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Das Schachturnier zu Sankt Petersburg 1914 gilt als eines der bedeutendsten internationalen Schachturniere uberhaupt Es wurde nach teilweise spektakularem Verlauf vom amtierenden Weltmeister Emanuel Lasker gewonnen Inoffiziellen Statistiken zufolge handelte es sich bei dieser Veranstaltung um das bis dato funftstarkst besetzte Turnier bis heute Stand Juli 2019 belegt es in der Rangfolge Platz 13 1 Die Teilnehmer der Siegergruppe des Turniers v l n r Lasker sitzend Aljechin Capablanca Marshall stehend und Tarrasch sitzend Das Organisationskomitee Pjotr Petrowitsch Saburow Yuliy Ossipowitsch Sossnizkij Pjotr Alexandrowitsch Saburow und Boris Jewgenjewitsch Maljutin v l n r Inhaltsverzeichnis 1 Umstande 2 Verlauf 3 Folgen und weiteres Geschehen 4 Rezeption in der Belletristik 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksUmstande BearbeitenEs wurde anlasslich des zehnjahrigen Bestehens des St Petersburger Schachvereins organisiert und zwischen dem 8 Apriljul 21 Aprilgreg und dem 9 Maijul 22 Maigreg in dessen Raumlichkeiten ausgespielt Prasident des vierkopfigen Organisationskomitees war Pjotr Petrowitsch Saburow Ausser dem Sieger des all russischen Meisterturnieres 1913 1914 da dieses in einem toten Rennen zwischen Alexander Aljechin und Aaron Niemzowitsch endete wurden beide Spieler zugelassen wurden nur Spieler eingeladen die mindestens ein internationales Meisterturnier gewonnen hatten Von den eingeladenen Spielern sagten Amos Burn Richard Teichmann Szymon Winawer Oldrich Duras Geza Maroczy Miksa Weiss und Carl Schlechter ab Letztendlich nahmen elf hochkaratige Spieler teil neben Aljechin und Niemzowitsch waren dies Emanuel Lasker Siegbert Tarrasch beide Deutsches Kaiserreich Dawid Janowski Frankreich Frank Marshall Vereinigte Staaten Jose Raul Capablanca Kuba Ossip Bernstein Akiba Rubinstein beide Russisches Kaiserreich Joseph Henry Blackburne und Isidor Gunsberg beide Vereinigtes Konigreich Das Zulassungskriterium wurde von Georg Marco in der Wiener Schachzeitung kritisiert er wies darauf hin dass einerseits Spieler zugelassen wurden die ihren Zenit schon Jahre zuvor uberschritten so hatten Blackburne und Gunsberg ihre grossten Erfolge in den 1880er Jahren wahrend andererseits anerkannte Meister wie Rudolf Spielmann und Savielly Tartakower ausgeschlossen blieben Die Teilnehmerkonstellation ist ruckblickend betrachtet insofern bemerkenswert als mit Lasker Capablanca und Aljechin drei amtierende beziehungsweise zukunftige Weltmeister und mit Gunsberg Tarrasch Marshall und Janowski vier ehemalige Weltmeisterschaftsherausforderer vertreten waren Lasker hatte den Titel seit 1894 inne und ihn seitdem funf Mal verteidigt Seit Ende 1910 hatte er jedoch kein internationales Turnier mehr bestritten und zudem 1911 eine Herausforderung durch Capablanca abgelehnt Aus diesem Grunde wurde das Aufeinandertreffen in Sankt Petersburg im Jahr 1914 auch als inoffizielle Weltmeisterschaft angesehen Gespielt wurde jeweils in den Nachmittags und Abendstunden Die Teilnehmer hatten zwei Stunden Bedenkzeit fur die ersten 30 Zuge 90 Minuten fur die nachsten 22 und eine Stunde pro 15 Zuge fur die restliche Partie Remisschlusse vor dem 45 Zug waren abgesehen von Pattstellungen und dreifachen Stellungswiederholungen nicht gestattet Alle erhielten grosszugige Aufwandsentschadigungen und Lasker daruber hinaus 4 500 Rubel Antrittspramie Sein Rivale und Landsmann der ebenfalls antretende Siegbert Tarrasch schrieb nach Abschluss des Wettkampfes in das Turnierbuch dass dieser Betrag angesichts der von Lasker gezeigten Leistung nicht zu hoch gewesen sei Die Zuschauereinnahmen beliefen sich auf rund 6 000 Rubel eine fur damalige Verhaltnisse rekordverdachtige Summe Verlauf BearbeitenDen Auftakt zum zweigeteilten Turnier bildete ein klassisches Rundenturnier offiziell als allgemeines Turnier bezeichnet in dem jeder Spieler einmal gegen jeden anderen antrat Capablanca zeigte dabei Schach auf allerhochstem Niveau und fuhrte das Endklassement