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Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden im Deutschen Reich verschiedene Sonderregelungen zum Eherecht geschaffen So gab es die Moglichkeit einer Ferntrauung einer postumen Eheschliessung Leichentrauung und einer Totenscheidung Postmortale Eheschliessungen hatte es in Frankreich schon wahrend des Ersten Weltkriegs gegeben Ferntrauung eines Leutnants salutierend der Luftwaffe Tisch mit Kerzen und Bildern von Adolf Hitler und Hermann Goring Aufnahme einer Propagandakompanie vom 21 Juni 1944Eheschliessungen zwischen Deutschblutigen und Juden waren seit 1935 durch die Nurnberger Rassegesetze untersagt Fur judische Mischlinge galten unterschiedliche Bestimmungen ihre Antrage auf Heiratsgenehmigungen wurden ab 1942 fur die Dauer des Krieges nicht mehr bearbeitet Inhaltsverzeichnis 1 Ferntrauung 2 Leichentrauung 3 Totenscheidung 4 Rechtswirkungen nach 1945 5 Literatur 6 EinzelnachweiseFerntrauung BearbeitenDie Moglichkeit einer Ferntrauung bestand nach 13 ff der Dritten Verordnung zur Ausfuhrung des Personenstandsgesetzes Personenstandsverordnung der Wehrmacht vom 4 November 1939 1 fur Wehrmachtsangehorige die an einem Krieg einem kriegsahnlichen Unternehmen oder einem besonderen Einsatz teilnahmen und ihren Standort verlassen hatten Angehorige der Wehrmacht waren die Soldaten und die Wehrmachtsbeamten Notwendig waren dazu eine Willenserklarung des Wehrmachtsangehorigen zur Niederschrift des Bataillonskommandeurs eine eidesstattliche Erklarung uber die arische Abstammung und die Heiratsgenehmigung des OKW fur das Standesamt der Braut Zur Beschleunigung bedurfte es keines Aufgebots Befreiung vom Aufgebot konnte bereits nach der Zweiten Verordnung zur Durchfuhrung des Personenstandsgesetzes vom 30 August 1939 2 erteilt werden Fur bewaffnete Einheiten der SS galten die Vorschriften entsprechend Ebenso wurde die Regelung auf die ausserhalb des Reiches im Kriegseinsatz befindlichen Angehorigen der Deutschen Reichsbahn erstreckt 3 Im August 1940 wurde der Anwendungsbereich auf Wehrmachtsangehorige und andere deutsche Staatsburger die sich ausserhalb des deutschen Reichsgebiets aufhielten ausgeweitet An die Stelle des Bataillonskommandeurs trat bei Wehrmachtsangehorigen der zustandige deutsche Militarattache bei Kriegsgefangenen ein nach dem Abkommen uber die Behandlung der Kriegsgefangenen bestimmter Vertrauensmann bzw der ranghochste gefangene Offizier des hochsten Dienstgrades 4 Die Trauung im heimatlichen Standesamt musste binnen zwei Monaten seit Februar 1941 binnen neun 5 seit Juli 1941 6 binnen sechs und seit Oktober 1942 wiederum binnen neun Monaten 7 seit Erklarung des Mannes die dem Standesbeamten ubersandt wurde vor zwei Trauzeugen stattfinden Umgangssprachlich wurde diese Ferntrauung als Stahlhelmtrauung oder Trauung mit dem Stahlhelm bezeichnet da bei der Zeremonie im Standesamt ein Stahlhelm an die Stelle gelegt wurde die ansonsten der Brautigam eingenommen hatte 8 Die Ehe wurde in dem Zeitpunkt wirksam in dem die Frau ihren Willen die Ehe einzugehen vor dem Standesbeamten erklarte Dies galt auch wenn der Mann zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war Die Ehe galt dann als an dem Tag zustande gekommen an dem der Mann seinen Willen die Ehe einzugehen zur Niederschrift erklart hatte Ansonsten ubersandte der Standesbeamte dem Mann eine gebuhrenfreie Heiratsurkunde aus der der Umstand der Ferntrauung nicht ersichtlich war Aus dem bei der Eheschliessung zu eroffnenden Blatt im Familienbuch war