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Als Gehornten Gott bezeichnete die britische Anthropologin Margaret Alice Murray eine von ihr angenommene Gottheit die seit der Steinzeit als Gegenpol zur Muttergottin verehrt wurde Sie nahm eine Kontinuitat dieser Dualitat an die letztlich in Form einer Umdeutung auch die Gestalt des Teufels im Christentum beeinflusste Der Teufel soll eine vom Christentum verzerrte Darstellung des Gehornten Gottes sein Gemalde von Goya 1798 Im neuheidnischen Glaubenssystem des Wicca Kultes bildet der Gehornte Gott den mannlichen Gegenpart der Dreifaltigen Gottin Inhaltsverzeichnis 1 Margaret Murray 2 Wicca 3 Literarische Umsetzungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseMargaret Murray BearbeitenMurray vertrat die These dass die Darstellung des Teufels und des Hexenwesens im Christentum eine verzerrte polemische Darstellung der Konzepte und Riten eines tatsachlich seit Urzeiten existierenden Kultes sei namlich der Verehrung der Gottin und des Gehornten Gottes wobei sie das Treiben der von der Kirche verfolgten Hexen als letzte Auslaufer dieses uralten Kultes interpretierte Sie formulierte diese These bei der sie sich auf Arbeiten des franzosischen Historikers Jules Michelet berief 1 erstmals in dem 1921 erschienenen The Witch cult in Western Europe Zehn Jahre spater veroffentlichte sie The God of the Witches wo sie das Konzept eines seit der Steinzeit verehrten Gehornten Gottes historisch zu unterfuttern suchte Als Einstieg diente ihr dabei die als Schamane oder Hexenmeister weltweit bekannte Hohlenmalerei aus der Grotte des Trois Freres in Frankreich wobei sie sich auf die von Henri Breuil gefertigte Skizze stutzte 2 nbsp Sog Herr der Tiere auf dem Siegel 420 der Indus Kultur aus Mohenjo Daro nbsp Gehornte Gestalt auf dem Kessel von GundestrupMurray fahrt dann fort die zahlreichen hornertragenden Gottheiten der Bronze und Eisenzeit in Mesopotamien und Agypten anzufuhren z B den Widderhorner tragenden Amun und die Kuhhorner tragende Hathor der Agypter sowie die als Herr der wilden Tiere bekannte Darstellungsform einer von Tieren umgebenen gehornten Figur wie sie etwa ein Siegel aus der alten Induskultur von Mohenjo Daro zeigt Eine ahnliche Darstellung findet sich auf dem viel spateren Kessel von Gundestrup Weitere hornertragende Gestalten sind in der klassischen Mythologie der Minotauros auf Kreta sowie Pan und Dionysos Zagreus bei den Griechen nbsp Cernunnos auf dem Pariser Nautenpfeiler mit je einem Torque am Horn hangend nbsp Dorset OoserSchliesslich kommt Murray auf den keltischen Gott Cernunnos zu sprechen der wie der steinzeitliche Schamane ein Hirschgeweih tragt so z B auf einem Altarrelief das Teil des unter der Kathedrale von Notre Dame gefundenen Pariser Nautenpfeilers ist Den oberhalb des Reliefs sichtbaren Namen des Gottes deutet man als der Gehornte Murray sieht hier einen Beleg fur die Kontinuitat des Kults des Gehornten Gottes vom Ende der Eiszeit bis mindestens in die romische Kaiserzeit 3 Von dort spannt sie den Bogen zum bereits christianisierten Britannien und zitiert Theodor von Tarsus Erzbischof von Canterbury der Ende des 7 Jahrhunderts in seinem Liber poenitentialis jeden mit einer Kirchenbusse von drei Jahren bedroht der sich in eine Tierhaut kleidet und so als Hirsch oder Stier umhergeht 4 und weiter zu den Hexenprozessen der Neuzeit aus denen Murray folgert Dieser fortbestehende Glaube an eine gehornte Gottheit zeigt dass unter der offiziellen Religion der Herrschenden ein alter Kult mit all seinen Riten nahezu unberuhrt fortbestand 5 Diese Argumentation ist allerdings luckenhaft da es bis heute nicht gelungen ist eben die Existenz eines alten Kults mit all seinen Riten schlussig zu belegen Versuche der Re Konstruktion wie sie immer wieder unternommen wurden beispielsweise von Carlo Ginzburg oder Hans Peter Duerr in Traumzeit 1978 zeigen immer wieder dass einem grossen Anteil christlicher Projektion nur sehr wenig substanzielle Informationen uber das Hexenwesen gegenuberstehen zu wenig fur einen seit der Eiszeit kontinuierlich bestehenden Kult mit all seinen Riten nbsp Der Gehornte Gott im Museum of Witchcraft Boscastle CornwallAls einen der letzten Auslaufer der Verehrung des Gehornten fuhrt Murray den Dorset Ooser an eine Festzugsmaske unbekannten Alters deren Trager sich in eine Tierhaut kleidete Die Maske ging Ende des 19 Jahrhunderts verloren Wicca Bearbeiten nbsp Symbol fur den Gehornten Gott in der Wicca Mondschiffchen und Vollmond oder Sonne Die Schriften Murrays hatten schliesslich unmittelbaren Einfluss auf die Entstehung des Wicca Kultes Gerald Gardner der Begrunder des Wicca hatte laut seinem eigenen Bericht 1939 Aufnahme in einen Coven den New Forest Coven gefunden dessen Riten und Lehren dem zu entsprechen schienen was Gardner bei Murray