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Flavius Ricimer oder Rikimer um 405 18 August 472 war Magister militum Heermeister und Patricius des westromischen Reichs Ricimer Darstellung des 18 Jh Libius Severus auf einem As Auf der Ruckseite ist das Ricimer Monogramm eingepragt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Ricimer und Avitus 1 2 Ricimer und Majorian 1 3 Ricimer und Libius Severus 1 4 Ricimer und Anthemius 1 5 Ricimer und Olybrius 2 Bewertung 3 Literatur 4 AnmerkungenLeben BearbeitenRicimer wurde zwischen 405 und 420 geboren und war arianischer Christ Sohn eines Adligen aus dem Volk der Sueben und einer Tochter des westgotischen rex Wallia Er wurde im Romischen Reich wahrscheinlich in Hispanien geboren romisch erzogen und machte Karriere in der kaiserlichen Armee Seine Jugend verbrachte er am Hof des Kaisers Valentinian III wo er Kampferfahrung als Offizier unter Aetius gewann Spater diente er unter Valentinians magister militum im westlichen Teil des Romischen Reichs Ricimer und Avitus Bearbeiten Die Morde an Aetius und Valentinian 454 bzw 455 erzeugten ein Machtvakuum im Westen Zunachst versuchte eine Gruppe um den stadtromischen Senator Petronius Maximus die Kontrolle uber den kaiserlichen Thron zu erlangen aber Maximus wurde Ende Mai 455 nach wenigen Wochen Herrschaft im Zusammenhang mit der Belagerung Roms durch den Vandalen Geiserich von der aufgebrachten Bevolkerung erschlagen Nachdem Geiserich Rom geplundert aber keinen neuen Kaiser eingesetzt hatte wurde auf Druck der gallo romischen Aristokratie und mit Unterstutzung der westgotischen foederati der gallische Senator Avitus zum Kaiser gemacht der bei seiner Ankunft in Ravenna im Herbst 455 Ricimer zum zweiten Heermeister und Kommandeur der verbliebenen romischen Truppen in Italien ernannte Als erster Heermeister fungierte der Offizier Remistus Der tatsachliche Machtbereich Westroms war jetzt faktisch im Wesentlichen auf Italien den Alpenraum einen Grossteil des sudlichen Galliens und Teile Hispaniens reduziert wobei der Regierung die Kontrolle uber Hispanien bereits entglitt Ricimer stellte eine neue Armee und Flotte auf die er insbesondere aus den germanischen Soldnern rekrutierte die fur ihn gerade greifbar waren die daneben aber auch regulare romische Truppen umfassten Nachdem er 455 Rom verlassen hatte hatte Geiserich eine machtige Flotte zuruckgelassen die die italische Kuste blockierte da er Avitus als seinen Feind betrachtete Ricimer gelang es die Vandalen 456 in einer Seeschlacht bei Korsika und in einer Landschlacht bei Agrigent auf Sizilien zu schlagen Gestarkt durch die so erlangte Popularitat gewann Ricimer offenbar die Zustimmung des Senats fur eine Revolte gegen Kaiser Avitus und dessen ersten Heermeister und patricius Remistus Remistus wurde getotet Avitus wenig spater im Bundnis mit dem Gardekommandeur Majorian am 16 Oktober 456 in einer blutigen Schlacht bei Piacenza besiegt Der Kaiser dessen westgotische Verbundete fernab in Spanien Vandalen und Sueben bekampften wurde obwohl ihm nun Westgoten zur Hilfe eilten auf der Flucht gefangen genommen abgesetzt und zunachst zum Bischof von Piacenza gemacht kurz darauf aber getotet Der Schwerpunkt des Westromischen Reiches verlagerte sich damit von Gallien wieder nach Italien Die Halbinsel sollte fortan die zentrale Machtbasis Ricimers bilden Ricimer und Majorian Bearbeiten Ricimer wurde im Februar 457 von Leo dem neuen ostromischen Kaiser zum ersten Heermeister und patricius erhoben und unterstutzte bald darauf die Erhebung seines alten Kampfgefahrten Majorian zum westromischen Kaiser der nach einigem Zogern auch von Leo als Herrscherkollege akzeptiert wurde Majorian war dabei keineswegs