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Das allgemeine Gewaltverbot gehort zu den Handlungsgrundsatzen der Vereinten Nationen und ist in der Charta der Vereinten Nationen in Artikel 2 Nr 4 festgelegt Es verbietet den Mitgliedsstaaten in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhangigkeit eines Staates gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt Zugleich haben die Vereinten Nationen das Ziel freundschaftliche Beziehungen zu entwickeln den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren sowie internationale Streitigkeiten durch friedliche Mittel nach den Grundsatzen der Gerechtigkeit und des Volkerrechts zu bereinigen oder beizulegen Die Charta ist die wichtigste positivrechtliche Rechtsquelle des Volkerrechts Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Begriff der Gewalt 3 Ausnahmen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenIn der europaischen Rechtsgeschichte unterliegt die Kriegfuhrung seit der romischen Antike bestimmten Regeln Unter christlichem Einfluss entwickelte Augustinus von Hippo im 4 Jahrhundert daraus die Lehre vom gerechten Krieg der in der Absicht einer gerechten Sache zu dienen als legitim galt 1 Im Absolutismus wurde Krieg als ein Mittel der Politik gesehen uber das nur der Herrscher im Rahmen seiner Kriegsfreiheit entscheidet Jedoch wurde versucht den Gewaltverzicht in der Politik zu etablieren Am 2 Dezember 1823 erklarte der US Prasident James Monroe das Prinzip der Nichteinmischung die sogenannte Monroe Doktrin in einer State of the Union Address 1907 wurde die Drago Porter Konvention auf der 2 Haager Friedenskonferenz angenommen die einem Glaubigerstaat verbot seine Forderungen mit Gewalt beim Schuldnerstaat durchzusetzen Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war ein Krieg nicht verboten Die Zuschreibung der Alleinschuld an das Deutsche Reich im Vertrag von Versailles war denn auch keine Sanktion fur den Verstoss gegen ein Gewaltverbot sondern sollte allein die Forderung nach Reparationen rechtfertigen 2 Am 28 April 1919 etablierte die Satzung des Volkerbunds den Standigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag der internationale Streitfragen wie Grenzverlaufe Schifffahrtsangelegenheiten oder den Schutz ethnischer Minderheiten friedlich beilegen sollte Es fehlte jedoch ein international anerkanntes materielles Volkergesetzbuch das Grundlage einer verbindlichen Konfliktbeilegung hatte sein konnen 3 Am 1 Dezember 1925 wurden die Vertrage von Locarno zur Sicherung der Grenzen unterzeichnet die einem angegriffenen Staat die Unterstutzung der anderen Vertragspartner zusicherten Im Briand Kellogg Pakt vom 27 August 1928 verpflichteten sich zunachst elf Staaten einschliesslich Deutschland auf zwischenstaatliche Angriffskriege zu verzichten Die Hohen Vertragsschliessenden Parteien erklaren feierlich im Namen ihrer Volker dass sie den Krieg als Mittel fur die Losung internationaler Streitfalle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten Bis 1939 waren mehr als 60 Staaten dem Vertrag beigetreten darunter auch die Sowjetunion und China Damit deckte das Abkommen weite Teile der Welt ab 4 und erreichte ein weithin geltendes Kriegsverbot 5 Er enthielt jedoch keine Klauseln dafur wie angreifende Staaten von den anderen Vertragspartnern wirksam bestraft werden konnten Nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichneten die 51 UN Grundungsmitglieder am 26 Juni 1945 die Charta der Vereinten Nationen die in Art 2 Ziff 4 ein absolutes Gewaltverbot festschreibt Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhangigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt Charta der Vereinten Nationen Kapitel 1 Artikel 2 Absatz 4 Vereinte Nationen 6 Begriff der Gewalt BearbeitenDer Begriff der Gewalt ist strittig Nach