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Albert Angus Campbell 10 August 1910 in Leiters Ford Indiana 15 Dezember 1980 in Ann Arbor Michigan war ein amerikanischer Sozialpsychologe der von 1946 bis zu seinem Tod am Survey Research Center der University of Michigan wirkte und mit seinen Arbeiten grundlegende Beitrage zur Wahlforschung leistete Angus Campbell 1948 Zusammen mit anderen Autoren entwarf er zur Erklarung des Stimmverhaltens von Wahlern bei politischen Wahlen ein sozialpsychologisches Modell das als eine der drei theoretischen Hauptstromungen der Wahlforschung gilt Diesem auch als Ann Arbor Modell bezeichneten Ansatz zufolge werden mit je nach Wahlsituation wechselnder Gewichtung die Beurteilung der Kandidaten die Bewertung der aktuell relevanten politischen Themen sowie die Parteiidentifikation als die wesentlichen Faktoren bei der individuellen Wahlentscheidung angesehen Sein 1960 unter dem Titel The American Voter erschienenes Hauptwerk gilt dementsprechend als politikwissenschaftlicher Meilenstein mit weitreichendem Einfluss auf andere Autoren Daruber hinaus beschaftigte sich Angus Campbell auch mit der Untersuchung der Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen Bevolkerungsgruppen in den USA sowie der Erforschung der Wahrnehmung von Lebensqualitat und Zufriedenheit Er gilt als Pionier der angewandten Meinungsforschung und war im Bereich der politischen Psychologie einer der einflussreichsten Wissenschaftler in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts Fur seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er unter anderem mit dem Distinguished Scientific Achievement Award der American Psychological Association ausgezeichnet und 1980 in die National Academy of Sciences aufgenommen Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Ausbildung und fruhe Arbeiten 1 2 Tatigkeit an der University of Michigan 2 Wirken 2 1 Das Ann Arbor Modell des Wahlerverhaltens 2 2 Klassifikation von politischen Wahlen 2 3 Weitere Forschungsinteressen 3 Rezeption 3 1 Wissenschaftshistorischer Kontext 3 2 Lebenswerk 3 3 Auszeichnungen 4 Schriften Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAusbildung und fruhe Arbeiten Bearbeiten Angus Campbell wurde 1910 als funftes von sechs Kindern der Eheleute Albert Alexis Campbell und Orpha Brumbaugh in Leiters Ford im US Bundesstaat Indiana geboren und wuchs ab dem zweiten Lebensjahr in Portland auf 1 Sein Vater Sohn eines Farmers aus einem streng presbyterianischen Umfeld hatte an der University of Michigan Latein und Griechisch studiert und war als Lehrer sowie spater in leitenden Positionen in der Schulverwaltung in Miami County Indiana und in Portland tatig gewesen Angus Campbell absolvierte ein Studium der Psychologie an der University of Oregon und erlangte 1931 seinen B A sowie ein Jahr spater seinen M A Abschluss 2 Anschliessend wechselte er an die Stanford University an der er unter anderem Lehrveranstaltungen von Kurt Lewin besuchte Lewin mit dem er bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden war ubte grossen Einfluss auf die fachlichen Ansichten von Angus Campbell aus 2 1936 promovierte er unter Ernest Hilgard der aufgrund seiner Forschungs und Lehrmethodik zum Vorbild fur Angus Campbell wurde mit einer Arbeit uber die Konditionierung des Wimpernschlages 2 Im gleichen Jahr nahm er eine Stelle als Dozent fur Psychologie an der Northwestern University an an der er 1940 zum Assistant Professor ernannt wurde 2 Nachdem er ursprunglich geplant hatte seine auf seiner Doktorarbeit basierende Orientierung zur experimentellen Psychologie weiter auszubauen wurde aufgrund der Lehrverpflichtungen an der Northwestern University die Sozialpsychologie zum Schwerpunkt seines Wirkens Er kam dabei in Kontakt mit dem Anthropologen Melville J Herskovits auf dessen Anraten er mit einem Stipendium des Social Science Research Council 1939 nach Grossbritannien an die Cambridge University ging um sich als Postdoktorand in