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Die Franziskaner Klosterkirche in der Klosterstrasse im Berliner Ortsteil Mitte ist die Ruine eines bis auf das Jahr 1250 zuruckgehenden Gotteshauses Sie gehort zu den wichtigsten Bauwerken der Backsteingotik in der Region und war einst die Kirche des dortigen Grauen Klosters des Franziskanerordens Die Kirche ist womoglich das alteste in seiner einstigen Gestalt erhaltene Gebaude des alten Berlin 1 Sie ist heute ein Baudenkmal und wird seit den 1980er Jahren fur Kulturveranstaltungen genutzt Kirchenruine des ehemaligen franziskanischen Klosters in Berlin Mitte Graues Kloster Blick auf die Westfassade Inhaltsverzeichnis 1 Grundung und Baugeschichte 2 Umgestaltungen 3 Zerstorung 4 Heutige Nutzung 5 Umgestaltung des Molkenmarkts 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGrundung und Baugeschichte BearbeitenSiehe auch Graues Kloster Berlin nbsp Lage des ehemaligen Franziskanerklosters und der Pfarrkirchen St Marien und St Nikolai in Berlin Mitte nbsp Graues Kloster und Klosterkirche zur Klosterstrasse Ansichtskarte um 1910 nbsp Blick durch das Langhaus 1896Die Geschichte der Kirche ist eng mit der fruhesten Stadtgeschichte Berlins verbunden Der Franziskanerorden hatte in direkter Nachbarschaft des Sitzes der askanischen Landesherren des Hohen Hauses ein Kloster gegrundet Die heutige Kirchenruine stellt den letzten sichtbar verbliebenen Teil des Grauen Klosters dar Ab 1249 ist dessen Existenz nachweisbar allerdings schon fur fruhere Zeit anzunehmen 1 Sowohl die genauen Daten des Baubeginns wie auch der Verlauf der Errichtung sind in der Forschung umstritten und wurden durch baugeschichtliche und archaologische Untersuchungen zu erhellen versucht Die Datierungsversuche variieren zwischen Mitte und Ende des 13 Jahrhunderts Eine der Hypothesen ist dass sich an der Stelle der Backsteinkirche ein Vorgangerbau aus Feldstein befunden habe Feldsteinreste in der Aussenwand des nordlichen Seitenschiffs der Ruine sowie unter dem Chorabschluss konnten von dieser Feldsteinkirche stammen Diese konnte 1249 errichtet worden sein und die Gestalt einer langsrechteckigen Saalkirche gehabt haben 2 In der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts um 1250 1265 1 oder auch 1260 1270 3 habe man mit dem Bau der fruhgotischen Bettelordenskirche der Franziskaner begonnen und die vorhandene Bausubstanz integriert Um 1300 sei dann das Chorpolygon am bestehenden Chor erganzt worden 1 Alternativ dazu wird die These vertreten dass die Kirche mit einer Entwurfsanderung zu Baubeginn aber in einer zusammenhangenden Baukampagne errichtet wurde Die Feldsteinreste entstammten der ersten Bauphase nicht aber einem unabhangigen Vorgangerbau In der jungsten Forschung gestutzt auf archaologische Untersuchung nach der Jahrtausendwende wird diese These verstarkt vertreten und dabei ein Errichtungszeitraum im letzten Drittel des 13 Jahrhunderts angenommen 4 Die wenigen uberlieferten Quellen zur Klostergeschichte liessen sich mit dieser spaten Datierung gut in Einklang bringen Das Grundstuck des Franziskanerklosters ursprunglich der sudliche Teil des markgraflichen Sitzes in Berlin wurde dem Orden 1271 vom Markgrafen uberlassen 1290 schenkte der Markgraf den Franziskanern eine Ziegelei 1 Beide Ereignisse waren in einer spateren Inschrift am heute verlorenen Chorgestuhl festgehalten 2 Mit dieser historischen Deutung so folgert der Archaologe Stefan Breitling relativiere sich der Nimbus des altesten gotischen