Meinung der westlichen Staaten fallt darunter nur die militarische Gewalt nicht etwa der Gebrauch von Wirtschaftssanktionen wie die Staaten der Dritten Welt fordern Strittig war zunachst auch die Frage ob Befreiungskriege unter den Begriff des Gewaltverbotes fallen da Art 2 Ziff 4 UN Charta nur davon spreche dass Gewalt nicht gegen die territoriale Integritat oder die politische Unabhangigkeit eines anderen Staates angewendet werden durfe 7 Die am 14 Dezember 1974 verabschiedete die UN Resolution 3314 enthalt in Art 1 der Anlage eine Definition der Aggression 8 die Befreiungsbewegungen ausnimmt Aggression ist die Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat die gegen die Souveranitat die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhangigkeit eines anderen Staates gerichtet oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbar ist wie in dieser Definition ausgefuhrt UN Resolution 3314 XXIX Definition der Aggression 9 Als Angriffshandlung gilt gem Art 3 die Invasion oder der Angriff der Streitkrafte eines Staates auf das Hoheitsgebiet eines anderen Staates oder jede wenn auch vorubergehende militarische Besetzung die sich aus einer solchen Invasion oder einem solchen Angriff ergibt oder jede gewaltsame Annexion des Hoheitsgebiets eines anderen Staates oder eines Teiles desselben die Beschiessung oder Bombardierung des Hoheitsgebietes eines Staates durch die Streitkrafte eines anderen Staates oder der Einsatz von Waffen jeder Art durch einen Staat gegen das Hoheitsgebiet eines anderen Staates die Blockade der Hafen oder Kusten eines Staates durch die Streitkrafte eines anderen Staates der Angriff der Streitkrafte eines Staates auf die Land See oder Luftstreitkrafte oder auf die See und Luftflotte eines anderen Staates der Einsatz von Streitkraften eines Staates die sich mit Zustimmung eines anderen Staates auf dessen Hoheitsgebiet befinden unter Verstoss gegen die in dem entsprechenden Abkommen vorgesehenen Bedingungen oder jede Verlangerung ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet uber den Ablauf des Abkommens hinaus die Tatsache dass ein Staat der sein Hoheitsgebiet einem anderen Staat zur Verfugung gestellt hat zulasst dass dieses Hoheitsgebiet von dem anderen Staat dazu benutzt wird eine Angriffshandlung gegen einen dritten Staat zu begehen das Entsenden bewaffneter Banden Gruppen Freischarler oder Soldner durch einen Staat oder in seinem Namen wenn diese mit Waffengewalt Handlungen gegen einen anderen Staat ausfuhren die auf Grund ihrer Schwere den oben aufgefuhrten Handlungen gleichkommen oder die wesentliche Beteiligung daran Diese Aufzahlung ist nicht abschliessend Art 4 Ein Angriffskrieg ist ein Verbrechen gegen den Weltfrieden Art 5 Der Internationale Gerichtshof in Den Haag ist seit 1945 das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen zur Beilegung von Streitigkeiten Er ist an die Stelle des Standigen Internationalen Gerichtshofs getreten der von 1922 bis 1946 bestanden hat Am 11 Juni 2010 einigten sich die Vertragsstaaten auf der ersten Uberprufungskonferenz zum Romischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs auf eine Definition des Verbrechens der Aggression Dabei handelt es sich um eine Tatbestand des Volkerstrafrechts fur dessen Ahndung der Internationale Strafgerichtshof zustandig ist der ebenfalls in Den Haag sitzt Ausnahmen BearbeitenVon dem allgemeinen Gewaltverbot gibt es Ausnahmen Die Ausnahmen sind im Detail allerdings umstritten 10 Es besteht das Recht zur Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen Bei einem bewaffneten Angriff gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen darf dieses militarische Gewalt einsetzen Fur die Definition eines bewaffneten Angriffs wird auf die Aggressionsdefinition der UN Generalversammlung aus dem Jahr 