Sozialanthropologie weiterzubilden Bereits nach einem halben Jahr kehrte er jedoch bedingt durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges vorzeitig in die USA zuruck In der Folgezeit widmete er sich auf den Amerikanischen Jungferninseln einer Feldstudie uber die Kultur und den Charakter der Einwohner von Saint Thomas 3 Wahrend seines Aufenthalts auf Saint Thomas heiratete er im Juni 1940 seine Frau die er als Psychologiestudentin an der Northwestern University kennengelernt hatte Aus der Ehe gingen zwei Tochter und ein Sohn hervor 4 Tatigkeit an der University of Michigan Bearbeiten 1942 wechselte Angus Campbell an die von Rensis Likert aufgebaute Division of Program Surveys eine Abteilung des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten deren Aufgabe die Untersuchung der durch den Krieg bedingten sozialen und wirtschaftlichen Probleme in den Vereinigten Staaten war 5 Er fungierte hier von 1942 bis 1944 als Studienleiter von 1944 bis 1945 als Forschungsdirektor und von 1945 bis 1946 als stellvertretender Leiter der Abteilung 6 Wahrend dieser Zeit beschaftigte er sich mit der Methodik von Umfragen insbesondere mit deren Planung den zugrunde liegenden Interviewtechniken und dem Entwurf von Fragebogen Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wechselte die Abteilung 1946 unter der Bezeichnung Survey Research Center an die University of Michigan Nachdem Kurt Lewin 1948 gestorben war wurde seine Forschungsgruppe vom Massachusetts Institute of Technology ebenfalls an die University of Michigan verlegt und dort als Research Center for Group Dynamics etabliert Beide Forschungszentren wurden dann zum Institute for Social Research zusammengefasst als dessen Direktor Rensis Likert fungierte wahrend Angus Campbell stellvertretender Direktor wurde und die Leitung des Survey Research Center ubernahm 7 Nach Likerts Pensionierung im Jahr 1970 wurde er dessen Nachfolger als Direktor des Instituts Sechs Jahre spater gab er diese Position auf um sich als Programmdirektor des Survey Research Center wieder verstarkt Forschungsaktivitaten widmen zu konnen Die Lehrverpflichtungen von Angus Campbell an der University of Michigan umfassten neben Vorlesungen an den Abteilungen fur Psychologie und Soziologie ab 1964 auch Seminare in Rechtssoziologie an der juristischen Fakultat Neben seinem akademischen Wirken fungierte er unter anderem zwischen 1959 und 1961 mehrfach als Berater der Ford Foundation 8 Daruber hinaus wirkte er in Komitees der National Academy of Sciences des zum Arbeitsministerium der Vereinigten Staaten gehorenden Bureau of Labor Statistics und fur verschiedene andere Regierungsbehorden sowie fur Fachverbande wie die American Psychological Association und Wissenschaftsorganisationen wie das National Research Council Seine Frau war an der University of Michigan als Direktorin des Zentrums fur Weiterbildung tatig 5 Er starb 1980 im Alter von 70 Jahren in Ann Arbor infolge eines Herzinfarkts 5 Sein Nachlass wird in der Bentley Historical Library der University of Michigan verwahrt Wirken BearbeitenDas Ann Arbor Modell des Wahlerverhaltens Bearbeiten nbsp Modell des Kausalitatstrichters nach Campbell zur Veranschaulichung der Faktoren die gemass dem Ann Arbor Modell des Wahlerverhaltens zur Wahlentscheidung fuhrenSchwerpunkt der Forschungsaktivitaten von Angus Campbell war die Untersuchung des Wahlerverhaltens bei politischen Wahlen zu der er 1952 unter dem Titel The People Elect a President seine erste Monografie veroffentlichte Als sein bekanntestes und einflussreichstes Werk gilt das acht Jahre spater erstmals erschienene Buch The American Voter das auf Untersuchungen von landesweiten Daten aus den Wahlen von 1952 und 1956 sowie kleineren Stichproben zu den Wahlen von 1948 1954 und 1958 beruhte 9 Ziel der gemeinsam mit seinen Kollegen Philip E Converse Warren E Miller und Donald E Stokes veroffentlichten Studie war es anstelle einer Betrachtung der gesamten Wahlerschaft die Grunde fur das individuelle