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Die Handschrift Essener Domschatzkammer Hs 1 haufig als Grosses Karolingisches Evangeliar oder Altfrid Evangeliar bezeichnet ist eine Pergamenthandschrift des Essener Domschatzes Sie entstand um das Jahr 800 und befindet sich moglicherweise seit der um 850 erfolgten Grundung des Essener Frauenstifts in Essen Das Evangeliar enthalt uber tausend Glossen auf Latein Altsachsisch und Althochdeutsch v 29v der Handschrift Kreuz umgeben von den Symbolen der vier Evangelisten Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Buchmalerei 3 Die Glossen 4 Geschichte 5 Restaurierung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDie Handschrift 1 misst 32 5 cm Hohe und 23 0 cm Breite und ist seit der letzten Restaurierung 1987 zwischen mit grauem Wildleder bezogene und mit Stempelpragung verzierte Holzdeckel eingebunden Sie ist vollstandig erhalten und umfasst 188 Blatter aus Kalbspergament in 28 Lagen beigebunden ist ein kleinerformatiges 17 23 cm Homiliar Fragment Die Lagen sind grosstenteils Quaternionen bestehend aus vier gefalzten und ineinandergelegten Pergamentbogen die acht Blatter 16 Seiten ergeben 2 Der Schriftraum des Evangeliars misst 26 5 cm in der Hohe und 16 cm in der Breite Der Text hat bis fol 12v dem Ende des Perikopenverzeichnisses 38 Zeilen danach 30 Zeilen Er wurde im 10 Jahrhundert mit zahlreichen Glossen in Latein Altsachsisch und Althochdeutsch versehen Einige Blatter wurden an den Randern beschnitten wodurch Teile einzelner Glossen verloren gingen Auch wurden Glossen durch den Einsatz von Chemikalien die die Lesbarkeit erhohen sollten beschadigt Bei einer Restaurierung 1958 wurden einzelne Blatter falsch wieder eingebunden das Doppelblatt 48v 49r wurde in die verkehrte Richtung gefalzt und das Doppelblatt 143v 144r in die 21 anstatt in die 22 Lage eingebunden Die Handschrift enthalt ein Perikopenverzeichnis in lateinischer Sprache den Brief Novum opus des Hieronymus an Papst Damasus I die Vorrede plures fuisse des Hieronymus zu den Evangelien die vier Vorreden zu den einzelnen Evangelien sowie den Text der Evangelien ausserdem 14 Kanontafeln sowie von derselben Hand die die meisten Glossen eintrug einen unvollstandigen Ordo lectorum Das hinzugebundene Homiliar enthalt Auszuge aus verschiedenen Texten des Beda Venerabilis Der Text des Evangeliars wurde von drei verschiedenen Schreibern mit brauner Tinte angelegt die Schrift ist eine fruhe Fassung der karolingischen Minuskel Zur Auszeichnung das heisst zur Hervorhebung der verschiedenen Abschnitte wurde als Schrift eine Capitalis quadrata verwendet Die Unziale wurde nur im Matthaus Evangelium fur die Kapitelanfange die Genealogie Christi und das Vaterunser verwendet Die Uberschriften sind in Gelb Rot und Grun ausgemalt Der Buchschmuck ist polychrom und umfasst sowohl Zierseiten Kanontafeln Incipit und Initialseiten sowie Initialen von unterschiedlicher Gestaltung und Grosse Die verwendeten Farben sind Mennigerot und Kupfergrun die gelbe Farbe wurde bisher nicht untersucht 3 Buchmalerei Bearbeiten nbsp v 68v Eingangsseite der Vorrede zum Markus Evangelium Das Initial I wird aus zwei symmetrisch miteinander verschlungenen wurmartigen Fabeltieren gebildet die in ein sich kreuzendes Flechtband eingesponnen sind Das Wort Incipit wird durch zoomorphe Motive gebildet die Majuskel der folgenden Worte sind farbig unterlegt Georg Humann schrieb 1904 in seinem Werk zu den Schatzen des Essener Munsters Obwohl die meisten dieser Zeichnungen in asthetischer Hinsicht auf sehr niedriger Stufe stehen sind sie doch von