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Johann Wilhelm Emanuel Mannhardt 26 Marz 1831 in Friedrichstadt 25 Dezember 1880 in Danzig war ein deutscher Volkskundler Mythologe und Bibliothekar Wilhelm Mannhardt Inhaltsverzeichnis 1 Jugend und Studium 2 Die erste volkskundliche Fragebogenaktion 3 Letzte Lebensjahre 4 Schriften 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseJugend und Studium BearbeitenMannhardt war Sohn eines Mennonitenpredigers der 1836 eine Stellung in Danzig annahm Der junge Mannhardt litt von Geburt an unter einer starken Ruckenverkrummung und Asthma was ein lebenslanges Herzleiden nach sich zog Von 1842 bis 1851 besuchte er das Gymnasium musste aber krankheitsbedingt haufig den Schulbesuch unterbrechen und Privatunterricht nehmen Bereits wahrend seiner Schulzeit interessierte er sich stark fur Volksuberlieferungen worin er durch die Urgrossmutter und die Mutter bestarkt wurde Auch die grossen Mythen Odyssee Edda Nibelungenlied und Ossian begeisterten ihn Grimms Mythologie sollte wegweisend fur ihn werden Noch wahrend seiner Gymnasialzeit sammelte er heidnische Alterthumer oder was er dafur hielt aus dem Volksmund um auf diese Weise in das Fuhlen und Denken der bauerlichen Bevolkerung einzudringen denn in dieser Schicht glaubte er wie auch andere Mythenforscher der Romantik noch den unverfalschten Geist der alten Germanen lebendig vorzufinden Ostern 1851 schrieb sich Mannhardt an der Universitat zu Berlin ein und studierte ganz im Sinne von Jacob Grimm Germanische Sprachen Sanskrit und Geschichte Zwei Jahre spater wechselte er nach Tubingen wo er 1854 mit einer Arbeit uber die altgermanischen Konigsnamen promovierte Er stand bereits in Verbindung mit Fachgenossen wie Jacob Grimm Karl Mullenhoff Karl Simrock Ernst Moritz Arndt und Johann Ludwig Uhland Zwischen 1853 und 1859 betreute er die Redaktion der vom jung verstorbenen Gesinnungsgenossen Johann Wilhelm Wolf begrundeten Zeitschrift fur deutsche Mythologie In dieser Zeitschrift fanden nicht nur Arbeiten uber deutsche Sagen und Volkskunde Platz sondern auch Untersuchungen uber den Werwolfglauben und den Vampirmythos Sein Geld verdiente sich Mannhardt als Hauslehrer in grossburgerlichen und adligen Hausern in Berlin und Schlesien Mannhardt habilitierte sich 1857 in Berlin Von seiner Habilitationsschrift wurde 1858 nur der erste Band gedruckt Selbst das Fachpublikum war verwirrt von der Fulle und Komplexitat seiner Gedankengange und dies verhinderte auch den Erfolg auf dem Buchmarkt obwohl sich die Literatur uber altgermanische Mythen beim Bildungsburgertum durchaus grosser Beliebtheit erfreute Auch seine Darstellung der nordischen Gotterwelt blieb auf den ersten Band beschrankt der 1860 erschien Im Wintersemester 1859 60 las Mannhardt als Privatdozent an der Universitat Halle unentgeltlich uber deutsche Mythologie Hierbei erlitt er einen gesundheitlichen Zusammenbruch Da auf lange Sicht keine feste Anstellung als ordentlicher Professor in Aussicht war und der Gesundheitszustand sich verschlimmerte zog er 1862 zu seinen Eltern und nahm 1863 eine Stelle als Bibliothekar in der Danziger Stadtbibliothek an die bis zu seinem Tod seine Hauptwirkungsstatte blieb In dasselbe Jahr fallt seine einzige Publikation in der er sich nicht der Volkskunde sondern einer politischen Frage widmete Angesichts des drohenden Krieges um Schleswig Holstein forderte er fur seine Glaubensgemeinschaft das Recht auf Wehrdienstverweigerung Seine ersten Werke waren noch sehr gepragt vom wenig kritischen Geist von Jacob Grimm Durch die Einwirkung von Mullenhof begann er systematisch vor allem mythische Brauche im Ackerbau zu sammeln und zu werten Um zu den notigen Informationen zu kommen benutzte er Fragebogen Bitte an alle Freunde des Volkslebens uber die alten agrarischen Gebrauche und Erntesitten Erkundigungen einzuziehen Danzig 1865 befragte Lehrer Pfarrer und nicht zuletzt auch Soldaten aus den verschiedensten Regionen des Reiches und der angrenzenden Gebiete Mannhardt bereiste fur seine Studien vornehmlich die nordlich und ostlich an das Reich angrenzenden Gebiete Trotz seiner korperlichen Behinderung war Mannhardt ein eifriger Sammler von Sagen und Mythen sozusagen