deutlich an Die funf Bestplatzierten qualifizierten sich fur die zweite Runde Hierbei sorgte insbesondere das fruhe Ausscheiden von Akiba Rubinstein der nur den 7 Rang erreichte fur Aufsehen Zum Abschluss der Vorrunde versammelte sich die Sankt Petersburger Prominenz zu einem festlichen Bankett bei dem Sergei Prokofjew einen Klaviervortrag gab Vorrunde klassisches Rundenturnier Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Punkte1 Kuba nbsp Jose Raul Capablanca 1 1 1 1 1 1 82 Deutsches Reich nbsp Emanuel Lasker 0 1 1 1 1 6 3 Deutsches Reich nbsp Siegbert Tarrasch 1 1 1 0 1 6 4 Russisches Kaiserreich 1883 nbsp Alexander Aljechin 0 1 1 1 65 Vereinigte Staaten nbsp Frank Marshall 0 1 1 1 66 Russisches Kaiserreich 1883 nbsp Ossip Bernstein 0 1 0 0 1 1 57 Russisches Kaiserreich 1883 nbsp Akiba Rubinstein 0 0 1 1 58 Russisches Kaiserreich 1883 nbsp Aaron Nimzowitsch 0 0 0 1 49 Vereinigtes Konigreich nbsp Joseph Henry Blackburne 0 0 0 0 1 0 1 3 10 Dritte Franzosische Republik nbsp Dawid Janowski 0 0 1 0 0 0 1 3 11 Vereinigtes Konigreich nbsp Isidor Gunsberg 0 0 0 0 0 0 0 0 1 a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Stellung nach 7 Sxd4 zweite Finalpartie Lasker Capablanca Im zweiten Teil des Turnieres offiziell als Siegergruppe bezeichnet traten dann die funf bestplatzierten Spieler nochmals doppelrundig gegeneinander an das heisst dass jeder zwei Partien gegen jeden der vier anderen spielte Die zuvor erzielten Punkte wurden ubernommen daher galt der 25 jahrige Capablanca als klarer Favorit Tatsachlich konnte sich dank sehr energischen Spieles aber der 20 Jahre altere Lasker durchsetzen In der ersten Halfte des Finals konnte dieser nur mit Muhe eine Niederlage gegen Capablanca abwehren und ein Remis erreichen Ein Sieg des Kubaners zu diesem Zeitpunkt hatte das Turnier bereits so gut wie entschieden Lasker holte im weiteren Verlauf einen halben Punkt auf zwischenzeitlich fuhrte Capablanca mit elf vor Lasker mit zehn Aljechin mit 8 Marshall mit sieben und Tarrasch mit 6 Punkten In der insgesamt 18 Runde gewann der Deutsche mit Weiss die zweite mittlerweile beruhmt gewordene Partie gegen Capablanca mit einer Abtauschvariante der Spanischen Partie indem er im sechsten Zug einen Damentausch vollzog 1 e4 e5 2 Sf3 Sc6 3 Lb5 a6 4 Lxc6 dxc6 5 d4 exd4 6 Dxd4 Dxd4 7 Sxd4 und ihn dann im Endspiel besiegte Ludek Pachman merkte an dass Laskers Eroffnungswahl ein Geniestreich gewesen sei da der Kubaner bestrebt war das Spiel mit dem Ziel eines Remis einfach zu halten Schwarz wurde nun aber gezwungen aktiv zu spielen um seinen Vorteil aus dem Lauferpaar zu verwerten und Weiss den Vorteil aus dessen besserer Bauernstruktur zu nehmen 2 Capablanca vermied jedoch weiterhin bewusst Komplikationen und spielte zu passiv so dass Lasker ihn schlagen konnte In der folgenden Partie verlor der sichtbar aufgewuhlte Capablanca mit Weiss gegen Tarrasch Dies ermoglichte Lasker ihn in der Rangliste zu uberholen und schliesslich mit einem halben Punkt Vorsprung das Turnier fur sich zu entscheiden Der Weltmeister hatte im Doppelrundenturnier mit Blick auf die Konkurrenz aussergewohnlich hoch einzuschatzende sieben Punkte aus acht Partien geholt 6 2 0 war ohne Niederlage geblieben und hatte seinen Status als weltbester Spieler allen Kritikern zum Trotz eindrucksvoll untermauert Finale Doppelrundenturnier Spieler 1 2 3 4 5 Punkte Preisgeld in R1 Deutsches Reich nbsp Emanuel Lasker 1 1 1 1 1 1 13 12002 Kuba nbsp Jose Raul Capablanca 0 1 1 0 1 1 13 8003 Russisches Kaiserreich 1883 nbsp Alexander Aljechin 0 0 0 1 1 1 10 5004 Deutsches Reich nbsp Siegbert Tarrasch 0 0 1 0 0 0 8 3005 Vereinigte Staaten nbsp Frank Marshall 0 0 0 0 0 1 8 250Zusatzlich zu den normalen Preisgeldern wurden von dem aus Amos Burn Eugene Znosko Borovsky und S J Pollner bestehenden Schiedsgericht drei Schonheitspreise an die folgenden Spieler vergeben Preistrager Summe in R Grund BemerkungJose Raul Capablanca 125 Sieg uber Ossip BernsteinSiegbert Tarrasch 75 Sieg uber Aaron NimzowitschJoseph Henry Blackburne 