Wahlerverhalten zu analysieren Angus Campbell entwickelte in diesem Werk ein bereits 1954 in The Voter Decides entworfenes Modell weiter nach welchem die Wahlentscheidung vor allem auf drei Einflussgrossen beruht der Beurteilung der Kandidaten der Bewertung der aktuell relevanten politischen Themen sowie der sogenannten Parteiidentifikation 10 In The American Voter veranderte er diesen als Ann Arbor Modell bezeichneten Erklarungsansatz dahingehend dass zum einen die Parteiidentifikation als langfristig stabile und zentrale Grosse gilt Zum anderen wurden diese drei Faktoren nicht mehr als gegeben betrachtet sondern auf die historischen Erfahrungen und das soziale Umfeld des Wahlers zuruckgefuhrt Daruber hinaus berucksichtigte er nun weitere Einflussgrossen wie die Wirtschaftslage und reagierte damit auf die Kritik dass sein Ansatz den gesellschaftlichen Kontext bei der Wahlentscheidung fast vollstandig ausblenden wurde Zur bildlichen Veranschaulichung seiner Theorie nutzte Angus Campbell in seinem Werk den Begriff des sogenannten Kausalitatstrichters Funnel of causality der das Zusammenwirken aller relevanten Aspekte beschreibt die letztendlich zur Wahlentscheidung fuhren Der Vergleich mit einem Trichter verdeutlicht dabei den Anstieg der Komplexitat bei der Betrachtung der moglichen Einflusse je weiter sich die Untersuchung von den drei postulierten sozialpsychologischen Hauptvariablen zu Faktoren in der individuellen Vergangenheit des Wahlers verlagert 11 Aus den Untersuchungen die dem Werk The American Voter zugrunde liegen schlussfolgerten Angus Campbell und seine Kollegen unter anderem dass fur zwei Drittel bis drei Viertel aller Wahler ihre Wahlentscheidung bereits vor Beginn des Wahlkampfes feststeht 12 Demgegenuber legen sich rund zehn bis 20 Prozent wahrend des Wahlkampfes fest und nur etwa einer von zehn Wahlern entscheidet sich in den letzten zwei Wochen vor der Wahl Klassifikation von politischen Wahlen Bearbeiten Aufbauend auf dem Ann Arbor Modell schlug Angus Campbell in The American Voter ausserdem eine Einteilung fur amerikanische Prasidentschaftswahlen vor 13 Diesem Ansatz zufolge seien die meisten dieser Wahlen so beispielsweise die republikanischen Siege in den 1920er Jahren sowie die Wahl von 1948 sogenannte maintaining elections machterhaltende Wahlen Deren Ausgang ware vorrangig von langfristigen Parteibindungen gepragt wodurch die vorhandenen Machtverhaltnisse erhalten bleiben wurden 14 Demgegenuber stellte er zum einen Wahlen die er als deviating elections abweichende Wahlen bezeichnete Das Ergebnis einer solchen Wahl sei wie beispielsweise bei den Wahlen von 1916 und 1952 in besonderem Masse durch die Personlichkeiten der Kandidaten oder andere aussergewohnliche Umstande beeinflusst und weiche dadurch vorubergehend von langerfristig bestehenden parteipolitischen Wahlerpraferenzen ab 15 Als dritten Typ definierte er andererseits sogenannte realigning elections Neuausrichtungswahlen wie die Wahlen von 1896 und 1932 In deren Ergebnis kame es seiner Theorie zufolge zu einer langerfristigen Veranderung der Wahlerorientierung und der politischen Verhaltnisse 16 1966 veroffentlichte Angus Campbell zusammen mit anderen Autoren mit Elections and the Political Order ein weiteres Werk zur Wahlforschung in dem neben Analysen des individuellen Wahlverhaltens in den USA auch vergleichende Studien auf der Basis von Daten aus Frankreich und Norwegen enthalten waren Dieses Werk bei dem es sich um eine Sammlung von zuvor bereits anderweitig veroffentlichten Beitragen handelte stellte eine durchgangige Aufbereitung und Weiterentwicklung des zuvor in The American Voter entworfenen Modells dar 17 Insbesondere wurde die Klassifikation von Wahlen um einen vierten Typ erweitert die als reinstating elections wiederherstellende Wahlen bezeichnet wurden und durch eine Ruckkehr zu vorher bestehenden politischen Verhaltnissen gekennzeichnet sind 17 Von Angus Campbell selbst stammte in diesem Buch ein Beitrag den