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Dieser Artikel behandelt den christlich gnostischen Lehrer Valentinus Zu dem Verfasser alchemistischer Schriften siehe Basilius Valentinus Zu dem romischen Offizier der Kaiserzeit siehe Lucius Arbustius Valentinus Fur weitere Personen siehe Valentin Valentinus altgriechisch Balentinos Valentinos deutsch auch Valentin selten Valentinian oder Valentius Gnosticus wahrscheinlich um 100 n Chr nach 160 n Chr war ein christlich gnostischer Lehrer Er gilt als Begrunder der valentinianischen Gnosis die Anhanger seiner Lehre werden Valentinianer genannt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Lehre 3 Rezeption 4 Werke 5 Literatur 6 Weblinks 7 Einzelnachweise und AnmerkungenLeben BearbeitenUber das Leben des Valentinus ist wenig bekannt Er lebte um die Mitte des 2 Jahrhunderts Nach einer von Epiphanius von Salamis mit Vorbehalt wiedergegebenen Uberlieferung wurde er in Phrenobis unweit von Alexandria einem ansonsten unbekannten Ort in Agypten geboren und in Alexandria ausgebildet Dort soll er bis gegen 135 n Chr gelebt haben Er habe seine Lehre in Agypten Aegyptus verbreitet bevor er nach Rom ging 2 In der Forschung gelten diese Angaben als plausibel wenngleich nicht gesichert 3 Nach Irenaus von Lyon kam er unter Bischof Hyginus 142 nach Rom und wirkte dort unangefochten als freier theologischer Lehrer bis in die Zeit von Bischof Anicetus um 154 166 4 Nach Epiphanius begab er sich nach Zypern 5 und zwar offenbar nach dem Romaufenthalt Vermutlich ubersiedelte er vor 161 von Rom nach Zypern 6 nbsp Die valentianische Aonenwelt 7 Lehre BearbeitenSeine Lehren werden als beeinflusst vom Zoroastrismus dem Mittelplatonismus und den Ophiten gesehen Uber die Lehren des Valentinus lasst sich wenig mit Sicherheit feststellen Da die meisten Quellen nicht zwischen seiner Lehre und den Ansichten spaterer Valentinianer unterscheiden ist schwer zu ermitteln und in der Forschung umstritten wie viel von dem spateren valentinianischen System auf den Grunder selbst zuruckgeht Immerhin lassen sich den Fragmenten einige Lehraussagen entnehmen Ihnen zufolge wurde der Mensch durch Engel zwar unvollkommen geschaffen aber vom obersten Gott nach einem himmlischen Vorbild im Akt der Schopfung perfektioniert Die Welt ist eine wohlgeordnete und von Gottes Geist durchwirkte Schopfung Der Vater ist der gottliche Urgrund der Dinge er ist die ewige und ungewordene Einheit das Unnennbare die Tiefe der vollkommene Aon Er erzeugte aus Bedurfnis nach Liebe nach einigen mit der Stille des Gedankens als Gattin den Geist altgriechisch noῦs nous und die Wahrheit Ihnen entsprossen Vernunft logos logos und Leben aus diesen hinwiederum der ideale Mensch und die ideale Kirche und so weitere Paare darunter auch Christus und der Heilige Geist altgriechisch ἅgion pneῦma hagion pneuma Die Gesamtheit aller 30 Aonen heisst das Pleroma plhrwma pleroma die Fulle der Geisterwelt Die Offenbarung des hochsten Gottes die durch seinen Sohn Jesus Christus erfolgt reinigt das verdorbene Herz des Menschen Der irdische Jesus von Nazaret wird als gottliches Wesen verstanden Er isst und trinkt hat aber keine Verdauung 8 Nach Martin R von Ostheim 2013 9 war die Gnosis eine synkretistische Religion die in der valentianischen Gnosis christliche stoische platonische und pythagoreische Elemente aufgenommen hatte und in einer interpretatio gnostica umformte Die Gotter werden in der valentianischen Gnosis Aonen griechisch ἀiwn aiṓn Ewigkeit genannt Es sind Geistwesen die zumeist gepaart Syzygien auftreten Die valentianische Schule beschreibt dreissig Aonen Die Gesamtheit der hochsten Aonen wird Pleroma griechisch plhrwma pleroma Fulle bezeichnet 10 Ein zentraler Text ist der Hymnus mit dem Titel Ernte theros der eine Vision