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Die falsche Verdachtigung stellt einen Tatbestand des deutschen Strafrechts dar der im 10 Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs StGB in 164 geregelt ist Die Norm verbietet es vor einer offentlichen Stelle bewusst den unwahren Eindruck zu erwecken ein anderer habe eine Straftat begangen Fur die falsche Verdachtigung konnen eine Freiheitsstrafe bis zu funf Jahren oder eine Geldstrafe verhangt werden Auf das Vergehen entfallen etwa 0 3 aller polizeilich registrierten Straftaten 2016 wurden 16 762 Falle der falschen Verdachtigung angezeigt Inhaltsverzeichnis 1 Normierung 2 Entstehungsgeschichte 3 Objektiver Tatbestand 3 1 Opfer der Verdachtigung 3 2 Tathandlungen 3 2 1 Verdachtigen 164 Absatz 1 StGB 3 2 2 Aufstellen von Behauptungen 164 Absatz 2 StGB 4 Subjektiver Tatbestand 5 Prozessuales und Strafzumessung 5 1 Tatige Reue 5 2 Qualifikation 164 Absatz 3 StGB 6 Gesetzeskonkurrenzen 7 Kriminologie 8 Rechtslage in anderen Staaten 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseNormierung Bearbeiten 164 StGB lautet seit seiner letzten Anderung zum 1 Oktober 2021 1 wie folgt 1 Wer einen anderen bei einer Behorde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zustandigen Amtstrager oder militarischen Vorgesetzten oder offentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdachtigt ein behordliches Verfahren oder andere behordliche Massnahmen gegen ihn herbeizufuhren oder fortdauern zu lassen wird mit Freiheitsstrafe bis zu funf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft 2 Ebenso wird bestraft wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder offentlich uber einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsachlicher Art aufstellt die geeignet ist ein behordliches Verfahren oder andere behordliche Massnahmen gegen ihn herbeizufuhren oder fortdauern zu lassen 3 Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft wer die falsche Verdachtigung begeht um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach 46b dieses Gesetzes 31 des Betaubungsmittelgesetzes oder 4a des Anti Doping Gesetzes zu erlangen In minder schweren Fallen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu funf Jahren Bei der falschen Verdachtigung handelt es sich gemass 12 Absatz 2 StGB um ein Vergehen Nach vorherrschender Auffassung in der Rechtswissenschaft verfolgt 164 StGB einen doppelten Schutzzweck 2 3 Zum einen schutzt die Norm die Rechtspflege vor Irrefuhrung und unnotiger Inanspruchnahme Als Argument hierfur wird die systematische Nahe des 164 StGB zu den Delikten gegen die Rechtspflege angefuhrt Zum anderen schutzt sie denjenigen der Gegenstand der falschen Verdachtigung ist vor unberechtigten Massnahmen der Strafverfolgungsbehorden Hierfur wird angefuhrt dass 165 StGB die Person die falsch verdachtigt wird als Verletzten bezeichnet Einige Stimmen vertreten demgegenuber dass 164 StGB ausschliesslich den Schutz des Verletzten 4 oder der Rechtspflege 5 6 bezweckt Von praktischer Bedeutung ist diese Streitfrage insbesondere fur die Moglichkeit der rechtfertigenden Einwilligung des falschlich Verdachtigten Sofern der Tatbestand ausschliesslich dessen Schutz dient fuhrt die Einwilligung des Verdachtigten zur Straflosigkeit des Taters Sofern die Norm hingegen zumindest auch die Rechtspflege schutzt ist eine Einwilligung des Verdachtigten fur die Strafbarkeit nach 164 StGB irrelevant 7 Entstehungsgeschichte Bearbeiten 133 des preussischen