kunstgeschichtlichem Wert da sie sehr charakteristische Beispiele vorkarolingischer Buchmalerei bieten Georg Humann Die Kunstwerke der Munsterkirche zu Essen S 37 Auch spater ist der Buchmalerei der Handschrift ein barbarischer Geschmack 4 oder barbarische Grossartigkeit 5 bescheinigt worden Der Buchschmuck der Handschrift ist aussergewohnlich vielfaltig und von Einflussen mehrerer Kulturkreise durchsetzt Auffallig sind die Zierbuchstaben bei denen Teile durch hunde und vogelartige Figuren ersetzt wurden Diese Zierbuchstaben lassen sich auf Fisch Vogel Buchstaben der merowingischen Buchkunst des 7 und 8 Jahrhunderts zuruckfuhren Die Initialen weisen dagegen oft Flechtbandornamente auf die aus Motiven des irisch angelsachsischen Raums abgeleitet sind Bei diesen Ornamenten weist die Essener Handschrift identisches Formengut zum sogenannten Psalter Karls des Grossen Bibliotheque Nationale ms lat 13159 auf das zwischen 795 und 800 datiert werden kann Gerds nimmt ein Entstehen im selben Skriptorium an 6 Die Verwendung unterschiedlicher Zierformen in einer Handschrift war in der karolingischen Buchmalerei nicht ungewohnlich Der ornamentale Charakter der Darstellung ist unberuhrt von der karolingischen Renaissance die einen Ruckgriff auf antike Vorbilder beinhaltete und der Darstellung des Menschen mehr Raum gab 7 Die Kanontafeln der Handschrift gestaltete der Buchmaler unterschiedlich Arkaden sind mit Rundbogen oder Giebeln aus Bandstreifen oder Bandverschlingungen gebildet die mit Borten aus Blattmustern versehen sind Eine der Kanontafeln weist ein identisches Ornament als Saulenfullung auf wie das Gundohinus Evangeliar Autun Bibliotheque Municipale Ms 3 zu dem auch Ahnlichkeiten bei den Gestaltungen der Rundbogen besteht 8 Unter den Zierseiten ist die Kreuzdarstellung mit dem Brustbild Christi im Schnittpunkt der Kreuzarme und den Evangelistensymbolen zwischen den Kreuzarmen besonders markant Diese Miniatur weist in den Gesichtern besonders deutlich irische Einflusse auf Die niedrigen Stirnen die in einer Linie mit der Nase gezeichneten Augenbrauen die weit geoffneten Augen wie auch die Munder finden sich ahnlich an dem im 8 Jahrhundert entstandenen Bandkruzifix auf S 266 des Codex Cal sang 51 der Stiftsbibliothek St Gallen 9 Die Gestaltung des Kreuzes bei Hs 1 durch farbige Rechtecke deutet Edelsteine an die Grundidee der Darstellung ist also eine crux gemmata Die Darstellung meint daher nicht die Kreuzigung als Ereignis sondern Christus der durch das Kreuz in seine Herrlichkeit einging 10 Die Darstellung mit dem Brustbild Christi am Schnittpunkt der Kreuzbalken ist dabei im abendlandischen Raum selten die Essener Darstellung ist eine der spatesten Darstellungen dieses Typs Durch das Buch das Christus halt ist er zugleich als Lehrer der Wahrheit charakterisiert Die Glossen Bearbeiten nbsp Eine Textseite fol 65r mit Glossierung Scan aus Georg Humanns Tafelwerk von 1904 der Text ist Matt 27 3 21Die insgesamt 453 altsachsischen Glossen des Evangeliars stammen aus dem 10 Jahrhundert Sie uberliefern insgesamt uber 1050 volkssprachliche Einzelworter der Zeit das Evangeliar ist damit die zweitumfangreichste Glossierung des Altsachsischen 11 Die meisten Glossen wurden von einer Hand die mit stark wechselndem Duktus schrieb teils marginal am ausseren Rand teilweise auch zwischen die Zeilen geschrieben interlinear Reichte der Platz nicht aus benutzte die Schreiberin 12 auch den inneren Rand Die Glossierung folgt dabei inhaltlich einer unbekannten verlorenen Vorlage auf die auch die ebenfalls im Essener Skriptorium entstandene Glossierung eines