er 1960 in der Fachzeitschrift Public Opinion Quarterly veroffentlicht hatte 18 In diesem entwarf er eine Erklarung fur zwei regelmassig auftretende Szenarien bei Wahlen in den USA Dies betraf zum einen das Phanomen dass nach einer Prasidentschaftswahl die Partei des Prasidenten bei den unmittelbar folgenden Kongresswahlen Sitze verliert und zum anderen die Beobachtung dass eine Zunahme der Wahlbeteiligung bei Prasidentschaftswahlen nur bei einer von beiden Parteien zu einem nennenswerten Zugewinn an Wahlerstimmen fuhrt Als Ursache postulierte er einen von ihm als Surge and Decline bezeichneten Effekt mit dem er den Wechsel beschrieb zwischen high stimulus elections Wahlen mit hohem Anreiz zu denen er die Prasidentschaftswahlen zahlte und low stimulus elections Wahlen mit geringem Anreiz zu denen seiner Meinung nach die meisten auf eine Prasidentschaftswahl folgenden Kongresswahlen gehorten Bei high stimulus elections mit einer hohen Wahlbeteiligung stunde bei der Wahlentscheidung vor allem die Bewertung der Kandidaten und der aktuellen Themen im Vordergrund gegenuber der Parteiidentifikation 19 Sowohl sogenannte periphere Wahler mit geringerem Wahlinteresse als auch unabhangige Wahler ohne feste Parteiidentifikation wurden sich bei einer solchen Wahl uberwiegend an kurzfristig wirkenden Faktoren orientieren Demgegenuber sei bei low stimulus elections insbesondere die langfristige Parteiidentifikation ausschlaggebend fur die Wahlentscheidung Neben dem Ausbleiben der peripheren Wahler und damit einer geringeren Wahlbeteiligung entfallt deshalb meist auch die Wirkung der die vorhergehende high stimulus election entscheidenden kurzfristigen Faktoren 20 Ausserdem wurden nach Angus Campbells Ansicht Wahler die in einer high stimulus election aufgrund der aktuellen Umstande von ihrer Parteibindung abgewichen seien in einer low stimulus election wieder entsprechend ihrer langfristigen Parteiidentifikation wahlen Weitere Forschungsinteressen Bearbeiten Neben der Wahlforschung widmete sich Angus Campbell auch der Untersuchung der Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen Bevolkerungsgruppen in den USA sowie in spateren Jahren seines Lebens der Analyse der Wahrnehmung von Lebensqualitat und Zufriedenheit 21 In beiden Bereichen veroffentlichte er mehrere Werke so 1971 die Monografie White Attitudes Toward Black People und funf Jahre spater The Quality of American Life Perceptions Evaluations and Satisfaction Sein letztes Werk das auf Befragungen zum Ehe und Familienleben zur Arbeitssituation zu den nachbarschaftlichen Verhaltnissen zum Lebensstandard zur Gesundheit sowie zu einer Reihe weiterer Themen basierte erschien 1980 unter dem Titel The Sense of Well Being in America Recent Patterns and Trend Eine seiner Schlussfolgerungen aus diesen Untersuchungen war dass in den USA eine steigende Zahl an Menschen nicht wirtschaftlichen Faktoren eine zunehmend wichtige Bedeutung in ihrem Leben beimessen wurden 5 Eine Neuauflage von The Quality of American Life sowie ein begonnenes Werk zur Lebensqualitat alterer Menschen blieben aufgrund seines Todes unvollendet 21 Rezeption BearbeitenWissenschaftshistorischer Kontext Bearbeiten nbsp Titelseite des 1960 erstmals erschienenen Hauptwerkes von Angus CampbellDer methodische und konzeptionelle Ansatz von Angus Campbell in der Wahlforschung stellte eine grundlegende Weiterentwicklung der Methodik der von Paul Felix Lazarsfeld begrundeten Denkrichtung der Columbia School dar Diesem mikrosoziologischen Modell zufolge das Lazarsfeld auf der Basis von 1940 in Erie County Ohio durchgefuhrten Befragungen postuliert hatte wird das Stimmverhalten eines Wahlers vor allem von den sozialen Gruppen beeinflusst denen er angehort und deren politische Verhaltensnormen seine Wahlentscheidung pragen Nach Lazarsfeld sind dabei der soziookonomische Status die Konfessionszugehorigkeit und die Grosse des Wohnortes die entscheidenden Merkmale die er zu einem Index der politischen Pradisposition