Strafgesetzbuchs von 1851 stellte die falsche Anschuldigung unter Strafe Hiernach machte sich strafbar wer einen anderen wider besseres Wissen einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigte 8 Diese Norm ubernahm der Gesetzgeber in das Strafgesetzbuch des Deutschen Kaiserreichs von 1871 9 Mit Wirkung zum 26 Mai 1933 wurde die Strafnorm inhaltlich uberarbeitet Der Gesetzgeber fuhrte ein Absichtserfordernis als zusatzliches Merkmal des subjektiven Tatbestands ein und schuf die Tathandlung des Verdachtigens Ebenfalls erganzte er die Norm um einen zweiten Absatz als tatbestandlich weiter gefassten Auffangtatbestand zu 164 Absatz 1 StGB um die weit verbreitete Denunziation missliebiger Mitburgern mit dem Ziel der Einlieferung in Konzentrationslager in andere Formen der Haft sowie dem Ziel einer sonstigen politischen Verfolgung einzudammen 10 Die vom Tater angestrebten staatlichen Massnahmen wurden vom bis dahin allein geltenden ersten Absatz nicht erfasst da sich dieser nur auf bestimmte Formen rechtswidrigen Handelns beschrankte Schliesslich erganzte in 164 Absatz 3 StGB eine strafscharfende Qualifikation die es mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten bedrohte wenn der Tater sich oder einem anderen durch die Tat einen Vorteil zu verschaffen versuchte In 164 Absatz 5 StGB erganzte er eine Strafbarkeit des lediglich bedingt vorsatzlichen oder leichtfertigen Handelns die aufgrund des neuen Absichtserfordernisses vom ursprunglichen Tatbestand nicht mehr erfasst wurde Die Norm besass damals folgenden Wortlaut 1 Wer einen anderen bei einer Behorde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zustandigen Beamten oder militarischen Vorgesetzten oder offentlich wider besseres Wissen einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amts oder Dienstpflicht in der Absicht verdachtigt ein behordliches Verfahren oder andere behordliche Massnahmen gegen ihn herbeizufuhren oder fortdauern zu lassen wird wegen falscher Anschuldigung mit Gefangnis nicht unter einem Monat bestraft 2 Ebenso wird bestraft wer in gleicher Absicht bei einer der im Abs 1 bezeichneten Stellen oder offentlich uber einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsachlicher Art aufstellt die geeignet ist ein behordliches Verfahren oder andere behordliche Massnahmen gegen ihn herbeizufuhren oder fortdauern zu lassen 3 Ist die Tat in der Absicht begangen sich oder einem Dritten einen Vorteil zu verschaffen so ist die Strafe Gefangnis nicht unter drei Monaten 4 Neben der Strafe kann auf Verlust der burgerlichen Ehrenrechte erkannt werden 5 Ist die falsche Anschuldigung Abs 1 2 nicht wider besseres Wissen aber vorsatzlich oder leichtfertig begangen so ist die Strafe Gefangnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe 6 So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren anhangig ist soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung uber die falsche Anschuldigung inne gehalten werden Das Hochstmass der Gefangnisstrafe betrug gemass 16 StGB a F funf Jahre Mit Wirkung zum 1 September 1969 strich der Gesetzgeber die Absatze drei bis funf des 164 ersatzlos aus dem Tatbestand Hierdurch entfiel die Strafbarkeit wegen lediglich bedingt vorsatzlichen oder leichtfertigen Handelns 11 Mit Wirkung zum 1 April 1970 wurde die Gefangnisstrafe durch die Freiheitsstrafe ersetzt Mit Wirkung zum 1 Januar 1975 nahm der Gesetzgeber einige sprachliche Veranderungen an der Norm vor und fuhrte die Moglichkeit ein anstelle einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verhangen 11 164 Absatz 3 StGB wurde als strafscharfende Qualifikation mit Wirkung zum 1 September 2009 eingefuhrt Hierdurch wollte der Gesetzgeber dem Missbrauch von Kronzeugenregelungen die einem Beteiligten an einer Straftat eine Strafmilderung ermoglichen falls dieser gegen die ubrigen Beteiligten aussagt durch falsche Verdachtigungen vorbeugen 12 Zum 1 Oktober 2021 wurde die neue Kronzeugenregelung im Anti Doping Gesetz hinzugefugt Objektiver Tatbestand BearbeitenOpfer der Verdachtigung Bearbeiten Eine Strafbarkeit nach 164 StGB setzt voraus dass der Tater eine andere Person eines Fehlverhaltens bezichtigt Kein falsches Verdachtigen liegt daher vor wenn der Tater sich selbst in den unzutreffenden Verdacht einer Straftat bringt Dies kann allerdings als Vortauschen einer Straftat gemass 145d StGB strafbar sein Der Tater muss die andere Person so genau bezeichnen dass deren Identifizierung moglich ist Eine falsche Verdachtigung kommt daher beispielsweise nicht in Betracht wenn der Tater einen unbestimmten Personenkreis eine fiktive oder eine unbekannte Person einer Tat bezichtigt 13 Strittig ist ob lediglich eine unschuldige Person als Opfer einer falschen Verdachtigung in Betracht kommt Die Rechtsprechung beurteilt die Falschheit einer Verdachtigung aus ex post Sicht Hiernach macht sich nicht wegen falscher Verdachtigung strafbar wer eine Person die eine Straftat oder eine Dienstpflichtverletzung verwirklicht hat mit einer falschen Tatsachenbehauptung verdachtigt 14 15 So ist der Tatbestand der falschen Verdachtigung im Sinne des 164 StGB grundsatzlich nur dann erfullt wenn die unwahre Beschuldigung auf eine rechtswidrige Tat gerichtet ist von welcher der Tater weiss dass der Bezichtigte sie tatsachlich nicht begangen hat 16 Nach vorherrschender Auffassung in der Rechtslehre steht es der Annahme einer falschen Verdachtigung nicht entgegen wenn jemand mithilfe falscher Behauptungen oder irrefuhrender Indizien einen in Wahrheit zutreffenden Verdacht aussert da auch ein Schuldiger nicht mithilfe eines falschen Beweises uberfuhrt werden soll 17 18 Tathandlungen Bearbeiten 164 StGB normiert zwei alternative Begehungsformen der falschen Verdachtigung Beide haben zum Gegenstand dass der Tater eine andere Person wider besseres Wissen eines Fehlverhaltens bezichtigt 164 Absatz 1 StGB erfasst das Verdachtigen einer Straftat oder einer Dienstpflichtverletzung 164 Absatz 2 StGB hat das Aufstellen einer falschen Behauptung zum Gegenstand die sich eignet ein behordliches Verfahren einzuleiten Diese Tathandlung ist gegenuber dem spezielleren 164 Absatz 1 StGB subsidiar 19 20 Verdachtigen 164 Absatz 1 StGB Bearbeiten Den Begriff des Verdachtigens definiert die Rechtswissenschaft als Hervorrufen Umlenken oder Bestarken eines Verdachts 21 Dies kann durch das ausdruckliche Aufstellen einer Tatsachenbehauptung geschehen etwa indem der Tater der auf frischer Tat betroffen wird den Namen eines anderen angibt 22 Ebenfalls kann ein Verdachtigen durch schlussiges Handeln erfolgen etwa indem der Tater der zur Straftat eines anderen aussagt eine entlastende Information auslasst 23 Beschrankt sich der Tater darauf eine fremde Tatsachenbehauptung wiederzugeben stellt dies ein Verdachtigen dar wenn er sich die fremde Aussage zu eigen macht etwa indem er seine Zustimmung zu dieser ausdruckt 24 Nach vorherrschender Auffassung in der Rechtswissenschaft kann auch das Manipulieren eines Indizes ein