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Als Unterstromungstheorie auch Subfluenztheorie werden eine Reihe von geotektonischen und geophysikalischen Hypothesen zusammengefasst die die Moglichkeit von grossraumigen Fliessbewegungen unterhalb der starren Erdkruste behandeln Die Bewegungen von zahplastischen magmatischen Massen im Untergrund sollen hierbei fur die geotektonischen Grossstrukturen an der Erdoberflache verantwortlich sein wie Faltengebirge Tiefseerinnen und regionale Spaltensysteme Aus solchen Vorstellungen entwickelte sich etwa seit den 1960er Jahren im Rahmen der Plattentektonik das Modell der Mantelkonvektion Inhaltsverzeichnis 1 Unterstromungen im Rahmen der Geosynklinaltheorie 2 Unterstromungen im Rahmen der Plattentektonik 3 Literatur 4 EinzelnachweiseUnterstromungen im Rahmen der Geosynklinaltheorie BearbeitenDas Konzept der Unterstromungen geht auf den osterreichischen Geologen Otto Ampferer zuruck 1 2 3 Bereits 1906 entwickelte er bezuglich der Alpen die Hypothese dass es sich bei der oberen Erdkruste mit ihrer Sedimentdecke nur um eine relativ dunne nachgiebige Schicht handele die auf Gesteinsschmelzen schwimmt ahnlich wie die Haut auf gekochter Milch Durch abwarts gerichtete Magmenstrome werde die uberlagernde Kruste mitgezogen was zu intensiver Einengung und Uberschiebung der Gesteinsschichten in den Faltengebirgen fuhre Allerdings fand diese Hypothese zunachst nur wenig Beachtung in der Fachwelt da sie den genauen Ablauf der Gebirgsbildung in den Alpen nicht befriedigend zu erklaren vermochte Ausserdem machte Ampferer keine Aussagen uber die Ursachen der Massenbewegungen Der Grazer Geophysiker Robert Schwinner 1878 1953 entwickelte hingegen seit 1919 die Vorstellungen von thermisch bedingten Konvektionsstromen in der Unterkruste bzw im Oberen Erdmantel die durch das Warmegefalle zwischen Erdkern und Erdkruste erzeugt werden 1935 sprach Schwinner in diesem Zusammenhang von einer Friktionskupplung zwischen dem in einer Tiefe von bis zu etwa 400 km fliessenden Magma und der uberlagernden Erdkruste Er vermutete dass sich die Faltengebirge dort bildeten wo erkaltende Magmen unter die Kuhlboden der Ozeane absinken und Krustengestein mit in die Tiefe ziehen Zyklone wahrend unter den Kontinenten erhitzte Magmen aufsteigen die in vulkanisch aktiven Regionen austreten und an der Oberflache zu deutlichen Zerrungs und Brucherscheinungen in der Kruste fuhren Antizyklone Noch bis in die 1960er Jahre hinein wurde versucht das Konzept der magmatischen Unterstromungen in das klassische geotektonische Modell der Geosynklinaltheorie zu integrieren Ernst Kraus 1889 1970 unterschied dabei Konvektionsstrome in der Unterkruste Hyporheon von einem zweiten tiefer gelegenen System von grossraumigen Konvektionszellen Bathyrheon Die Bildung tektonischer Grossstrukturen wie Inselbogen oder die auffallig geschwungenen Formen vieler Faltengebirge zum Beispiel des Karpatenbogens fuhrte er dabei auf die Summierung bzw Differenzierung von jeweils gleichsinnigen oder gegensinnigen Stromungsbewegungen in Hyporheon und Bathyrheon zuruck Grundsatzlich postulierte er die Gebirgsbildung in schmalen langgestreckten Senkungstrogen Geosynklinalen unter dem Einfluss absinkender Konvektionsstrome Der Vulkanologe Alfred Rittmann machte aufsteigende viskose Konvektionsstrome fur die Anhebung der kontinentalen Kruste Sial verantwortlich Der aus der Entblossung der kontinentalen Schilde resultierende Abtragungsschutt sammele sich dann in den Tiefseerinnen im Grenzbereich zwischen kontinentaler und ozeanischer Kruste Sima Anders als in der klassischen Geosynklinaltheorie machte Rittmann jedoch nicht hauptsachlich das zusatzliche Gewicht der angehauften Sedimente fur das weitere Einsinken der Geosynklinale verantwortlich sondern zunachst kontinentwarts absinkende Massestrome In einem selbstverstarkenden Prozess werde hierdurch die kontinentale Kruste noch weiter herausgehoben usw Durch die Verfrachtung solch kuhleren Krustenmaterials in die Tiefseerinne kame es zu einer Storung des thermischen Gleichgewichts in der Magmenzone und zusatzlich zu ozeanwarts gerichteten Ausgleichsstromungen die sich nun mit den kontinentwarts gerichteten vereinigten und absanken Schliesslich fuhre dies zur Bildung eines Sial Wulstes in der Tiefe und zu einer Verschluckung Subduktion sowohl von ozeanischer als auch von kontinentaler Kruste zur Faltung der angehauften Sedimente zur Umwandlung und zur Aufschmelzung der Gesteine die wiederum als Magma an Konvektionsstromen teilnahmen Die Storung des isostatischen Gleichgewichts durch den hinabgezogenen relativ leichten Sial Wulst werde schliesslich durch die Hebung des ganzen gefalteten Komplexes behoben die eigentliche Gebirgsbildung Ein weiterer