1974 zuruckgegriffen Danach besteht die Vermutung dass der Staat welcher zuerst militarische Gewalt verwendet hat einen Akt der Aggression ausgeubt hat 11 Die Art der Selbstverteidigung muss im Rahmen der Verhaltnismassigkeit bleiben Unter das Recht der Selbstverteidigung fallen auch praventive Massnahmen Dafur muss ein militarischer Angriff jedoch zumindest unmittelbar bevorstehen Nach Kapitel 7 der UN Charta kann der UN Sicherheitsrat eine Bedrohung oder einen Bruch des Friedens feststellen Danach konnen auch weitere Massnahmen wie militarische Zwangsmassnahmen nach Artikel 42 der Charta der Vereinten Nationen durch ein UN Mandat legitimiert werden Umstritten ist der Fall der necessity als Teil des Selbstverteidigungsrechts Danach kann ein Staat militarische Gewalt in einem anderen Staat ausuben wenn sich dort eine nicht staatliche Organisation befindet und diese den militarisch intervenierenden Staat angreift Nach der unwilling or unable doctrine ist dies moglich wenn der Staat in der sich die aggressive nicht staatliche Organisation aufhalt nicht willens oder nicht in der Lage ist gegen diese Organisation vorzugehen 12 Was regelmassig vorkommt ist die Rettung eigener Staatsangehoriger in fremden Staaten Solche Massnahmen stiessen bisher kaum auf Kritik 13 Diskutiert wurde ob eine humanitare Intervention um gravierende Menschenrechtsverletzungen zu verhindern eine Ausnahme vom Gewaltverbot darstellen kann Damit wurde der NATO Einsatz im Kosovokrieg 1999 gerechtfertigt Allerdings wurde dies mehrheitlich kritisiert so dass dies nicht als anerkannte Ausnahme gelten kann Seither wird das Konzept der Schutzverantwortung verfolgt welches auch keine weitere Ausnahme vom allgemeinen Gewaltverbot vorsieht Literatur BearbeitenPaula Fischer Das Irrtumsrisiko bei den Ausnahmen des volkerrechtlichen Gewaltverbotes In Kolner Schriften zum Friedenssicherungsrecht Nr 13 Baden Baden 2020 ISBN 978 3 8487 7844 7 Dissertation Universitat zu Koln 2020 Albrecht Randelzhofer Art 2 4 In Bruno Simma Hrsg The Charter of the United Nations 2 Auflage Oxford University Press und C H Beck Oxford und Munchen 2002 ISBN 3 406 49900 7 Christian Stelter Gewaltanwendung unter und neben der UN Charta Duncker amp Humblot Berlin 2007 ISBN 978 3 428 12547 0 Einzelnachweise Bearbeiten vgl Matija Gasparevic Die Lehre vom gerechten Krieg und die Risiken des 21 Jahrhunderts Der Praemptivkrieg und die militarische humanitare Intervention Munchen Univ Diss 2010 S 30 ff Das Gewaltverbot im Volkerrecht Max Planck Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht ohne Jahr S 2 Christoph Schmitz Scholemann 100 Jahre Internationaler Gerichtshof in Den Haag Ein Angebot an die Vernunft der Volker Deutschlandfunk 13 Dezember 2020 Briand Kellogg Pakt Ein Vertrag gegen den Krieg Bundeszentrale fur politische Bildung 24 August 2018 Michael Bothe in Graf Vitzthum Hrsg Volkerrecht 5 Aufl 2010 S 647 Charta der Vereinten Nationen PDF 406 kB Das Gewaltverbot im Volkerrecht Max Planck Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht ohne Jahr S 3 Resolution A RES 3314 XXIX der UN Generalversammlung vom 14 Dezember 1974 UN Resolution 3314 vom 14 Dezember 1974 Folgende Ausfuhrungen beruhen auf Max Planck Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht uber das allgemeine Gewaltverbot abgerufen am 10 Marz 2022 Resolution adopted by the General Assembly 3314 XXIX Definition of Aggression abgerufen am 10 Marz 2022 Yagnesh Sharma and Pranav Agarwal Dealing With Non State Actors In International Law The Unwilling And Unable Doctrine In The Fletcher Forum of World Affairs Abgerufen am 11 Marz 2022 Simon Gauseweg Das Recht zur Rettung In lto de 17 August 2021 abgerufen am 10 Marz 2022 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Allgemeines Gewaltverbot amp oldid 231995195