www.wikidata.de-de.nina.az
Die als Ersheimer Kapelle bekannte katholische Friedhofskirche St Nazarius und Celsus in Ersheim gilt als alteste Kirche des Neckartals und als Kleinod der regionalen Gotik Eine erste Kirche an ihrer Stelle bestand vermutlich bereits im 8 oder 9 Jahrhundert die altesten heutigen Bauteile stammen aus dem 14 Jahrhundert als die Kirche Grablege der Herren von Hirschhorn war Die Kirche ist alter als die am anderen Neckarufer liegende Stadt Hirschhorn und war bis zum 17 Jahrhundert die nur mit einer Fahre zu erreichende Pfarrkirche der Stadt an der neben einem Pfarrer zeitweilig bis zu funf Altaristen wirkten Seit 1636 wird die Kirche lediglich noch als Friedhofskapelle genutzt Ersheimer Kapelle Ansicht des WestgiebelsLuftbildInnenansicht mit Blick zum Chor Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Geschichte 3 Gestalt und Ausstattung 3 1 Chor 3 2 Vorchor 3 3 Langhaus 3 4 Aussenbereich 3 5 Fledermauskolonie im Dachstuhl 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLage BearbeitenDie Ersheimer Kapelle befindet sich im heutigen Hirschhorner Stadtteil Ersheim auf einer halbinselartigen Landzunge gegenuber dem Hauptort welche durch eine extreme Schleife des Neckars gebildet wird Der Hirschhorner Stadtteil bildet hierbei das einzige Gebiet des Landes Hessen sudlich des Neckars Geschichte Bearbeiten nbsp Ruckwartige Ansicht von der Friedhofsseite ausDas Dorf Ersheim wurde erstmals 773 im Lorscher Codex urkundlich erwahnt 1 und ist somit deutlich alter als Hirschhorn selbst Laut dieser Urkunde schenkten Liutfrid und Liutbrand ihre gesamten Besitztumer im Dorf Ersheim dem Kloster Lorsch Urkunden oder archaologische Befunde zur fruhen Geschichte der Kirche gibt es nicht Das Nazarius Patrozinium deutet auf eine Grundung im 8 oder 9 Jahrhundert Nach einer ersten Holzkirche entstand vermutlich eine romanische Chorturmkirche Erstmals urkundlich erwahnt wurde die Kirche 1345 in einem 40 tagigen Ablass den Papst Clemens IV dem Ritter Engelhard I von Hirschhorn fur die Ersheimer Kirche gewahrte Die Kirche war damals bereits seit einigen Generationen Grablege der Herren von Hirschhorn Engelhard I erhielt 1355 vom Bischof von Worms die Genehmigung die Kirche bei Bedarf abzureissen und zu erneuern Er begann auch ein entsprechendes Bauvorhaben das jedoch erst nach seinem Tod im Jahre 1361 von seinem Sohn Hans vollendet wurde Aus jener Zeit stammt mit dem Vorchor auch der alteste noch erhaltene Gebaudeteil Nach der Stadtgrundung von Hirschhorn 1391 diente die Ersheimer Kirche auch als Pfarrkirche fur die neu gegrundete Stadt am anderen Neckarufer Zahlreiche Stiftungen der Herren von Hirschhorn und anderer regionaler Adeliger durften fur einen gewissen Wohlstand der Pfarrkirche gesorgt haben der im 15 Jahrhundert noch die Pfarreien von Muckenloch Reilsheim Schatthausen Hoffenheim und Eschelbach inkorporiert wurden An der Kirche wirkten bis zu funf Altaristen zum Lesen von jahrlich rund 100 Seelenmessen Um die Kirche befanden sich daher neben Pfarrhaus Mesnerhaus Klause und Beinhaus auch noch funf Altaristenhauser Das Langhaus in seiner jetzigen Form entstammt einem Umbau des Jahres 1464 Im Jahr 1517 wurde die Kirche durch die Bruder Engelhard III Georg und Philipp II von Hirschhorn um einen grosseren Chorbau erweitert Im Zusammenhang mit dem Chorneubau konnte auch der Westgiebel der Kirche erneuert worden sein da dort viele Steine Anzeichen einer Zweitverwendung aufweisen Die Kirche nach wie vor Stadtkirche fur Hirschhorn wurde durch die Ritter von Hirschhorn ab 1528 reformiert Im Laufe des 16 Jahrhunderts loste sich das Dorf Ersheim allmahlich auf Bedeutende Ursachen hierfur waren wohl die standige Gefahr durch Neckarhochwasser aber auch der wesentlich bessere Ausbau der Stadt Hirschhorn deren Mauern den Menschen in Notzeiten mehr Schutz