ursprunglich aus dem Stift Elten stammenden Lindauer Evangeliars Freiherr M Lochner von Huttenbach Codex L heutiger Verbleib nicht bekannt zuruckzufuhren ist Die Glossen verteilen sich ungleichmassig auf alle vier Evangelien 109 interlineare und 78 marginale Glossen erlautern das Matthaus Evangelium wogegen das Markus Evangelium nur mit 15 interlinearen und 12 marginalen Glossen versehen ist Von den 148 Glossen zum Evangelium nach Lukas sind 87 interlinear und 61 marginal eingeschrieben das Johannes Evangelium erganzen 34 interlineare und 57 marginale Glossen 13 Zur Sprache der in das Pergament geritzten Griffelglossen finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben Die lateinischen Glossen sind meist Scholien und bestehen aus sprachlich vereinfachten Auszugen aus karolingischen und vorkarolingischen Evangelienkommentaren besonders aus den Schriften Bedas 14 Dabei wurden die kommentierten Stellen des Evangeliumstextes mit Unzialbuchstaben versehen die bei den Glossen wiederkehren und so die Zuordnung der Kommentierung zur kommentierten Stelle sicherstellen Sobald die Buchstaben des Alphabets verbraucht sind ist die nachste Kommentierung wieder als A bezeichnet Gleichzeitig mit dem Eintrag der lateinischen Glossen wurden einzelne deutsche Worter hinter selten gebrauchten Wortern eingetragen In einer zweiten Bearbeitungsphase wurden die lateinischen Glossen korrigiert und teilweise erganzt zudem wurden weitere deutsche Erganzungen zu den Scholien vorgenommen In diesem Bearbeitungsabschnitt wurden die lateinischen Glossen auch an ihrem Ende erganzt Diese Glossierungen nehmen Bezug auf das Ende der lateinischen Glosse in zahlreichen Fallen handelt es sich um vollstandige deutsche Halbsatze die den Schluss der lateinischen Glosse paraphrasieren und fortfuhren Hellgardt kommt zum Eindruck einer Vorform einer deutsch lateinischen Mischsprache wie sie als klerikaler Soziolekt bei Notker dem Deutschen oder Williram vorkommt 15 Geschichte Bearbeiten nbsp v 16r Seite mit aus Flechtband gebildeter Prachtinitiale P und zwei unterschiedlichen Auszeichnungsschriften Der Text ist der Beginn des Hieronymus Vorrede Plures fuisse Nach der kunsthistorischen Einordnung ist das Evangeliar um 800 entstanden wo ist jedoch unsicher Das Skriptorium in dem die Handschrift entstand konnte bisher nicht identifiziert werden Aufgrund des Schriftbildes und des Zusammentreffens kontinentaler und insularer Einflusse im Buchschmuck wird der Entstehungsort in Nordwestdeutschland oder Nordostfrankreich vermutet 16 Unbekannt ist auch wie und wann die Handschrift nach Essen gelangte Aufgrund der Lokalisierung der Handschrift in Gebiete wo der Heilige Altfrid der spatere Grunder des Stifts Essen ausgebildet wurde der hohen Qualitat der Handschrift sowohl in textlicher wie kunstlerischer Hinsicht und des Umstandes dass ein Evangeliar zur liturgischen Grundausstattung einer Kirche gehorte wird angenommen dass das karolingische Evangeliar von Altfrid selbst seiner Grundung uberlassen wurde 17 Katrinette Bodarwe wies allerdings darauf hin dass die Handschrift keinen Eintrag der zu Beginn des 10 Jahrhunderts in Essen tatigen Bibliothekarshand A aufweist moglicherweise also doch nicht als Grundungsgeschenk nach Essen gelangte 18 Ein am oberen Rand von fol 143r stehender Eintrag Iuntram prb Guntram presbiter konnte von einem fruheren Besitzer stammen Die Inhaltsangabe PLENARIVM auf fol 2r der sogenannten Bibliothekarshand B wurde in Essen um 1200 vielleicht auch erst in der ersten Halfte des 13 Jahrhunderts eingetragen Davor fehlt jeder direkte Besitznachweis der