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Eine Scharte Schiessscharte ist im Festungswesen eine Offnung innerhalb einer Befestigung die einem Schutzen den Einsatz einer Fernwaffe bei gleichzeitiger hoher Deckung erlaubt Schiessscharten treten in vielfaltigen Formen vor allem an spatmittelalterlichen Burgen Wehrkirchen und neuzeitlichen Festungen auf Die Form ergibt sich in erster Linie aus der Funktionsweise der jeweiligen Waffe fur welche die Scharte angelegt wurde Schiessnische mit Kreuzscharte Corfe Castle Schiessscharten sind zu unterscheiden von blossen Licht und Luftschlitzen die von aussen ahnlich aussehen deren Maueraussparungen aber fur eine Waffenfuhrung zu eng sind sowie von Wurf oder Gussoffnungen Maschikuli Schiessscharten wurden oft auch erst nachtraglich eingebaut oder modifiziert was zu Fehldatierungen von Bauwerken fuhren kann Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Typologie und Chronologie 2 1 Bogenscharten 2 2 Armbrustscharten 2 3 Scharten fur Feuerwaffen 2 4 Sonderformen 3 Neuzeitliche Schiessscharten 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 WeblinksDefinition BearbeitenEine Schiessscharte ist ein Wehrelement das eine aktive Verteidigung ermoglicht insbesondere durch Bogen Armbrust und spater Hakenbuchse oder Geschutz Bauliche Elemente sind die Schartenform Form der Aussenoffnung die Gestaltung des Mauerdurchbruchs die Grosse und Position der Innenoffnung und das Sichtfeld In der Mauerinnenseite offnet sich eine engere Nische hinter der sich manchmal eine geraumigere Schiesskammer als Maueraussparung befindet In jedem Fall muss gewahrleistet sein dass der Schutze sich mit seiner Waffe in oder an die Offnung stellen beugen oder lehnen kann und dabei ausreichende Sicht hat Wahrend Schiesskammern aufrechtes Stehen und volle Bewegungsfreiheit ermoglichen ist dies bei den Nischen angesichts der Hohe eines Bogens zwischen 1 2 und 2 0 Metern und der Breite einer Armbrust zwischen 0 6 und 0 8 Metern schwierig Hat eine Nische unter 0 6 m Breite und 1 2 m Hohe zwingt sie den Schutzen seine Waffe ausserhalb der Nische in einer Entfernung von uber 1 m ohne hinreichendes Sichtfeld einzusetzen es handelt sich dann um notdurftige bis ungeeignete Schiessscharten 1 Hakenbuchsen mussten wegen ihres Gewichts und Ruckstosses in der Scharte schwenkbar verankert sein Der Aufbau besteht aus dem Schartenmund bzw der Schartenmundung der ausseren Offnung dem Schusskanal der sich oft nach innen aufweitet und der Nischenoffnung auf der Innenseite Es gibt auch doppelte Aufweitungen auf der Innen und Aussenseite Zangenscharten mit Schartenenge in der Mitte meist bei Artilleriescharten des 15 und 16 Jahrhunderts Auch in anderen Sprachen wird zwischen der sich nach aussen verjungenden Aussparung in der Wand der Befestigung englisch Embrasure franzosisch Embrasure russisch Ambrazura und der eigentlichen Offnung englisch Balistraria oder arrow loop Pfeilschlitz franzosisch Meurtriere Morderin russisch Bojnica unterschieden Typologie und Chronologie BearbeitenSchiessscharten waren bereits in der griechischen und romischen Antike bekannt und wurden uber den byzantinischen und islamischen Wehrbau mit dem Zweiten und Dritten Kreuzzug nach West und Nordeuropa vermittelt Im deutschsprachigen Raum sind die altesten erhaltenen Beispiele die um 1180 bis 1200 entstandenen Scharten am Karthauserwall am Hansaring der Kolner Stadtmauer dabei handelt es sich um kurze Schlitzscharten in breiten rundbogigen Arkadennischen Tiefe Schiessnischen sind auch um 1250 75 an der Burg Lichtenfels Dornhan entstanden Ab den 1230er Jahren sind auch vermehrt lange Schlitzscharten anzutreffen etwa an der Stadtbefestigung von Oberwesel 1241 oder der Burg Ortenberg Elsass um 1260 Fur Langbogen konnen die Schiessscharten eine Hohe von uber 2 Meter erreichen die Aussensohlen des Schartenmunds sind zur Erweiterung des Schussfelds oft abgeschragt Ab dem 2 Drittel des 14 Jahrhunderts wurden die Schlitzscharten etwas kurzer und breiter