Verdachtigen darstellen Dies wird als isolierte Beweismittelfiktion bezeichnet 25 26 Schliesslich kann ein Verdachtigen darin liegen nicht gegen das Entstehen eines falschen Verdachts einzuschreiten oder entlastende Informationen zu verschweigen Ein solches Unterlassen ist jedoch gemass 13 Absatz 1 StGB lediglich dann tatbestandsmassig wenn den Tater die Rechtspflicht trifft die Verdachtigung abzuwenden So mussen Eltern beispielsweise kraft ihrer elterlichen Sorge 1626 Absatz 1 Satz 1 des Burgerlichen Gesetzbuchs verhindern dass ihr Kind einen anderen verdachtigt 27 Kein Verdachtigen stellt das Aussern einer Meinung dar etwa das Aufstellen einer Vermutung uber die Taterschaft einer Person oder das Ziehen falscher Schlussfolgerungen Ebenfalls nicht tatbestandsmassig ist das rechtmassige Schweigen im Strafprozess oder das Leugnen der eigenen Beteiligung an einer Straftat Zwar kann dies dazu fuhren dass ein Verdacht gegen einen anderen entsteht oder bestarkt wird sodass nach der Definition alle Merkmale eines Verdachtigens vorliegen allerdings handelt es sich hierbei um prozessual zulassiges Verhalten Da der Tater nicht dazu verpflichtet ist sich selbst zu belasten darf er den Vorwurf einer Tatbegehung abstreiten 28 29 Daher erreicht die vorherrschende Auffassung in der Rechtswissenschaft mithilfe einer teleologischen Reduktion des Begriffs Verdachtigen die Herausnahme des Schweigens und des Leugnens aus 164 StGB 30 Die Schwelle zur Strafbarkeit uberschreitet der Tater im Fall des Leugnens jedoch wenn sein Verhalten uber blosses Verteidigen hinausgeht etwa durch Manipulieren von Beweismitteln zulasten eines anderen 31 Eine Strafbarkeit wegen falscher Verdachtigung setzt nicht voraus dass der Tater den Adressaten der Verdachtigung tatsachlich in die Irre fuhrt Allerdings muss sich die Verdachtigung dazu eignen eine behordliche Massnahme gegen einen anderen herbeizufuhren Ein Strafprozess kann beispielsweise gemass 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung StPO eingeleitet werden sobald die Behorde einen Anfangsverdacht hinsichtlich der Begehung einer Straftat erlangt die rechtlich verfolgt werden kann Wurde ein Verfahren bereits eingeleitet ist eine Verdachtigung tatbestandsmassig wenn sie dazu fuhren kann dass sich das Verfahren verlangert Gegenstand des 164 Absatz 1 StGB ist das Verdachtigen bezuglich einer rechtswidrigen Tat oder einer Dienstpflichtverletzung Bei letzterem handelt es sich um einen Verstoss der dienstrechtlich geahndet werden kann 32 Bei ersterem handelt es sich gemass 11 Absatz 1 Nummer 5 StGB um eine Tat die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht Nicht unter 164 Absatz 1 StGB fallt daher das Verdachtigen einer Ordnungswidrigkeit Falsch ist eine Verdachtigung die objektiv unwahr ist 33 Auf das Aufbauschen einer tatsachlich begangenen Tat trifft dies zu wenn der Tater hierdurch den Charakter der Tat zulasten des Verdachtigten verandert Dies trifft beispielsweise zu wenn er anstelle der Verwirklichung lediglich eines Grunddelikts das Begehen eines qualifizierten Delikts behauptet etwa eines schweren Raubs 250 StGB anstelle eines tatsachlich begangenen einfachen Raubs 249 StGB 34 Ebenfalls falsch ist eine Aussage die einen Sachverhalt unvollstandig beschreibt Die Verdachtigung muss gegenuber einer Behorde einem zur Entgegennahme von Anzeigen befugtem Amtstrager oder einem militarischen Vorgesetzten erfolgen Als Behorde kommt jede Stelle in Betracht die offentliche Gewalt ausubt Nach