jedoch ersichtlich zu machen dass die Ehe in Abwesenheit des Mannes geschlossen worden war Leichentrauung BearbeitenDie Moglichkeit der Ferntrauung schloss diejenigen Soldaten aus die nicht mehr zur Niederschrift ihres Willens eine Ehe einzugehen gekommen waren in denen aber der Nachweis erbracht werden konnte dass sie willens gewesen waren die Ehe einzugehen 9 Am 6 November 1941 unterzeichnete Adolf Hitler zusammen mit Hans Heinrich Lammers dem Chef der Reichskanzlei und Wilhelm Keitel dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht einen entsprechenden Geheimerlass Darin wurde Reichsinnenminister Wilhelm Frick ermachtigt die nachtragliche Eheschliessung von Frauen mit gefallenen oder im Felde verstorbenen Wehrmachtsangehorigen anzuordnen wenn nachweislich die ernstliche Absicht die Ehe einzugehen bestanden hat und keine Anhaltspunkte dafur vorliegen dass die Absicht vor dem Tode aufgegeben ist Fur Berufssoldaten ist die Zustimmung des Oberkommandos der Wehrmacht einzuholen Eine Veroffentlichung dieser Anordnung habe zu unterbleiben Am 25 Marz 1942 gab das Reichsinnenministerium den Wortlaut der Ermachtigung innerhalb der Verwaltung bekannt 10 Am 15 Juni 1943 informierte der Reichsinnenminister die Standesamter vertraulich von der Existenz des Fuhrererlasses und stellte Richtlinien fur die Bearbeitung der Antrage auf Insbesondere die ublichen Ehehindernisse nach dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre 11 und dem Ehegesundheitsgesetz 12 seien zu berucksichtigen Wahrend bei der Ferntrauung zwischen dem Soldaten und seiner zukunftigen Ehefrau ein schriftlich fixierter Ehekonsens bestand lag es im Fall der Leichentrauung oder Totenehe allein bei der Frau den letzten Willen des Gefallenen bei den Behorden zu bezeugen Die Frau die einen Toten heiratete wurde durch die Ehe nicht Ehefrau sondern Witwe Die nachtraglich geschlossene Ehe war bereits bei ihrer standesamtlichen Vollziehung durch den Tod des gefallenen oder verstorbenen Ehegatten wieder aufgelost Die Frau war als Kriegerwitwe sozial abgesichert ein gemeinsames Kind galt nicht als unehelich Vergeblich ausserte Staatssekretar Franz Schlegelberger vom Reichsjustizministerium Bedenken gegen diesen Erlass Moglich sei nun eine Erschleichung der Ehe um finanzielle Versorgungsleistungen als Kriegerwitwe zu erlangen oder ein Erbteil zu beanspruchen Der Sicherheitsdienst der SS stellt in seinen Meldungen aus dem Reich am 2 Marz 1944 dar die Moglichkeit der nachtraglichen Eheschliessung sei inzwischen in weiten Kreisen bekannt und im allgemeinen mit Befriedigung aufgenommen worden Es hatten sich jedoch Schwierigkeiten ergeben die zu ungunstigen stimmungsmassigen Auswirkungen Anlass gaben Vielfach widersetzten sich die Eltern des Gefallenen mit der Begrundung es habe sich nicht um ein ernstliches Eheversprechen gehandelt In zahlreichen Fallen werde berechtigt der Vorwurf erhoben der Braut ginge es allein um wirtschaftliche Vorteile Nachtraglich wurden Erbanspruche erhoben und die Eltern des Gefallenen blieben in manchen Fallen nun von der Erbfolge ausgeschlossen Schliesslich fuhre die nachtragliche Eheschliessung zu biologisch ungunstigen Ergebnissen da eine gut versorgte junge Witwe keine neue Familie grunden werde und keine weiteren Kinder von ihr zu erhoffen seien Auch werde der Verdacht geaussert die Moglichkeit wurde missbraucht um von anderen Mannern gezeugte Kinder zu legitimieren Schliesslich werden im Bericht die gelieferten Anregungen zusammengefasst Eine nachtragliche Eheschliessung solle nur dann