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Die Schweizer Scheibe ist eine farbige bleiverglaste Zierfensterscheibe aus Schweizer Glas Produktion Sie wurde seit dem Ende des 13 Jahrhunderts angewandt und Anfang des 14 Jahrhunderts popular Bis in die Mitte des 19 Jahrhunderts wurde die Technik weiter verbessert 1 Schweizer Scheiben werden oft auch synonym als Wappenscheibe bezeichnet weil sehr oft auch Wappen dargestellt werden oder wegen ihrer relativ kleinen Grosse als Kabinettscheibe Eine umfassende Ubersicht findet sich in den Schriften des Philologen Paul Boesch 1882 1955 Eine der als prototypisch geltende Badener Scheiben von 1501 die erhalten geblieben ist Uber dem Badener Wappen der Reichsadler mit Doppelkopf Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Wappenverwendung 1 2 Glasscheibengestaltung 2 Rezeption 3 Literatur 4 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Petrus Ausschnitt eines Monumentalfensters Hautrive um 1340Fruheste Zeugnisse gehen bis auf das Jahr 1200 zuruck konnten aber nur noch als fragmentarische Bodenfunde sichergestellt werden Zu den fruhesten Vollverglasungen gehoren Kappel am Albis um 1300 1310 Konigsfelden St Laurenzen in Frauenfeld Oberkirch 1325 1330 Blumenstein und Koniz beide um 1330 und das Freiburger Kloster Hauterive 1330 1340 Die Arbeiten um 1300 waren alle im hochgotischen Stil franzosischer Pragung Nachfolgend kamen Einflusse aus dem Elsass Niederhaslach Rosenweiler u a 2 und aus Konstanz ab Mitte des 14 Jahrhunderts auch oberrheinischer und suddeutscher Provenienz 1 nbsp Ratsstube von Stans 1481 Fenster mit Schweizer Scheiben Bis ins Spatmittelalter war Fensterglas ein Luxusgut Vor allem bei Profanbauten waren die Fensteroffnungen klein und meist mit olgetrankten Tierhauten Papier und Stoff beschlagen Wirtschaftlicher Aufschwung und zunehmender Wohlstand bedingten hohere Wohnanspruche die Holzvertafelungen statt roher Wande und statt einer offenen Feuerstelle nur in der Kuche Kachelofen auch in der Stube im sogenannten Kabinett beforderten Die Fenster erhielten jetzt Butzen oder Rautenscheiben Bildliche Darstellungen die in den Kirchen selbstverstandlich waren wollte man jetzt auch in den Zunft und Wirtsstuben haben Dies war die Geburtsstunde der Kabinettscheibe Sie wurden fur die Breite der Fensteroffnungen meist nicht uber einen halben Meter breit und rechteckig meist nahezu quadratisch hergestellt sowie in Kopfhohe angebracht damit man die Details genau betrachten konnte 3 S 26Eine der ersten bildlich uberlieferten Wappengalerien existiert noch von der Ratsstube in Stans von 1481 die das Stanser Verkommnis darstellt Fur 1501 ist fur Baden in dem damals die Tagsatzungen stattfanden belegt dass alle zehn eidgenossischen Stande sich den Luxus leisteten daselbst Standesscheiben anzubringen Diese Scheiben haben sich teilweise erhalten und stellen heute den Prototyp der Schweizer Scheiben dar Die Stande gingen spatestens seit dem spaten 15 Jahrhundert dazu uber von Jahr zu Jahr grossere Bestande an Scheiben zu horten um sie verbunden mit einer Bitte zu gegebener Zeit einer bestimmten Person schenken zu konnen Die Schweizer Scheiben wurden somit wie eine Wahrung verwendet Dass diese Scheibenschenkungen nicht uneigennutzig waren lasst sich an verschiedenen Beispielen belegen waren doch vielfach beidseitige Interessen betroffen 1534 erhielt das Vereinshaus der Gesellschaft der Bader und Barbiere in Zurich ein Glasbild 4 als Gesellschaftscheibe das als altestes Zuricher Buntglasgemalde gilt 5 Wappenverwendung Bearbeiten Nicht ganz geklart ist warum sich die Wappenscheibe gerade auf dem Gebiet der Schweiz so weit verbreiten konnte Sie hat sich entwicklungsgeschichtlich aus dem Verbund der monumentalen Kirchenfenster gelost und verselbstandigt Die fast immer mitdargestellten Wappen verweisen auf den Stifter oder auf den Beschenkten oder auf beide Zunachst waren die Scheiben wegen ihres hohen Wertes ein gern gesehenes Geschenk spater ein Sammelobjekt des Adels und der wohlhabenden Schicht des Burgertums fuhrte doch der Dienstadel der Hochadel war auf dem Gebiet der Schweiz ausgestorben ein Wappen In der Eidgenossenschaft einem losen demokratischen Staatenbund ist eine gewisse Vorliebe heraldischer Selbstdarstellung anzutreffen Die Erfolge nach dem Sieg der Burgunder und Schwabenkriege sowie der Lombardischen Feldzuge durften ebenfalls zu einem grosseren Legitimations und