uber den authentischen altheidnischen Kult gelesen hatte Da die Mitglieder des New Forest coven sich ebenfalls von Murray hatten inspirieren lassen war eine solche Entsprechung nicht erstaunlich Gardner jedoch meinte auf einen der letzten noch existierenden Trager altheidnischer Uberlieferung gestossen zu sein Da er ein volliges Erloschen des Uberlieferungsstranges befurchtete entschloss er sich neue Hexenzirkel zu grunden Um potentielle neue Mitglieder auf sein Beginnen aufmerksam zu machen suchte er Publizitat und veroffentlichte 1954 Witchcraft Today als Darstellung der ihm bekannt gewordenen Riten und Lehren Diese waren allerdings nur sehr fragmentarisch wie er sich ausdruckte weshalb er das Material aus anderen Quellen erganzte Zu diesen Quellen gehorten neben Murray der englische Okkultist Aleister Crowley mit dem Gardner bekannt war Aradia or the Gospel of the Witches von Charles Godfrey Leland und Schriften aus dem Umfeld des Hermetic Order of the Golden Dawn Hauptsachliche doppelte Quelle der Inspiration ist aber Murray vor allem was den Gehornten Gott betrifft Der Gott wird im Wicca Ritual durch einen Maskierten verkorpert der als Gegenpart der Hohenpriesterin agiert die wiederum die Dreifaltige Gottin verkorpert 6 Wie die Grosse Gottin so durchwandert auch der Gehornte Gott den Jahreskreis Im Fruhjahr wird er als gottliches Kind von der Grossen Mutter geboren und besteht seine Initiation Dies symbolisiert gleichzeitig die Wiederkehr des Lebens Im Sommer heiratet er als jugendlicher Gott die jungfrauliche Gottin in einer heiligen Hochzeit Im Herbst stirbt er letztendlich und wird im Tod Herrscher des Totenreiches und wird im Winter gezeugt durch sich selbst am Anfang eines neuen Zyklus wiedergeboren 7 Literarische Umsetzungen BearbeitenDie Schriften von Murray und die Lehren des Wicca beeinflussten zahlreiche Autoren der modernen Fantasy Literatur Eine weitere Quelle der Inspiration fur die Autoren phantastischer Literatur war The White Goddess des englischen Dichters Robert Graves In dieser sehr eigenwilligen Verknupfung von keltischem Mythos antiker Mythologie und poetischer Konstruktion steht der dreifaltigen Weissen Gottin ein stier oder hirschgestaltiger Gott gegenuber der zum Opfer wird so wie der von Titanen zerrissene Dionysos Zagreus oder der von seinen Hunden zerfleischte Aktaion im griechischen Mythos Eine ganz ahnliche Linie verfolgt Murray die den Hintergrund allerdings weniger mythologisch poetisch sondern buchstablich praktisch in Heiligen Konigen der Fruhzeit sieht die nach einer bemessenen Frist abgeschlachtet wurden um mit ihrem Blut die Felder zu dungen 8 Sowohl Murray als auch Graves berufen sich auf Konzepte aus James Frazers Der Goldene Zweig dessen zentrale These ausging von der sakralen Ermordung des Priesterkonigs des Heiligtums der Diana am Nemisee im antiken Italien des rex nemorensis 9 Es sollte aber bemerkt sein dass Frazer an keiner Stelle uber einen Gehornten Gott im Sinne von Murray spricht auch bei Graves taucht der Begriff so nicht auf Das popularste von Murray Graves und Wicca inspirierte Werk ist ein Roman Zyklus von Marion Zimmer Bradley In Die Nebel von Avalon und seinen Fortsetzungen nimmt sie Motive aus Murrays Darstellung des Gehornten Gottes auf der hier durch Arthur Artus verkorpert wird Literatur BearbeitenGerald Gardner Witchcraft Today Rider London 1954 Gerald Gardner The Meaning of Witchcraft Aquarian Press London 1959 Robert Graves The White Goddess Faber amp Faber London 1948 Margaret Murray The Witch cult in Western Europe Clarendon Press Oxford 1921 Margaret Murray The God of the Witches S Low Marston amp Co London 1931 Diane Purkiss The Witch in History Early Modern and Twentieth Century Representations Routledge London 1996 ISBN 9780415087612 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Horned God Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Jules Michelet La Sorciere 1862 Murray God of the Witches Oxford University Press 1970 S 23 f Murray God of the Witches Oxford University Press 1970 S 29 Theodor von Tarsus Liber poenitentialis XXVII 19 In Benjamin Thorpe Ancient laws and institutes of England 1840 Bd 2 S 34 Digitalisat http vorlage digitalisat test 1 3D 7B 7B 7B1 7D 7D 7D GB 3DLfMKAAAAYAAJ IA 3D MDZ 3D 0A SZ 3DPA34 doppelseitig 3D LT 3D PUR 3D Das kleine Detail dass diese Kirchenstrafe nur denjenigen bedroht der zu den Kalenden des Januar sich so verkleidet wird von Murray unterschlagen Murray God of the Witches Oxford University Press 1970 S 34 Gardner Witchcraft Today Kap 12 Gottner Abendroth Das Matriarchat Band II 1 1991 Kohlhammer Verlag S 56 Murray God of the Witches Oxford University Press 1970 S 120 ff Siehe insbesondere den Band The Dying God 3 Aufl 1911 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gehornter Gott amp oldid 239069750