Backsteinbaus in Berlin 5 Die Kirche unterschied sich gleichwohl von den bestehenden Kirchen der damaligen Doppelstadt Berlin und Kolln St Nikolai St Marien St Petri und nahm fur die die Entwicklung der gotischen Architektur in Berlin eine Vorreiterrolle ein 3 Es handelte sich um eine dreischiffige vierjochige und kreuzgewolbte Basilika mit einem zweijochigen auf die Breite des Mittelschiffs verengten Chor Das Langhaus misst 29 5 m 23 7 m der Chor 22 m 9 10 m 6 Das Chorpolygon hat einen Sieben Zehntel Schluss An den Chor schlossen sich ursprunglich nordlich eine zweijochige Kapelle und ein Treppenturm zum Dach an Obwohl das Langhaus einen fast quadratischen Grundriss hat wirkt die Kirche noch heute spurbar vergleichsweise schmal Diese Raumwirkung entsteht durch die hoch aufragenden nur mit Diensten und wenigen Kampferkapitellen aus gebranntem Ton gegliederten Wande der Obergadenzone die nur kleine spitzbogige Fenster hat Die recht weiten spitzbogigen Pfeilerarkaden offnen den Bau ebenerdig aber zu den beiden Seitenschiffen hin die an ihren jeweiligen Ostenden durch ein eigenes Fenster beleuchtet wurden Die Klosterbauten schlossen sich an das nordliche Seitenschiff an Der Chor ist demgegenuber deutlich aus dem Mittelschiff herausgesetzt Dies allein durch die komplexere Wandgliederung Die Sockelzone unter den Fenstern ist hier mit je einer spitzbogigen Blendnische mit Kleeblattarkaden unter den Fenstern gegliedert Die Wande zwischen den Nischen waren mit Heiligendarstellungen in Fresko verziert u a solche der Hl Andreas und Bartholomaus 7 Die sehr hohen spitzbogigen Fenster mit profilierten Gewanden erhellten zudem das Chorhaupt deutlich Durch die leichte Verbreiterung des Polygons nach aussen entsteht dort ein fast zentrischer Raumeindruck Dieser Chortypus wird als Vorbild fur die Brandenburger und die Stettiner Franziskanerkirchen angesehen 1 Eine weitere Eigenheit der Baugestalt der Klosterkirche sind die auf beiden Seiten des Mittelschiffs alternierenden Pfeilerformen An den noch erhaltenen Pfeilern und Basen ist zu sehen dass Bundelpfeiler mit polygonalen Grundrissen sowie solche mit quadratischem Pfeilergrundriss je eine halbrunden Dienst pro Seite einander abwechselten 8 Vom schlichten Kreuzrippengewolbe der Kirche ist nach der Zerstorung der Kirche nichts erhalten Dessen Ansatz lasst sich heute durch verbliebene Schildbogen noch erahnen Die Kirche war den Ordensregeln der Franziskaner entsprechend turmlos das Dach trug aber einen Reiter 9 Im Jahr 1365 wurde der brandenburgische Kurfurst Ludwig d J von Bayern hier beigesetzt Umgestaltungen BearbeitenDie Bauarbeiten an der Backsteinkirche dauerten bis in die erste Halfte des 14 Jahrhunderts Um 1500 wurde der Bau saniert Infolge der in Berlin 1539 eingefuhrten Reformation wurde das Kloster aufgelost Ab 1571 befand sich in den Raumen des ehemaligen Klosters die erste Berliner Druckerei 1574 wurde hier das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster eroffnet Beruhmte Schuler und Lehrer wie Karl Friedrich Schinkel Friedrich Ludwig Jahn und Otto von Bismarck besuchten auch die Klosterkirche Leonhard Thurneysser der auch die Druckerei anlegte liess die Kirche 1583 1584 restaurieren In der zweiten Halfte des 17 Jahrhunderts wurden kleine bauliche Veranderungen vorgenommen So wurde der alte Treppenturm abgerissen und dafur eine neue Fachwerktreppe an der Westseite errichtet 1712 wurde im Mittelschiff der Lettner der den Altarraum vom Kirchenschiff trennte abgerissen