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Wilhelm Gottlieb Tennemann 7 Dezember 1761 in Kleinbrembach 30 September 1819 in Marburg war ein deutscher Philosoph und Philosophiehistoriker Er verfasste ein von Fachleuten geschatztes mehrbandiges Werk der Geschichte der Philosophie das 2010 neu aufgelegt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 2 Wirken 3 Wurdigung und Kritik 4 Werke 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksBiografie BearbeitenTennemann erkrankte als Funfjahriger an den im 18 Jahrhundert oft seuchenartig auftretenden Pocken Die Folgen dieser Krankheit beeintrachtigten seine Entwicklung Seine lebenslange schwache Konstitution zusammen mit seiner zuruckhaltenden Art behinderten auch spater seine Vortragstatigkeit Sein Vater unterrichtete ihn Von 1778 bis 1779 besuchte er das Gymnasium in Erfurt Anschliessend ging er fur sein Studium an die Universitat Erfurt Er studierte hier bei Johann Christian Lossius 1781 wechselte er zur Universitat Jena und besuchte hier Veranstaltungen von Johann August Heinrich Ulrich und Carl Leonhard Reinhold Er beschaftigte sich insbesondere mit antiker und der damals noch jungen Kant schen Philosophie 1788 habilitierte er sich mit der Disputation einer Arbeit zur Widerlegung des Kantischen Rationalismus Er wurde im gleichen Jahr Privatdozent fur Geschichte der Philosophie an der Universitat Jena Er publizierte in Jena Forschungsergebnisse wie die Lehren und Meinungen der Sokratiker uber Unsterblichkeit 1791 vier Bande uber das System der Platonischen Philosophie 1792 5 1 eine verbesserte Ubersetzung von David Humes Enquiry Concerning Human Understanding 1793 In der von Carl Leonhard Reinhold verfassten Einleitung wurde der Skeptizismus Humes als mogliche Erneuerung philosophischer Entwicklungen gewurdigt 2 Dieser Arbeit folgte die dreibandige Ubersetzung von Locke s Versuch uber den menschlichen Verstand 1795 7 1795 begann er mit der Herausgabe seines mehrbandigen Werkes uber Die Geschichte der Philosophie Im gleichen Jahr heiratete er Christine Sophie Johanne Russ Zwei Jahre spater 1797 wurde er Mitglied der Akademie gemeinnutziger Wissenschaften zu Erfurt 1798 ernannte ihn die Universitat Jena zum ausserordentlichen Professor der Philosophie 1804 folgte er einem Ruf auf eine Professur der Universitat Marburg Hier veroffentlichte er die zweibandige Ubersetzung von J M Degerando s Vergleichender Geschichte der Systeme der Philosophie 1806 Seit 1808 war er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Wirken Bearbeiten nbsp Soll die Geschichte der Philosophie nicht blos die Neugierde sondern die Wissbegierde befriedigen so kann ihr Zweck kein anderer seyn als die grundliche Erkenntniss des allmahligen Werdens Fortschreitens oder Zuruckschreitens mithin uberhaupt des Ganges im Philosophieren und der fortschreitenden Entwicklung der Philosophie als Wissenschaft Dieser Zweck kann nicht durch blosse Kenntniss des Geschehenen als wahrer und bestimmter Thatsachen erreicht werden sondern hangt auch von Erkenntniss der Grunde und Folgen oder des Zusammenhangs der Begebenheiten ab S 5 Als sein Hauptwerk gilt die nicht ganz vollendete Geschichte der Philosophie 1798 1819 aus der mit dem Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht von 1812 ein Auszug vorlag Nach seinem Tod bearbeitete und vervollstandigte der Gottinger Philosophieprofessor Amadeus Wendt die unvollstandig erschienene Veroffentlichung Er benutzte dafur handschriftliche Notizen von Tennemann Diese Ausgabe war bald vergriffen Es folgten zwei weitere bearbeitete Auflagen von Wendt 2010 erschien eine achtbandige Neuauflage seiner Geschichte der Philosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat Tennemanns Arbeit in seiner Einfuhrung in die Geschichte der Philosophie als zu stark historisierend kritisiert Bei Tennemanns Philosophiegeschichte handelte es sich um die zweite Veroffentlichung einer umfassenden Geschichte der Philosophie aus Sicht eines deutschen Philosophen 70 Jahre fruher hatte Johann Jakob Brucker eine erste Philosophiegeschichte vorgelegt Pierre Bayle Christian Thomasius und Gottfried Wilhelm Leibniz hatten davor philosophiegeschichtliche Themen und konzeptuelle Uberlegungen zu Prinzipien einer Geschichte der Philosophie veroffentlicht Bayle hatte sich in seinem Dictionnaire historique et critique darauf beschrankt kurze Artikel zu verfassen und er stellte gegensatzliche Sichtweisen auf die jeweilige Philosophie dar Die Artikel wurden in Form von Fussnoten durch einen umfangreichen bibliographischen Apparat erganzt Andere Philosophen sollten sich so selber ein quellentreues Bild von den dargestellten Philosophen und deren Philosophien machen konnen Tennemann folgte in seiner Geschichte der Philosophie dem Beispiel Bayles Die umfangreiche Literatur zu einzelnen Philosophen war eine Fundgrube fur philosophische Geschichtsforschungen Am Schluss befanden sich Zeittafeln und ein Namensregister das das Auffinden der entsprechenden Artikel erleichterte Tennemann schrieb kenntnisreich und gut lesbar Tennemanns Schilderung der Philosophiegeschichte orientierte sich an dem Grundgedanken dass Philosophiegeschichte Fortschritte und Ruckschritte Umwege und Irrtumer zeige um zu einem bestimmten Ziel zu kommen Fur ihn war dieses Ziel die Selbsterkenntnis der Vernunft und die letzten Begrundungen einer philosophischen Wissenschaft Dieses Ziel diente ihm als Massstab fur die Wichtigkeit bzw die Marginalitat einer Philosophie Die Geschichte der Philosophie war fur ihn daher die Erzahlung daruber wie die Idee der Vernunft sich in Stoff und Form verwirkliche So hat z B Leibnizens Philosophie voll von kuhnen Hypothesen und herrlichen Entdeckungen einen Fortschritt der philosophierenden Vernunft bewirkt und eine Menge neuer Ansichten in Umlauf gebracht wozu die franzosische Sprache worin er gewohnlich schrieb viel beitrug 3 Die Philosophen seiner Zeit beschrieb er in meist sachlich neutraler Weise Auf die Darstellung der antiken Philosophien wendete er bedenkenlos die Begriffe der Philosophie seiner Zeit an In theoretischer Hinsicht verfolgte man anfanglich eine Hypothese nach der andern bis man ein System der Vernunfterkenntniss als Aufgabe erkannte charakterisierte er die Ionische Philosophie 4 Dies wurde in der Forschung zur Philosophiegeschichte neben der Anerkennung seiner Darstellung kritisch vermerkt Tennemann wollte mit seiner Philosophiegeschichte auch einen neuartigen Beitrag zu einer Weiterentwicklung der philosophiegeschichtlichen Forschungen seiner Zeit leisten Es war ihm daran gelegen die Person des Philosophen und seine Philosophie im Zusammenhang darzustellen Fur diesen Zusammenhang berucksichtigte er die Bedingtheit eines Philosophen durch Zeitgeschichte Kultur Nationalcharakter und Erziehung und die Fortschritte die die Idee der Vernunft in seinem philosophischen System machte Dieses anspruchsvolle Programm war ein Ergebnis der Aufklarungsdebatten uber philosophische Geschichtskonzepte in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts Es wurde nie wieder in der Tennemannschen Auspragung in Angriff genommen 5 Tennemann hat fur seine diesbezuglichen Kommentare viel Kritik erfahren Seine von ihm in der Einleitung formulierten Kriterien ergaben dann Schlussfolgerungen wie z B die folgende uber Nominalisten Fast alle diese waren zu ihrer Zeit helle Kopfe ohne besonderes philosophisches Talent 6 Den