Volkskundler und Religionsforscher in einer Person und seine reichen Materialsammlungen sind auch heute noch nicht restlos ausgeschopft Sein Werk uber die baltische Gotterwelt erschien erst 1936 und war selbst fur die Fachwelt schwer zuganglich da der sprachenkundige Mannhardt die Zitate mit denen er seine Thesen belegte alle im Original vortrug d h auch in den baltischen Sprachen und auf altrussisch 1 Mannhardt war ein Pionier der vergleichenden Methode da es zu irrigen Resultaten fuhren musse wenn man sich auf das Studium der Volksuberlieferungen eines einzelnen Landes beschranke Daher widmete er sich auch der Mythologie Nordeuropas und des Baltikums Die erste volkskundliche Fragebogenaktion BearbeitenIn seinem Denksystem durchbrach er Grimms Vorstellung von einer statischen d h unhistorischen Mythenwelt die als unverruckbar festes System seit dem Altertum bis in die Gegenwart hineinrage und fuhrte das Prinzip der Entwicklung ein die eine dauernde Veranderung Brechung und Uberlagerung der alten Stoffe im gesamten indogermanischen Uberlieferungsraum mit berucksichtigte Eine solche Betrachtungsweise erforderte jedoch eine viel breitere Materialbasis als die Bruder Grimm herangezogen hatten Mannhardt forderte man musse parallel zu den Monumenta Germaniae Historica ein ahnliches Sammelwerk unter dem Titel Monumenta Mythica Germaniae herausgeben in welchem jede einzelne Volkstradition Sage und Mythe Gau bei Gau Ort bei Ort aufgeschrieben und so weit wie moglich in die Vergangenheit zuruckverfolgt werden sollte Dazu entwickelte er einen Fragebogen mit 35 Fragen Diesen verschickte er 1865 in 150 000 Exemplaren durch ganz Deutschland und die angrenzenden Lander Mannhardt verzeichnete einen geringen Rucklauf von nur 2 500 Exemplaren teilweise aber mit sehr ausfuhrlichen Antworten Es handelte sich um die erste gross angelegte volkskundliche Fragebogenaktion Erst in den spaten 1920er Jahren wurde ein ahnliches Projekt konzipiert der Atlas der deutschen Volkskunde diesmal aber mit einem ausreichend ausgestatteten Budget und einem entsprechenden Mitarbeiterstamm Mannhardts Ziel war es die Mythologie vom Verdacht sie basiere nur auf romantischen Spekulationen zu befreien und in dem Zeitalter das sich zunehmend an den exakten Naturwissenschaften orientierte als eine ernst zu nehmende empirische Wissenschaft zu etablieren Als Ansatzpunkt hatte Mannhardt zunachst die Erntesitten ausgewahlt die in altester Zeit wurzeln die er aber in dem erfreulichen Fortschritt der rationellen Landwirtschaft immer mehr verschwinden sah wie er einleitend in seinem Fragebogen schrieb Auch wahrend seiner Reisen nach Norwegen Schweden Holland ins Baltikum und nach Russland hatte er stets die Fragebogen bei sich Wahrend der Einigungskriege 1864 1866 und 1870 71 besuchte er auch Gefangenenlager in der Umgebung Danzigs um den dort internierten Danen Bayern Osterreichern und Franzosen seinen Fragebogen vorzulegen Das preussische Kulturministerium finanzierte das Unternehmen mit einem Zuschuss jedoch reichte dieser nicht zur Deckung der Kosten seiner Forschungsarbeit Als erstes Resultat der Fragebogenauswertung veroffentlichte er bis 1867 die Schriften Roggenwolf und Roggenhund und Die Korndamonen 1875 erschien der erste Band seiner Wald und Feldkulte 1877 folgte der zweite Band Da niemand ausser Mannhardt uber einen so enzyklopadischen Uberblick verfugte konnten diese Arbeiten von keinem Fachkollegen angemessen rezensiert werden Mannhardts Suche nach den Zusammenhangen zwischen der lebendigen Volkstradition einerseits und fruhgeschichtlichen Gotterlehren andererseits bestimmte hinfort trotz wachsender Gegenstimmen weitgehend die Brauch und Glaubensforschung bis weit ins 20 Jahrhundert Vor allem der Brite James Frazer betonte dass sein Hauptwerk The Golden Bough Der goldene Zweig ohne die Forschungen Mannhardts uber die Wald und Feldkulte nicht denkbar gewesen ware Insofern blieb Mannhardt der aus der Romantik stammenden Mythologischen Schule verhaftet Andererseits war Mannhardts Forschungsrichtung wie die Volkskundlerin Ingeborg Weber Kellermann gezeigt hat im Ansatz sehr modern denn er bekannte sich im Gegensatz zu anderen Volkskundlern und Mythenforschern zur empirischen