bewilligt werden wenn ein Kind aus dieser Verbindung hervorginge Grundsatzlich solle nur das Kind erbberechtigt sein nicht aber die Braut 13 Ahnliche Vorschlage der Fachleute aus dem Justizministerium waren beiseitegelegt worden den vom SD zusammengestellten Anregungen aus dem Volke war teilweise Erfolg beschieden Im Juni 1944 wurde die Erbberechtigung auf das Kind beschrankt welches vom gefallenen Brautigam gezeugt worden war Insgesamt kam es zu etwa 25 000 derartigen Trauungen mit gefallenen Soldaten Totenscheidung BearbeitenEntsprechend der Diskussion um die Eingehung einer Ehe mit Verstorbenen wurde im Reichsjustizministerium beraten ob eine durch den Tod bereits aufgeloste Ehe noch geschieden werden konne Die betrachtliche Zahl der Leichentrauungen hatte die ohnehin grassierenden Geruchte uber die Heldenwitwen verstarkt Man sagte ihnen nach sie seien ehrlos und fuhrten ein sorgenfreies Leben und lassen sich mit anderen Mannern ein 14 Reichsjustizminister Otto Thierack hatte im November 1942 vertrauliche Richtlinien fur die Gerichte ausgegeben nach denen der Kriegsehebruch 172 RStGB zu ahnden sei In der Funften Durchfuhrungsverordnung zum Ehegesetz vom 18 Marz 1943 15 wurde die Moglichkeit einer Totenscheidung geschaffen damit ehrvergessene Frauen die wahrend der Mann an der Front stand unter anstossigen Umstanden die Ehe gebrochen haben sich nicht nach dem Soldatentode ihres Mannes als Kriegerwitwe aufspielen durfen Das Verfahren zur Ehescheidung des Toten leitete der Staatsanwalt bei dem fur den Scheidungsantrag zustandigen Landgericht ein Er beantragte die Feststellung des Rechts auf Ehescheidung fur den Verstorbenen Dabei konnten Verfehlungen des uberlebenden Ehegatten geltend gemacht werden von denen erwiesen oder als sicher anzunehmen war dass der Verstorbene ein Scheidungsbegehren auf sie gestutzt haben wurde 7 der Funften Durchfuhrungsverordnung Stellte das Gericht fest dass das Scheidungsbegehren des Verstorbenen gerechtfertigt war erlangte die uberlebende Ehefrau die rechtliche Stellung einer Geschiedenen Die Scheidung galt ruckwirkend ab dem Tag vor dem Tod des Mannes und war damit in ihrer Rechtswirkung der Regelung fur die Totenehe vergleichbar In der Feststellung wurde auch daruber entschieden inwieweit die uberlebende Ehefrau als schuldig anzusehen ist Eine nach 47 des Ehegesetzes 16 schuldhaft geschiedene Ehefrau verlor das Erbrecht und die Hinterbliebenenversorgung nach 100 ff des Wehrmachtsfursorge und Versorgungsgesetzes vom 26 August 1938 17 Rechtswirkungen nach 1945 BearbeitenFur Nordwestdeutschland untersagte die britische Militarregierung am 28 Februar 1946 nachtragliche Trauungen mit Vermissten oder gefallenen Soldaten 1947 erwog man alle Totenehen fur ungultig zu erklaren Doch ruckte man von diesem Gedanken ab um die Rechtssicherheit zu wahren und Versorgungsanspruche zu erhalten Durch das Gesetz uber die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachtraglichen Eheschliessung vom 29 Marz 1951 18 raumte der Bundesgesetzgeber bei bis zum 31 Marz 1946 erfolgten Leichentrauungen der uberlebenden Ehefrau hinsichtlich des Familiennamens der Versorgungsanspruche und der Ehelichkeit etwaiger gemeinsamer Kinder einen der Witwe entsprechenden Status ein Am 23 Juni 1950 wurde im Rahmen der deutschen Wiedergutmachungspolitik das Gesetz uber die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter 19 erlassen Danach konnten Verlobten denen aufgrund nationalsozialistischer Gesetze oder aufgrund politischer Verfolgung und eines Lebens ausserhalb der