten fruherer Zeiten mit den von ihnen gemachten Angaben oft nur die Grosse und Ungeheuerlichkeit eines Ereignisses zum Ausdruck bringen wollten seien erhebliche Zweifel an den Zahlenangaben angebracht Hinzu komme dass er diese Zahlen mit einem Faktor multipliziere um den die Weltbevolkerung heute grosser sein solle als damals Auch diese Zahlengrundlage konne nur eine Schatzung sein und sei daher ungeeignet fur solche mathematische Operationen Pinker wolle auf diese Weise die Auswirkungen der Gewalt und die Todesraten quer durch die Geschichte miteinander vergleichbar machen Allerdings sei dabei z B die Ermordung der Juden Europas kein einzigartiges Ereignis mehr sie tauche in Pinkers Liste der zwanzig grossten Gewaltkatastrophen in der Geschichte der Menschheit nicht einmal auf 2 Auch Munkler raumt aber ein Vermutlich ist die Welt friedlicher geworden als sie es in der Fruhzeit war Dies gelte zumindest fur Europa 3 Ebenso fragwurdig seien die Totungsraten die er fur archaische Jager und Sammlerkulturen angibt so der Journalist Hubert Filser Hier beziehe er sich auf archaologische Funde die naturgemass nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit abbilden wurden so dass sie sich sicherlich nicht fur statistische Berechnungen eignen wurden Uberdies mache er keinen Unterschied zwischen Gewalt unter Individuen und Krieg zwischen Gruppen 4 An den Zahlen Pinkers ubt der Sozialpsychologe Harald Welzer indessen keine Kritik Er geht davon aus dass der Ruckgang der Gewalt im Prozess der Zivilisation historisch zutreffend ist Das heisse aber nicht dass das weiterhin so bleibe Schon Norbert Elias habe tiefgreifende Prozesse von Entzivilisierung fur moglich gehalten die einmal eingeschlagene Richtung des Zivilisationsprozesses sei keineswegs unumkehrbar Man musse vielmehr davon ausgehen dass die zunehmende Friedfertigkeit mit der Zunahme des materiellen Wohlstands zusammenhange und dieser basierte auf der globalen Verbreitung des kapitalistischen Wirtschaftsmodells das eine Steigerung des Wohlstandsniveaus durch Erhohung von Produktivitat sicherstellte die ihrerseits durch permanent gesteigerten Energieeinsatz und Ressourcenverbrauch ermoglicht wurde Dies sei aber nur so lange gutgegangen so lange die Erde fur die Wohlstandmehrung genug Ressourcen bereitstellen konnte Inzwischen seien aber die Grenzen des Wachstums erreicht die Ressourcenubernutzung der Erde konfrontiere immer mehr Menschen damit keinen Anteil an den Reichtumern der Erde zu haben In dem Augenblick in dem nicht mehr genug fur alle da war kehrte der Zivilisationsprozess sich um und die Gewalt kehrte zuruck 5 John N Gray widerspricht in der Zeitschrift Prospect Pinkers These dass die Supermachte und entwickelten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Krieg mehr gegeneinander fuhren Laut Gray haben reiche Staaten ihre Kriege gegeneinander in arme Lander exportiert aber nicht eingestellt Die Supermachte hatten ihre Konflikte z B im Koreakrieg bei der chinesischen Besatzung von Tibet oder dem Burgerkrieg in Angola weiterhin ausgetragen Pinkers Argument dass das humanistische Weltbild der Aufklarung die Ursache fur den Ruckgang der Gewalt sei ubersehe ausserdem dass viele wichtige Denker der Aufklarung Gewalt als eine Form sozialer Veranderung befurworteten Ausserdem widerspreche Pinker seinen eigenen fruheren Ansichten und dem von ihm vertretenen Darwinismus wenn er annehme dass eine bestimmte Weltanschauung menschliches Verhalten so massiv verandert habe In Das unbeschriebene Blatt Die moderne Leugnung der menschlichen Natur war Pinker noch der Auffassung dass es eine konstante menschliche Natur gebe und dass Verhalten nicht beliebig veranderbar sei 6 Unabhangig vom Sinn einer Rangfolge der schlimmsten menschlichen Gewalttaten stimmt Dagmar Rohrlich vom Deutschlandfunk Pinker hinsichtlich des Wandels der gesellschaftlichen Einstellung zur alltaglichen Gewalt zu Dieser habe sich besonders in Europa und Nordamerika vollzogen So sei das was an Unmenschlichkeiten im Romischen Reich im Mittelalter oder zu Zeiten von Reformationen und Gegenreformation ablief vor den Augen der Offentlichkeit und sehr zu deren Gefallen und Amusement geschehen Hingegen hatten beispielsweise viele Verbrechen der Nationalsozialisten mehr oder weniger verborgen stattgefunden 7 Die polnische Linguistin Anna Wierzbicka kritisiert Pinkers wissenschaftliche Provinzialitat infolge seines Desinteresses an nicht englischsprachigen Publikationen Er setze unreflektiert voraus dass der Bedeutungsgehalt des englischen Wortes violence derselbe sei wie der Bedeutungsgehalt der in anderen Sprachen fur Gewalt gebrauchten Worter Sie zeigt anhand von Beispielen dass die US amerikanische Vorstellung von Gewalt keineswegs universell ist 8 Buch BearbeitenSteven Pinker Gewalt Eine neue Geschichte der Menschheit Fischer Frankfurt 2011 ISBN 978 3 10 061604 3 original 2011 The Better Angels of Our Nature Why Violence Has Declined aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel Weblinks BearbeitenSpiegel Gesprach Damonen und Engel In Spiegel Online 17 Oktober 2011 abgerufen am 13 Juli 2014 Interview mit Steven Pinker Tim Caspar Boehme Das Ende der Gewalt Kaufen ist billiger als stehlen In die tageszeitung 30 November 2011 abgerufen am 13 Juli 2014 Interview mit Steven Pinker Steven Pinker A History of Violence In Edge org Edge Foundation 27 September 2011 abgerufen am 13 Juli 2014 englisch Edge Master Class 2011 Gastvorlesung mit Nachfragen Einzelnachweise Bearbeiten Kritiklinks zum Buch auf www perlentaucher de Herfried Munkler Steven Pinker Gewalt Alle Kurven weisen auf den ewigen Frieden In Frankfurter Allgemeine Zeitung 18 Oktober 2011 Abgerufen am 27 Juni 2013 Christian Weber Eine hochpolitische Frage In Suddeutsche Zeitung 2 November 2011 Abgerufen am 2 August 2013 Hubert Filser Wie der Krieg erfunden wurde In Suddeutsche Zeitung 22 April 2012 Abgerufen am 27 Juni 2013 Harald Welzer Selbst denken Eine Anleitung zum Widerstand Frankfurt am Main 2014 S 161 f John N Gray Delusions of peace In Prospect 21 September 2011 Dagmar Rohrlich Gewalt Eine neue Geschichte der Menschheit In Deutschlandfunk 18 Dezember 2012 Abgerufen am 2 August 2013 Anna Wierzbicka Imprisoned in English The hazards of English as a default language Oxford University Press Oxford New York 2013 ISBN 978 0 19 932150 6 S 55 57 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gewalt Eine neue Geschichte der Menschheit amp oldid 236978848