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Der Brand des Wiener Justizpalastes 1927 auch die Julirevolte in Wien genannt begann am 15 Juli 1927 als Unmutsausserung gegen ein als skandalos empfundenes Urteil eines Geschworenengerichts und endete mit Polizeischussen in die demonstrierende und das Justizgebaude angreifende Menge Es gab 84 Todesopfer unter den Demonstranten und funf auf Seiten der Polizei dazu hunderte Verletzte auf beiden Seiten Der Wiener Justizpalast kurz nach seiner Vollendung Inhaltsverzeichnis 1 Ablauf 2 Rolle von Johann Schober 3 Schusse Opfer und Bewertung 4 Gedenken 5 Museale Rezeption 6 Literatur 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseAblauf Bearbeiten nbsp Der brennende Justizpalast Foto von Martin Gerlach junior nbsp Menschenmenge vor dem brennenden Justizpalast Foto von Martin Gerlach juniorAm Abend des 14 Juli 1927 verbreitete sich die Nachricht vom Schattendorfer Urteil Ein Geschworenengericht hatte drei Mitglieder der Frontkampfervereinigung Deutsch Osterreichs freigesprochen die im burgenlandischen Schattendorf bei einem Zusammenstoss mit Sozialdemokraten einen 40 jahrigen kroatischen Hilfsarbeiter und ein 6 jahriges Kind erschossen hatten Am Tag darauf wurde der Strom der Wiener Strassenbahn durch die Direktion der Stadtischen Elektrizitatswerke abgeschaltet so dass der offentliche Verkehr in Wien lahmgelegt war Dies geschah um einen Proteststreik auszulosen Die erste Marschkolonne die den Ring erreichte war die der E Werker welche vergebens versuchten das Universitatshauptgebaude zu sturmen Nach und nach fullte sich der Ring Demonstranten griffen das Polizeiwachzimmer in der Lichtenfelsgasse nahe dem Rathaus an und verwusteten die Redaktion der Wiener Neuesten Nachrichten welche nicht im Sinne der Demonstranten uber das Urteil berichtet hatten Als die Menge den Kordon von Sicherheitskraften vor dem Parlamentsgebaude mit Steinwurfen attackierte wurde sie von berittener Polizei in die Parkanlage gegenuber dem Justizpalast abgedrangt Der Platz vor dem Haupteingang des Justizpalasts lag frei Bald stand er als Symbol der als parteiisch empfundenen Justiz im Zentrum der Aufmerksamkeit der heranruckenden Demonstranten obwohl im Justizpalast in erster Linie die Zivilgerichtsbarkeit angesiedelt war Einige der Angehorigen des sozialdemokratischen Schutzbunds versuchten als Ordner massigend auf die Menge einzuwirken wahrend ein anderer Teil derselben Organisation mit der Menge sympathisierte und sich aktiv an den Ausschreitungen beteiligte Gegen 12 Uhr zerschlugen Protestierende erste Fensterscheiben im Erdgeschoss und stiegen in das Gebaude ein Dort begannen sie Mobiliar und Akten zu zerstoren Der fruhere General und Sozialdemokrat Theodor Korner der spater Bundesprasident wurde und damals dem Schutzbund nahestand verlangte von den Wachbeamten des Justizpalastes die Herausgabe ihrer Waffen meist ungeschliffene Paradesabel was von den um ihr Leben furchtenden Beamten verweigert wurde Korner brachte die Wachbeamten in Sicherheit indem er sie als Verletzte getarnt auf Bahren hinaustragen oder sie die Windjacken anwesender Schutzbundler uberziehen liess damit sie unerkannt fluchten konnten Ein Versuch Korners die Menge durch eine Ansprache zu beruhigen scheiterte Wahrenddessen legte ein unerkannt gebliebener Eindringling im Gebaude Feuer Um 12 28 Uhr ging der erste Notruf bei der Wiener Berufsfeuerwehr Am Hof ein Auch in den oberen Geschossen bewegten Demonstranten Mobiliar und setzten an zahlreichen Stellen Akten in Brand Die Feuerwehr wurde von den Demonstranten immer wieder behindert Bei den vier Oberflurhydranten und den zwolf Wandhydranten wurden immer wieder die Schlauche