Handschrift Die Glossen des Evangeliars weisen charakteristische Merkmale im Schriftbild auf die fur das Skriptorium des Essener Frauenstifts typisch sind Die Schreiberin wirkte auch an dem im letzten Drittel des 10 Jahrhunderts in Essen entstandenen Sakramentar Hauptstaatsarchiv Dusseldorf Essen D2 mit so dass der Aufenthalt der Handschrift Hs 1 bereits im spaten 10 Jahrhundert in Essen sicher ist Etwa in diesem Zeitraum wurde das Evangeliar erstmals neu gebunden Georg Humann stellte 1904 fest dass die vorletzte Lage falsch sortiert war und das als v 60 ein schmaler Pergamentstreifen mit Notizen in der Handschrift der Glossen mit eingebunden worden war 19 Moglicherweise war das Evangeliar bereits 946 als die Stiftskirche Essen abbrannte nicht mehr als liturgisches Buch in Gebrauch sondern diente bereits als Schulbuch zur Unterrichtung der Sanktimonialen Wahrend alle aktuellen liturgischen Schriften nach dem Stiftsbrand vom Essener Skriptorium neu erstellt werden mussten blieben einige Bucher wie das Evangeliar falls es nicht erst nach dem Brand nach Essen gelangte oder die Sakramentarshandschrift Hauptstaatsarchiv Dusseldorf D1 die nicht mehr in liturgischem Gebrauch war erhalten mutmasslich weil sie getrennt von den in Benutzung befindlichen Handschriften aufbewahrt wurden Die Verwendung als Schulbuch belegen auch die Federproben die besonders zahlreich auf den Vorsatzblatt vorgenommen wurden dort finden sich neben Strichen und Schraffuren Versanfange wie Scribere qui nescit nullum putat esse laborem Wer das Schreiben nicht kennt glaubt nicht dass es Arbeit ist und Einzelworter wie Proba Test Diskutiert wird dass das Evangeliar neben dieser Nutzung noch in liturgischer Benutzung war Das Theophanu Evangeliar Essener Domschatzkammer Hs 3 das Abtissin Theophanu um 1040 mutmasslich zur prunkvollen Inszenierung der Osterliturgie schenkte weist fast identische Abmessungen wie das Karolingische Evangeliar auf Gass nimmt daher an das Theophanu Evangeliar habe das Karolingische Evangeliar als Prunkevangeliar in der Stiftsliturgie abgelost 20 Gegen Ende des 11 Jahrhunderts schwand das Interesse des Damenkonvents an seinen Kodexbestanden aus denen die Kanoniker des Stifts eine eigene Bibliothek fur Ausbildungszwecke zusammenstellten In diesem Zusammenhang entstand der Besitzeintrag der Bibliothekarshand B 21 Durch die Aufnahme in die Kanonikerbibliothek blieb die Handschrift erhalten wahrend andere Essener Bucher zu Pergamentmakulatur verarbeitet wurden In der nur den maximal zwanzig Kanonikern zuganglichen Bibliothek geriet das Evangeliar in Vergessenheit Keines der Essener Schatzverzeichnisse der fruhen Neuzeit verzeichnet die Handschrift Als das Stift Essen 1802 aufgelost und wertvolle Handschriften von den neuen preussischen Herren nach Dusseldorf verbracht wurden blieb das Karolingische Evangeliar aus unbekannten Grunden in Essen moglicherweise wurde die Handschrift nicht gefunden Erst 1880 wurde das Evangeliar im Pfarrarchiv des Munsters entdeckt Bereits im folgenden Jahr veroffentlichte Georg Humann einen ersten Aufsatz mit Textauszugen Zeichnungen und einer kolorierten fotografischen Abbildung des Kreuzes mit den Evangelistensymbolen v 29v Beachtung fanden besonders die Glossen den kunstlerischen Wert der Zeichnungen mass man am Zeitgeschmack auch wenn man sie als charakteristische Beispiele vorkarolingischer Buchmalerei erkannte Im August 1942 wurde das Evangeliar das in der Munsterbibliothek aufbewahrt worden war nach Marienstatt im Westerwald in das dortige Zisterzienserkloster evakuiert und entging dadurch dem Bombenangriff