romischen Epikureern bescheinigte er sie seien bis auf wenige Ausnahmen leichtsinnige und faule Philosophen gewesen Epikurus Lehre fand unter den Romern eine grosse Schaar von Anhangern weil sie so leicht und bequem war den Neigungen keine Gewalt antat 7 Tennemann schloss seine Philosophiegeschichte mit folgendem Ausblick Wenn gleich die einander entgegengesetzten Richtungen der philosophierenden Vernunft welche wir in der neuern Zeit wahrnehmen alles Philosophieren verdachtig mache so mussen doch diese Versuche die Hoffnung beleben die philosophierende Vernunft werde fruher oder spater zur wahren Selbsterkenntniss gelangen die wahre Methode des Philosophierens immer mehr entwickeln 8 Wurdigung und Kritik BearbeitenTennemanns philosophiegeschichtliches Programm dokumentiert eine Zasur innerhalb des Prozesses der Auspragung einer mehrheitlich gultigen philosophischen Auffassung europaischer Philosophiegeschichte Das Prinzip sachlicher Darstellung von Philosophien wurde beibehalten Es wurde dazu verwendet um bestimmte spekulative philosophiegeschichtliche Prinzipien des deutschen Idealismus und der Aufklarung aufweisbar zu machen Andere Prinzipien wurden verworfen 9 In der Folge wurde die Verbindung zwischen rationalistisch gepragter Textinterpretation und metaphysischer Spekulation zur Didaktik der universitaren Philosophie Das von Kontinuitatsvorstellungen und zeitlos gultigen Paradigmen des Philosophierens gepragte Selbstverstandnis der philosophischen Wissenschaft bewirkte seit dem Ende des 19 Jahrhunderts eine Ausgrenzung der Philosophie aus dem Kanon der anderen Wissenschaften Vertreter der universitaren Philosophie sind in der Gegenwart u a damit beschaftigt die entstandene Sonderrolle zu begrunden und zu verteidigen 10 Werke BearbeitenLehren und Meinungen der Sokratiker uber Unsterblichkeit Jena 1791 Bei Google Buch Neu erschienen 2010 bei Biblio Bazaar TB System der Platonischen Philosophie 4 Bande Jena 1792 1795 Bei Google Buch Ubersetzung von David Humes Enquiry Concerning Human Understanding Jena 1793 Bei Google Buch Neu erschienen 2010 bei Kessinger Pub Co TB Ubersetzung Lockes Versuch uber den menschlichen Verstand Jena 1795 Bei Google Buch Bemerkungen uber die sogenannte Ethik bei Aristoteles Jena 1798 Ubersetzung von J M Degerandos Vergleichende Geschichte der Systeme der Philosophie Mit besonderer Berucksichtigung der Grundsatze der menschlichen Erkenntnis 2 Bande Marburg 1806 Bei Google Buch Neu erschienen 2010 bei Kessinger Pub Co Geschichte der Philosophie 12 Bande Leipzig 1798 1819 Bei Google Buch Neu erschienen 2010 bei Nabu Press TB Bande 1 8 Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht Bearbeitet von Johann Amadeus Wendt Professor fur Philosophie in Gottingen Leipzig 1829 Bei Google Buch Neu erschienen 2010 bei Biblio Bazaar TB Literatur BearbeitenOtto Liebmann Tennemann Wilhelm Gottlieb In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 37 Duncker amp Humblot Leipzig 1894 S 566 f Friedrich Ueberweg Grundriss der Geschichte der Philosophie des Altertums Berlin Mittler amp Sohn 1865 2 durchgesehene Aufl S 9 Friedrich Ueberweg Untersuchungen uber die Echtheit und Zeitfolge Platonischer Schriften und uber die Hauptmomente aus Plato s Leben Wien Gerold s Sohn 1861 S 9 12 J R Morell Hrsg A manual of the history of philosophy von Wilhelm Gottlieb Tennemann Translated by J R Morell London Bohn 1852 Georg Wilhelm Friedrich Hegel Vorlesungen Ausgewahlte Nachschriften und Manuskripte Hamburg Meiner 1989 Intelligenzblatt Nr 23 Sonnabend den 25 Marz 1807 In Allgemeine Literaturzeitung 4 Band Halle Leipzig 1807 S 56 Dr Cupr Sein oder Nichtsein der deutschen Philosophie in Bohmen Prag Haase amp Sohne 1847 Seebode amp