zusammenfasste 22 Seine Untersuchungen die er 1944 in dem Werk The People s Choice veroffentlichte unterlagen dabei jedoch Beschrankungen die sich aus der Fokussierung auf eine bestimmte lokale Bevolkerungsgruppe in einem einzigen Wahljahr ergaben 23 Lazarsfeld wurde in der Folgezeit das weitestgehende Versagen der Wahlprognosen bei der US Prasidentschaftswahl 1948 angelastet da die beteiligten Umfrageinstitute basierend auf seiner Theorie in der Endphase des Wahlkampfes auf Umfragen verzichtet hatten und somit den wahlentscheidenden Stimmungsumschwung zugunsten von Amtsinhaber Harry S Truman nicht vorhersagten 24 In einer 1968 erschienenen Neuauflage von The People s Choice erkannte Lazarsfeld die von Angus Campbell und seinen Kollegen postulierte Bedeutung der Parteiidentifikation an betonte jedoch auch den Einfluss der Columbia School auf die von ihnen verwendete Methodik 25 Etwa zeitgleich zu Angus Campbells Arbeiten wurde von Anthony Downs mit seinem 1957 erschienenen Werk An Economic Theory of Democracy der Rational Choice Ansatz in die Wahlforschung eingefuhrt der von einer rationalen Entscheidung des Wahlers nach Abwagung von Aufwand und Nutzen zugunsten seiner eigenen Interessen ausgeht Basierend auf diesem Modell wurde an Angus Campbells Theorie spater unter anderem das Fehlen einer Regel kritisiert mit der sich die Frage beantworten liesse welche der drei von ihm untersuchten Hauptvariablen im Konfliktfall entscheidend sei 26 Fur dieses Problem prasentierten Angus Campbell und seine Kollegen keine allgemeingultige Losung Ebenso wurde Angus Campbells Ansicht dass die Parteiidentifikation langfristig stabil sei auf der Basis des Rational Choice Ansatzes in Frage gestellt 26 Ein weiterer Kritikpunkt war dass sein Ansatz zu sehr von den Besonderheiten des politischen Systems der Vereinigten Staaten wie dem dort bestehenden Zweiparteiensystem gepragt sei Auch Angus Campbell selbst war der Meinung dass sein Modell nicht auf andere politische Systeme ubertragen werden konne 26 Spater zeigte sich jedoch dass sich der sozialpsychologische Kern seiner Uberlegungen durch landerspezifische Wirtschafts Kultur und Sozialfaktoren erganzen lasst und dann fur eine Vielzahl anderer Lander Gultigkeit besitzt 26 Die Autoren des Werkes The Changing American Voter vertraten den Standpunkt dass die Schlussfolgerungen von Angus Campbell und seinen Kollegen spezifisch nur fur die den analysierten Daten zugrundeliegenden Wahlen gelten wurden und damit auch im Bezug auf Wahlen in den USA nicht allgemeingultig seien 27 Lebenswerk Bearbeiten Angus Campbell trug durch sein Wirken wesentlich dazu bei die Untersuchung psychologischer Fragestellungen in die vergleichende Politikwissenschaft zu integrieren 28 Er leistete ausserdem wichtige methodische Beitrage zur Meinungsforschung insbesondere im Bereich der Durchfuhrung und Auswertung von Umfragen und war mitverantwortlich fur die Entwicklung des Institute of Social Research der University of Michigan zu einer der weltweit fuhrenden Institutionen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Forschung Mit den Arbeiten zu seinem sozialpsychologischen Erklarungsmodell des Wahlerverhaltens begrundete er eine der drei theoretischen Hauptstromungen der Wahlforschung neben der mikrosoziologischen Theorie von Lazarsfeld und dem Rational Choice Ansatz von Downs Durch Wahlerbefragungen die fur die Forschung von Angus Campbell von zentraler Bedeutung waren anstelle der Analyse von Wahlstatistiken gelang es ihm zuvor bestehende Beschrankungen der Wahlforschung aufzuheben und deren Ausrichtung auf die Mikroebene individueller Motive und Entscheidungen zu verlagern 29 Dies ermoglichte detailliertere und verlasslichere Wahlanalysen als die Ableitung des Wahlerverhaltens aus statistischen Untersuchungen von Wahldaten Aus seinen Forschungen zum Wahlverhalten entstand spater das Center for Political Studies innerhalb des Institute for Social Research an der University of Michigan Angus