vorherrschender Ansicht in der Rechtswissenschaft erfasst 164 StGB auch auslandische Behorden Einige Rechtswissenschaftler wenden hiergegen ein 164 StGB bezwecke allein den Schutz der inlandischen Rechtspflege 35 Zur Entgegennahme von Anzeigen sind gemass 158 Absatz 1 StPO Angehorige der Staatsanwaltschaft und der Polizei befugt Alternativ kann der Tater die Verdachtigung offentlich aussern also vor einem unbestimmten Personenkreis Aufstellen von Behauptungen 164 Absatz 2 StGB Bearbeiten 164 Absatz 2 StGB erfasst Tatsachenbehauptungen die nicht unter 164 Absatz 1 StGB fallen Der Tatbestand setzt voraus dass der Tater eine Tatsachenbehauptung aufstellt Im Gegensatz zu 164 Absatz 1 StGB genugt daher nicht das blosse Hervorrufen eines Verdachts etwa durch Manipulation von Indizien notwendig ist dass der Tater einen Verdacht aussert Weiter als 164 Absatz 1 StGB ist 164 Absatz 2 StGB hinsichtlich des Verdachtsgegenstands gefasst Die Norm beschrankt sich nicht auf den Verdacht einer Straftat oder eines Dienstvergehens sondern erfasst alle Umstande deren Behauptung sich dazu eignet eine behordliche Massnahme gegen eine Person herbeizufuhren oder fortdauern zu lassen Unter 164 Absatz 2 StGB fallt daher beispielsweise das Verdachtigen eines anderen hinsichtlich der Begehung einer Ordnungswidrigkeit In der Tatbestandsalternative des Absatzes 2 wird neben der Tathandlung gegenuber den Behorden des Absatzes 1 auch das offentliche Behaupten unter Strafe gestellt Insofern genugt es fur eine falsche Verdachtigung nach Absatz 2 wenn jemand offentlich so konkrete Behauptungen aufstellt dass beispielsweise ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen einen anderen eingeleitet werden konnte 36 Subjektiver Tatbestand BearbeitenEine Strafbarkeit wegen falscher Verdachtigung erfordert gemass 15 StGB dass der Tater hinsichtlich des objektiven Tatbestands zumindest mit bedingtem Vorsatz handelt Hierfur muss er in Kenntnis aller Tatumstande billigend in Kauf nehmen dass sich sein Handeln eignet gegen eine andere Person ein behordliches Verfahren einzuleiten 37 Weiterhin muss der Tater wissen dass seine Verdachtigung unwahr ist Nimmt der Tater lediglich irrig an seine Aussage sei unwahr begeht er einen straflosen Versuch der falschen Verdachtigung 38 Schliesslich muss der Tater in der Absicht handeln gegen den von ihm Verdachtigten ein behordliches Verfahren herbeizufuhren oder fortdauern zu lassen Der Begriff der Absicht bezeichnet im Allgemeinen einen zielgerichteten Willen des Taters Nach vorherrschender Auffassung fordert 164 StGB jedoch keinen solchen Willen Es genugt wenn der Tater weiss dass durch sein Handeln ein Verfahren eingeleitet oder fortgesetzt wird da es fur die von 164 StGB verfolgten Schutzzwecke unerheblich ist ob der Tater die Eignung zur Herbeifuhrung eines Verfahrens Hauptziel erstrebt oder hierum lediglich weiss 39 40 Fallt der Verdacht auf eine andere als vom Tater erwartete Person ist diese Fehlvorstellung nach vorherrschender Auffassung in der Rechtswissenschaft unbeachtlich da die Funktionsfahigkeit der Rechtspflege in diesem Fall gleichermassen beeintrachtigt wird 41 Prozessuales und Strafzumessung BearbeitenEine falsche Verdachtigung ist vollendet sobald der Adressat der Verdachtigung die Moglichkeit erlangt von dieser Kenntnis zu nehmen Dies trifft zu sobald sie diesem zugegangen ist 42 Wird der Tater wegen falscher Verdachtigung verurteilt die offentlich oder durch Verbreiten von Schriften begangen wurde