Verfechter dieser Theorie war der Geologe Hans Georg Wunderlich der die Konvektionsstromung als das Wetter des Erdinnern beschrieb 4 5 Unterstromungen im Rahmen der Plattentektonik BearbeitenSeit dem Paradigmenwechsel in den Geowissenschaften weg von der Geosynklinaltheorie hin zur Plattentektonik wurden zahlreiche Vorschlage gemacht wie das Konzept der magmatischen Unterstromungen in das neue geotektonische Modell integriert werden konnte Neben die Methoden der Geophysik Seismik und der experimentellen Petrologie traten hierbei zunehmend auch Computersimulationen Zunachst wurden Modelle favorisiert bei denen aufsteigende Strome unterhalb der Mittelozeanischen Rucken und kontinentaler Riftsysteme lagen und absteigende Strome unterhalb der Subduktionszonen Andererseits wurde die Gestalt der Unterstromungen vermehrt als walzen zylinder oder kegelformig betrachtet also in Gestalt eines geschlossenen Rotationskorpers was geometrisch nicht leicht mit dem erstgenannten Modell in Ubereinstimmung zu bringen ist Ebenso herrschte lange Uneinigkeit uber die Energiequelle n die die Unterstromungen antreiben Es wurde die Warmeentwicklung durch radioaktiven Zerfall vorgeschlagen oder durch physikalisch chemische Phasenubergange in der Kristallstruktur bestimmter Minerale Andere Autoren hielten eine Warmezufuhr von unten fur uberflussig allein die Abkuhlung von oben sei ausreichend um die Konvektionswalzen in Gang zu setzen oder man schlug einen rein mechanischen Vorgang vor In den 1970er Jahren wurde auch eingehend diskutiert ob sich Konvektionsstrome nur im Oberen Mantel bilden oder im gesamten Mantel Modelle mit ein zwei oder drei ubereinander liegenden Stromungsstockwerken wurden vorgeschlagen Keith Runcorn vermutete dass sich die Zahl und die Gestalt der Massestrome im Laufe der Erdgeschichte verandert hat und das der Hinabtransport von schweren eisen und nickelreichen Mineralen durch Konvektionsstrome zur Vergrosserung des Erdkerns beitrug Thomas Nelson und Peter Temple vermuteten hingegen einen einzigen Hauptstrom mit Rotationspolen in der Nahe der Erdpole der sich in ostlicher Richtung durch den gesamten Oberen Mantel bewege 6 Nazario Pavoni 1969 rechnete mit zwei sich gegenuberliegenden Hauptzentren von aufsteigenden Stromungen unter Afrika und unter dem Pazifischen Ozean 7 8 Dieses Modell wurde 1987 von Gerhard Bischoff allgemeinverstandlich beschrieben 9 Die Dehnung an den Mittelozeanischen Rucken vollzieht sich demnach nur auf dem sich bewegenden Mantelmaterial Es steigt somit kein Material der Asthenosphare unterhalb des Mittelozeanischen Rucken auf sondern fliesst nur unterhalb des Meeresbodens entlang Hiermit sollte erklart werden warum die Afrikanische Platte fast ausschliesslich von Mittelozeanischen Rucken umgeben ist und die dort entstehende neue ozeanische Kruste nirgends subduziert wird wahrend die Pazifische Platte fast vollstandig von Subduktionszonen umgeben ist dem pazifischen Feuergurtel und keinerlei kontinentale Kruste enthalt Literatur BearbeitenUnterstromungshypothesen Konvektionsstromungen In Rudolf Hohl Hrsg Die Entwicklungsgeschichte der Erde Mit einem ABC der Geologie 6 Auflage Verlag fur Kunst und Wissenschaft Leipzig 1985 ISBN 3 7684 6526 8 S 246 249 Einzelnachweise Bearbeiten Christoph Hauser Otto Ampferer und Alfred Wegener zwei Pioniere am Weg zur Theorie der Plattentektonik Geologische Bundesanstalt 2005 Erich Thenius The Austrian Geologist Otto Ampferer as founder of the sea floor spreading concept Wolf Christian Dullo Fritz A Pfaffl The theory of undercurrent from the Austrian alpine geologist Otto Ampferer 1875 1947 first conceptual ideas on the way to plate tectonics doi 10 1139 cjes 2018 0157 Hans Georg Wunderlich Das neue Bild der Erde Faszinierende Entdeckungen der modernen Geologie Hoffman und Campe 1975 ISBN 3 455 08993 3 Die Erde als Puzzlespiel In Die Zeit Nr 31 1975 Thomas H Nelson Peter G Temple Mainstream Mantle Convection A Geologic Analysis of Plate Motion In American Association of Petroleum Geologists Bulletin Band 56 Nr 2 1972 Sp 226 246 Nazario Pavoni Zonen lateraler horizontaler Verschiebung in der Erdkruste und daraus ableitbare Aussagen zur globalen Tektonik In Geologische Rundschau Band 59 Nr 1 1969 S 56 77 doi 10 1007 BF01824942 Nazario Pavoni Die pazifisch antipazifische Bipolaritat im Strukturbild der Erde und ihre geodynamische Deutung In Geologische Rundschau 74 1985 S 251 266 Gerhard Bischoff Ein erweitertes globales Modell der Plattentektonik Spektrum der Wissenschaft Marz 1987 auch veroffentlicht in Peter Giese Hrsg Verstandliche Forschung Geodynamik und Plattentektonik Spektrum Akademischer Verlag 1995 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Unterstromungstheorie amp oldid 239025625