entfernt oder durchgeschnitten In einer etwas grosseren Entfernung zum Brandobjekt wurden Pumpen und Loschwasserreserven aufgestellt um bei den ersten Demonstrationslucken sofort mit Loschversuchen beginnen zu konnen Dies war aber erst ab etwa 14 Uhr in etwas grosserem Ausmass moglich Trotzdem wurde die Arbeit auf verschiedenste Weise torpediert So wurden beispielsweise Hydranten in der Umgebung geoffnet so dass bei den benotigten Hydranten Wassermangel auftrat Das Feuer breitete sich uber alle Stockwerke aus Die enorme Hitzeentwicklung hielt einerseits Demonstranten von weiteren Aktionen ab anderseits waren die Brandherde jedoch dermassen angewachsen dass sie auch die Feuerwehr nur mehr schwer unter Kontrolle bringen konnte Um 18 Uhr waren Schatzungen zufolge etwa 5 000 bis 10 000 m Geschossflache in Brand Um diese Zeit begannen auch Aussenteile des Gebaudes abzusturzen und behinderten und gefahrdeten gleichfalls die Loschkrafte Das grosste Ausmass erreichte das Feuer etwa um 21 Uhr Es brannten um diese Zeit die zwei Obergeschosse sowie die Dacher des Mitteltraktes Grosse Gefahr ging von Flugfunken aus die jedoch nicht zundeten Gegen 2 Uhr am Morgen des 16 Juli konnte der Brand unter Kontrolle gebracht werden 1 Rolle von Johann Schober Bearbeiten nbsp Angesengte Aktenstucke aus dem Justizpalast vom 18 Juli 1927 HGM Johann Schober der ehemalige und spatere Bundeskanzler war zu dieser Zeit Wiener Polizeiprasident Er ersuchte den Wiener Burgermeister Karl Seitz SDAP das Bundesheer gegen die Unruhen einzusetzen da die Polizei fur derartige Aufgaben nicht gerustet sei Seitz verweigerte den Einsatz ebenso wie Heeresminister Carl Vaugoin CS Daher forderte Schober angesichts einer rasenden Menge die das Gerichtsgebaude sturmte und anzundete Gewehre aus Heeresbestanden an und rustete die Polizei damit aus Er kundigte an bei weiterer Behinderung der Feuerwehr welcher zuvor der Zugang zum Gebaude verwehrt und deren Schlauche durchschnitten worden waren den Platz mit Waffengewalt raumen zu lassen Der Wiener Burgermeister Karl Seitz versuchte ebenso erfolglos wie Korner die Menge zum Abzug zu bewegen Schusse Opfer und Bewertung BearbeitenDann fielen die ersten Schusse zunachst in die Luft sodann in die Menge welche gegen die Vorstadte zuruckzuweichen begann Der Tag endete nach Polizeiangaben mit 84 toten Demonstranten vier toten Sicherheitswachbeamten und einem toten Kriminalbeamten 120 Polizisten erlitten schwere 480 leichte Verletzungen wahrend 548 Zivilisten verletzt wurden Das vollig vergiftete politische Klima war nach allgemeiner Ansicht ein erster Schritt in den Osterreichischen Burgerkrieg Mitte der 1930er Jahre Gedenken Bearbeiten nbsp Gedenkstatte auf dem ZentralfriedhofAuf dem Wiener Zentralfriedhof befindet sich eine Gedenkstatte fur die Opfer des 15 und 16 Juli 1927 Heimito von Doderer verarbeitete die Ereignisse der Julirevolte in seinem Roman Die Damonen Elias Canetti beschrieb das Ereignis in seiner Autobiographie Die Fackel im Ohr und verarbeitete es in seinem Roman Die Blendung Ausserdem wirkte es als Initialzundung fur seine jahrzehntelange Studie des Phanomens Masse und Macht Galina Djuragin alias Alja Rachmanowa thematisierte das Ereignis in ihrem Dokumentarroman Milchfrau in Ottakring Zum 80 Jahrestag der Ereignisse wurde am 11 Juli 2007 in der Halle des Justizpalastes eine Gedenktafel mit einem Text von und durch Bundesprasident Heinz Fischer enthullt Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhangern des Republikanischen Schutzbundes und der Frontkampfervereinigung im burgenlandischen Ort Schattendorf am 30 Janner 1927 wurden zwei unschuldige Menschen getotet Die Tater wurden freigesprochen Im Zuge