bei dem am 5 Marz 1943 die Munsterbibliothek zerstort wurde 1949 wurde die Handschrift nach Essen zuruckgebracht Nach der Offnung der Domschatzkammer 1958 fur das Publikum war das Evangeliar im Handschriftenraum der Schatzkammer untergebracht Da dieser das ehemalige sectarium des Stifts ist befindet sich die Handschrift an ihrem historischen Aufbewahrungsort Nach der Neueroffnung der Domschatzkammer am 15 Mai 2009 ist die Handschrift aus konservatorischen Grunden nicht mehr Teil der Dauerausstellung Aufgrund ihrer Bedeutung und ihres guten Zustands wurde die Handschrift mehrfach fur Ausstellungen ausgeliehen zuletzt im Jahr 2014 fur die Sonderausstellung Karls Kunst zum 1200 Todesjahr Karls des Grossen in Aachen Restaurierung BearbeitenDie Handschrift wurde mehrfach restauriert Nachdem sie bei ihrer Evakuierung im Zweiten Weltkrieg gelitten hatte beauftragte die Pfarrgemeinde St Johann Baptist der die Handschrift nach der Aufhebung des Stiftes gehorte 1956 57 den Restaurator Johannes Sievers am Hauptstaatsarchiv Dusseldorf mit der Restaurierung Dieser nahm die Handschrift auseinander und heftete sie neu teilweise fehlerhaft Die illuminierten Seiten die besonders schutzbedurftig erschienen beklebte Sievers nach dem damaligen Stand der Technik mit Mipo Folie auf PVC Basis Von dieser Massnahme waren 96 Seiten betroffen Die Folgen der Restaurierung waren verheerend Die Folie verschloss das Pergament luftdicht Durch den fehlenden Zutritt von Luftfeuchtigkeit begann das Pergament zu verhornen Zudem verfalschte die hochglanzende Folie die eher matten Farben der Buchmalerei Langfristig wurde die Folie braun und bruchig Eine Ablosung der schadigenden Folie ohne Zerstorung der Handschrift galt lange Zeit als unmoglich Versuche an anderen Handschriften die vergleichbar beklebt worden waren ergaben dass die pastosen Farbschichten der Malerei starker an der Folie als am Pergament hafteten und wie Abziehbilder abgezogen worden waren In anderen Fallen gelang zwar das Abziehen der Folien die Ruckstande der Klebeschicht fuhrten jedoch zum Verkleben der Seiten zu einem massiven Buchblock 1985 fand die Domschatzkammer Essen mit Otto Wachter dem Leiter des Instituts fur Restaurierung an der Osterreichischen Nationalbibliothek einen Experten der eine Ablosung der Folien fur moglich hielt 22 Die Handschrift wurde daher im Januar 1986 nach Wien gebracht wo Wachter sie zerlegte Die einzelnen Pergamentblatter legte Wachter dann in ein Bad aus vier Teilen Ethanol und einem Teil Essigsaureamylester dem er falls der Losungseffekt nicht ausreichte noch einen Teil Butylacetat zusetzte Nach einem Bad von 20 bis 30 Minuten Dauer konnte Wachter die Folien vorsichtig abziehen Anschliessend liess er das Pergament trocknen wodurch Ruckstande der Klebeschicht erkennbar wurden Diese entfernte Wachter durch Betupfen und vorsichtiges Rotieren mit einem in Essigsaureamylester getauchten Baumwolllappen bis keinerlei klebrige Ruckstande mehr wahrnehmbar waren Dieser Arbeitsschritt zog sich teilweise uber mehrere Tage fur eine Seite da die Klebereste nur im trockenen Zustand erkennbar waren Das zweite restauratorische Problem war Grunspanfrass der durch das in der Buchmalerei verwendete Kupfergrun verursacht wurde Grunspanfrass tritt bei Buchmalerei auf wenn die einzelnen Farbpartikel nur von wenig Bindemitteln der Farbe umschlossen werden Von der Restaurierung saurer Papiere war zudem bekannt dass magnesiumverbindungshaltiges Papier nicht von Grunspanfrass betroffen wird Wachter bestrich daher alle Stellen der Handschrift bei denen Grunspan als Farbstoff benutzt worden