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Das Treibstoffwerk Rheinpreussen war ein zur Haniel Gruppe gehorendes Chemiewerk im Ruhrgebiet Hergestellt wurden von 1936 bis 1945 synthetische Kraftstoffe und andere carbochemische Erzeugnisse Die Produktionsanlagen befanden sich in Meerbeck Moers der Verwaltungssitz war in Homberg Duisburg Die offizielle Firmierung lautete Steinkohlenbergwerk Rheinpreussen Treibstoffwerk Homberg Niederrhein Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Gegenwart 3 Anmerkungen 4 Weblinks 5 Siehe auch 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Planungen zur Errichtung des Treibstoffwerks begannen im Auftrag der Unternehmerfamilie Haniel Anfang 1935 durch Heinrich Kost der 1932 in die Direktion der Zeche Rheinpreussen eingetreten war 1 Die notwendige Lizenz zum Bau der Fischer Tropsch Anlagen erwarb das Unternehmen im September 1935 von der Ruhrchemie 2 Am 1 Mai 1936 folgte der erste Spatenstich in der Romerstrasse in Meerbeck Moers 3 Von der Projektgenehmigung bis zur Verladung des ersten Kesselwagens mit synthetischem Benzin am 4 Oktober 1936 verging kaum mehr als ein Jahr 4 Die Fabrik hatte zunachst eine Leistung von 80 Tonnen pro Tag 5 Der Vertrieb erfolgte uber ein eigenes Tankstellennetz unter der grun weissen Marke Rheinpreussen Betreiber der Tankstellen mit meist einer Zapfsaule war die ebenfalls 1936 gegrundete Vertriebs und Tochtergesellschaft Rheinpreussen GmbH 6 Aufgrund der geringen Klopffestigkeit von nur ROZ 45 musste dem Rheinpreussen Benzin Benzol und Steinkohlenteerol beigemischt werden Gleiches galt fur ein in den Handel gebrachtes und als Mischdieselkraftstoff R bezeichnetes Dieselol das von Busgesellschaften und in Diesellokomotiven von Bergwerksbetrieben unter Tage A 1 verwendet wurde 7 Daruber hinaus baute das Unternehmen eine eigene Forschungsabteilung unter der Fuhrung von Herbert Kolbel auf und entwickelte zusatzliche Innovationen bei der Weiterveredelung der Fischer Tropsch Produkte 8 Geleitet wurde das Benzinwerk von dem promovierten Chemiker Walter Grimme Die vollstandige Bezeichnung lautete Steinkohlenbergwerk Rheinpreussen Treibstoffwerk Homberg Niederrhein 9 Fur die Kohleverflussigung kam die Steinkohle aus den Rheinpreussen Zechen zum Einsatz die in unternehmenseigenen Anlagen verkokt wurde Die Benzinfabrik befand sich in unmittelbarer Nahe zur Schachtanlage Rheinpreussen 5 10 Zunachst waren fur die Produktion von 1 kg synthetischer Erzeugnisse 7 8 kg Kohle notwendig 11 Durch standige Forschung und Weiterentwicklung des Verfahren wurden spatestens ab 1938 grosse Fortschritte erzielt Vergleichsweise konnten aus 17 000 Tonnen Koks im Wert von 237 916 Reichsmark RM exakt 4093 Tonnen synthetische Produkte mit einem Erlos von 3 962 638 RM gewonnen werden 12 Auch vor diesem Hintergrund werden die immer noch aufgefuhrten 10 insbesondere aber nach 1945 von den Westalliierten und anglo amerikanischen Erdolkonzernen vertretenen Behauptungen die Fischer Tropsch Synthese habe erstens den deutschen Vorbereitungen auf den Zweiten Weltkrieg gedient und zweitens die Fischer Tropsch Synthese sei nicht wirtschaftlich gewesen von Technikhistorikern heute differenziert beurteilt Nach Offnung diverser Archive kann zunehmend festgestellt werden dass sich die Fischer Tropsch Synthese zu dieser Zeit im Gegensatz zum Bergius Pier Verfahren primar nicht zur Erzeugung von synthetischen Treibstoffen sondern hauptsachlich zur Rohstoffproduktion fur die chemische