kann dies auf Antrag des Verletzten gemass 165 StGB offentlich bekanntgegeben werden Der Vollzug der Bekanntgabe richtet sich nach 463c StPO Fuhrt die falsche Verdachtigung dazu dass eine Behorde ein Verfahren einleitet soll die Staatsanwaltschaft gemass 154e Absatz 1 StPO von der Anklageerhebung wegen falscher Verdachtigung absehen bis dieses Verfahren abgeschlossen ist Hierdurch soll vermieden werden dass es aufgrund paralleler Verfahren zu widerspruchlichen Entscheidungen kommt 43 Tatige Reue Bearbeiten Die Moglichkeit eine Strafmilderung oder einen Strafausschluss durch tatige Reue zu erzielen normiert 164 StGB nicht Nach verbreiteter Auffassung in der Rechtswissenschaft findet allerdings die entsprechende Vorschrift der Aussagedelikte 158 StGB analoge Anwendung auf die falsche Verdachtigung 44 Hiernach kann der Tater eine Strafmilderung erlangen wenn er seine Ausserung berichtigt bevor sie zu einem Schaden fuhrt Keine analoge Anwendung finden hingegen die Strafzumessungsvorschriften des 258 StGB nach denen sich der Tater nicht strafbar macht wenn er durch die Tat die Bestrafung seiner selbst oder eines Angehorigen verhindern will Qualifikation 164 Absatz 3 StGB Bearbeiten Gemass 164 Absatz 3 StGB erhoht sich das Mindeststrafmass fur den Tater wenn er die falsche Verdachtigung begeht um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach 46b StGB oder 31 des Betaubungsmittelgesetzes zu erlangen Hierdurch wollte der Gesetzgeber verhindern dass sich Personen die Privilegierung als Kronzeuge erschleichen indem sie eine andere Person falschlich beschuldigen Bei dieser Zwecksetzung handelt es sich um eine Absicht sodass diese die primare Motivation des Taters darstellen muss 45 Gesetzeskonkurrenzen BearbeitenWerden im Zusammenhang mit einer Tat nach 164 StGB weitere Delikte verwirklicht stehen diese zur falschen Verdachtigung in Gesetzeskonkurrenz Eine Tateinheit 52 StGB kommt aufgrund des raumlich zeitlichen Zusammenhangs insbesondere zu anderen Ausserungsdelikten in Betracht etwa der falschen uneidlichen Aussage 153 StGB dem Meineid 154 StGB der Beleidigung 185 StGB und der Verleumdung 187 StGB Der Tatbestand des Vortauschens einer Straftat 145d StGB ist gegenuber der falschen Verdachtigung formell subsidiar Die Verfolgung Unschuldiger 344 StGB tritt hinter 164 StGB zuruck 46 Nach Auffassung der Rechtsprechung ist zwischen 164 StGB und falscher uneidlicher Aussage Wahlfeststellung moglich falls in einem Strafverfahren zwar gewiss ist dass der Tater eines dieser Delikte verwirklicht hat ungewiss jedoch ist welches 47 Kriminologie BearbeitenDas Bundeskriminalamt gibt jahrlich eine Statistik uber alle in Deutschland gemeldeten Straftaten heraus die Polizeiliche Kriminalstatistik 48 Seit 1993 wird das gesamte Bundesgebiet erfasst In den Statistiken von 1991 und 1992 wurden die alten Bundeslander und das gesamte Berlin erfasst Fruhere Statistiken erfassen lediglich die alten Bundeslander 2016 wurden 16 762 Falle der falschen Verdachtigung polizeilich registriert 49 Rechtslage in anderen Staaten BearbeitenIm Strafrecht der Schweiz entspricht dem Tatbestand des 164 Absatz 1 StGB das Delikt der falschen Anschuldigung die gemass Art 303 StGB mit Gefangnis oder Geldstrafe geahndet wird Art 303 StGB bezweckt den Schutz zweier Rechtsguter der Strafrechtspflege vor unberechtigter Inanspruchnahme sowie des Einzelnen oder unberechtigter Strafverfolgung Im osterreichischen Strafrecht werden Falle die nach deutschem Recht als falsche