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Stanislaw Swianiewicz 7 November 1899 in Dunaburg Russisches Kaiserreich 22 Mai 1997 in London war ein polnischer Politologe und Wirtschaftshistoriker Als einziger Uberlebender des Transportes polnischer Kriegsgefangener zum Wald von Katyn wurde er zum Zeugen bei der Aufklarung des Massakers von Katyn im Fruhjahr 1940 Stanislaw Swianiewicz vor 1945 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Rolle in der Causa Katyn 3 Schriften Auswahl 4 Literatur 5 Dokumentarfilm 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSwianiewicz wurde als russischer Staatsburger geboren sein Vater stammte aus dem polnischen Adel als Ingenieur bei der russischen Eisenbahn war er fur den Streckenabschnitt Dunaburg Orjol verantwortlich seine Mutter war Deutschlehrerin an einer Madchenschule Der Sohn der dreisprachig aufwuchs besuchte ein Gymnasium in Orjol und studierte anschliessend an der Lomonossow Universitat Moskau Jura und Wirtschaftswissenschaften 1 Nach der Machtergreifung der Bolschewiken in der Oktoberrevolution verliess er Moskau in Richtung Westen und schloss sich Verbanden an die fur die staatliche Wiederherstellung Polens kampften 1919 ubernahm er das Kommando uber die Abteilung der Polnischen Militarorganisation POW einer von Warschau bewaffneten Truppe die fur den Anschluss Litauens an Polen kampfte 1920 gehorte er zu dem Verband der unter General Lucjan Zeligowski Wilna die Hauptstadt Litauens sowie den Sudteil der Baltenrepublik besetzte 1922 wurde dieser Teil Litauens einschliesslich Wilnas von Polen annektiert Swianiewicz setzte an der Universitat Wilna sein Studium fort und bekam dort 1928 eine Anstellung als Dozent am Osteuropa Institut Er wurde mit einer Dissertation uber Lenin als Okonom 1930 promoviert und ubernahm im selben Jahr die Leitung der Wirtschaftsabteilung des Instituts Er verfasste Analysen nicht nur uber die Planwirtschaft und industrielle Entwicklung in der Sowjetunion sondern auch uber die deutsche Rustungspolitik unter Hitler 1938 erhielt er die von Staatsprasident Ignacy Moscicki unterzeichnete Urkunde uber seine Ernennung zum Professor der Volkswirtschaft Ende August 1939 wurde er im Rahmen der allgemeinen Mobilmachung als Leutnant der Reserve zu einer Nachschubeinheit eingezogen In den ersten zwei Wochen wahrend des deutschen Uberfalls auf Polen am 1 September 1939 wurde seine Einheit in Zentralpolen eingesetzt nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen am 17 September wurde sie nach Osten verlegt Bei Krasnobrod geriet er am 28 September in sowjetische Kriegsgefangenschaft 2 Uber die Station Kiew kam Swianiewicz in das unter der Aufsicht der Geheimpolizei NKWD stehende Sonderlager Koselsk rund 250 Kilometer sudwestlich von Moskau in dem mehr als 4000 polnische Offiziere und Fahnriche interniert wurden 3 Im Mai 1940 wurde er in der Moskauer NKWD Zentrale Lubjanka uber seine Studien zur deutschen Rustungsindustrie befragt Da er aber die Zusammenarbeit mit dem NKWD verweigerte wurde er zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt und in ein Lager in der Republik Komi im Norden der Sowjetunion gebracht 4 Entgegen den Vereinbarungen des Sikorski Maiski Abkommens vom August 1941 uber die polnisch sowjetische Zusammenarbeit wurde er zunachst nicht freigelassen vergeblich bestand der polnische Botschafter Stanislaw Kot bei den sowjetischen Behorden darauf Erst nachdem sich der Premier der polnischen Exilregierung Wladyslaw Sikorski personlich dafur einsetzte konnte Swianiewicz das Lager verlassen und die Reise nach Kuibyschew antreten wohin wegen der Kriegsereignisse die meisten Botschaften darunter die polnische verlegt worden waren 5 Mit der Anders Armee den in der Sowjetunion