boten als er im weitgehend ungeschutzten Ersheim zu erwarten gewesen ware Pfarrhaus und Altaristenhauser waren bereits mehrere Jahrzehnte aufgegeben als 1636 die Hirschhorner Karmeliter Klosterkirche Maria Verkundigung die Aufgabe als Stadtkirche ubernahm die Ersheimer Kirche fortan nur noch als Friedhofskapelle diente und allmahlich verfiel 1771 wurden der Glockenturm am Westgiebel abgerissen und das Langhaus neu gedeckt 1818 wurde die Kirche schliesslich zum Abbruch ausgeschrieben der nur durch Proteste der Hirschhorner Burgerschaft verhindert werden konnte Nicht verhindern liess sich hingegen der Abbruch des Beinhauses um 1826 Eine erste neuzeitliche Renovierung fand 1873 statt wobei die Kirche eine bescheidene neugotische Ausstattung erhielt Erst nach dem Ubergang der Kirche an die Diozese Mainz 1956 wurde sie in den Jahren 1958 und 1963 1968 umfassend saniert Eine Erneuerung des Dachstuhls uber dem Chor erfolgte 2004 05 Seit 1678 fanden regelmassig Prozessionen von der Hirschhorner Marktkirche zur Ersheimer Kapelle statt Sie wurden erst 1938 von den Nationalsozialisten verboten und nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals fur kurze Zeit wieder aufgenommen Der Ort Ersheim erfuhr erst durch die Strassenanbindung nach Fertigstellung der Neckarbrucke 1933 und der neuerlichen Bebauung nach dem Zweiten Weltkrieg als Stadtteil von Hirschhorn eine Wiederbelebung Gestalt und Ausstattung Bearbeiten nbsp Spatgotischer Chor nbsp Grabplatten im ChorAn ein rechteckiges gotisches Langhaus mit flacher Balkendecke und einen quadratischen ebenfalls gotischen Vorchor mit Kreuzrippengewolbe schliesst sich ein nach Osten ausgerichteter spatgotischer Chor mit Masswerkfenstern an welcher von einem Sterngewolbe gekront wird An den Chorbau grenzt auf der Nordseite der Kirche eine angebaute Sakristei Chor Bearbeiten Der polygonale Chor besteht aus drei Jochen und einer Apsis Die insgesamt zehn Konsolen des Sterngewolbes sind filigran mit Konsolfiguren verziert darunter ein Engel mit Spruchband auf dem die Jahreszahl 1517 sichtbar ist Eine der weiteren Konsolfiguren stellt vermutlich aufgrund ihrer Ubereinstimmung mit einer Darstellung in der Dionysiuskirche in Esslingen den im Gesicht halbseitig gelahmten Baumeister Lorenz Lechler aus Heidelberg dar Die drei Schlusssteine des Gewolbes tragen die farbigen Allianzwappen der adligen Stifter Hirschhorn Venningen Hirschhorn Bock von Gerstheim und Hirschhorn Fuchs zu Bimbach In der Apsis des Chores befindet sich ein Altar mit gotischen Plastiken aus bemaltem Holz Die Figuren stellen eine thronende Maria mit Kind um 1440 sowie St Jakobus und St Nazarius mit Celsus um 1500 dar und befanden sich ursprunglich in der Klosterkirche in Hirschhorn Eine weitere Figur gleicher Provenienz den heiligen Sebastian darstellend wird im katholischen Pfarrhaus verwahrt Vor die Wande des Chorbaus sind gut erhaltene mittelalterliche Grabplatten der Ritter von Hirschhorn gestellt Die schmuckvollsten Grabplatten sind die des Engelhard I von Hirschhorn und dessen Schwiegertochter Margarete von Erbach die die Personen jeweils als lebensgrosse Reliefplastiken zeigen Grabplatten der Familie von Hirschhorn im Chor der Ersheimer Kapelle Engelhard I von Hirschhorn 1361 Margarete von Erbach Ehefrau Engelhards II von Hirschhorn 1383 Konrad von Hirschhorn 1358 als Kind verstorbener Sohn Engelhards II Albrecht von Hirschhorn 1400 Sohn Engelhards II Hans von Hirschhorn 1405 Sohn Albrechts Demut Kammerer von Worms Ehefrau des Stadtgrunders Eberhard von Hirschhorn 1425 Eberhard III von Hirschhorn 1427 Sohn Eberhards und Demuts nbsp Engelhard I von Hirschhorn nbsp Margarete von Erbach nbsp Lechler KonsoleVorchor Bearbeiten nbsp Deckengewolbe des Vorchors nbsp Mittelalterliches Fresko im LanghausDer Vorchor bzw das Mittelschiff ist zur Ganze Wande und