Verdachtigung gelten gemass 297 StGB als Verleumdung angesehen Hiernach macht sich strafbar wer wider besseres Wissen einen anderen der Gefahr einer behordlichen Verfolgung aussetzt indem er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts oder Standespflicht falsch verdachtigt Literatur BearbeitenLars Bernhard Falsche Verdachtigung 164 165 StGB und Vortauschung einer Straftat 145d Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 1 Auflage BWV Berliner Wissenschafts Verlag Berlin 2003 ISBN 3 8305 0526 4 Rolf Landskron Der Gegenstand der falschen Verdachtigung Zum Begriff der rechtswidrigen Tat in 164 Abs 1 StGB Peter Lang Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 631 54204 6 Winrich Langer Die falsche Verdachtigung Duncker amp Humblot Berlin 1973 ISBN 3 428 03026 5 Thomas Vormbaum Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils Untersuchungen zum Strafrechtsschutz des strafprozessualen Verfahrenszieles Duncker amp Humblot Berlin 1987 ISBN 3 428 06197 7 Weblinks Bearbeiten 164 StGB auf dejure org Gesetzestext mit Hinweisen zu Rechtsprechung und QuerverweisenEinzelnachweise Bearbeiten Bundesgesetzblatt PDF Abgerufen am 2 Oktober 2021 BGHSt 14 242 244 Rudolf Rengier Strafrecht Besonderer Teil II Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit 17 Auflage C H Beck Munchen 2016 ISBN 978 3 406 68815 7 50 Rn 1 Thomas Vormbaum 164 Rn 9 10 In Urs Kindhauser Ulfrid Neumann Hans Ullrich Paeffgen Hrsg Strafgesetzbuch 5 Auflage Nomos Baden Baden 2017 ISBN 978 3 8487 3106 0 Klaus Rogall Hans Joachim Rudolphi 164 Rn 1 In Jurgen Wolter Hrsg SK StGB Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch 9 Auflage Band 3 80 173 StGB Carl Heymanns Koln 2017 ISBN 978 3 452 28305 4 Jan Zopfs 164 Rn 3 4 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Wolfgang Russ 164 Rn 2 In Heinrich Laufhutte Hrsg Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch 12 Auflage Band 6 146 210 De Gruyter Berlin 2010 ISBN 978 3 89949 764 9 Thomas Vormbaum 164 Rn 3 In Urs Kindhauser Ulfrid Neumann Hans Ullrich Paeffgen Hrsg Strafgesetzbuch 5 Auflage Nomos Baden Baden 2017 ISBN 978 3 8487 3106 0 Jan Zopfs 164 Rn 8 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Thomas Vormbaum 164 Rn 5 In Urs Kindhauser Ulfrid Neumann Hans Ullrich Paeffgen Hrsg Strafgesetzbuch 5 Auflage Nomos Baden Baden 2017 ISBN 978 3 8487 3106 0 a b Jan Zopfs 164 Rn 9 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Rudolf Rengier Strafrecht Besonderer Teil II Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit 17 Auflage C H Beck Munchen 2016 ISBN 978 3 406 68815 7 50 Rn 22 Stefan Maier 164 Rn 3 in Holger Matt Joachim Renzikowski Hrsg Strafgesetzbuch Kommentar 2 Auflage Franz Vahlen Munchen 2020 ISBN 978 3 8006 4981 5 BGHSt 13 219 220 BGHSt 35 50 OLG Rostock Urteil vom 8 November 2004 1 Ss 364 04 I 138 04 Neue Zeitschrift fur Strafrecht 2005 S 335 OLG Dusseldorf Urteil vom 30 September 1998 1 Ws 491 98 Gerd Geilen Grundfragen der falschen Verdachtigung 164 StGB In Jura 1984 S 300 302 303 Rudolf Rengier Strafrecht Besonderer Teil II Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit 17 Auflage C H Beck Munchen 2016 ISBN 978 3 406 68815 7 50 Rn 12 Thomas Vormbaum 164 Rn 84 In Urs Kindhauser Ulfrid Neumann Hans Ullrich Paeffgen Hrsg Strafgesetzbuch 5 Auflage Nomos Baden Baden 2017 ISBN 978 3 8487 3106 0 Jan Zopfs 164 Rn 10 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 BGHSt 14 240 246 BGHSt 18 204 OLG Karlsruhe Urteil vom 9 Mai 1996 1 