Campbells Buch The American Voter gilt aufgrund seiner weitreichenden Bedeutung als konzeptioneller und methodischer Durchbruch im Bereich der Untersuchung der amerikanischen Politik 28 sowie als Schlusselwerk der Politikwissenschaft 30 Sein langanhaltender Einfluss auf die Wahlforschung kommt unter anderem in einer Reihe von Veroffentlichungen anderer Autoren mit ahnlichen Titeln zum Ausdruck Zu diesen zahlen beispielsweise The Changing American Voter 1976 The Unchanging American Voter 1989 The Disappearing American Voter 1992 The New American Voter 1996 sowie The American Voter Revisited 2008 Zusammen mit dem vier Jahre spater veroffentlichten Elections and the Political Order bildete The American Voter die Grundlage fur die Denkrichtung der Michigan School in der Wahlforschung Die bis in die Gegenwart vom Survey Research Center regelmassig im Rahmen der American National Election Studies durchgefuhrten Untersuchungen zu amerikanischen Prasidentschafts und Kongresswahlen wurden hinsichtlich ihrer Methodik weltweit zum Modell fur Studien zur Analyse von politischen Wahlen 26 Insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren entwickelte sich die Ann Arbor Summer School in der Angus Campbell und seine Kollegen die theoretischen Grundlagen ihres Modells sowie die darauf aufbauende Methodik der Datenerhebung und auswertung lehrten zum Mekka der politischen Verhaltensforschung fur Wahlforscher aus anderen Landern 31 Auszeichnungen Bearbeiten Angus Campbell erhielt fur sein Wirken unter anderem 1962 den Distinguished Achievement Award der Amerikanischen Vereinigung fur Meinungsforschung 1969 den Distinguished Faculty Achievement Award der University of Michigan 1974 den Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association 1977 den Lazarsfeld Award des Council for Applied Social Research und 1980 den Laswell Award der Internationalen Gesellschaft fur politische Psychologie 28 Die University of Strathclyde verlieh ihm 1970 einen Ehrendoktortitel Daruber hinaus wurde er 1961 in die American Academy of Arts and Sciences und 1980 in die National Academy of Sciences aufgenommen 28 Das Survey Research Center vergibt zur Erinnerung an Angus Campbell ein nach ihm benanntes Stipendium 32 Schriften Auswahl BearbeitenThe People Elect a President Ann Arbor 1952 The Voter Decides Evanston 1954 The American Voter New York 1960 Elections and the Political Order New York 1966 White Attitudes Toward Black People Ann Arbor 1971 The Human Meaning of Social Change New York 1972 The Quality of American Life Perceptions Evaluations and Satisfaction New York 1976 The Sense of Well Being in America Recent Patterns and Trends New York 1980Literatur BearbeitenClyde H Coombs Angus Campbell 1910 1980 Reihe Biographical Memoirs Band 56 National Academy of Sciences Washington D C 1987 ISBN 0 309 03693 3 S 42 59 mit Bild und Bibliographie Online Fassung Kai Arzheimer Angus Campbell Philip E Converse Warren E Miller Donald E Stokes The American Voter New York 1960 In Steffen Kailitz Hrsg Schlusselwerke der Politikwissenschaft VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2007 ISBN 978 3 531 14005 6 S 67 72 Edward G Carmines James Wood Campbell Albert Angus In Glenn H Utter Charles Lockhart American Political Scientists A Dictionary Greenwood Press Westport 2002 ISBN 0 31 331957 X S 57 58 Campbell Angus 1910 1980 In Raymond J Corsini Hrsg Encyclopedia of Psychology Wiley New York 1994 ISBN 0 47 186594 X Band 1 S 178Weblinks BearbeitenUniversity of Michigan Institute for Social Research Timeline englisch mit historischen Informationen und Fotos von Angus Campbell University of Michigan Bentley Historical Library Angus Campbell Papers 1949 1980 englisch Nachlass von Angus Campbell Literatur von und uber Angus Campbell im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Clyde H Coombs Washington D C 1987 S 43 siehe Literatur a b c d Clyde H Coombs Washington D C 1987 S 44 siehe Literatur Clyde H Coombs Washington D C 1987 S 