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Das Schattendorfer Urteil war 1927 Ausloser der so genannten Julirevolte in Osterreich Es ist nach dem Ort Schattendorf im Burgenland benannt Am 30 Janner 1927 hatte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschosterreichs in dem kleinen burgenlandischen Ort eine Versammlung abgehalten die von einem Gasthof aus von Mitgliedern der Frontkampfervereinigung Deutsch Osterreichs Frontkampfer beschossen wurde worauf zwei Tote und funf Verletzte zu beklagen waren Der osterreichische Rechtsanwalt Walter Riehl u a Leiter der nationalsozialistischen Gruppierung Deutschsozialer Verein verteidigte die Tater im darauf folgenden Schattendorfer Prozess Die Tater wurden von einem Geschworenengericht freigesprochen was als Skandal angesehen wurde und in weiterer Folge zu gewalttatigen Ausschreitungen in Wien fuhrte Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 30 Janner 1927 3 Prozess und Urteil 4 Auswirkungen 5 Museale Rezeption 6 Literarische Verarbeitung 7 Literatur 8 Weblinks 9 AnmerkungenVorgeschichte BearbeitenImmer wieder kam es im Osterreich der 1920er zu Anschlagen nationalistischer rechtsgerichteter Gruppen und Verbande Heimatschutz In der aufgeheizten Atmosphare der Nachkriegszeit fanden diese Anschlage die meist den linksstehenden Parteien Sozialdemokraten Kommunisten und Interessengruppen bzw deren Anhangern der Arbeiterschaft galten zum Teil offene Unterstutzung im Burgertum das in diesen Verbanden eine Stutze von Recht und Ordnung sah Obwohl es meist Zeugen und Beweise fur diese Uberfalle gab wurden die Tater vielfach unter dem Jubel der burgerlichen Presse freigesprochen oder zu milden Strafen verurteilt Das Burgenland wurde von dem halbfaschistischen Regime des in Ungarn herrschenden Miklos Horthy bedroht Man war sich bereits einig dort weder den Schutzbund noch die Heimwehr zuzulassen um den Ungarn keine Handhabe einer Ruckgewinnung des Burgenlandes zu liefern Doch die Frontkampfer formierten sich und so stellten auch die Sozialdemokraten eine lokale Schutzbundorganisation auf Schon 1926 kam es immer wieder zu Raufereien Storungen der Versammlungen und Aufmarschen der Frontkampfer und der Schutzbundler im Burgenland 30 Janner 1927 Bearbeiten nbsp Die Tatwaffe von Schattendorf im Heeresgeschichtlichen MuseumAm 30 Janner 1927 veranstalteten Frontkampfer eine Versammlung in dem kleinen burgenlandischen Grenzort Schattendorf dessen Bevolkerung zum uberwiegenden Teil sozialdemokratisch war Als die Schutzbundler davon erfuhren hielten sie ihre Versammlung am selben Tag ab Das Gasthaus Moser wurde zum Stammquartier des Schutzbundes das 500 Meter entfernte Gasthaus Tscharmann das der Frontkampfer Die lokale Frontkampfertruppe war im Verhaltnis 30 70 klar in der Minderheit und holte sich deshalb Unterstutzung aus den Nachbargemeinden Am Bahnhof von Schattendorf kam es schliesslich zum Zusammentreffen der beiden Organisationen Die Schutzbundler konnten die Frontkampfer die zur Unterstutzung kommen sollten vertreiben und siegreich nach Schattendorf einziehen Es kam zu Tatlichkeiten im Gasthof Tscharmann Mit den Worten Nieder mit den Frontkampfern nieder mit den christlichen Hunden nieder mit den monarchistischen Mordbuben 1 drangen die Schutzbundler in das Gasthaus ein Die Gebruder Tscharmann und Johann Pinter drei Frontkampfer schossen aus dem vergitterten Schlafzimmerfenster des Hauses auf die Strasse als die Schutzbundler allerdings schon vorbeigezogen waren Der kroatische Kriegsinvalide Matthias Csmarits auch Zmaritsch und der sechsjahrige 2 Josef Grossing postum Grossonkel von Josef Ostermayer wurden dabei getotet und weitere funf Menschen verletzt Am 2 Februar 1927 dem Tag des Begrabnisses der beiden Getoteten streikten die Arbeiter in ganz Osterreich funfzehn Minuten lang 3 Die Beerdigung der beiden in ihren Heimatorten Klingenbach und Schattendorf wurde von einem kilometerlangen Trauerzug begleitet Die eigentliche Grabstatte von Josef Grossing mit seinen Uberresten wurde 1968 uberasphaltiert sie liegt heute ausserhalb des Friedhofs und abseits des spater errichteten Gedenkgrabs hinter den Sanitaranlagen nbsp Gedenkstatte Josef GroessingProzess und Urteil BearbeitenDer Verlauf des Prozesses wurde in der Offentlichkeit gespannt verfolgt denn schon vorher waren Morde an Arbeitern als Kavaliersdelikte behandelt und die Morder milde oder gar nicht bestraft worden Die Hauptfragen im Prozess bezogen sich auf die Mordabsicht beziehungsweise auf die Absicht die Opfer schwer zu verletzen Das Strafausmass betrug im Falle der Mordabsicht 10 bis 20 Jahre Kerker oder eine lebenslange Freiheitsstrafe Fur die Tatsache dass sie die beiden Menschen absichtlich schwer verletzt hatten drohten ihnen immerhin noch 5 Jahre Kerker Die drei