50 Sieg uber Aaron Nimzowitsch Spezial PreisDes Weiteren war ein Preis in Hohe von 100 Rubel fur das beste Ergebnis gegen die Preistrager ausgesetzt worden der zu gleichen Teilen zwischen Akiba Rubinstein Dawid Janowski Aaron Nimzowitsch und Ossip Bernstein geteilt wurde Folgen und weiteres Geschehen BearbeitenVor und noch wahrend des Sankt Petersburger Turnieres wurde weithin davon ausgegangen dass der teilnehmende Akiba Rubinstein als einer der weltweit starksten Spieler und potentieller Anwarter auf den Weltmeistertitel bald eine Herausforderung an Lasker stellen wurde Nach seinen enttauschenden Leistungen in der ersten Runde scheiterten jedoch Verhandlungen uber ein Weltmeisterschafts Match Stattdessen blieb Emanuel Lasker ohne weitere Verteidigung noch gut sieben Jahre Weltmeister ehe er im Wettstreit mit Jose Raul Capablanca 1921 nach enttauschenden Leistungen aufgab und der Titel an den Kubaner uberging 1927 verlor Capablanca die Weltmeisterschaft gegen den mittlerweile in Frankreich eingeburgerten Alexander Aljechin Dieser hielt sich mit einer zweijahrigen Unterbrechung 1935 1937 Max Euwe bis zu seinem Tod 1946 der das Interregnum zur Folge hatte an der Spitze der internationalen Schachwelt Rezeption in der Belletristik BearbeitenDie fiktive Handlung des Romans Zugzwang des nordirischen Schriftsteller Ronan Bennett spielt im Fruhjahr des Jahres 1914 in Sankt Petersburg vor dem Hintergrund des Schachturniers 3 Im Mittelpunkt des 2006 zunachst als Fortsetzungsroman in der britischen Wochenzeitung The Observer erschienenen Kriminalromans steht die fiktive Person des Psychoanalytikers Otto Spethmann der den Akiba Rubinstein nachempfundenen in ein Komplott verstrickten Schachmeister Awrom Rozental behandelt 4 5 In einer Schlusselszene des Romans kommt eine Partie aus der Vorrunde des Turniers zwischen Emanuel Lasker und Akiba Rubinstein im Roman Awrom Rozental vor in deren Endspiel das fur den Roman namensgebende Motiv des Zugzwangs zum Tragen kommt 6 Literatur BearbeitenSiegbert Tarrasch Das Grossmeisterturnier zu St Petersburg im Jahre 1914 Sammlung samtlicher Partien mit ausfuhrlichen Anmerkungen 2 Auflage H Hedewigs Nachf Leipzig 1921 The grand international masters chess tournament at St Petersburg 1914 the whole of the games with notes both original amp compiled from various sources McKay Philadelphia 1914 Digitalisate bei HathiTrustEinzelnachweise Bearbeiten Formulas gefunden auf chessmetrics com Abgerufen am 21 November 2013 Pachman Ludek Pachman s Decisive Games Pitman Publishing London 1975 ISBN 978 0 679 13063 5 S 65 Ronan Bennett Zugzwang Bloomsbury Berlin Verlag Berlin 2007 ISBN 978 3 8270 0681 3 Steven Poole The Great Game In The Guardian online 8 September 2007 1 abgerufen am 20 Mai 2023 Christian Kortmann Dirty Talk und Damengambit In Suddeutsche Zeitung online 17 Mai 2010 2 abgerufen am 20 Mai 2023 John Chernoff The Great Saint Petersburg Tournament of 1914 Part One Everyone Expects the Spanish Inquisition In Chess com 24 Juli 2014 3 abgerufen am 20 Mai 2023 Weblinks BearbeitenGeorg Marco Das Grossmeisterturnier von St Petersburg In Wiener Schachzeitung Jahrgang 1914 Heft 4 9 Seite 80 ff in ANNO AustriaN Newspapers Online Turnierprogramm ausfuhrlicher Bericht und kommentierte Partien St Petersburg Tournament In chessgames com Kurzer Bericht Tabellen und Partien zum Schachturnier Andre Schulz Fotofinish in St Petersburg In ChessBase Schachnachrichten Artikel uber das Schachturnier anlasslich dessen einhundertjahrigen Jahrestags Samuel Kahn A Century of Chess St Petersburg 1914 Part 1 Part 2 In Chess com Blogs Artikelserie zum Schachturnier Steve Rosenberg St Petersburg 1914 The door to another age In Magazines BBC News Am 9 Januar 2014 auf BBC Radio 3 im Rahmen der Serie Music on the Brink uber funf europaische Hauptstadte am Vorabend des Ersten Weltkriegs gesendeter Essay in dem ausfuhrlich auf das Schachturnier eingegangen wird Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schachturnier zu Sankt Petersburg 1914 amp oldid 238189042