des Valentinus beschreibt Alles sehe ich durch Pneuma aufgehangt alles erkenne ich als vom Pneuma getragen Fleisch an Seele gehangt Seele an Luft gebunden Luft an Ather gehangt aus der Tiefe Fruchte hervorgebracht aus dem Mutterschoss ein Kind hervorgebracht 11 In dem hier dargelegten Modell des Kosmos befindet sich zuoberst das Pleroma das Reich des reinen Geistes darunter das Pneuma unter diesem der Ather darunter die Luft und schliesslich die Materie oder das Fleisch Der Geist des Visionars der bis zum Pleroma vorgedrungen ist sieht von dort aus die unteren Bereiche und nimmt zugleich die Vorgange in der Tiefe der Gottheit wahr wo der Logos gezeugt und geboren wird 12 Schon antike Gegner des Valentinianismus brachten das Gedankengut der von ihnen bekampften Stromung mit dem Platonismus und dem Pythagoreismus in Verbindung um es zu diskreditieren Dies war ein antiharetisches Standardargument So bezeichnete der Kirchenschriftsteller Tertullian Valentinus wiederholt als Platoniker und Filastrius von Brescia warf ihm vor er sei eher ein Pythagoreer als ein Christ 13 Hippolyt von Rom behauptete die Haresie des Valentinus enthalte die pythagoreische und die platonische Lehre Pythagoras und Platon hatten ihre Lehre einst aus agyptischer Tradition geschopft und fur die Griechen zugeschnitten und von ihnen habe sie Valentinus stillschweigend ubernommen und daraus etwas Eigenes zu gestalten versucht 14 Tatsachlich verfugte Valentinus uber eine gute philosophische Bildung er kannte sich in der platonischen Kosmologie aus und machte sie sich zunutze Allerdings gelangte er auch zu unplatonischen Ergebnissen und kann daher nur eingeschrankt als Platoniker betrachtet werden 15 Clemens von Alexandria berichtete 16 dass Valentinus um das Jahr 110 n Chr ein Anhanger des Gnostikers Theudas gewesen sein soll und Theudas wiederum soll ein Anhanger des Paulus gewesen sein Valentinus habe gesagt dass Theudas ihm die geheime Weisheit vermittelte die Paulus seinem inneren Kreis privat beigebracht hatte Vor allem den paulinischen Zusammenhang mit seiner visionaren Begegnung mit dem auferstandenen Christus siehe Rom 16 25 EU 1 Kor 2 7 EU 2 Kor 12 EU die ein wesentlicher Aspekt der geheimen Lehre war 17 nbsp Das valentianische Pleroma griechisch plhrwma pleroma Fulle Es paaren sich jeweils ein weiblicher und ein mannlicher Teil in schnittmengenartiger Weise Aus ihnen entwachst ein neues Aonenpaar 18 Nach Valentius habe auch Jesus wahrend seiner Lebenszeit bestimmte Geheimnisse mit seinen engen Anhangern Jungern geteilt die Enigmata aber vor Aussenstehenden verborgen gehalten Mk 4 11 EU Und im Evangelium nach Matthaus sprach er dass ihr die Geheimnisse des Himmelsreich verstundet den anderen dies aber nicht gegeben sei Mt 13 11 EU 19 Im Textfundus der Nag Hammadi Schriften zeigte sich dass der valentianische Gnostizismus sich vollkommen vom Dualismus anderer Lehrrichtungen unterscheidet 20 So dominiert das Thema der Einzigkeit Gottes den Anfang des Tractatus Tripartitus einem der valentianischen Schule oder Valentinus selbst zugeordneten Werk Rezeption BearbeitenBei den spater so genannten Valentinianern handelte es sich zur Zeit von Valentinus Tatigkeit in Rom nicht um eine kirchlich organisierte Kultgemeinde oder Sekte sondern um eine Gruppe innerhalb der stadtromischen christlichen Grosskirche deren Mitglieder sich nicht als Valentinianer abgrenzten sondern sich selbst einfach Christen nannten Erst spater kam es infolge des Ausschlusses aus der Grosskirche zumindest ansatzweise zur Bildung einer Kultgemeinde 21 Der Valentinianismus war eine der am weitesten verbreiteten gnostisch christlichen Bewegungen Er entwickelte sich in einer italischen und einer ostlichen anatolischen Form Zur westlichen Schule zahlt man traditionell die