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Das Handrohr auch Handbuchse Stangenbuchse oder Donnerbuchse kurze Version Faustrohr Faustbuchse Spezialversionen Feuer oder Kugellanze Orgelbuchse Standrohr war die erste Handfeuerwaffe d h eine Waffe die von einem Mann allein transportiert und abgefeuert werden konnte Die Entwicklung der Handrohre den Vorlaufern der Geschutze begann etwa gleichzeitig mit den ersten Feuergeschutzen der Artillerie Bombarde Morser Feldschlange Kanone Westeuropaisches Handrohr um 1390 1400 Musee de l Armee in ParisInhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Aufbau und Handhabung 3 Reichweiten Verwendung im Kampf 4 Taktische Nachteile strategische Vorteile 5 Spezialversionen und Weiterentwicklungen 6 Problemstellung bei der Quellenlekture 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Stangenbuchse oder Standrohr abgefeuert von einer holzernen Stutzgabel Bellifortis Handschrift von Konrad Kyeser um 1400 nbsp Tannenbergbuchse alteste deutsche Handfeuerwaffe gefunden im Brunnen der 1399 zerstorten Burg Tannenberg nbsp Altester bekannter Abzugsmechanismus Codex Vindobonensis 3069 fruhes 15 Jh Osterreichische Nationalbibliothek Wien nbsp Einsatz von Handrohren bei der Belagerung einer befestigten Stadt 1475Uber den Ort und die Zeit der Erfindung von Handrohren gibt es keine gesicherten Informationen Es existieren einige schriftliche Hinweise und wenige grosstenteils aber nicht sicher datierte Originale Als derzeit alteste Handfeuerwaffe kann die Heilongjiang Buchse angesprochen werden da jenes Objekt anhand beigefundener Bronzegeratschaften in die 1280er Jahre datiert werden konnte 1 so dass eine chinesische Herkunft der Handfeuerwaffen sehr wahrscheinlich ist Schriftliche Hinweise uber Handrohre sind von Italien aus uber Deutschland nach Flandern uberliefert Das alteste sicher datierbare europaische Handrohr die sogenannte Tannenbergbuchse wurde in der Burg Tannenberg gefunden und stammt aus dem Jahre 1399 2 Wie im alten China und Orient war der ursprungliche Zweck der Donnerbuchsen vor allem wohl durch donnerahnlichen Larm Pferde bzw Elefanten zu verwirren und panikartigen Schrecken zu erregen bevor auch die den Feind treffenden aus dem Handrohr abgefeuerten Kugeln an Bedeutung gewannen 3 In Europa blieb das Handrohr bis etwa 1520 in Gebrauch bevor die Arkebuse seinen Platz einnahm Im Fernen Osten insbesondere in China wurden Handrohre bis ins 19 Jahrhundert hinein verwendet Aufbau und Handhabung BearbeitenHandrohre wurden zunachst aus Bronze gegossen Erst mit der Entwicklung von besserem Stahl wurden auch Handrohre aus Eisen geschaffen Als Munition wurden von Beginn an Bleikugeln verschossen im Unterschied zu den grossen Geschutzen bei denen anfangs auch Brandpfeile und Steinkugeln in Gebrauch waren Die Rohrlange variierte zwischen etwa 190 und 600 mm Das Kaliber reichte von circa 12 bis 36 mm wobei sich bis Anfang des 15 Jahrhunderts das Kaliber 35 mm durchsetzte Das Gewicht eines Handrohrs lag zwischen 1 5 und 15 kg bei Belagerungsmodellen Viele Handrohre wiesen einen zweigeteilten Lauf auf im vorderen Teil den Flug zur Aufnahme des Geschosses und dahinter mit einem kleineren Kaliber die Kammer zur Aufnahme der Pulverladung Zur leichteren Handhabung wurden die Handrohre an Holzstangen von ungefahr 600 bis 2000 mm Lange befestigt Grossere und schwerere Handrohre wurden mit Hilfe einer Stutzvorrichtung holzerne Gewehrgabel Burgmauer abgefeuert Beim Richten der Waffe musste mitunter ein zweiter Mann assistieren Leichte Handrohre wurden unter dem Arm eingelegt wie eine Lanze oder von der Schulter gezundet wie eine moderne Panzerfaust Wegen des grossen Ruckstosses war das Anlegen an der Schulter unublich Das Gros der Handrohre waren Vorderlader obwohl auch mit Hinterladermodellen experimentiert wurde Bei allen Varianten zundete der Schutze die Pulverladung mit einer beidseitig brennenden Lunte Diese fuhrte er bei fruhen Modellen direkt per Hand seit Mitte des 15 Jahrhunderts mittels Luntenschloss an das offene Zundloch Reichweiten Verwendung im Kampf BearbeitenTrotz einer maximalen Reichweite von circa 300 m blieben Handrohre nur auf kurze Distanzen effektiv da das Zielen schwierig ist Bis zu einer Entfernung von 100 m vermochte das Geschoss eines Handrohrs eine Ritterrustung zu durchschlagen Eine Person konnte auch noch auf 100 m