Reprasentationsbedurfnis beigetragen haben 3 S 26 Auch bei den Handwerkern Bauern und Wirten ging diese Entwicklung der Zeremonie und Etikettenverbesserung nicht spurlos vorbei auch sie legten sich meist eigenmachtig sprechende Zeichen wie Muhlrad Kanne und Pflug zu 3 S 27Diese Zeichensprache die originar von den altesten Wappenbriefen abstammen und die im hohen Mittelalter vor allem Stech oder Visierhelme spater Spangen und Turnierhelme zeigen galten als sakularisiertes Ritterabzeichen Aber auch die Stande die sich in der Schweiz als Standeorte oder als Kantone organisierten und ihre eigene Standeordnung vergaben benutzten diese kollektive heraldische Zeichensprache 3 S 27 Vielfach wurden die ursprunglichen Helme durch furchteinflossende Schildwachen in Form von schwer bewaffneten Kriegern Greifen Lowen und so weiter ersetzt Der Reichsadler Symbol der Reichsfreiheit der Eidgenossenschaft thront oft uber den Wappen und wird als Zeichen der Reichsunmittelbarkeit auch noch nach dem Westfalischen Frieden verwendet obwohl sie damit faktisch unabhangig geworden waren Glasscheibengestaltung Bearbeiten Die thematischen Inhalte waren damit wie oben beschrieben vorgegeben Auch bei der formalen Gestaltung sind vielfach Ubereinstimmungen feststellbar Alle anderen Gestaltungselemente unberucksichtigt lassend ist gegenuber den Monumentalfenstern die geschlossene Rahmung der Bildmotive stilpragend Im Laufe der Zeit bildeten sich bestimmte Gestaltungsmuster heraus So gab es Scheiben mit Pannertrager die einen Fahnentrager mit imposanter Gestalt und Haltung darstellte Figurenscheiben bei denen Heilige Krieger oder Marketenderinnen im Mittelpunkt stehen oder Gesellschaftsscheiben die seine Mitglieder politischer kirchlicher oder beruflicher Gruppen zusammenbringen Die Motive wurden mit der Zeit immer beliebiger bis hin zu stereotypischen Abbildungen bei denen eine Frau einem heimkehrenden Krieger einen Becher reichte Daneben sind immer biblische Szenen aus der Passionszeit oder Pieta und Loreto Darstellungen beliebt Diese typischerweise buhnen und schablonenhafte pompose und idealisierende Verbildlichungen weisen die Schweizer Scheiben der volkstumlichen Kunstgattung des Kunsthandwerks zu Diese Volksnahe machte die Scheiben in allen Volksschichten uber diese lange Zeit so beliebt 3 S 28Rezeption BearbeitenSchweizer Scheiben sind heute in vielen Sammlungen von alten Glasmalereien in Museen und Schlossern zu finden vor allem in England aber auch in den US amerikanischen wie russischen Sammlungen Sie gelten vielfach exemplarisch fur Schweizer Glasmalereien wahrend grossere Exemplare an Ort und Stelle und somit im Ausland weitgehend unbekannt blieben 2 Ausfuhrlich geht Hermann Meyer auf die schweizerische Sitte der Fenster und Wappenschenkung ein 6 Literatur BearbeitenPaul Boesch Auswahl Alte Wappenscheiben aus Rorschach und Umgebung Aristoteles und Phillis auf Glasgemalden Die alte Glasmalerei in St Gallen Zur Geschichte der Freiburger Glasmalerei Die Fenster und Wappenschenkungen ins Appenzellerland Notizen zu den Glasgemalden in Wettingen Zwei Kesselring Motteli Scheiben Abraham Wirth 1616 1681 Glasmaler von Lichtensteig Bartholomaus Lingg Glasmaler aus Zug Christus als Apotheker auf Glasgemalden Die Glasgemalde aus der Kapelle in Haltikon Die Wiler Glasmaler und ihr Werk Der Winterthurer Glasmaler Hans Jeggli und seine Toggenburgerscheiben Josias Murers Scheibe der evangelischen Pradikanten des Toggenburgs fur Jost Grob zum Furt Schweizer Archiv fur Heraldik beachte 1899 Heft I Seiten 11 23Einzelnachweise Bearbeiten a b Brigitte Kurmann Schwarz Glasmalerei In Historisches Lexikon der Schweiz a b Hans Wentzel Eine Schweizer Scheibe des 14 Jahrhunderts in London In Zeitschrift fur schweizerische Archaologie und Kunstgeschichte Band 21 Heft 1 1961 doi 10 5169 seals 164695 a b c d e Bernhard Anderes Peter Hoegger Die Glasgemalde im Kloster Wettingen Baden Verlag 1988 ISBN 3 85545 031 5 Friedrich v Zglinicki Die Uroskopie in der bildenden Kunst Eine kunst und medizinhistorische Untersuchung uber die Harnschau Ernst Giebeler Darmstadt 1982 ISBN 3 921956 24 2 S 75 f J Schneider Die Gesellschaftsscheibe der Scherer und Bader in Zurich 1534 In SAH Band 77 1963 S 38 Hermann Meyer Die schweizerische Sitte der Fenster und Wappenschenkung vom XV bis XVII Jahrhundert J Huber Frauenfeld 1884 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schweizer Scheibe amp oldid 225117043