valentinianischen Lehrer Alexander Florinus Herakleon Ptolemaus Secundus und Theotimus zur ostlichen Axionicus Axionikos Markos den Magier und Theodotus von Byzanz Moglicherweise gehorte auch Bardesanes zur ostlichen Stromung des Valentinianismus 22 In der Moderne haben die Kirchenhistoriker bis ins 19 Jahrhundert Valentinus in unkritischer Ubernahme der Angaben grosskirchlicher Quellen als Erzketzer eingestuft Die neuere Forschung zeichnet ein komplexes differenziertes Bild wobei wegen der ungunstigen Quellenlage viele Fragen offen bleiben 23 Fur Daniel Dawson geht Valentinus sehr frei und kreativ mit biblischen Texten um und sieht den eigentlichen Ursprung der Wahrheit in visionaren Erfahrungen die die Schrift interpretieren Demnach verwandelt Valentinus das Drama der Schrift in ein Psychodrama 24 John Behr sieht Valentinus als den Fuhrer einer Gruppe von Christen die zur Spekulation neigen Fur ihn verschwimmt bei Valentinus der Unterschied zwischen Schrift und Kommentar Schrift und Interpretation 25 Christoph Markschies der sich bei seiner Beurteilung der Lehre auf die direkten Fragmente von Valentinus beschrankt beschreibt ihn als Denker der allenfalls den Weg zu den grossen Systemen der Gnosis bereitet ihn aber noch nicht selbst geht 26 Werke BearbeitenValentinus schrieb Lehrbriefe Predigten und Hymnen die von seinen Schulern gesammelt wurden Erhalten sind acht vermutlich echte Fragmente Sechs davon sind Passagen aus Briefen und Predigten die Clemens von Alexandria zitiert das siebte ist ein Zitat bei Hippolyt von Rom 27 das achte ein Hymnus den Hippolyt 28 uberliefert Clemens erwahnt eine dogmatische Schrift Uber die drei Naturen perὶ tῶn triῶn fysewn die jedoch verschollen ist Nach Philip Schaff ist moglicherweise ein Fragment davon bei Photios 29 erhalten 30 Verschiedene andere Schriften wie das Evangelium der Wahrheit der Diognetbrief der Rheginusbrief und die Pistis Sophia wurden Valentinus von einzelnen Autoren zugeschrieben doch sind diese Annahmen spekulativ 31 In den Funden von Nag Hammadi sind wichtige Dokumente und Texte fur die Erforschung der Gnosis enthalten Die Schriften entstammen aus verschiedenen Richtungen der Gnosis so finden sich Schriften der Valentinianer und der sethianischen Gnosis Von Valentinus bzw seinem Umfeld Auswahl Zuordnungen umstritten Tractatus tripartitus Uber die drei Naturen perὶ tῶn triῶn fysewn Evangelium der WahrheitLiteratur BearbeitenAlexander Bohlig Christoph Markschies Gnosis und Manichaismus Forschungen und Studien zu Texten von Valentin und Mani sowie zu den Bibliotheken von Nag Hammadi und Medinet Madi De Gruyter Berlin New York 1994 ISBN 3 11 014294 5 Alexander Bohlig Gnosis und Synkretismus Gesammelte Aufsatze zur spatantiken Religionsgeschichte 1 Teil Mohr Tubingen 1989 ISBN 3 16 145299 2 online als PDF 18 6 MB Hans Leisegang Die Gnosis 5 Auflage Kroner Stuttgart 1985 ISBN 3 520 03205 8 S 281 297 Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins Mohr Tubingen 1992 ISBN 3 16 145993 8 Christoph Markschies Valentin Valentinianer In Theologische Realenzyklopadie Band 34 Berlin New York 2002 S 495 500 Google Booksearch Einar Thomassen Valentinus und der Valentinianismus In Christoph Riedweg u a Hrsg Philosophie der Kaiserzeit und der Spatantike Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 5 1 Schwabe Basel 2018 ISBN 978 3 7965 3698 4 S 867 873 1083 f Klaus Gunther Wesseling Valentinos In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 12 Bautz Herzberg 1997 ISBN 3 88309 068 9 Sp 1067 1084 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Valentinus im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Markus Vinzent Die Auferstehung Christi im fruhen Christentum Herder Verlag Freiburg 2014 ISBN 978 3 451 31212 0 S 156 157 Epiphanius von