Feldforschung und zur vergleichenden Methode Letzte Lebensjahre BearbeitenDie erhoffte Anerkennung und die damit verbundene akademische und gesellschaftliche Stellung blieben aus und so finden sich in Mannhardts spaten Schriften deutliche Zeichen von personlicher Verbitterung teilweise gepaart mit Ausbruchen von deutschem Nationalismus so etwa uber den Aberglauben teilweise gehassige und verbitterte Angriffe auf die von ihm vorher so verehrte bauerliche Bevolkerung Vor allem die Kaschuben die slawisch sprechende Volksgruppe im Gebiet um Danzig wurden Zielscheibe seiner Angriffe Im Jahre 1880 erlag Mannhardt einem Herzanfall Schriften Bearbeiten zusammen mit Johann Wilhelm Wolf Beitrage zur deutschen Mythologie Dieterich Gottingen u Leipzig 1852 Volltext De nominibus Germanorum propriis quae ad regnum referuntur observationis specimen Dissertation Berlin 1857 Volltext Germanische Mythen Forschungen Habilitationsschrift Berlin 1858 Volltext Ueber Vampirismus In Zeitschrift fur deutsche Mythologie und Sittenkunde Bd 4 1859 S 259 282 Nachdruck in Wilhelm Mannhardt Jan Ignaz Hanus Uber Vampirismus Hrsg und bearb von Detlef Weigt Superbia Leipzig 2004 ISBN 3 937554 01 7 Die praktischen Folgen des Aberglaubens mit besonderer Berucksichtigung der Provinz Preussen Deutsche Zeit und Streitfragen VII 97 Berlin 1878 Volltext Die Gotter der deutschen und nordischen Volker Berlin 1860 1 Teil nur dieser erschienen Volltext Die Wehrfreiheit der altpreussischen Mennoniten Denkschrift Marienburg 1863 Weihnachtsbluten in Sitte und Sage Duncker Berlin 1864 Nachdruck Die Geschichte des Weihnachtsfestes Leipzig 2010 Roggenwolf und Roggenhund Beitrag zur germanischen Sittenkunde Danzig 1865 2 verm Aufl Danzig 1866 Klytia Sammlung gemeinverstandlicher wissenschaftlicher Vortrage Heft 239 Berlin 1875 Die Korndamonen Beitrag zur germanischen Sittenkunde Berlin 1868 Volltext Wald und Feldkulte 2 Teile Berlin 1875 1877 Volltexte Bd 1 Bd 2 Nachdruck Olms Hildesheim 2002 ISBN 3 487 11479 8 ISBN 3 487 11480 1 2 Aufl von W Heuschkel Berlin 1904 1905 Volltext Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstamme Berlin 1875 Nach seinem Tod erschienen Gedichte Mit einer Lebensskizze des Dichters Danzig 1881 Mythologische Forschungen Aus dem Nachlasse hrsg von Hermann Patzig Quellen und Forschungen zur Sprach und Culturgeschichte der germanischen Volker H 51 Strassburg 1884 Volltext Letto Preussische Gotterlehre Magazin der Lettisch Literarischen Gesellschaft 21 Riga 1936 Nachdruck 1971 Literatur BearbeitenTheresa Perabo Wilhelm Mannhardt und die Anfange der Volkskunde neue Wege der Wissensproduktion im 19 Jahrhundert Waxmann Munster 2022 Mainzer Beitrage zur Kulturanthropologie Volkskunde 23 Dissertation Johannes Gutenberg Universitat Mainz 2019 ISBN 978 3 8309 4479 9 Leander Petzoldt Damonenfurcht und Gottvertrauen Zur Geschichte und Erforschung unserer Volkssagen Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1989 ISBN 3 534 01777 3 S 48 51 Wilhelm Scherer Mannhardt Wilhelm In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 20 Duncker amp Humblot Leipzig 1884 S 203 205 Karl Scheuermann Wilhelm Mannhardt Seine Bedeutung fur die vergleichende Religionsforschung Meyer Giessen 1933 Dissertation Universitat Bonn 1933 Ingeborg Weber Kellermann Erntebrauch in der landlichen Arbeitswelt des 19 Jahrhunderts Auf Grund der Mannhardt Befragung in Deutschland von 1865 Elwert Marburg 1965 Dissertation Universitat Marburg 1963 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Wilhelm Mannhardt Quellen und Volltexte Literatur von und uber Wilhelm Mannhardt im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Aldis Putelis Latvian mythology In Encyclopedia Mythica Online 1997 2002 abgerufen am 16 Mai 2012 Normdaten Person GND 116734078 lobid OGND AKS LCCN n80102058 VIAF 62307862 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Mannhardt WilhelmALTERNATIVNAMEN Mannhardt Johann Wilhelm Emanuel vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Volkskundler Mythologe und BibliothekarGEBURTSDATUM 26 Marz 1831GEBURTSORT FriedrichstadtSTERBEDATUM 25 Dezember 1880STERBEORT Danzig Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wilhelm Mannhardt amp oldid 231460756