Industrie eignete Das heisst unter politisch militarischen Rahmenbedingungen war die Fischer Tropsch Synthese keine Alternative fur die Treibstoffgewinnung 13 Dementsprechend wurde das Verfahren im staatlichen Vierjahresplan von 1937 nicht berucksichtigt und nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auch kein einziges Fischer Tropsch Werk mehr gebaut 2 So konnte das mittels der Fischer Tropsch Synthese hergestellte Benzin als Kraftstoff fur Vergasermotoren infolge seiner geringen Klopffestigkeit nur nach Zumischung hochklopffester Treibstoffe wie Benzol Ethanol Steinkohlen oder Schwelteer verwendet werden Die Erzeugung von Flugbenzin war mit dem Verfahren zu dieser Zeit ebenfalls nicht moglich Deshalb begrenzte sich die Benzinproduktion auch bei Rheinpreussen hauptsachlich auf Leichtbenzin Waschbenzin und Wundbenzin Ab 1939 verlagerte die Geschaftsleitung die Produktion uberwiegend auf Paraffingatsch und Losungsmittel 3 14 Damit konnten erheblich hohere Erlose erzielt werden als fur Dieselkraftstoffe Fahrbenzin oder gar Flugbenzin 2 Zudem waren Nebenprodukte fur die pharmazeutische Industrie bestimmt Dazu zahlte unter anderem das von den Rheinpreussen Chemikern entwickelte Myasthenol ein Tetraisopropylorthotitanat zur Notfall Narkose fur Kardio Patienten 15 Ferner stellte eine Kommission der Alliierten unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs fest dass im Treibstoffwerk Moers Meerbeck weltweit die einzige synthetische Herstellung von Alkoholen durch Sulfonierung von Olefinen im industriellen Massstab erfolgte 16 Mithin stand bei Rheinpreussen niemals die Produktion von synthetischen Benzin im Vordergrund Das Unternehmen strebte stets den Verbund von Bergwerk Kokerei mit Nebenproduktengewinnung und Benzinwerk an um so die Rentabilitat seines Steinkohlenbergbaus zu steigern 2 Unklar sind wie bei allen damaligen Fischer Tropsch Anlagen die Produktionskapazitaten Ausbringungsmenge und deren Aufteilung Produktpalette Die Angaben weichen selbst in der Fachliteratur teilweise erheblich voneinander ab und sind nicht selten aus der Luft gegriffen da Quellenangaben fehlen Die Spanne reicht von jahrlich 25 000 Tonnen synthetischer Produkte 7 uber 54 000 Tonnen 17 66 000 18 70 000 19 73 000 20 75 000 21 bis hin zu vollig unrealistischen 200 000 Tonnen 22 Hierbei ist zu beachten dass sich die angegebenen Jahreskapazitaten immer auf alle Syntheseprodukte Primarprodukte des Werks beziehen und somit keine Ruckschlusse auf die Kraftstoffproduktion zulassen Wahrend der Luftangriffe auf das Ruhrgebiet war das Unternehmen wiederholtes Ziel westalliierter Bombardements Es wurde durch einen Hochbunker fur 1300 Beschaftigte und eigene Flakstellungen geschutzt 23 Zur Ablenkung entstand im Binsheimer Feld bei Baerl eine Nachtscheinanlage die aus Sperrholz und Tuchern gebaut und nachts beleuchtet wurde um die Bomberbesatzungen zum Abwurf an falscher Stelle zu verleiten Zahlreiche das Treibstoffwerk verfehlende Bomben trafen den Baerler Busch der noch heute von Bombenkratern ubersat ist und in dem noch Blindganger vermutet werden 24 Nach einem Nachtangriff der Royal Air Force am 21 Juli 1944 musste die Geschaftsleitung einen Produktionsausfall von 50 Prozent verzeichnen 4 Danach erhielt das Treibstoffwerk Rheinpreussen wie alle Raffinerien und Hydrierwerke im deutschen Einflussbereich im Rahmen des im Juni 1944 in Kraft getretenen Mineralolsicherungsplans unter anderem Zwangsarbeitskrafte zugewiesen die fur Aufraumarbeiten