45 siehe Literatur Campbell Jean Winter In Who s Who of American Women 1983 1984 Marquis Who s Who Chicago 1983 ISBN 0 83 790413 7 S 121 a b c d Thomas Ennis Angus Campbell 70 Social Researcher Nachruf in The New York Times Ausgabe vom 16 Dezember 1980 S D21 Glenn H Utter Charles Lockhart Westport 2002 S 57 siehe Literatur Clyde H Coombs Washington D C 1987 S 46 47 siehe Literatur Clyde H Coombs Washington D C 1987 S 52 siehe Literatur Clyde H Coombs Washington D C 1987 S 47 siehe Literatur Kai Arzheimer Wiesbaden 2007 S 69 siehe Literatur Kai Arzheimer Wiesbaden 2007 S 70 siehe Literatur A problem to be explained motivational differences by time of vote decision In Angus Campbell und andere The American Voter University of Chicago Press Chicago 1980 ISBN 0 22 609254 2 S 78 79 A Classification of Presidential Elections In Angus Campbell und andere The American Voter University of Chicago Press Chicago 1980 ISBN 0 22 609254 2 S 531 538 Angus Campbell und andere The American Voter University of Chicago Press Chicago 1980 ISBN 0 22 609254 2 S 531 532 Angus Campbell und andere The American Voter University of Chicago Press Chicago 1980 ISBN 0 22 609254 2 S 532 533 Angus Campbell und andere The American Voter University of Chicago Press Chicago 1980 ISBN 0 22 609254 2 S 534 535 a b Glenn H Utter Charles Lockhart Westport 2002 S 58 siehe Literatur Angus Campbell Surge and Decline A Study of Electoral Change In Public Opinion Quarterly 24 3 1960 American Association for Public Opinion Research S 397 418 ISSN 0033 362X The Premises of Surge and Decline In James E Campbell The Presidential Pulse of Congressional Elections University Press of Kentucky Lexington 1997 ISBN 0 81 310926 4 S 22 39 speziell S 29 30 The Premises of Surge and Decline In James E Campbell The Presidential Pulse of Congressional Elections University Press of Kentucky Lexington 1997 ISBN 0 81 310926 4 S 22 39 speziell S 34 35 a b Philip E Converse On the Passing of Angus Campbell In American Journal of Economics and Sociology 40 4 1981 Wiley Blackwell S 341 342 ISSN 0002 9246 Manfred Mols Hans Joachim Lauth Politikwissenschaft eine Einfuhrung UTB Paderborn Munchen Wien und Zurich 2003 ISBN 3 82 521789 2 S 303 Theodore Rosenof Realignment The Theory that Changed the Way We think about American Politics Rowman amp Littlefield Lanham 2003 ISBN 0 74 253105 8 S 64 Theodore Rosenof Realignment The Theory that Changed the Way We think about American Politics Rowman amp Littlefield Lanham 2003 ISBN 0 74 253105 8 S 65 Theodore Rosenof Realignment The Theory that Changed the Way We think about American Politics Rowman amp Littlefield Lanham 2003 ISBN 0 74 253105 8 S 66 a b c d e Kai Arzheimer Wiesbaden 2007 S 71 siehe Literatur Louis Sandy Maisel Kara Z Buckley Parties and Elections in America The Electoral Process Rowman amp Littlefield Lanham 2005 ISBN 0 74 252670 4 S 97 a b c d Daniel Katz In Memoriam Angus Campbell 1910 1980 In Public Opinion Quarterly 45 1 1981 Oxford Journals S 124 125 Erratum in Band 45 2 1981 S 283 ISSN 0033 362X Theodore Rosenof Realignment The Theory that Changed the Way We think about American Politics Rowman amp Littlefield Lanham 2003 ISBN 0 74 253105 8 S 63 Kai Arzheimer Wiesbaden 2007 S 68 siehe Literatur Dieter Roth Empirische Wahlforschung Ursprung Theorien Instrumente und Methoden Verlag fur Sozialwesen Wiesbaden 2008 ISBN 3 53 115786 8 S 171 University of Michigan Institute for Social Research Financial Support abgerufen am 4 Mai 2010 Normdaten Person GND 129667773 lobid OGND AKS LCCN n80046411 VIAF 34539302 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Campbell AngusALTERNATIVNAMEN Campbell Albert AngusKURZBESCHREIBUNG amerikanischer Sozialpsychologe und WahlforscherGEBURTSDATUM 10 August 1910GEBURTSORT Leiters IndianaSTERBEDATUM 15 Dezember 1980STERBEORT Ann Arbor Michigan nbsp Dieser Artikel wurde am 22 Mai 2010 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Angus Campbell Sozialpsychologe amp oldid 227121376