burgerlichen Ordnung die standesamtliche Eheschliessung verweigert worden war durch die Landesjustizverwaltung die Rechtswirkungen einer gesetzlichen Ehe zuerkannt werden wenn der Tod des einen Teils die Nachholung der standesamtlichen Trauung unmoglich machte sog Verfolgten Ehe 20 21 Bis 1963 wurden 1 823 entsprechende Antrage gestellt von denen 1 255 bewilligt wurden 22 Der Bundesgerichtshof erkannte 1956 23 zwar die Fern und Leichentrauungen als wirksam geschlossene Ehen an die anerkannte freie Ehe von rassisch und politisch Verfolgten jedoch nur als verwaltungsmassige Anordnung gewisser Ehefolgen 24 In Osterreich wurde die Ferntrauung erst 1983 abgeschafft Literatur BearbeitenHeinz Boberach Herausgeber Meldungen aus dem Reich 1938 1945 Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS Herrsching 1984 ISBN 3 88199 158 1 Zitate aus Seite 6390 6394 Einzelnachweise Bearbeiten RGBl I S 2163 RGBl I S 1540 Deutsche Reichsbahn Hg Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 8 Mai 1943 Nr 27 Bekanntmachung Nr 368 S 211f Verordnung zur Anderung der Dritten Verordnung zur Ausfuhrung des Personenstandsgesetzes vom 15 August 1940 RGBl I S 1107 Zweite Verordnung zur Anderung der Personenstandsverordnung der Wehrmacht vom 18 Februar 1941 RGBl I S 124 Dritte Verordnung zur Anderung der Personenstandsverordnung der Wehrmacht vom 23 Juli 1941 RGBl I S 441 Vierte Verordnung zur Anderung der Personenstandsverordnung der Wehrmacht vom 17 Oktober 1942 RGBl I S 595 Wolf Stegemann Ferntrauung im Dorstener Rathaus Maria Kosulski hatte neben sich einen Stahlhelm anstelle ihres Brautigams Burgermeister Gronover uberreichte ihr Hitlers Mein Kampf Website abgerufen am 9 Dezember 2018 Cornelia Essner Edouard Conte Fernehe Leichentrauung und Totenscheidung Metamorphosen des Eherechts im Dritten Reich In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Jahrgang 44 1996 Heft 2 S 201 227 PDF 7 MB S 211 Cornelia Essner Edouard Conte Fernehe Leichentrauung und Totenscheidung Metamorphosen des Eherechts im Dritten Reich In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Jahrgang 44 1996 Heft 2 S 201 227 PDF 7 MB S 213 RGBl I S 1146 Blutschutzgesetz auf Wikisource Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes Ehegesundheitsgesetz vom 18 Oktober 1935 verfassungen ch Heinz Boberach Hrsg Meldungen aus dem Reich 1938 1945 Herrsching 1984 ISBN 3 88199 158 1 Bd 16 S 6390 6394 Cornelia Essner Edouard Conte Fernehe Leichentrauung und Totenscheidung Metamorphosen des Eherechts im Dritten Reich In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Jahrgang 44 1996 Heft 2 S 201 227 PDF 7 MB S 216 f RGBl I S 145 Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschliessung und der Ehescheidung im Lande Osterreich und im ubrigen Reichsgebiet vom 6 Juli 1938 RGBl I S 807 RGBl I S 1080 Gesetz uber die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachtraglichen Eheschliessung vom 29 Marz 1951 BGBl S 226 Die unbekannte Witwe Der Spiegel 3 Dezember 1958 Beate Meyer Notgemeinschaft der durch die Nurnberger Gesetze Betroffenen Website abgerufen am 11 Dezember 2018 Beate Meyer Judische Mischlinge Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 1945 2 Auflage Dolling und Galitz Hamburg 2002 ISBN 3 933374 22 7 Tabelle 26 S 469 BGH Urteil vom 24 Oktober 1956 Az IV ZR 75 56 Martin Rath Hochzeit im und nach dem zweiten Weltkrieg Leichentrauung schlagt Verfolgten Ehe LTO 3 Dezember 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deutsches Eherecht im Zweiten Weltkrieg amp oldid 238247469