todlich getroffen werden Nachteilig waren die umstandliche Handhabung die daraus resultierende niedrige Schussfrequenz und die Anfalligkeit des Pulvers gegen Wind und Nasse Darum lag der Nutzen des Handrohrs weniger in offener Feldschlacht als vielmehr bei Belagerungen und beim Legen von Hinterhalten Taktische Nachteile strategische Vorteile BearbeitenObwohl die Handrohre den Langbogen und Armbrusten in Handhabung Zielgenauigkeit und Schussfrequenz Handrohr 1 Schuss Minute Armbrust 2 Schusse Minute Langbogen 12 Schusse Minute taktisch unterlegen blieben eroberten sie dennoch ihren Platz in den Waffenarsenalen der spatmittelalterlichen Kriegsfuhrung Grunde dafur waren die niedrigen Produktionskosten 20 billiger als eine Armbrust die einfache innerhalb eines halben Tages mogliche Herstellung und die dadurch erleichterte Massenproduktion Zudem verlangte die Verwendung nur wenige Tage Schutzenausbildung Bei Bedarf waren grosse Schutzenkontingente in kurzester Zeit rekrutierbar die zudem einen geringeren Sold bezogen als die in langen Jahren ausgebildeten Langbogenschutzen Spezialversionen und Weiterentwicklungen BearbeitenMit der mehrlaufigen Orgelbuchse 4 bis 10 Rohre wurde bereits im 15 Jahrhundert experimentiert Der Ubergang zu kleineren Kalibern ging einher mit der Verbesserung der Schwarzpulverqualitat und optimierten Giessverfahren Das Volumen der Treibladung konnte verringert das Gewicht der dickwandigen Handrohre herabgesetzt werden Eine handwerkliche Weiterentwicklung war die bereits im 15 Jahrhundert aufkommende Hakenbuchse aus der wiederum die Arkebuse und die Muskete hervorgingen Berittene Schutzen verwendeten seit Mitte des 15 Jahrhunderts das kurze Handrohr Abgefeuert wurde die etwa 250 mm lange Faustfeuerwaffe von einer am Sattel befestigten abklappbaren Stutzgabel Das Faustrohr Faustbuchse Faustling im 16 17 Jahrhundert auch Puffer behielt seinen Namen auch noch lange nachdem es schon langst mit einem Radschloss versehen war Damit war der Ubergang zur modernen Pistole vollzogen Problemstellung bei der Quellenlekture BearbeitenIn alteren Quellen finden sich fur unterschiedliche Handrohrtypen haufig identische Bezeichnungen eine standardisierte Klassifizierung begann erst ab dem 16 Jahrhundert Eine eindeutige Identifikation beschriebener Feuerwaffen ist darum heute oft nicht mehr moglich Literatur BearbeitenP Sixl Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen In Verein fur Historische Waffenkunde Hrsg Zeitschrift fur historische Waffenkunde Nr 1 Burdach Dresden 1897 P Sixl Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen In Verein fur Historische Waffenkunde Hrsg Zeitschrift fur historische Waffenkunde Nr 2 Burdach Dresden 1898 Wilhelm Hassenstein Hermann Virl Das Feuerwerkbuch von 1420 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Buchsenmeisterei Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahr 1529 mit Ubertragung ins Hochdeutsche und Erlauterungen von Wilhelm Hassenstein Verlag der Deutschen Technik Munchen 1941 S 124 insbesondere zur Donnerbuchse 141 zur irrefuhrenden Bezeichnung Faustrohr und 161 169 Entwicklungsstufen der Handbuchsen Sean McLachlan Medieval Handgonnes The first black powder infantry weapons Osprey Publishing Oxford 2010 ISBN 978 1 84908 155 9 englisch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Handrohr Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Handgonnes and Matchlocks The History of Firearms to 1500 Abgerufen am 2 Januar 2011 englisch Ulrich Bretscher s Black Powder Page Abgerufen am 2 Januar 2011 englisch The Danzig handgun 1350 1430 Royal Armouries Leeds abgerufen am 1 Juli 2017 englisch Die sogenannte Danzigbuchse 1350 1430 Einzelnachweise Bearbeiten Joseph Needham Science and Civilisation in China Military Technology The Gunpowder Epic Band 5 Nr 7 Cambridge University Press 1987 S 290 293 Ain Maesalu Weapons in Otepaa castle in 1396 In Castella Maris Baltici Nr V 2003 ISBN 978 87 88509 25 0 S 91 98 englisch Wilhelm Hassenstein Hermann Virl Das Feuerwerkbuch von 1420 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Buchsenmeisterei Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahr 1529 mit Ubertragung ins Hochdeutsche und Erlauterungen von Wilhelm Hassenstein Verlag der Deutschen Technik Munchen 1941 S 124 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Handrohr amp oldid 238474094