uber 10 cm Scharten konnen im Mauerwerk oder auch in holzerne Bauteile beispielsweise in Hurden eingelassen sein Schiessscharten konnen Bestandteil einer Brustwehr eines Wehrturms oder auch von kleineren Schutzenstellungen wie beispielsweise Wehrerker oder Scharwachtturmchen sein nbsp Schiesskammern um 1116 in Chamaa Libanon nbsp Arkadennischen der Kolner Stadtmauer um 1180 nbsp Oberwesel Schalenturm mit Schiessscharte 1241 nbsp Schiessnischen Burg Lichtenfels Dornhan um 1250 nbsp Schlitzscharten Burg Ortenberg Elsass um 1260Bogenscharten Bearbeiten nbsp Mauerturm mit BogenschartenScharten fur Bogen haben die Form eines langen senkrechten Schlitzes Die Lange ergibt sich aus dem Umstand dass der Pfeil auf langere Distanz schrag nach oben und auf kurze Distanz schrag nach unten abgeschossen wird so dass fur die verschiedenen Schussweiten genugend vertikaler Raum vorhanden sein muss Der senkrecht gehaltene Bogen erforderte ausserdem eine hohe Schiessnische Erhaltene Bogenscharten sind vergleichsweise selten unter anderem deshalb weil nach der Etablierung neuer Fernwaffen wie der Armbrust altere Scharten oft umgebaut und an die neue Funktionsweise angepasst wurden Auf den ersten oberflachlichen Blick leicht mit Bogenscharten zu verwechseln sind die ebenfalls vertikalen Lichtschlitze die beispielsweise bei den mitteleuropaischen Bergfrieden haufig anzutreffen sind Diese eignen sich jedoch nicht fur den Einsatz von Bogen weil die dahinterliegende Schiessnische fehlt Sie dienen ausschliesslich der Belichtung und Beluftung des Turminneren Armbrustscharten Bearbeiten Scharten fur Armbruste haben eine senkrechte Schlitzform sind jedoch niedriger und breiter als Bogenscharten Auch die zugehorige Nische ist breiter um der horizontal gehaltenen Waffe genugend Raum zu geben Manche Armbrustscharten besitzen zusatzlich kurze horizontale Schlitze z B die Kreuzscharte Da die Armbrustbolzen eine gestrecktere Flugbahn haben kann die vertikale Schlitzoffnung niedriger und die gesamte Konstruktion massiver und damit stabiler ausgefuhrt werden als bei einer Bogenscharte Scharten fur Feuerwaffen Bearbeiten nbsp Schlusselscharte in einem Turm der Stadtmauer von Murten Schweiz Mit der Verbreitung des Schwarzpulvers seit dem fruhen 14 Jahrhundert wurden schon bald erste Feuerwaffen entwickelt insbesondere auch Handbuchsen und Hakenbuchsen zur Verteidigung von Burgen und anderen Befestigungen In England entstanden fur Hakenbuchsen bereits ab 1360 sogenannte Schlussel loch scharten bei denen die Offnungen durch senkrechte Sichtschlitze erganzt werden wodurch sie umgedrehten Schlussellochern ahneln Im deutschsprachigen Raum kamen sie erst ab etwa 1400 auf Hauptmerkmal ist eine kreisrunde Offnung fur die Buchsen Diese wurden an Prellholzern eingehangt deren Locher beidseitig in den Nischenoffnungen erkennbar sind oder in holzerne Balkenschirme gesteckt die ihrerseits Loch oder Rechteckoffnungen hatten Rechteckscharten hatten zwar ein schlechteres Sichtfeld jedoch ein breiteres Schussfeld Die runde Offnung kann mit verschiedenen Arten von Sichtschlitzen oder Spahlochern kombiniert sein Es wurden aber auch Mischformen entwickelt die den Einsatz sowohl von Armbrusten als auch von Buchsen ermoglichten Mit der Entwicklung der Feuerwaffen am Ubergang vom Spatmittelalter zur Fruhen Neuzeit veranderte sich auch das Fortifikationswesen grundlegend Befestigungen wurden nun zunehmend massiver breiter und niedriger ausgefuhrt z B Rondell und Bastei und man entwickelte im unmittelbaren Vorfeld der Festung eine spezielle Grabenverteidigung Eine darauf spezialisierte Schartenform ist die horizontal ausgerichtete Maulscharte bzw Schlitzmaulscharte von der es wiederum zahlreiche Variationen gibt Beispiele finden sich vor allem im hessischen Raum aus der Zeit zwischen 1450 und 1490 In der zweiten Halfte des 15 Jahrhunderts wurde mit vielerlei Varianten experimentiert Teilweise entstanden kuriose Schartenformen die oft nur noch Statussymbole mit eingeschrankter Nutzbarkeit