war von beiden Seiten des Pergamentblattes mit einer Magnesiumbicarbonatlosung die er trocknen liess Anschliessend pinselte er eine Losung von 20 Gramm Methylcellulose auf ein Liter Wasser auf Dabei machte er sich die auch beim Einsatz von Cellulosen in Waschmitteln ausgenutzte Fahigkeit sich zwischen Schmutzpartikel und Stoff zu setzen zu Nutze Wachter lagerte auf diese Weise die Kupfergrunpartikel in einen Puffer aus Magnesiumsalzen Anschliessend verschloss er die Stellen an denen sich das Kupfergrun bereits durch das Pergament gefressen hatte mit Goldschlagerhaut Erschwert wurde die Restaurierung dadurch dass die Pergamentblatter der Handschrift weder gepresst noch gespannt werden durften da dieses zu einer Beschadigung der ins Pergament geritzten Griffelglossen hatte fuhren konnen Nach Abschluss der Restaurierung wurde die Handschrift die einen Holzdeckel unbekannten Alters hatte der sicher nicht ursprunglich war nach dem Vorbild erhaltener karolingischer Bucheinbande neu gebunden wobei fur die Stempelpragung des Einbandes der Einband einer in der Wiener Nationalbibliothek vorhandenen ursprunglich Salzburger Handschrift als Vorbild diente 23 Literatur BearbeitenGeorg Humann Die Kunstwerke der Munsterkirche zu Essen Schwann Dusseldorf 1904 S 37 81 Gerhard Kobler Sammlung aller Glossen des Altsachsischen Arbeiten zur Rechts und Sprachwissenschaft Bd 32 Arbeiten zur Rechts und Sprachwissenschaft Verlags GmbH Giessen 1987 ISBN 3 88430 053 9 S 95 109 Alfred Pothmann Das Karolingische Evangeliar Bericht von der Restaurierung der fruhmittelalterlichen Handschrift In Munster am Hellweg Mitteilungsblatt des Vereins fur die Erhaltung des Essener Munsters Bd 40 1987 S 13 15 Das Essener Evangeliar Zehn Faksimiles aus der Handschrift Hs 1 der Domschatzkammer zu Essen Mit einer Einfuhrung von Alfred Pothmann Verlag Muller und Schindler u a Stuttgart u a 1991 Ernst Hellgardt Philologische Fingerubungen Bemerkungen zum Erscheinungsbild und zur Funktion der lateinischen und altsachsischen Glossen des Essener Evangeliars Matthaus Evangelium In Eva Schmitsdorf Nina Hartl Barbara Meurer Hrsg Lingua Germanica Studien zur deutschen Philologie Jochen Splett zum 60 Geburtstag Waxmann Munster u a 1998 ISBN 3 89325 632 6 S 32 69 Isabel Gerds Das karolingische Evangeliar Hs 1 des Essener Domschatzes Eine Studie zur Ornamentik Kiel 1999 Kiel Christian Albrechts Universitat unveroffentlichte Magisterarbeit Gerhard Karpp Die Anfange einer Buchersammlung im Frauenstift Essen Ein Blick auf die importierten Handschriften des neunten Jahrhunderts In Gunter Berghaus Thomas Schilp Michael Schlagheck Hrsg Herrschaft Bildung und Gebet Grundung und Anfange des Frauenstifts Essen Klartext Verlag Essen 2000 ISBN 3 88474 907 2 S 119 133 Katrinette Bodarwe Sanctimoniales litteratae Schriftlichkeit und Bildung in den ottonischen Frauenkommunitaten Gandersheim Essen und Quedlinburg Institut fur Kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen Quellen und Studien Bd 10 Aschendorff sche Verlagsbuchhandlung Munster 2004 ISBN 3 402 06249 6 Rolf Bergmann Stefanie Stricker Katalog der althochdeutschen und altsachsischen Glossenhandschriften Band 1 Teil A Verzeichnis der Handschriften Teil B Einleitung Teil C Katalog Nr 1 200 de Gruyter Berlin u a 2005 ISBN 3 11 018272 6 Babette Tewes Essener Evangeliar In Peter van den Brink Sarvenaz Ayooghi Hrsg Karl der Grosse Charlemagne Karls Kunst Katalog der Sonderausstellung Karls Kunst vom 20 Juni bis 21 September 2014 im Centre Charlemagne Aachen Sandstein Dresden 2014 ISBN 978 3 95498 093 2 S 246 249 m Lit Weblinks