aufgestellten polnischen Verbanden unter dem Kommando von General Wladyslaw Anders gelangte er im Herbst 1942 uber den Iran in das britische Mandatsgebiet Palastina Dort ubernahm er im Januar 1943 die Leitung des polnischen Buros fur Studium des Nahen und Mittleren Ostens in Jerusalem Im September 1943 trat er einen Posten im Aussenministerium der Exilregierung in London an wo er auch das Kriegsende 1945 erlebte Von 1947 bis 1953 lehrte er am Polish College in London nach dessen Auflosung ubernahm er eine Professorenstelle an der Universitat von Yogyakarta in Indonesien Dort trafen 1957 seine Frau und seine Tochter ein die er 18 Jahre nicht gesehen hatte Die Behorden der Volksrepublik Polen hatten ihnen bis dahin einen Reisepass verweigert Fur das Studienjahr 1958 59 erhielt er ein Forschungsstipendium an der London School of Economics Es schloss sich fur das folgende Jahrzehnt eine Professorenstelle an der Saint Mary s University in Halifax in der kanadischen Provinz Neuschottland an auch lehrte er an der University of Notre Dame von South Bend Indiana 1990 zeichnete der Prasident der polnischen Exilregierung Ryszard Kaczorowski ihn mit dem Offizierskreuz fur Verdienste um die Republik Polen aus 6 Im selben Jahr kehrte er erstmals nach 41 Jahren zu einem Besuch nach Polen zuruck 7 Er starb im Alter von 97 Jahren in einem Altersheim fur polnische Veteranen in London er wurde im kanadischen Halifax neben seiner Frau beigesetzt 8 Rolle in der Causa Katyn BearbeitenIm Lager Koselsk wurde Swianiewicz vom NKWD Major Wassili Sarubin verhort der fur die NKWD Fuhrung Empfehlungen fur eine weitere Befragung oder die Erschiessung der Gefangenen aussprach 9 Am 30 April 1940 gehorte er zu einer Gruppe von Offizieren die mit der Eisenbahn in eigens fur den Gefangenentransport gebauten Waggons von Koselsk zur Bahnstation Gnjosdowo bei Katyn gebracht wurden Nach seinem eigenen Bericht wurde Swianiewicz von einem hohen NKWD Offizier von der Gruppe abgesondert Beim Warten auf seine Weiterfahrt beobachtete er durch ein Luftungsloch in dem Waggon wie seine Kameraden von schwer bewaffneten NKWD Soldaten in kleinen Bussen weggebracht wurden Wie er spater schrieb lag ihm damals der Gedanke ganzlich fern dass seine Kameraden zur Exekution in den Wald von Katyn fuhren 10 Seinem eigenen Bericht zufolge wurde Swianiewicz zum Gefangnis Smolensk gebracht wo er der einzige Haftling in seinem Zellentrakt war und von dort nach einer Woche nach Moskau 11 Nach seiner Freilassung aus dem Gulag berichtete er der polnischen Botschaft in Kujbyschew und dem Stab der Anders Armee in Busuluk uber seine Beobachtungen an der Bahnstation Gnjosdowo Der Leiter des Suchburos fur die vermissten polnischen Kriegsgefangenen bei der Anders Armee Graf Jozef Czapski schenkte dem Bericht allerdings keine besondere Beachtung da damals bei ihm Dutzende von Informationen uber den mutmasslichen Verbleib der Offiziere eingingen Swianiewicz selbst bekam von Botschafter Stanislaw Kot die Aufgabe eine analytische Zusammenfassung all dieser Berichte auszuarbeiten Erst nachdem die deutsche Presse Mitte April 1943 von der Entdeckung der Massengraber im Wald von Katyn berichtet hatte wurde die Bedeutung der Beobachtungen Swianiewiczs erkannt zumal die Namen seiner Mitgefangenen aus dem Bahntransport von Koselsk nach Gnjosdowo auf den von den Deutschen veroffentlichten Totenlisten standen 12 Am 16 April 1952 wurde er in London anonym getarnt durch eine Maske von der Madden Kommission der Untersuchungskommission des US Reprasentantenhauses zum Massaker von Katyn zum Lageralltag in Koselsk und seinen Beobachtungen an der Bahnstation Gnjosdowo befragt 13 Seine Katyn Berichte analysierte das Foreign Office in London es kam aber zu keiner