waren etwa im 16 Jahrhundert sogenannte Brillenscharten etwa in der Form einer Skibrille oder die Fratzenscharten und als Maskarone gestaltete Maulscharten Ab etwa 1570 wurden Schlusselscharten auch in Miniaturform angebracht die allenfalls zum Einsatz von Pistolen geeignet waren Sonderformen Bearbeiten Senkscharten fuhren in der unteren Halfte schrag durch die Mauer wodurch der tote Winkel vor der Mauer welcher nicht durch die Schiessscharte geschutzt werden kann verringert wird Beginnt eine Scharte unter Brusthohe und reicht bis in den Fussbodenbereich hinab diagonaler Schusswinkel wird sie als Fussscharte bezeichnet Eine senkrechte Schartenoffnung in einem vorkragenden Bauteil wird hingegen als Maschikuli bezeichnet und dient in erster Linie als Offnung fur Wurfsteine Nasenscharten verfugen uber ein schrag aus der Mauer hervortretende Mauerblende mit einer Schuss oder Wurfoffnung am unteren Ende Sie stellen eine Ubergangsform zum Wehrerker dar und werden auch als Pechnasen bezeichnet Kugelscharten sind mit einer ins Mauerwerk eingebauten beweglichen und fur den Lauf der Waffe durchbohrten Holzkugel sog Holzauge ausgestattet durch deren Bohrung vor der Einfuhrung der Schusswaffe das Vorgelande abgesucht werden kann worauf eine bekannte Redewendung Bezug nimmt Kugelscharten bieten dem Schutzen ein hohes Mass an Deckung Anstatt einer Kugel kann auch eine senkrechte holzerne Spindel die Funktion ubernehmen Spindelscharten sind breitere Schlitzscharten in denen sich eine drehbare Holzspindel mit Schartenoffnung befindet Sie kommen in Mitteleuropa zwischen 1480 und 1520 vor Schiessluken sind etwa 50 cm breite durch Holzklappen verschliessbare Offnungen die fur den Einsatz von Geschutzen vorgesehen waren Hosenscharten haben eine gemeinsame Innenoffnung von der sich mehrere Schusskanale facherartig durch das Mauerwerk ziehen bei drei Schusskanalen spricht man von Drillingsscharten nbsp Senkscharten am Waffentor der Burg Hochosterwitz Osterreich nbsp Turme mit Nasenscharten Ananuri in Georgien nbsp Kugelscharte mit beweglichem Holzauge auf der Burg Harburg Schwaben Neuzeitliche Schiessscharten BearbeitenAn den Festungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurden die Scharten stets mit einer Panzerung versehen da sie eine Schwachstelle der gesamten Struktur darstellten Zur Verbesserung des Schutzes wurden solche Offnungen als Minimalscharte Minimalschartenkanone ausgefuhrt Bei dieser Bauform wurde der Drehpunkt der Waffe in die Scharte selbst verlegt so dass die zugehorige Offnung eine minimale Grosse erhielt Ende des 19 Jahrhunderts wurden bewegliche Panzerkuppeln entwickelt die mit Scharten ausgestattet waren Im Falle eines schweren Artillerie oder Bombenangriffs konnten diese Stahlkuppeln versenkt werden um moglichst wenig Angriffspunkte zu bieten nbsp Gepanzerte Minimalscharte mit zerstorter Kanone im Fort Eben Emael nbsp Schartenplatte 48P8 eines Regelbau B 1 1 am Westwall Neckar Enz Stellung nbsp Scharte mit geschlossener links und geoffneter rechts Tarnung Fort Buhl Literatur BearbeitenOtto Piper Burgenkunde Bauwesen und Geschichte der Burgen 3 Auflage 1912 S 335 355 im Internet Archive Michael Losse Kleine Burgenkunde 2 Auflage Regionalia Euskirchen 2012 ISBN 978 3 939722 39 7 S 83 84 Joachim Zeune Schiessscharte Schiessnische Schiesskammer In Burgen und Schlosser Zeitschrift fur Burgenforschung und Denkmalpflege Jg 60 Nr 1 2019 ISSN 0007 6201 S 48 51 Einzelnachweise Bearbeiten Joachim Zeune Schiessscharte Schiessnische Schiesskammer In Burgen und Schlosser Zeitschrift fur Burgenforschung und Denkmalpflege Jg 60 Nr 1 2019 ISSN 0007 6201 S 48ff Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Schiessscharte Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Commons Schiessscharten Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Beschreibungen und Bildbeispiele fur SchiessschartenNormdaten Sachbegriff GND 4753979 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schiessscharte amp oldid 233713121