Angeklagten Josef Tscharmann 1896 1972 Hieronymus Tscharmann 1905 1994 und Johann Pinter 1901 1985 versuchten von Beginn an die Taten als Notwehr darzustellen Die Frage ob von den Schutzbundlern mit kleinkalibrigen Revolvern geschossen wurde konnte im Prozess nicht abschliessend geklart werden Da die Zeugenaussagen nur teilweise mit den Aussagen der Angeklagten ubereinstimmten konnten sich die Geschworenen nur sehr schwer eine Meinung bilden Nicht geklart werden konnte auch welcher der Angeklagten die todlichen Schusse abgefeuert hatte Die Bezirkskommission hatte nach der Gesetzesanderung 1919 1920 uber die Geschworenenliste zu entscheiden In diesem Fall konnte man allerdings von keiner politischen Farbung reden Bei dem Prozess der am 5 Juli 1927 begann setzte sich die Geschworenenbank folgendermassen zusammen vier Arbeiter drei Beamte eine Hausfrau zwei Landwirte und zwei Gewerbetreibende Der Staatsanwalt pladierte zwar auf schuldig doch letztlich konnte keine der beiden Hauptfragen mit einer notwendigen Zweidrittelmehrheit bejaht werden die Geschworenen hatten mit 7 5 fur einen Schuldspruch gestimmt die Zweidrittelmehrheit wurde also um eine Stimme verfehlt 4 Somit verkundete der Richter am 14 Juli 1927 den Freispruch der Angeklagten Der mutmassliche Mord wurde als Notwehr dargestellt und die Tater als ehrenwerte Manner Auswirkungen BearbeitenZeitungsberichte uber dieses Urteil nicht zuletzt der Leitartikel von Friedrich Austerlitz in der Arbeiter Zeitung 5 losten Demonstrationen in der Wiener Innenstadt aus Unter anderem schrieb Austerlitz Die burgerliche Welt warnt immerzu vor dem Burgerkrieg aber ist diese glatte diese aufreizende Freisprechung von Menschen die Arbeiter getotet haben weil sie Arbeiter getotet haben nicht schon selbst der Burgerkrieg Wir warnen alle denn aus einer Aussaat von Unrecht wie es gestern geschehen ist kann nur schweres Unheil entstehen 6 Im Zuge der Demonstrationen wurde der Justizpalast in Brand gesteckt wurde Der Waffeneinsatz der Polizei gegen die Demonstranten endete in einem Massaker mit 89 toten Demonstranten vier toten Sicherheitswachbeamten und einem toten Kriminalbeamten Nach dem Justizpalastbrand war der Glaube an eine gerechte und unparteiliche Justiz in Osterreich erschuttert und es kam zu einer Erstarkung der Heimwehr Bewegung Museale Rezeption BearbeitenDer Osterreichische Burgerkrieg ist im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum im Detail dokumentiert So befindet sich in dieser Ausstellung auch die Tatwaffe von Schattendorf ein aus einer osterreichischen Infanteriewaffe umgearbeitetes Jagdgewehr Weiters sind Uniformen des Republikanischen Schutzbundes der Heimwehren und der Ostmarkischen Sturmscharen ausgestellt Angesengte Aktenstucke aus dem Justizpalast vom 18 Juli 1927 sowie eine der Feldkanonen 1918 mit der das Bundesheer auf die Wiener Gemeindebauten schoss runden die permanente Ausstellung Republik und Diktatur im Heeresgeschichtlichen Museum ab 7 Literarische Verarbeitung BearbeitenDer osterreichische Autor Heimito von Doderer 1896 1966 hat in seinem Roman Die Damonen Nach der Chronik des Sektionsrates Geyrenhoff erschienen 1956 die Schattendorfer Morde und die Ereignisse beim Brand des Wiener Justizpalastes zu einem vielfach gespiegelten Motiv seiner verschachtelten Handlungsstrange gemacht Literatur BearbeitenGerhard Botz Gewalt in der Politik Attentate Zusammenstosse Putschversuche Unruhen in Osterreich 1918 bis 1938 Wilhelm Fink Verlag Munchen 1983 ISBN 3 7705 1295 2 Norbert Leser Paul Sailer Wlasits 1927 Als die Republik brannte Von Schattendorf bis Wien Edition Va Bene Wien u a 2002 ISBN 3 85167 128 7 Weblinks BearbeitenDas Schattendorfer Urteil in der osterreichischen Presse Osterreichische Nationalbibliothek BF Archiv Der Meuchelmord von SchattendorfAnmerkungen Bearbeiten Zitiert nach Botz 1983 S 109 Josef Grossing In dasrotewien at Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie SPO Wien Hrsg http www wien gv at kultur chronik gedenken2008 archiv schicksalstag html Ein Dorf das Geschichte schrieb Lokalaugenschein wo vor 85 Jahren politische Tumulte zwei Todesopfer forderten In Kurier 12 Dezember 2012 abgerufen am 4 Mai 2016 Die Morder von Schattendorf freigesprochen In Arbeiter Zeitung Nr 193 1927 XL Jahrgang 15 Juli 1927 S 1 oben rechts online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung aze zit n Bertrand Michael Buchmann Insel der Unseligen Das autoritare Osterreich 1933 1938 Molden Verlag Wien 2019 ISBN 978 3 222 15031 9 S 45 Heeresgeschichtliches Museum Militarhistorisches Institut Hrsg Das Heeresgeschichtliche Museum im Wiener Arsenal Verlag Militaria Wien 2016 ISBN 978 3 902551 69 6 S 135 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schattendorfer Urteil amp oldid 237476750