eindeutigen Bewertung wie aus der vom Historiker Rohan D Olier Butler verfassten Denkschrift uber die Haltung der britischen Regierung zur Causa Katyn Butler Memorandum hervorgeht 14 1975 uberfielen ihn in London Unbekannte kurz nachdem bekannt gegeben worden war dass er an einem Buch uber Katyn arbeitete und auch auf dem Sacharow Hearing in Kopenhagen daruber berichten sollte Die Tater wurden in den Reihen der polnischen Geheimpolizei SB oder des KGB vermutet Bei dem Uberfall verlor er das Bewusstsein konnte nach einem mehrtagigen Krankenhausaufenthalt aber noch an der Kopenhagener Konferenz teilnehmen 15 Schriften Auswahl BearbeitenLenin jako ekonomista Instytut Europy Wschodnej Wilna 1930 Dissertation Polityka gospodarcza Niemiec hitlerowskich Verlag Polityka Warschau 1938 Habilitationsschrift Forced Labour and Economic Development An Inquiry into the Experience of Soviet Industrialisation Oxford University Press London 1965 ISBN 0 313 24983 0 W cieniu Katynia Institut Litteraire Paris 1976 ISBN 2 7168 0027 8 In the shadow of Katyn Stalin s terror Pender Island B C Borealis Pub 2002 Dziecinstwo i mlodosc Ed Jan Jacek Swianiewicz Warschau 1996 ISBN 83 86367 26 1 Literatur BearbeitenBenon Gazinski Hrsg Stanislaw Swianiewicz 1899 1997 ekonomista sowietolog historyk Instytut Nauk Uniwersytet Warminsko Mazurski w Olsztynie Olsztyn 2010 ISBN 978 83 89559 07 4 Anna M Cienciala Natalia S Lebedeva Wojciech Materski Hrsg Katyn A crime without punishment Ubersetzung der Dokumente Marian Schwartz Anna M Cienciala Maia A Kipp New Haven Yale University Press 2007 S 410Dokumentarfilm BearbeitenOstatni swiadek 2005 Regie Pawel Woldan 16 Weblinks BearbeitenAussage vor der Madden Kommission S 603 611 Einzelnachweise Bearbeiten Biografische Angaben soweit nicht anders aufgefuhrt laut Maria Swianiewicz Nagiec Moje dziecinstwo i rozlaka z ojcem in Stanislaw Swianiewicz ekonomista sowietolog historyk idei Pod red Benona Gazinskiego Olsztyn 2011 S 18 21 The Katyn Forest Massacre US Government Printing Office Washington 1952 vol IV S 603 Natal ja Lebedeva Katyn Prestuplenie protiv celovecestva Moskau 1994 S 81 82 Andrzej Przewoznik Jolanta Adamska Katyn Zbrodnia prawda pamiec Warschau 2010 S 138 Stanislaw Swianiewicz W cieniu Katynia Warschau 2010 S 221 Komunikat o nadaniu orderu Odrodzenia Polski z dnia 11 listopada 1990 r In Gesetze und andere Dokumente der polnischen Behorden im Exil im ISAP Polnische Exilregierung 20 Dezember 1990 S 53 abgerufen am 2 April 2023 polnisch Stanislaw Swianiewicz ocalony z Katynia dzieje pl 29 September 2015 Maria Swianiewicz Nagiec Moje dziecinstwo i rozlaka z ojcem in Stanislaw Swianiewicz ekonomista sowietolog historyk idei Pod red Benona Gazinskiego Olsztyn 2011 S 20 21 G A Andreenkova V M Zarubin i katynskoe delo in Vestnik Katynskogo memoriala 14 2014 S 78 Stanislaw Swianiewicz W cieniu Katynia Warschau 2010 S 111 114 The Katyn Forest Massacre US Government Printing Office Washington 1952 vol IV S 607 Stanislaw Swianiewicz W cieniu Katynia Warschau 2010 S 308 312 Andrzej Przewoznik Poslowie in Stanislaw Swianiewicz W cieniu Katynia Warschau 2010 S 375 376 The Butler Memorandum S 6 Maria Swianiewicz Nagiec Moje dziecinstwo i rozlaka z ojcem in Stanislaw Swianiewicz ekonomista sowietolog historyk idei Pod red Benona Gazinskiego Olsztyn 2011 S 21 Ostatni swiadek filmpolski plNormdaten Person GND 103303006 lobid OGND AKS LCCN n85177313 VIAF 93422347 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Swianiewicz StanislawKURZBESCHREIBUNG polnischer Politologe und WirtschaftswissenschaftlerGEBURTSDATUM 7 November 1899GEBURTSORT DunaburgSTERBEDATUM 22 Mai 1997STERBEORT London Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stanislaw Swianiewicz amp oldid 232818579