eine Marionette Ricimers sondern sein Partner beide einte zunachst das Ziel Italien zu sichern und Africa von den Vandalen zuruckzuerobern In einer Rede vor dem romischen Senat erklarte der neue Kaiser er werde sich das militarische Oberkommando mit seinem patricius Ricimer teilen 1 Majorian erwies sich als guter Regent und machte sich bald zunehmend selbststandig Er zog selbst an der Spitze eines Heeres uber Gallien wo er den westgotischen Widerstand brach nach Spanien wurde jedoch offenbar durch Verrat 460 in der Nahe des modernen Cartagena von Geiserich geschlagen Schlacht bei Cartagena wahrend er versuchte einen Feldzug gegen ihn zu organisieren um Africa den Vandalen zu entreissen Geiserich konnte die romischen Schiffe vernichten und die Invasion auf diese Weise verhindern Danach zog sich der Kaiser nach Gallien zuruck verzogerte aber monatelang seine Heimkehr nach Italien Ricimer betrieb derweil aus unklaren Grunden seine Absetzung uberrumpelte Majorian der sich schliesslich doch auf den Weg nach Rom gemacht hatte und veranlasste am 7 August 461 funf Tage nach dem erfolgreichen Putsch seine Hinrichtung Anschliessend nahm sich der Heermeister eine Reihe kaiserlicher Privilegien heraus und erschien auch in Inschriften an der Stelle des Kaisers aber nach einer Weile entschied er sich dafur doch wieder einen Augustus zu erheben Ricimer und Libius Severus Bearbeiten Ricimer verbrachte den Rest seines Lebens als De facto Regent dessen was vom Westromischen Reich ubrig war wobei seine Art Macht auszuuben ihn zu einer der kontroversesten Gestalten dieser Zeit machte Moglicherweise wegen seines Arianismus und seiner barbarischen Herkunft dachte Ricimer nicht daran selbst den Titel eines Augustus Kaisers anzunehmen 2 aber seine Macht uber die in Ravenna oder Rom residierenden Kaiser gab ihm Ansehen und Einfluss bei den zumeist germanischen Kriegern die nun Gallien Spanien und Africa kontrollierten Dies liess ihm zwei Moglichkeiten Den kaiserlichen Hof in Ravenna aufzulosen und offiziell als dux oder Statthalter des Kaisers in Konstantinopel zu agieren oder eigene Figuren auf den Thron zu setzen und durch sie zu regieren Er wahlte den zweiten Weg und ging dabei moglicherweise sogar so weit seinen Namen auf die Munzen neben den des Kaisers zu setzen die Interpretation der Munzen ist umstritten 3 dabei spricht alles dafur dass es ihm nicht nur um personliche Macht sondern auch um den Erhalt des Reiches ging Westrom wurde damit allerdings endgultig zu einem von einer Militarjunta kontrollierten Gemeinwesen Der von Ricimer ausgesuchte Nachfolger Majorians war der Senator Libius Severus der sich fugsamer als Majorian zeigte sich aber der Missbilligung durch Leo im Osten und der Rivalitat von Aegidius in Gallien gegenubersah Aegidius der von seinem Freund Majorian als magister militum per Gallias eingesetzt worden war sagte sich 461 von Ricimer los und versuchte im romisch verbliebenen Nordgallien einen eigenen Herrschaftsbereich mithilfe der dortigen Truppen im Alleingang zu sichern Ricimer setzte nun den zuvor abgesetzten Agrippinus einen alten Rivalen des Aegidius als neuen Heermeister fur Gallien ein der die Westgoten gegen Aegidius mobilisierte doch dieser konnte sich in Nordgallien behaupten Severus wurde derweil niemals von Ostrom als legitimer Kaiser des Westens anerkannt Nach seinem Tod 465 eventuell durch von Ricimer verabreichtes Gift doch ist dies reine Spekulation regierte der Kaisermacher uber 18 Monate ohne einen Kaiser In dieser Zeit galt der ostromische Kaiser Leo als Herrscher des gesamten Imperium Romanum und wurde als solcher auch im Westen anerkannt Ricimer und Anthemius Bearbeiten Doch noch verlangten einflussreiche Kreise