Salamis Panarion 31 2 2 f 31 7 1 Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 314 331 Irenaus von Lyon Adversus haereses 3 4 3 Epiphanius von Salamis Panarion 31 7 2 Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 331 334 George Robert Stow Mead Helena Petrovna Blavatsky Pistis Sophia Lucifer 6 1890 33 S 230 239 London The Theosophical Publishing Society Vergleiche auch Epiphanios von Salamis Adversus haereses I 31 5 6 Christoph Markschies Valentin Valentinianer In Theologische Realenzyklopadie Band 34 Berlin New York 2002 S 495 500 hier 496 f Einar Thomassen Valentinus und der Valentinianismus In Christoph Riedweg u a Hrsg Philosophie der Kaiserzeit und der Spatantike Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 5 1 Basel 2018 S 867 873 Martin R von Ostheim Selbsterlosung durch Erkenntnis Die Gnosis im 2 Jahrhundert n Chr Schwabe Basel 2013 ISBN 978 3 7965 2894 1 S 7 8 11 Martin R von Ostheim Selbsterlosung durch Erkenntnis Die Gnosis im 2 Jahrhundert n Chr Schwabe Basel 2013 ISBN 978 3 7965 2894 1 S 15 16 71 Siehe zum Text und zur Ubersetzung Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 218 230 Hans Leisegang Die Gnosis A Kroner Leipzig 1924 5 Auflage Kroner Stuttgart 1985 ISBN 3 520 03205 8 S 283 Belege bei Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 323 f Hippolyt Refutatio omnium haeresium 6 21 Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 324 330 Clemens Stromateis 7 17 106 4 Tobias Nicklas Andreas Merkt Joseph Verheyden Ancient Perspectives on Paul Bd 102 Novum Testamentum et Orbis Antiquus Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2013 ISBN 978 3 647 59359 3 S 193 1 auf books google de Plerome de Valentin aus Jacques Matter Histoire critique du Gnosticisme 1826 Bd II Tafel II Elaine Pagels Versuchung durch Erkenntnis Die gnostischen Evangelien Suhrkamp Taschenbuch 1456 Suhrkamp Frankfurt am Main 1989 ISBN 3 518 37956 9 S 52 Elaine Pagels Versuchung durch Erkenntnis Die gnostischen Evangelien Suhrkamp Frankfurt am Main 1987 ISBN 3 518 37956 9 suhrkamp taschenbuch 1456 S 73 74 Original The Gnostic Gospels New York 1979 deutsch von Angelika Schweikhart Insel Frankfurt M 1981 Christoph Markschies Valentin Valentinianer In Theologische Realenzyklopadie Band 34 Berlin New York 2002 S 495 500 hier S 498 f Christoph Markschies Valentin Valentinianer In Theologische Realenzyklopadie Band 34 Berlin New York 2002 S 495 500 hier 498 Siehe die Bilanz bei Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 388 407 Daniel Dawson Allegorical Readers and Cultural Revision in Ancient Alexandria Berkeley 1992 S 165 168 John Behr The Way to Nicea Crestwood 2001 S 20 22 Christoph Markschies Die Gnosis 3 Auflage C H Beck Munchen 2010 ISBN 978 3 406 44773 0 S 90 Hippolyt Refutatio omnium haeresium 6 42 2 Hippolyt Refutatio omnium haeresium 6 37 7 Photios Bibliothek 230 Philip Schaff Valentinus and his School In New Schaff Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge Siehe dazu Einar Thomassen Valentinus und der Valentinianismus In Christoph Riedweg u a Hrsg Philosophie der Kaiserzeit und der Spatantike Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 5 1 Basel 2018 S 867 873 hier 867 f Christoph Markschies Valentin Valentinianer In Theologische Realenzyklopadie Band 34 Berlin New York 2002 S 495 500 hier 496 Christoph Markschies Valentinus Gnosticus Tubingen 1992 S 337 363 Normdaten Person GND 118803751 lobid OGND AKS LCCN n85197536 VIAF 42228523 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME ValentinusALTERNATIVNAMEN Valentinos Valentin Valentinian ValentiusKURZBESCHREIBUNG GnostikerGEBURTSDATUM um 100GEBURTSORT unsicher Phrenobis AgyptenSTERBEDATUM nach 160 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Valentinus amp oldid 231230592