Jahn amp Klotz Neue Jahrbucher fur Philologie und Paedagogik Band 4 Leipzig Teubner amp Claudius 1832 S 454 Gotthard Oswald Marbach Lehrbuch der Geschichte der Philosophie 1 Abtheilung Leipzig Wigand 1838 Friedrich August Wolf Litterarische Analekten Berlin Nauck 1818 S 429 457 Georg Rathgeber Grossgriechenland und Pythagoras Gotha Opetz 1866 Wilhelm Munscher Uber kirchliches Leben und kirchliche Einrichtungen Versuch einer Geschichte der hessischen reformirten Kirche Erster Teil Cassel Luckhardt sche Buchhandlung 1850 S 153 Ulrich Sieg Das Fach Philosophie an der Universitat Marburg 1785 1866 Ein Beitrag zur Universitats und Wissenschaftsgeschichte unter besonderer Berucksichtigung von Problemen der Lehre und des Studiums Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes und Volkskunde Bd 18 Verein fur hessische Geschichte und Landeskunde Kassel 1989 S 24 26 Orrin F Summerell Wie die Vernunft die Idee der Welt subjektiv erzeugt In Thomas Dewender amp Thomas Welt Hrsg Imagination Fiktion Kreation Das kulturschaffende Vermogen der Phantasie Leipzig Munchen Saur 2003 S 291 316 Einzelnachweise Bearbeiten Friedrich Schleiermacher konnte sich durch Tennemanns schriftstellerische Aktivitat uber Platon sehr zu eigenem Tun herausgefordert gefuhlt haben In zwei Dritteln seiner Einleitung zu Platon s Werke Erster Theil 1804 grenzte Schleiermacher seine Veroffentlichung gegenuber seinem Vorganger u a mit folgendem ab uber das Leben Platon s schlagt Euern Tennemann nach uber Zeit Sprache und Literatur auf und in welcher Platon sich erhebt findet Ihr das Allgemeine und Bekannte unter Andern bei Tennemann Ernst Ferdinand Yxem Ein Logos Protreptikos Schleiermacher und Platon betreffend Berlin Besser 1841 S 7 Google Buch Wilhelm Gottlieb Tennemann David Humes Untersuchung uber den menschlichen Verstand Mit einer Abhandlung uber den philosophischen Skeptizismus von Carl Leonhard Reinhold Jena 1793 Einleitung Vollstandig bei Google Buch herunterzuladen Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht S 418 Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht S 65 Vgl dazu Ulrich Johannes Schneider Die Vergangenheit des Geistes Eine Archaologie der Philosophiegeschichte Frankfurt am Main Suhrkamp 1990 S 10f Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht S 292 Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht S 185 Grundriss der Geschichte der Philosophie fur den akademischen Unterricht S 567 Die geschichtsphilosophischen Ideen von Johann Gottfried Herder wurden abgelehnt Man bemangelte hauptsachlich dass sie unsystematisch sei Vgl Marion Heinz Hg Herder und die Philosophie des deutschen Idealismus Amsterdam Rodopi 1997 S 1f Google Buch Kant kritisierte dass Herdersche Geschichtsdarstellungen den Schluss zuliessen dass seine Transzendentalphilosophie auf wackeligen Beinen stehen konnte Vgl Julia Roloff Sozialer Wandel durch deliberartive Prozesse Marburg Metropolis 2006 S 41 Google Buch Vgl dazu Ulrich Johannes Schneider a o O S 13 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Wilhelm Gottlieb Tennemann Quellen und Volltexte Tennemann Wilhelm Gottlieb Hessische Biografie Stand 19 Oktober 2021 In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Werke von und uber Wilhelm Gottlieb Tennemann in der Deutschen Digitalen BibliothekNormdaten Person GND 119092603 lobid OGND AKS LCCN n89639319 VIAF 8190036 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tennemann Wilhelm GottliebKURZBESCHREIBUNG deutscher Philosoph und HistorikerGEBURTSDATUM 7 Dezember 1761GEBURTSORT KleinbrembachSTERBEDATUM 30 September 1819STERBEORT Marburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wilhelm Gottlieb Tennemann amp oldid 218769759