in Italien Soldaten ebenso wie Senatoren nach einem eigenen Augustus des Westens Schliesslich nach einer langeren Debatte in der er und auch sein Feind Geiserich versuchten Leo ihre eigenen Kaiserkandidaten aufzudrangen akzeptierte Ricimer schliesslich Leos Vorschlag Anthemius der gemeinsam mit starken ostromischen Truppen 467 nach Italien kam Nur auf diese Weise war es moglich dem Westen mit ostlicher Hilfe eine Uberlebenschance zu geben indem nun eine Attacke auf Geiserich geplant wurde Ricimer heiratete Anthemius Tochter und kooperierte fur einige Zeit mit seinem neuen Kaiser und Schwiegervater Ziel war es nun endlich wieder Nordafrika der Kontrolle Ravennas zu unterstellen In dem grossen Vandalenfeldzug den Leo und Anthemius 468 gegen Geiserich anstrengten kommandierte Ricimer einen Teil der romischen Streitkrafte Dabei unterstellten ihm spatere Quellen dass er im Geheimen das Scheitern der Expedition gewollt habe das schliesslich auch eintrat Allerdings hatte Ricimer zweifellos kein Interesse an einem Sieg Geiserichs so dass kaum zu klaren ist was wirklich geschah eine Schuld des Heermeisters ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich Als Anthemius aber nach der Niederlage noch im Jahr 470 versuchte militarisch gegen Ricimers Freund und Verwandten den Westgotenkonig Eurich der Ende 468 das Bundnis mit Rom aufgekundigt hatte vorzugehen und Gallien wieder unter romische Kontrolle zu bringen scheint es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen Kaiser und Heermeister gekommen zu sein Hinzu kam dass der Feldzug scheiterte da die von Anthemius Sohn Anthemiolus gefuhrte kaiserliche Armee von den Westgoten vernichtend geschlagen wurde Fortan verfugte Anthemius der sich in Italien zunehmend unbeliebt machte uber keine militarische Machtbasis mehr Ricimer und Olybrius Bearbeiten 471 eskalierte der Konflikt Wohl Ende 470 hatte der Kaiser den magister officiorum Romanus hinrichten lassen da dieser offenbar nach dem Thron gestrebt hatte Da aber Romanus ein Anhanger Ricimers gewesen war zog dieser nun mit einer Armee aus foederati nach Mediolanum um Anthemius den Krieg zu erklaren Epiphanius 438 439 496 der Bischof von Pavia vermittelte einen kurzzeitigen Waffenstillstand nach dessen Ende Ricimer mit seiner Armee aber wieder vor Rom stand wo Anthemius nun residierte Jetzt suchte der Heermeister offenbar ein Bundnis mit den bisherigen Todfeinden den Vandalen Er proklamierte Olybrius zum Kaiser den Kandidaten den Geiserich schon seit Jahren favorisiert hatte und eroberte die Stadt nach dreimonatiger Belagerung am 1 Juli 472 Anthemius wurde getotet und Rom wurde zur Beute fur Ricimers Soldaten dies war die dritte Plunderung der Ewigen Stadt seit 410 Er selbst starb aber nur zwei Monate spater uberraschend an einem Fieber und Blutsturz Der Titel des patricius ging auf seinen Neffen Gundobad uber den das Heer Italiens nun zum Anfuhrer wahlte Bewertung BearbeitenSehr lange sah man Ricimer als Barbaren der nur seine eigenen Interessen verfolgt habe wahrend die neuere Forschung ihn als einen romischen General und durchaus loyalen Diener des Reiches sieht Allerdings war Ricimer ganz auf Italien und Nordafrika das fur die Versorgung der Halbinsel uberlebenswichtig war konzentriert und stellte die Interessen von Gallien und Hispanien notgedrungen hinten an Die knapp zwei Jahrzehnte in denen er faktisch das westromische Reich regierte waren insgesamt durch eine fortschreitende Desintegration gepragt die sich unter Ricimer noch beschleunigte da die Legitimitat seiner Machtstellung ausserhalb Italiens nicht akzeptiert wurde Da sich Ricimer offensichtlich als der eigentliche Machthaber sah kam es zu Konflikten mit den selbstbewussten