einer gewaltsamen Demonstration gegen dieses Urteil wurde der Justizpalast in Brand gesetzt Die Polizei erhielt Schiessbefehl und 89 Personen kamen ums Leben Die Ereignisse dieser Zeit die schliesslich im Burgerkrieg des Jahres 1934 mundeten sollen fur alle Zeiten Mahnung sein Museale Rezeption BearbeitenDer Osterreichische Burgerkrieg ist im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum im Detail dokumentiert Saal VII Republik und Diktatur wobei sich unter den Ausstellungsstucken auch angesengte Aktenstucke aus dem Justizpalast vom 15 Juli 1927 befinden Ausgestellt sind weiters Uniformen des Republikanischen Schutzbundes der Heimwehren und der Ostmarkischen Sturmscharen Als besonderes Stuck ist auch die Tatwaffe von Schattendorf ein aus einer osterreichischen Infanteriewaffe umgearbeitetes Jagdgewehr ausgestellt 2 Literatur BearbeitenNorbert Leser Paul Sailer Wlasits 1927 Als die Republik brannte Von Schattendorf bis Wien Wien Klosterneuburg 2002 ISBN 3 85167 128 7 Heinrich Drimmel Vom Umsturz zum Burgerkrieg Amalthea Wien 1985 ISBN 3 85002 206 4 Josef Hindels 15 Juli 1927 1977 OCLC 914676699 Sigrid Kiyem Der Wiener Justizpalastbrand am 15 Juli 1927 Darstellung in Quellen und Medien Diplomarbeit Padagogische Akademie des Bundes Wien 2001 OBV AC03291167 Karin Masek Schattendorf und der Justizpalastbrand 1927 im Spiegel der Wiener Tagespresse Diplomarbeit Universitat Wien 2004 OBV AC04023693 Gerald Stieg Frucht des Feuers Canetti Doderer Kraus und der Justizpalastbrand Falter Verlag Wien 1990 ISBN 3 85463 100 6 Die Schreckenstage von Wien Geschichte und Darstellung der Wiener Julirevolte 1927 Wiener Allgemeine Zeitung Wien 1927 ONB AC10299215 Gerhard Oberkofler Der 15 Juli 1927 in Tirol Regionale Burokratie und Arbeiterbewegung Europaverlag Wien 1982 ISBN 978 3 203 50817 7 Winfried R Garscha Finbarr McLoughlin Barry Wien 1927 Menetekel fur die Republik Dietz Berlin 1987 ISBN 3 320 00937 0 Thomas Kohler Christian Mertens Hrsg Justizpalast in Flammen Ein brennender Dornbusch Das Werk von Manes Sperber Heimito von Doderer und Elias Canetti angesichts des 15 Juli 1927 Oldenbourg Munchen 2006 ISBN 3 486 57937 1 Beitrage zur Vorgeschichte und Geschichte der Julirevolte Hrsg auf Grund amtlicher Quellen Selbstverlag des Bundeskommissariates fur Heimatdienst Wien 1934 DNB 572214820 Siehe auch BearbeitenRingtheaterbrandWeblinks BearbeitenMultimediales zum Justizpalastbrand aus der akustischen Chronik der Osterreichischen Mediathek Eintrag zu Wiener Justizpalastbrand im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon Die Julirevolte im Spiegel der osterreichischen Presse Archiv der Osterreichischen Nationalbibliothek Die Reichspost vom 18 Juli 1927 anno onb ac at Die Wiener Zeitung vom 19 Juli 1927 anno onb ac at Dokumente zur Julirevolte aus dem BF Archiv allen Ausgaben online 1922 2007 Die Burgenlandische Freiheit vom 22 Juli 1927 bf archiv at Otto Bauer Der blutige 15 Juli Rede als Beilage zur BF vom 26 August 1927 bf archiv at Brand des Justizpalastes In dasrotewien at Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie SPO Wien Hrsg Nick Brauns Das Fanal der Republik Der Justizpalastbrand in Wien Bericht uber die Gedenkveranstaltung vom 15 Juli 2017 Geschichte der 15 Juli 1927 auf der Homepage des Oberlandesgerichts WienEinzelnachweise Bearbeiten Manfred Jautz Die Geschichte der Feuerwache Rathaus 1927 1997 herausgegeben anlasslich des 70 jahrigen Jubilaums der MA 68 S 9 11 Manfried Rauchensteiner Manfred Litscher Hrsg Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien Graz Wien 2000 ISBN 3 222 12834 0 S 75 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wiener Justizpalastbrand amp oldid 236563903