und Vorbereitungen zur U Verlagerung eingesetzt wurden Ein Ehrenmal fur an Entkraftung gestorbene oder ermordete Zwangsarbeiter befindet sich auf dem Waldfriedhof Lohmannsheide in Baerl Teile der Fischer Tropsch Anlage von Rheinpreussen gelangten zum Geheimobjekt Lachs Ofen 5 6 in der Nahe von Bredelar im Sauerland 25 Weitere Bombenabwurfe am 20 September 1944 zerstorten nahezu die komplette Kohlenhydrierung wodurch die Produktion praktisch zum Erliegen kam 5 Ein Tagesangriff noch am 2 Marz 1945 forderte 78 Todesopfer darunter viele Zwangsarbeiter 23 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann der langsame Wiederaufbau der schwer beschadigten Anlagen Das Werk fiel jedoch den Demontagebefehlen der Westalliierten zum Opfer zunachst durch direkte von der britischen Besatzung erlassene Verbotsbestimmungen fur einen Wiederaufbau spater durch die Bestimmungen des Washingtoner Abkommens vom 6 8 April 1949 die die Herstellung synthetischer Kraftstoffe mittels dem Bergius Pier Verfahren der Fischer Tropsch Synthese oder analoger Verfahren verboten 4 26 27 Gegenwart BearbeitenBereits 1947 wurde behelfsmassig die Herstellung von Isopropylalkohol und Butylalkohol wiederaufgenommen Die Produktion ging nun von Rohstoffen aus die von neu entstandenen Erdolraffinerien im Ruhrgebiet zugekauft werden mussten In der Folgezeit prosperierte das Unternehmen erneut und erweiterte seine Produktpalette chemischer Erzeugnisse 4 Ab 1951 firmierte das Werk als Tochtergesellschaft der neu gegrundeten Rheinpreussen AG fur Bergbau und Chemie unter der Bezeichnung Chemische Werke Rheinpreussen Moers 28 Von 1950 bis 1954 fuhrte das Unternehmen in Kooperation mit der Heinrich Koppers GmbH Essen nochmals technische Grossversuche zur Weiterentwicklung der Fischer Tropsch Synthese durch Das sogenannte Rheinpreussen Koppers Verfahren fand industriell jedoch keine Anwendung mehr da jener erfolgreiche Verdrangungsprozess durch Erdol und Erdgas einsetzte dem in Westdeutschland bis auf die Kokereien alle thermisch chemischen Kohleveredlungsanlagen innerhalb kurzer Zeit zum Opfer fielen 29 2 In den 1950er Jahren liess die Familie Haniel das Tankstellennetz der Rheinpreussen GmbH stark erweitern Dazu kamen grosse Flotten mit Tanklastern und Kesselwagen Bis 1958 baute das Unternehmen sein Netz bundesweit auf 600 6 und bis 1965 auf 1200 Tankstellen aus 30 Zwischen 1959 und 1965 ubernahm sukzessive die DEA Deutsche Erdoel AG die Rheinpreussen AG fur Bergbau und Chemie mit allen ihren Tochtergesellschaften Das Werk firmierte fortan unter Chemische Werke Niederrhein AG Moers Das Tankstellennetz der einstigen Rheinpreussen GmbH wurde auf DEA umgeflaggt 30 1970 gelangte die DEA zur Deutschen Texaco AG die 1989 von der RWE DEA AG ubernommen wurde Diese fuhrte das Chemiegeschaft unter dem Label Condea Chemie fort 2001 verkaufte RWE DEA AG die Chemiesparte an Sasol und damit auch die Anlagen in Moers Meerbeck 2014 gelangte das Werk in den Besitz des Chemiekonzerns Ineos 3 4 Anmerkungen Bearbeiten Fischer Tropsch Kraftstoffe enthalten keine Aromaten keine Naphthene sehr wenig Kohlenstoffmonoxid sind geruchlos kalteunempfindlich russlos und schwefelfrei Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Rheinpreussen Sammlung von BildernSiehe auch BearbeitenEssener SteinkohlenbergwerkeEinzelnachweise Bearbeiten Verband der Chemischen Industrie Hrsg Chemische Industrie Zeitschrift fur die deutsche Chemiewirtschaft Band 9 Dusseldorf Verlag Handelsblatt 