Kaisern Majorian und Anthemius die zum Verfall des Reiches beitrugen Das Ansehen des westlichen Kaisertums und der zivilen Administration war im Verlauf des funften Jahrhunderts immer mehr erodiert so dass angesichts der schwierigen Lage immer mehr Macht in die Hande der Militars uberging Diese waren teils romischer Flavius Constantius Bonifatius Aetius Aegidius Orestes teils barbarischer Herkunft Stilicho Ricimer Gundobad Odoaker doch war all diesen spatantiken Warlords gemein dass sie zunehmend Partikularinteressen und das Wohlergehen ihrer jeweiligen Anhanger uber das Gemeinwohl stellten und so entscheidend zur Desintegration des Westromischen Reiches beitrugen Literatur BearbeitenFriedrich Anders Flavius Ricimer Macht und Ohnmacht des westromischen Heermeisters in der zweiten Halfte des 5 Jahrhunderts Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd 1077 Lang Frankfurt am Main u a 2010 ISBN 978 3 631 61264 4 Zugleich Berlin Humboldt Universitat Dissertation 2009 Rezension von Timo Stickler Henning Borm Westrom Von Honorius bis Justinian Urban Taschenbucher Bd 735 Kohlhammer Stuttgart 2013 ISBN 978 3 17 023276 1 S 94 ff John B Bury History of the Later Roman Empire From the death of Theodosius I to the death of Justinian Band 1 Dover New York NY 1958 Nachdruck der Ausgabe von 1923 Max Flomen The Original Godfather Ricimer and the Fall of Rome In Hirundo Bd 7 2009 2010 ZDB ID 2604525 4 S 9 17 Digitalisat PDF 291 85 kB Andrew Gillett The Birth of Ricimer In Historia Bd 44 Nr 3 1995 S 380 384 JSTOR 4436388 Stefan Krautschick Ricimer ein Germane als starker Mann in Italien In Barbara Scardigli Piergiuseppe Scardigli Hrsg Germani in Italia Consiglio Nazionale delle Ricerche Rom 1994 ISBN 88 8080 004 3 S 269 287 Guy Lacam Ricimer Un Barbare au service de Rome Amateurs de Livres u a Paris 1986 ISBN 2 905053 17 8 Zugleich Lille Universitat Dissertation Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford University Press Oxford u a 2002 ISBN 0 19 925244 0 S 167 ff John Michael O Flynn Generalissimos of the western Roman Empire University of Alberta Press Edmonton 1983 ISBN 0 88864 031 5 Pascal Oswald Totengraber des Westromischen Kaisertums Magister Militum Flavius Ricimer und die letzten Augusti der pars Occidentis In Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde 42 2020 S 10 45 Leighton Robert Scott Antibarbarian Sentiment and the Barbarian General in Roman Imperial Service The Case of Ricimer In Janos Harmatta Hrsg Proceedings of the VIIth Congress of the International Federation of the Societies of Classical Studies Actes du VIIe Congres de la Federation Internationale des Associations d Etudes Classiques Band 2 Akademiai Kiado Budapest 1984 ISBN 963 05 2930 0 S 23 33 Anmerkungen Bearbeiten Nov Maior 1 Friedrich Anders Flavius Ricimer Macht und Ohnmacht des westromischen Heermeisters in der zweiten Halfte des 5 Jahrhunderts Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd 1077 Lang Frankfurt am Main u a 2010 ISBN 978 3 631 61264 4 Zugleich Berlin Humboldt Universitat Dissertation 2009 S 357 361 Dazu Friedrich Anders Flavius Ricimer Macht und Ohnmacht des westromischen Heermeisters in der zweiten Halfte des 5 Jahrhunderts Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd 1077 Lang Frankfurt am Main u a 2010 ISBN 978 3 631 61264 4 Zugleich Berlin Humboldt Universitat Dissertation 2009 S 173 179 Normdaten Person GND 118788779 lobid OGND AKS LCCN nr89001775 VIAF 62344870 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME RicimerKURZBESCHREIBUNG Magister militum des westromischen ReichsGEBURTSDATUM um 405STERBEDATUM 18 August 472 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ricimer amp oldid 232808563