BearbeitenKarolingisches Evangeliar auf den Seiten der Domschatzkammer EssenEinzelnachweise Bearbeiten Die kodikologische Beschreibung folgt Bodarwe Sanctimoniales litteratae 2004 S 405f Das Lagenschema nach Bodarwe Sanctimoniales litteratae 2004 lautet I 2 IV 10 I 1 13 IV 1 22 I 24 II 28 3 IV 52 IV 1 61 IV 69 III 75 2 IV 91 III 97 IV 1 104 IV 112 IV 1 119 2 IV 135 II 139 3 IV 163 IV 170 Vorsatzblatt 2 IV 186 2 188 Gerds gibt I III 1 I V 1 III III I 2 IV IV 1 1 III I III 2 IV III III 1 IV III 1 2 IV 2 III 2 IV I III 2 IV I an Zur Erlauterung der Formel siehe hier Gerds Das karolingische Evangeliar Hs 1 des Essener Domschatzes 1999 S 11 Bernhard Bischoff In Anzeiger fur deutsches Altertum Bd 66 1952 53 wiedergegeben bei Hellgardt Philologische Fingerubungen 1998 S 34 Einleitung In Pothmann Das Karolingische Evangeliar 1987 Gerds Das karolingische Evangeliar Hs 1 des Essener Domschatzes 1999 S 69 Einleitung In Pothmann Das Karolingische Evangeliar 1987 Gerds Das karolingische Evangeliar Hs 1 des Essener Domschatzes 1999 S 28 Leonard Kuppers Paul Mikat Der Essener Munsterschatz Fredebeul amp Koenen Essen 1966 S 25 Gerds Das karolingische Evangeliar Hs 1 des Essener Domschatzes 1999 S 22ff weist auf deutliche Unterschiede hin und zieht Vergleiche zu Mosaiken in den Kirchen Sant Apollinare in Classe und San Vitale in Ravenna Leonard Kuppers Paul Mikat Der Essener Munsterschatz Fredebeul amp Koenen Essen 1966 S 25 Ausstellungskatalog Krone und Schleier Kunst aus mittelalterlichen Frauenklostern Hirmer Munchen 2005 ISBN 3 7774 2565 6 S 233 Bergmann Stricker Katalog der althochdeutschen und altsachsischen Glossenhandschriften Bd 1 2005 S 411 Es handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Schreiberin da Katrinette Bodarwe Sanctimoniales litteratae 2004 nachweisen konnte dass im Stil des Essener Skriptoriums im 10 Jahrhundert etwa 70 Personen schrieben zu viele als dass dies die wenigen mannlichen Priester die im Frauenstift als Kleriker dienten hatten leisten konnen Alle Zahlen Bergmann Stricker Katalog der althochdeutschen und altsachsischen Glossenhandschriften Bd 1 2005 S 411f Hellgardt Philologische Fingerubungen 1998 S 34 Hellgardt Philologische Fingerubungen 1998 S 43 Karpp Die Anfange einer Buchersammlung im Frauenstift Essen 2000 S 122 Hellgardt Philologische Fingerubungen 1998 S 82 weist auf grosse Ahnlichkeit zur fruhen Phase des Skriptoriums von Reims hin So bereits Humann Die Kunstwerke der Munsterkirche zu Essen 1904 S 44f ebenfalls Einleitung In Pothmann Das Karolingische Evangeliar 1987 Karpp Die Anfange einer Buchersammlung im Frauenstift Essen 2000 S 122 Bergmann Stricker Katalog der althochdeutschen und altsachsischen Glossenhandschriften Bd 1 2005 S 410 Bodarwe Sanctimoniales litteratae 2004 S 404 Humann Die Kunstwerke der Munsterkirche zu Essen 1904 S 69 Berit H Gass Das Theophanu Evangeliar im Essener Domschatz Hs 3 In Birgitta Falk Hrsg wie das Gold den Augen leuchtet Schatze aus dem Essener Frauenstift Essener Forschungen zum Frauenstift Bd 5 Klartext Verlag Essen 2007 ISBN 978 3 89861 786 4 S 169 189 hier S 177f Bodarwe Sanctimoniales litteratae 2004 S 284 Otto Wachter Die De Laminierung des karolingischen Evangeliars aus dem Essener Domschatz In Maltechnik Restauro Internationale Zeitschrift fur Farb Maltechniken Restaurierungen und Museumsfragen Mitteilungen der IADA Bd 93 Nr 2 1987 S 34 38 Gerds Das karolingische Evangeliar Hs 1 des Essener Domschatzes 1999 S 9 nbsp Dieser Artikel wurde am 19 Mai 2008 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Essener Domschatzkammer Hs 1 amp oldid 238178987