1967 S 125 a b c d e Manfred Rasch Industrielle thermisch chemische Kohlenveredlung In Gunter Bayerl Braunkohleveredelung im Niederlausitzer Revier 50 Jahre Schwarze Pumpe Waxmann Verlag 2009 S 65 66 72 a b c Ineos Solvents Germany GmbH Werk Moers Ineos Solvents GmbH abgerufen am 31 Juli 2023 a b c d e Zuhause in Meerbeck Der Weg in die Chemie tepper de abgerufen am 31 Juli 2023 a b Bergwerk Rheinpreussen Fordergeruste de abgerufen am 31 Juli 2023 a b Joachim Joesten Ol regiert die Welt Geschaft und Politik Karl Rauch Verlag 1958 S 135 a b Franz Spausta Treibstoffe fur Verbrennungsmotoren Springer Verlag 1939 S 167 168 S 85 Elisabeth Vaupel Hrsg Ersatzstoffe im Zeitalter der Weltkriege Geschichte Bedeutung Perspektiven Deutsches Museum Studies 9 Deutsches Museum Verlag 2021 S 277 Deutsches Patentamt Hrsg Warenzeichenblatt Band 50 Wila Verlag fur Wirtschaftswerbung 1943 S 351 a b Rheinpreussen Treibstoffwerk Stadt Moers abgerufen am 31 Juli 2023 Oberdonau Zeitung vom 14 Marz 1943 Seite 6 Von der Kohle zum Gummireifen ANNO abgerufen am 1 August 2023 Der Spiegel vom 22 Juni 1949 Aus strategischen Grunden Der Spiegel abgerufen am 1 August 2023 Sabine Brinkmann Das Dritte Reich und der synthetische Treibstoff Eine Kritik der Forschung aus chemietechnischer Sicht In Akkumulation Informationen des Arbeitskreises fur kritische Unternehmens und Industriegeschichte 2001 S 16 23 Studies in Surface Science and Catalysis Fischer Tropsch Synthesis Catalysts and Catalysis Vol 163 Elsevier 2007 S 13 Rudolf Frey Vergleichende Untersuchung der muskelerschlaffenden Mittel In Karl Heinrich Bauer Alfred Brunner Ergebnisse der Chirurgie und Orthopadie Springer Verlag 1953 S 311 British Intelligence Objectives Sub committee Hrsg B I O S Final Report Ausgabe 131 H M Stationery Office 1946 S 1 f Rainer Karlsch Raymond G Stokes Faktor Ol Die Mineralolwirtschaft in Deutschland 1859 1974 C H Beck 2003 S 189 United States Strategic Bombing Survey Reports European War 108 110 Gusstahlfabrik Friedrich Krupp Essen Germany Munitions Division 1947 S 88 Franz Kainer Die Kohlenwasserstoff Synthese nach Fischer Tropsch Springer Verlag 1950 S 217 Carl Zerbe Mineralole und verwandte Produkte Band I Springer Verlag 1952 S 1191 Heinz Gerhard Franck Andre Knop Kohleveredlung Chemie und Technologie Springer Verlag 1979 S 211 Henry Ludmer Oil in Germany Memento vom 8 September 2006 im Internet Archive PDF 355 kB In The Ohio Journal of Science v47 n6 November 1947 S 260 University of Toledo Ohio englisch abgerufen am 4 August 2023 a b Geschichtsstation 41 Rheinpreussen Treibstoffwerk Homepage der Stadt Moers abgerufen am 2 August 2023 Zuhause in Meerbeck Drittes Reich und Zerstorung Abgerufen am 14 August 2023 Die U Verlagerung Lachs im Sauerland minehunters de aufgerufen am 2 August 2023 Stellungnahme der Industrie und Handelskammer Dortmund E Beckhauser zur Demontage der Fischer Tropsch Synthese Werke Internetportal Westfalische Geschichte abgerufen am 31 Juli 2023 Hoesch Werkzeitschrift Werk und Wir Ausgabe 3 1954 S 94 97 ThyssenKrupp Archiv abgerufen am 31 Juli 2023 Chemical and Rubber Industry Report January 1958 US Business and Defense Services Administration 1958 S 37 Die Zeit vom 8 Juli 1954 Hohe Investitionen bei Rheinpreussen Zeit Online abgerufen am 1 August 2023 a b Die Zeit vom 26 Februar 1965 Kostspielige Tankstellen Zeit Online abgerufen am 1 August 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Treibstoffwerk Rheinpreussen amp oldid 237602085