Ss 120 95 Neue Zeitschrift fur Strafrecht Rechtsprechungs Report 1997 S 37 38 Jan Zopfs 164 Rn 28 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 RGSt 69 173 175 Kristian Kuhl 164 Rn 4 In Karl Lackner Begr Kristian Kuhl Martin Heger Strafgesetzbuch Kommentar 29 Auflage C H Beck Munchen 2018 ISBN 978 3 406 70029 3 Jan Zopfs 164 Rn 27 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 OLG Dusseldorf Beschluss vom 21 August 1991 5 Ss 232 91 76 91 I in Neue Zeitschrift fur Verkehrsrecht Frank Thomas Bienko Nochmals Zur Strafbarkeit einer verabredeten Falschverdachtigung im Anschluss an Verkehrsunfalle In Neue Zeitschrift fur Verkehrsrecht 1993 S 98 Paul Krell Gedanken zur Straflosigkeit von Beschuldigtenlugen bei den 145d 164 StGB In HochstRichterliche Rechtsprechung im Strafrecht 2015 S 484 Stefan Maier 164 Rn 15 in Holger Matt Joachim Renzikowski Hrsg Strafgesetzbuch Kommentar 2 Auflage Franz Vahlen Munchen 2020 ISBN 978 3 8006 4981 5 Jan Zopfs 164 Rn 32 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Thomas Vormbaum 164 Rn 49 In Urs Kindhauser Ulfrid Neumann Hans Ullrich Paeffgen Hrsg Strafgesetzbuch 5 Auflage Nomos Baden Baden 2017 ISBN 978 3 8487 3106 0 Wolfgang Russ 164 Rn 11 In Heinrich Laufhutte Hrsg Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch 12 Auflage Band 6 146 210 De Gruyter Berlin 2010 ISBN 978 3 89949 764 9 Jan Zopfs 164 Rn 11 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Wolfgang Russ 164 Rn 22 In Heinrich Laufhutte Hrsg Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch 12 Auflage Band 6 146 210 De Gruyter Berlin 2010 ISBN 978 3 89949 764 9 Jan Zopfs 164 Rn 42 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Rudolf Rengier Strafrecht Besonderer Teil II Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit 17 Auflage C H Beck Munchen 2016 ISBN 978 3 406 68815 7 50 Rn 10 Jan Zopfs 164 Rn 43 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Wolfgang Russ 164 Rn 31 In Heinrich Laufhutte Hrsg Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch 12 Auflage Band 6 146 210 De Gruyter Berlin 2010 ISBN 978 3 89949 764 9 BGHSt 9 240 242 Jan Zopfs 164 Rn 14 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Stefan Maier 164 Rn 51 in Holger Matt Joachim Renzikowski Hrsg Strafgesetzbuch Kommentar 2 Auflage Franz Vahlen Munchen 2020 ISBN 978 3 8006 4981 5 Kristian Kuhl 164 Rn 50 In Karl Lackner Begr Kristian Kuhl Martin Heger Strafgesetzbuch Kommentar 29 Auflage C H Beck Munchen 2018 ISBN 978 3 406 70029 3 Nikolaus Bosch Ulrike Schittenhelm 164 Rn 35 in Adolf Schonke Albin Eser Hrsg Strafgesetzbuch 30 Auflage C H Beck Munchen 2019 ISBN 978 3 406 70383 6 Jan Zopfs 164 Rn 47 In Klaus Miebach Hrsg Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 Auflage Band 3 80 184j C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 68553 8 Stefan Maier 164 Rn 44 45 in Holger Matt Joachim Renzikowski Hrsg Strafgesetzbuch Kommentar 2 Auflage Franz Vahlen Munchen 2020 ISBN 978 3 8006 4981 5 BGHSt 32 146 149 Polizeiliche Kriminalstatistik Nicht mehr online verfugbar Bundeskriminalamt archiviert vom Original am 23 April 2018 abgerufen am 21 September 2017 Bericht zur polizeilichen Kriminalstatistik 2016 PDF Nicht mehr online verfugbar Bundesministerium des Inneren S 116 archiviert vom Original am 16 Januar 2018 abgerufen am 16 Januar 2018 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4153626 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Falsche Verdachtigung amp oldid 236082241