Gewolbe mit Fresken bedeckt die erst bei Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1963 bis 1965 zu Tage traten und die der Bauzeit des Vorchores um 1350 zugeordnet werden Das Deckengewolbe ist mit Evangelistensymbolen bemalt die Schildbogenfelder mit Propheten und Konig David die Wande mit Aposteldarstellungen In die Nordwand eingelassen ist das reich verzierte Stuck Epitaph des Hirschhorn Zwingenbergschen Kellers Philipp Heimreich 1622 der ein Heimchen als Wappentier seines redenden Wappens gewahlt hat Langhaus Bearbeiten Das Langhaus ist insgesamt sehr schlicht gehalten An der Giebelseite sind noch die Kragsteine zu erkennen die einst den Sockel des Glockenturms bildeten der Tursturz des einstigen Turmzugangs ist auf 1464 datiert Links neben dem Portal befindet sich im Inneren ein Konsolstein mit einem Gesicht vermutlich ein weiteres Baumeisterportrat aus dem 14 oder 15 Jahrhundert Auffallig im Langhaus sind zwei kleinere Wandfresken mit der Darstellung von Heiligen Uber dem Eingangsportal befindet sich auf einer Empore die moderne Orgel nbsp Baumeister Konsole nbsp Heimreich Epitaph nbsp FreskenAussenbereich Bearbeiten nbsp TotenleuchteDer gesamte Aussenbereich der Kapelle ist ein bis in die heutige Zeit genutzter ummauerter Friedhof Etwas abgeruckt von der Kirche unmittelbar an der Friedhofsmauer steht der sogenannte Elendstein eine Totenleuchte die 1412 von dem Mainzer bzw Speyerer Domherrn Konrad von Hirschhorn gestiftet worden war An der nordlichen Aussenseite der Ersheimer Kapelle steht unter einer von aussen zur Orgelempore fuhrenden Treppe eine bemalte Olbergszene aus Sandstein Das Werk aus der Zeit um 1520 befand sich ursprunglich unterhalb der Klosterkirche in Hirschhorn und wurde 1669 zur Ersheimer Kapelle gebracht Ostlich davon hat man weitere mittelalterliche Grabsteine vor die Aussenmauer der Friedhofskirche gesetzt Es handelt sich uberwiegend um Grabsteine von Altaristen oder deren Angehorigen Der alteste der Grabsteine ist der des Kanonikers Gotzo von Beckingen 1360 dessen Wappen drei Ringe zeigt Ausserdem sind u a die Grabsteine von Friedrich Seitz 1544 und Petrus Karg 1544 den letzten beiden katholischen Altaristen erhalten Neben diesen historischen Grabsteinen wurden auch die Reste von Bildstocken aus dem 16 Jahrhundert aufgestellt die sich einst entlang des Wegs von der Fahre zur Kirche befanden nbsp Olberg nbsp Grabstein des Gotzo von Beckingen nbsp Grabstein des Altaristen Heylman Runst und seiner Schwester AborgFledermauskolonie im Dachstuhl Bearbeiten Der Dachstuhl der Kapelle beherbergt die grosste Fortpflanzungskolonie Hessens der Fledermausart Grosses Mausohr Ungefahr 1000 Weibchen ziehen hier im Sommer ihre Jungtiere auf 2 Literatur BearbeitenUlrich Spiegelberg Hirschhorn und seine Kirchen Deutscher Kunstverlag Munchen 2006 ISBN 978 3 422 02036 8 S 4 28 Ulrich Spiegelberg Zur Baugeschichte der Ersheimer Kirche bei Hirschhorn im 19 und 20 Jahrhundert In Der Odenwald Zeitschrift des Breuberg Bundes 62 Jahrgang Heft 2 Juni 2015 ISSN 0029 8360 S 70 75 Carl J H Villinger Katholische Friedhofskirche St Nazarius und Celsus In Hirschhorn und seine Kirchen Schnell Munchen 1982 S 20 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ersheimer Kapelle Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ersheimer Kapelle auf der offiziellen Webprasenz des Bistums Mainz abgerufen am 19 Mai 2021Einzelnachweise Bearbeiten Minst Karl Josef Ubers Lorscher Codex Band 4 Urkunde 2624 11 August 773 Reg 946 In Heidelberger historische Bestande digital Universitatsbibliothek Heidelberg S 188 abgerufen am 16 Marz 2016 https bistummainz de pfarrei neckartal wir Ersheimer Kapelle index html49 452722222222 8 9094444444444 Koordinaten 49 27 9 8 N 8 54 34 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ersheimer Kapelle amp oldid 234257519