Im gleichen Jahr brannte es im Dachstuhl Sieben Jahre spater wurden Restaurierungsarbeiten durchgefuhrt wobei der Fussboden um einen Meter erhoht wurde und die zwei nordlichen Chorfenster zugemauert wurden In der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts erfolgten umfangreiche Umbauarbeiten 1826 wurde der Giebelturm abgetragen ab 1842 wurden an der Westseite zwei neue Turme errichtet der Fussboden wurde wieder abgesenkt und eine neue Sakristei gebaut Den Bauarbeiten gingen verschiedene Bauplane von Karl Friedrich Schinkel Christian Gottlieb Cantian und dem damaligen Oberbauinspektor Wilhelm Berger voraus Erst der zweite Plan Bergers wurde schliesslich umgesetzt Die Bauarbeiten dauerten bis 1845 Die meisten Anderungen des 19 Jahrhunderts wurden ab 1926 wieder ruckgangig gemacht nachdem die Kirche ab 1902 wegen starker Feuchtigkeit im Mauerwerk geschlossen worden war Die neue Weihe fand am 24 Mai 1936 statt Zerstorung BearbeitenDas Gebaude wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem alliierten Luftangriff am 3 April 1945 zerstort Ab 1950 wurden die Trummer entfernt und die Ruine von 1959 bis 1963 gesichert Die ubrigen ebenfalls ruinos erhaltenen Klostergebaude wurden vollstandig abgerissen Die Umgebung der Kirchenruine wurde als Grunanlage gestaltet an die jenseits der Littenstrasse das Geschaftsgebaude fur einen Teil der Zivilabteilungen des Landgerichts Berlin und fur das Amtsgericht Mitte grenzt Die Ruine der Klosterkirche nbsp Pfeilerarkaden und Obergaden des Langhauses nbsp Langhaus und Chor nbsp Gewandeportal der Westfassade nbsp Westfassade nbsp Mittelschiff nordliche Arkaden und Westportal nbsp Ruine der Klosterkirche vom Fernsehturm aus gesehen nbsp Aussenwand des nordlichen Seitenschiffs in FeldsteinHeutige Nutzung BearbeitenIn den 1980er Jahren begann die Nutzung des Denkmals als Ausstellungs und Veranstaltungsort Seit 1987 wurden in der Kirchenruine Kunst u a skulpturale Arbeiten prasentiert 10 Dieses Nutzungskonzept uberdauerte die politische Wende 1992 grundeten Berliner Kunst und Kulturschaffende einen Forderverein der fortan das Gelande betreute 11 In den Jahren 2003 2004 erfolgte eine weitere Restaurierung der Ruine Sie wird gegenwartig fur Ausstellungen Theaterauffuhrungen und Konzerte genutzt 2016 ubernahm das Bezirksamt Mitte die Betreuung des Orts Umgestaltung des Molkenmarkts BearbeitenDer sudlich an das Areal des Grauen Klosters angrenzende alte stadtische Siedlungskern der Molkenmarkt soll auf Beschluss des Berliner Senats von 2016 neu gestaltet werden 12 Geplant ist eine kleinteilige Bebauung des Quartiers in Anlehnung an historische Blockstrukturen Beide im Dezember 2021 gekurte Siegerentwurfe des Wettbewerbs fur die Neugestaltung sehen eine architektonische Eingliederung der Klosterkirche vor einer sogar die Rekonstruktion der zerstorten Arkaden zwischen Kirchenruine und Klosterstrasse 13 Siehe auch BearbeitenListe der Kulturdenkmale in Berlin Mitte Alt Berlin Liste der norddeutschen Baudenkmale der BacksteingotikLiteratur BearbeitenHistorische Kommission Berlin e V Hrsg Das Graue Kloster in Berlin Perspektiven aus der Geschichte Berliner Wissenschaftsverlag Berlin 2021 ISBN 978 3 8305 4233 9 doi 10 35998 9783830542339 Zugang zum E Book im Open Access Dirk Schumann Hrsg Brandenburgische Franziskanerkloster und norddeutsche Bettelordensbauten Architektur Kunst Denkmalpflege Lukas Verlag Berlin 2010 ISBN 978 3 86732 037 5 Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin Geschichte Forschung Restaurierung Beitrage zur Denkmalpflege in Berlin Band 23 Michael Imhof Verlag Petersberg 2007 ISBN 978 3 86568 200 0 Gerhard Bronisch Die Franziskaner Klosterkirche in Berlin In Mitteilungen des Vereins fur die Geschichte Berlins Nr 4 1933 S 89 142 zlb de zugleich Dissertation Universitat Leipzig 1933 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Franziskaner Klosterkirche Berlin Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag zu Franziskaner Klosterkirche Berlin Obj Dok Nr 09011276 in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen Die Ruine der Franziskaner Klosterkirche 2018 kurze Doku des Landesdenkmalamts Berlin uber die Klosterkirche Franziskaner Klosterkirche Landesdenkmalamt Berlin Vorstellung der Berliner Bodendenkmale Franziskanerkirche In archINFORM klosterruine berlin Website des Bezirksamts Mitte zur kunstlerischen Nachnutzung der Kirche Website des Fordervereins Klosterruine e V mit Informationen zu Bau und Nutzungsgeschichte Geschichte des Molkenmarkts Berliner Senatsverwaltung zum alten Stadtkern Berlin CollnEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e f Sibylle Badstubner Groger Michael Bolle Ralph Paschke Berlin Georg Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmaler 2 Auflage Deutscher Kunstverlag Munchen 2000 ISBN 3 422 03071 9 S 32 a b Gerhard Bronisch Die Franziskaner Klosterkirche in Berlin In Mitteilungen des Vereins fur die Geschichte Berlins Nr 4 1933 S 89 142 zlb de zugleich Dissertation Universitat Leipzig 1933 a b Heinrich Trost Denkmale in Berlin Bezirk Mitte Ortsteil Mitte Hrsg Landesdenkmalamt Berlin Imhof Petersberg 2003 ISBN 3 935590 80 6 S 211 Bearbeitungsstand April 2002 mit erg und Korrekturen bis Januar 2003 Uwe Michas Archaologische Untersuchungen an der Berliner Franziskaner Klosterkirche In Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin Geschichte Forschung Restaurierung Imhof Berlin 2007 S 88 98 Stefan Breitling Die Franziskaner Klosterkirche in Berlin Ergebnisse der bauhistorischen Untersuchungen 1999 2004 In Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin Imhof Berlin 2007 S 126 Petra Marx Zur Geschichte der bauhistorischen Forschung und denkmalpflegerischen Bemuhungen ein fachgeschichtlicher Ruckblick In Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin Imhof Berlin 2007 S 31 Birgit Neumann Dietzsch Die Ausmalung der Franziskaner Klosterkirche In Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Kirchenruine des Grauen Klosters Berlin Imhof Berlin 2007 S 73 87 Dirk Schumann Die Franziskaner Klosterkirche Formsteine und Formsteinsysteme einer reprasentativen askanischen Architektur In Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin Imhof Berlin 2007 S 127 140 Landesdenkmalamt Berlin Hrsg Denkmale in Berlin Bezirk Mitte Imhof 2003 ISBN 3 935590 80 6 S 661 FN 68 Zeitleiste In Forderverein Klosterruine Abgerufen am 6 Januar 2022 Franziskaner Klosterkirche Abgerufen am 5 Januar 2022 Isabell Jurgens Reparatur am Herzen Berlins Grunerstrasse wird verlegt In Berliner Morgenpost 19 April 2016 abgerufen am 19 Januar 2022 Pressemitteilung Offener stadtebaulicher und freiraumplanerischer Wettbewerb zur Neugestaltung des Molkenmarktes entschieden Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung Bauen und Wohnen abgerufen am 18 Januar 2022 52 518333333333 13 412777777778 Koordinaten 52 31 6 N 13 24 46 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Franziskaner Klosterkirche Berlin amp oldid 239097250